Die österreichische Krisei!

Wien , 19. Oktober 1933. Das wichtigste Ereignis der letzten Tage ist der Parteitag der österreichischen Sozialdemokratie, der Repräsentantin von 42 Prozent des österreichischen Volkes. Der Parteitag ergab die volle Einigkeit und ungeschwächte Kampfkraft der Bewegung. Die Vertreter der wichtigsten Parteien der In­ternationale waren erschienen und aus ihren Worten flang die praktische Solidarität des Weltsozialismus mit dem österreichischen. Besondere Beachtung verdienen die Reden R. W. Smiths, des Vorsitzenden der Labour Party und Leon Blums . Smith betonte, daß er nicht nur als Sozialist, son­dern auch als Bürger der Zivilisation" sein Wort gegen den braunen und überhaupt gegen jeden Faschismus erhebe; die Labour Party sei bestrebt, in England selbst ihren Ein­fluß gegen den Faschismus in Desterreich geltend zu machen. Leon Blum wandte sich namentlich gegen jene öster­reichischen Kreise, die in der internationalen Organisation des Proletariats" Hochverrat" und" Einmischung" sehen; et erinnert gerade jene Kreise daran, daß Desterreich die Lausanner Anleihe nur den Stimmen der französischen Sozialisten verdanke: Die niemals erfolgt wäre, außer mit unseren Stimmen, ja, unter unserem Drucke und unserer Bürgschaft. Wir haben diese Bürgschaft damals gegeben und die Rolle, die wir damals eingenommen haben, erklärt voll ständig und durchaus die Haltung, die wir heute zur öster­reichischen Frage einnehmen." Blum führte aus, warum die Sezialisten so wirksam für die österreichische Republik ein getreten seien und fährt fort: An dem Tage, an dem es offenfundig wurde, daß die österreichische Regierung sich der Hilfe, die ihr die westlichen Demokraten gegeben haben, be= Stent, um die republikanischen Einrichtungen dieses Landes zu bedrohen oder gar zu zerstören, an diesem Tage, da es offenkundig wurde, daß die österreichische Regierung darauf aus ist, in diesem Lande eine faschistische Diktatur aufzurich ten, da hat es feine Mahnung mehr von außen bedurft, um für uns die Notwendigkeit zu schaffen, daß wir unserer Re­gierung und unserer Oeffentlichkeit sagen, daß damit, mit diesem Wechsel in der Haltung der österreichischen Regierung, unsere Zustimmung zur österreichischen Anleihe in ihrem Sinn verfälscht und mißbraucht wurde und daß wir in die­ser Frage unserer Regierung nunmehr eine ebenso unbe= dingte Opposition ankündigten, wie vordem unsere Zu­stimmung unbedingt war."

Nach den ausländischen Delegierten analysierte Otto Bauer in einem zweistündigen, überaus klaren Referat, die österreichische Situation. Nach einer langen und ein­dringlichen Diskussion wurde einstimmig eine Resolu= tion angenommen, in der die Partei sich nochmals bereit erflärt, an einer friedlichen Entwirrung der Staats­Irise mitzuwirken; sollte aber die Regierung den Weg des

Friedens versperren, dann nehme sie damit die Verant­wortung für alle Furchtbarkeiten des Kampfes auf sich. Wenn die Regierung nicht einlenkt, dann wird die Krise als Lösung den Kampf finden. Wie immer dieser Kampf ausgehen mag, dem Faschismus wird es sehr bald klar sein, daß die Niederwerfung der Arbeiterschaft nur um einen furchtbaren und hohen Preis möglich ist. Der Wille zum Kampf, wenn die Regierung die letzte Gelegenheit zum Frieden versäumt. sprach aus allen Reden; nicht nur die Industriearbeiter, auch die Hand- und Forstarbeiter, die Kleinbauern, die Beamtenvertreter furz alle Delegierte gaben ihrer Entschlossenheit deutlichen Ausdruck. Die Ver­ontwortung für alles Kommende ruht auf der Regierung; fie hat die Wahl zwischen Bürgerfrieden und Bürgerkrieg. Selbst aus den sehr stark zensierten Berichten konnte die Regierung fich ein Bild davon machen, was die stärkste österreichische Partei über die Lage denkt. Die schwächste österreichische Partei, die Heimwehren, schreien, man müſſe Sozialdemokratie und Gewerkschaften auflösen. Namentlich gegen Blum wird geheult; dennoch versichern eingeweihte Persönlichkeiten, daß Dollfuß und mancher andere Christ­lichsoziale nachzudenken begännen. Man wird ja das Resul­tat dieser Gedanken bald zu sehen bekommen.

Die Lage ist dennoch immer noch so gespannt wie vorher. Den Heimwehrleuten ist es gelungen, die für den 16. Otto­ber geplanten roten Versammlungen, in denen u. a. Vander­velde hätte sprechen sollen, verbieten zu lassen. Am gleichen Abend fand ein Heimwehrumzug statt, an dem maximal 600 Mann teilnahmen.

Aus Reden der Heimwehrführer scheint hervorzugehen, daß diese eine Anlehnung bei den Nazi suchen wollen. Das Lager der österreichischen Legion auf dem Lechfeld ist ver­legt worden. Man interpretiert diese Verlegung als den Verfuch fünftig die Grenzstreitigkeiten zu vermeiden, die bisher täglich vorfamen. Im Streit gegen die Reichsrund­funt- Gesellschaft hat Desterreich eine solche Haltung ein­genommen, daß Deutschland in der Tat Sieger geblieben ist. Kurz, augenblicklich siehts. wieder so aus, als sollte Frieden mit Hitler geschlossen werden, selbst die Krawalle auf den Hochschulen, die übereifriae Nazistudenten veranstalten, schei­nen die Neigung für Hitler nicht zu stören. Ueber die Be­deutung des Austritts aus dem Völkerbund und die son­stigen deutschen Tollheiten der Außenpolitik gibt man sich hier noch nicht Rechenschaft.

In all der Verworrenheit und Bedenkenlosigkeit der re­gierenden Kreise ist allein der feste Wille der Arbeiter­Lewegung, Faschismus und Vergewaltigung nicht zu dul­den, der einzige klare und deutliche Gedanke österreichischer Politif Die österreichische Sozialdemokratie weiß, daß sie eine Aufgabe für das ganze demokratische Europa zu erfül­len hat und sie wird diese Aufgabe erfüllen.

Militärische Besetzung Oesterreichs ?

Die Rede Bauers auf dem Parteitag der österreichischen Sozialdemokratie enthält sensationelle Einzelheiten

Am letzten Tag des Parteitages der österreichischen Sozial­demokratie faßte Otto Bauer die politische Situation in einem Schlußwort zusammen. Er erklärte:

Ich habe in meinem Referat darüber gesprochen und dar­gelegt, daß es unzweifelhaft auch Kräfte im gegnerischen Lager gibt, die nach einer friedlichen Entwicklung drängen. Ich habe festgestellt, wie stark diese gegnerischen Kräfte sind und wie gering doch die Wahrscheinlichkeit ist. daß sich die friedlichen Kräfte durchsetzen. Darüber werden alle Genossen, die ernst nachdenken, einer Meinung sein, wenn eine Möglichkeit bestünde, daß Oesterreich zu einer Demokratie und damit zur Bewegungsfreiheit der Ar­betterklasse wieder zurückzukehren vermöchte auf dem Wege einer Verständigung mit einer verständigungs­bereiten Gruppe unserer Gegner, dieselbe nicht ausgeschla­gen werden dürfte. Aber wir müssen damit rechnen, daß es wahrscheinlicher ist, daß diese Möglichkeit uns nicht ge­geben wird.

Wir alle rechnen mit der Notwendigkeit des Kampfes und wir wissen, daß, wenn jene Möglichkeit einer fried­lichen Entwirrung nicht mehr bestehen sollte, sie nur wieder herbeigeführt werden kann durch die Entschlossenheit der Arbeiter zu int Stampfe. Deswegen steht natürlich für uns auf diesem Parteitag das Problem des Kampfes im Vordergrund. Genosse Otto Bauer kam dann auf die Frage der bekannten vier Punkte zu sprechen, und erklärte, man dürfe sich keinen Illusionen hingeben; es fönne sehr leicht einer dieser Fälle eintreten.

Herr Dollfuß steht unter einem immer stärkeren Druck der Heimwehr und er wird bald keine andere Wahl mehr haben, als entweder diese Dinge zu tun oder mit der Heimwehr Schluß zu machen.

Aber auch auf andere Ereignisse wird die österreichische Arbeiterschaft gefaßt sein müssen. Die Möglichkeit, daß ausländische Mächte Desterreich beseßen könnten, ist viels leicht nicht so fern, als manche von uns meinen.

Es gibt Anlaß zu glauben, daß bei gewissen Verhand­Yungen mit Mussolini in Riccione diese Möglichkeit nicht ausgeschlossen wurde. Ich halte diese vier Punkte für etwas ganz Wesentliches, man darf sie aber nicht als eine tagative Aufzählung nehmen, wir können ja nicht wissen, ob sich die Sachen nicht ganz anders entwickeln. Aber es muß der Masse klar gemacht werden: Es gibt Dinge, die Ihr Euch nicht gefallen lassen werdet und wo 3hr 3um& ampf mit allen Mitteln übergehen merdet!

Zum Schluß seiner Ausführungen sprach Otto Bauer noch einmal über die Frage, die er als ungeheuer wichtig bezeich nete, nämlich die Frage der etwaigen Landesver teidigung Oesterreichs gegen einen Einfall aus Deutschland . ket

Ich halte, sagte Otto Bauer , diese Frage zwar augen­blicklich infolge der Nachrichten aus Deutschland für weni­ger aktuell, als sie es vor drei Tagen war, aber sie kann wieder aktuell werden. Die Landesverteidigung, zu der sich unsere Genossen in den westlichen Bundesländern ent­schlossen haben, kam in einer Erklärung an die Regierung zum Ausdruck:

Wir sind bereit

uns gegen die braunen Faschisten zu mehren, denn wir wissen. wir würden ihre ersten Opfer sein. Deswegen ver­langen wir, daß man uns feine Hindernisse bereite, eine Arbeiterlegion aufzustellen und sie zu be waffnen.

Gutgehendes Manufakturwarengeschäft

im Zentrum Lüttichs, mit gutem Warenbestand, umständehalber zu verkaufen.

477-79

Offerten an die Ausgabestelle der ,, Deutschen Freiheit" Brüssel XL, 38, Rue d'Edimbourg.

Wo speist man gut und billig

in Brüssel

Restaurant à la Fourchette 22, rue St. Michel, 22. 1. Querstraße rechts vom Platz Brouckère. Diners u. Soupers à 6,00, 8,00 u. 10,00 Frs Flüchtlinge aus Deutschland erhalten 5% Rabatt aut alle Speisen. Geöffnet von 12 Uhr morgens bis 12 Uhr nachts.

Tél. Trinité 43-13 Métro: Pigalle

a) Allgemeine

NOT

-

LE

POULOU POULOU

116, CHAMPS ELYSÉES Dir. Rolf Thisenhausen

G

PARIS

DANCING

CABARET

Täglich: Nachmittags 4.30 Uhr Abends 8.30 Uhr

Zeitgemäße Preise

Pilsner Urquell

Tel. Balz. 48.13 bis 15

BRIEFKASTEN

An unsere Mitarbeiter: Wir erhalten täglich eine Menge von Beiträgen, die eine Zeitung von dem mehrfachen Umfange, unfres Blattes füllen würden. Es kann also nur ein Teil der Manuskripte angenommen werden. Wir bemühen uns, die sachlich besten Bei­träge auszuwählen. Da wir eine recht kritische Leserschaft haben, müssen wir schon darum Einsendungen, die mehr Worte als Inhalt bringen, zurückweisen. Es werden mehr Tatsachen als Urteile ver langt. Unser Verbreitungsgebiet erstreckt sich über viele Länder. Die Beiträge dürfen also auch nicht nur lokale oder provinzielle Be deutung haben, sondern müssen allgemeiner Beachtung wert sein. Das kann natürlich auch auf Ereignisse in fleinen Orten zutreffen. Von größter Wichtigkeit ist, streng zuverlässig ohne Phantasie zu berichten. Lieber nehmen wir Vorwürfe wegen allzugroßer Aengstlichkeit von unsern Mitarbeitern hin, als daß wir den Preß lafaien Hitlers den Triumph gönnen, uns zu widerlegen.

Deutsche Chriften, Schweiz . Aus Ihrem Briefe spricht die innere Schwäche und ein deutliches Gefühl für die sittliche Kraft unserer Anklage. Sie versuchen, der Wahrheit auszuweichen, weil sie ganz richtig fühlen, daß Ihre jezige Ueberzeugung sie nicht er­tragen kann. Unser Ton" gefällt Ihnen nicht? Haben Sie schon einmal einige Kapitel in der Bibel gelesen? Wenn Ihnen das Alte Testament zu jüdisch ist, nehmen Sie das Neue. Da finden Sie Kraftworte wie diese:" Ihr Heuchler, Ihr Wölfe in Schafe pelzen, Ihr übertünchten Gräber, Ihr Otterngezüchte". Wie würden Sie über Schimpfereien sich aufregen, wenn wir solche Worte ge brauchten. Sie kamen aber, wenn die Evangelisten getreu berichten, aus dem Munde Jesu Chrifti.- Auch Martin Luther sollten Sie ein wenig studieren, damit Ihr zartes Gemüt sich an drastische Aus­drucksweise gewöhnt. Es ist übrigens nichts Neues, daß gewisse vornehme Naturen" sich über ein starkes Wort sittlich entrüsten, aber seelenruhig die Mißhandlung und die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen dulden.

-

llms liebe Brot". Von Ihrer Mitteilung, daß nun auch der früher linkradikale Walter Deh me gleichgeschaltet ist, nohmen wir Kenntnis. Von dem früheren Vorwärts"-Redakteur Wolfgang Schwarz ist das schon längere Zeit bekannt.

Dr. W. Soviel wir wissen, befindet sich der frühere Reichstags abgeordnete und agrarische Sachverständige der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion Baade schon seit einiger Zeit in einem Konzentrationslager in Pommern . Er ist nicht nur Sozialdemo frat, sondern auch mit einer Jüdin verheiratet, also doppelt fündig. Dr. F. Zürich . Besten Dank für die informierende Zusendung. Neunkirchen. Sehen Sie sich die Horst- Wessel - Bleistifte" noch einmal genau an. Der Text des Liedes ist doch etwas anders, und wir können nicht annehmen, daß er auf den Bleistiften verändert ist.

Zürich . Ihre Mitteilungen über das Schicksal der auch dort vers folgten Emigranten find interessant. Da Sie aber den einen Fall vertraulich behandelt wissen wollen, ziehen wir vor, auch der andern nicht zu veröffentlichen, da wohl ähnliche Bedenken gelten.

Für den Gesamtinhalt verantwortlich: Johann Pis in Dude weiler; für Inserate: Otto Ruhn in Saarbrücken . Rotationsdrud und Verlag: Verlag der Volksstimme GmbH., Saarbrücken S. Schüßenstraße 5.

Deutsche Poliklinik

Konsultationen

mit 9 Spezialisten

b) Chirurgie Zweistöckiges Sanato riumsgebäude. Die aller modernste Einrichtung

c) Geburtshilfliche

Klinik

Vierstöckiges Gebäude . Zimmer mit 1 bis 4 Betten

Paris , 62, Rue de la Rochefoucauld

d) Zahnärztliches Kabinett

Zahn- und Mundchirurgie

Ordination täglich von 9-12 und 2-8; Sonn- und Feiertags von 10-12 und 2-4 Uhr

Forderungs­einziehung

ol in Deutschland Handelsvertretung

Dr. jur. Karl Goldmann ehem. dtsch. Rechtsanwalt BRUSSEL

r.d. l'Enseignement 15 17 Rückporto. Besuchsanmel dung erbeten.

( 413-19

Achtung, Eltern!

Mein Jugendheim, bedeut. vergrößert, befindet sich jetzt in MARNES LA COQUETTE , 3" Grande Rue

20 Minuten vom Bahnhot St. Lazare, Paris Große Villa mit riesigem Park, fliel'endes Wasser in jedem Zimmer, Zentralheizung usw. Überleitung in die franz. Schulen. Gymnastik, Sport. Besondere

320

-

Säuglings Abteilung unter sachkundiger Aufsicht

FRAUDR. BERG

Librairie

,, PROGRES"

66, Lg. rue du Vanneau

ANVERS

Tel. 276.98

Moderne deutsche Buchhandlung, Leih­bibliothek, Zeitschriften und Zeitungsvertrieb Vertrieb der Deutschen Freiheit" tür Antwerpen und Annahme von Inseraten ,, BRAUNBUCH" vorrätig.

"

An- und Verkauf

zentraleuropäischer und südamerikani­scher Devisen Effekten und

REICHSMARK

durch das Bankhaus

Georges Perles& P. Miche!

34 RUE LAFFITTE. PARIS IX

TELEFON TAITBOUT 98-40 BIS 45

Wegen der Aufnahme von Inseraten und der Annahme von Abonnements in Belgien wende man sich schriftlich an die

audo

,, Deutsche Freiheit"

Ausgabestelle: BRUXELLES XL 38, Rue d'Edimbourg

Deutsche Bücher werden schnellstens zu Originalpreisen geliefert!