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Freiheil

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

Nummer 122-1. Jahrgang Saarbrücken , Samstag, den 11. November 1933

Chefredakteur: M. Braun

Aus dem Inhalt

Kampf um die Saar

Seite 2

Brandnacht

im Schlafwageen

Seite 3

Die moede in Duisburg

Seite 4

Der japanische

Faschismus Seite 5

Wahlschrecken im Reich

Rollkommandos der SA. treiben die Widerwilligen zur Wahlurne

Und wenn die Welt voll. Teufel wär, Und wollt uns gar verschlingen, So fürchten wir uns nicht so sehr, Es muß uns doch gelingen. Der Fürst dieser Welt,

Wie saur er sich stellt,

Tut er uns doch nichts;

Das macht: er ist gericht';

Ein Wörtlein kann ihn fällen.

Das Wort sie sollen lassen stahn

Und fein Dank dazu haben; Now 02

Er ist bei uns wohl auf dem Plan

Mit seinem Geist und Gaben.

Nehmen sie den Leib,

Gut, Ehre, Kind und Weib:

Laß fahren dahin,

Sie habens fein Gewinn

Das Reich muß uns doch bleiben.

intonidere X

Martin Luther , geb. 10. November 1483.

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Ganz Deutschland hinter Hitler

Zwang und Drohung

Aus dem Reiche gehen uns zahlreiche Briefe über den Druck zu, der zur sogenannten Reichstagswahl und Volks­abstimmung ausgeübt wird.

SA.- Leute gehen von Haus zu Haus und bevölkern trupp­meise die Straßen, um Plaketten zu verkaufen mit der In­schrift: Ich stimme mit Ja!" Es wird überall ausdrücklich erklärt, daß es 3 wang sei, diese Plakette über 20 Pfennig zu kaufen und bis zum 12. November zu tragen. Wer sich meigere, dies zu tun, zeige damit, daß er gegen die jetzige Re­sierung sei und habe sich die Folgen selber zuzu­schreiben.

Die Wohnungen von Familien, bei denen man annimmt, daß sie früher marristisch gewählt haben, werden systematisch " bearbeitet" und ihre Insassen unter Druck genommen.

Keine geheime Wahl

Besonders start entwickelt sich der Terror in Braunschweig , wie folgender Bericht zeigt:

Innerhalb der SA. und SS. herrscht eine fieberhafte Tätigkeit. Neben der bisher üblichen Wahlarbeit, die auf rein propagandistischem Gebiet vor sich geht, betätigt man sich auch auf dem Gebiete des Wahlterrors. Braunschweig daß durch feine Bestialitäten zu Beginn der nationalen Revolution in aller Welt berühmt geworden ist, möchte diesen Ruhm gerne halten oder gar steigern. Man erwartet in der Parteileitung der NSDAP ein nahezu hundertprozentiges Ja- Ergebnis. Um das zu erreichen, macht man nie gesehene Anstren gungen. Die SA. ist in fleinste Abteilungen aufgeteilt und auf einzelne Häusergruppen verteilt worden. Man hat große Liften aufgestellt, in denen alle mutmaßlichen und ficheren früheren Linkswähler verzeichnet wurden. Diese Einwohner werden besonders bearbeitet und durch Wahl­werber unter Druck gesezt.op di

Man sieht in den hiesigen Linkskreisen dem Wahltage mit Besorgnis entgegen, denn die SA. und SS. hat in der Ver­

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bezirk Nein- Stimmen vorhanden sind, sofort sagen kann, wer diese Nein- Stimmen abgegeben hat.

Wir müssen alles daransetzen, um nach oben zu beweisen, daß wir keine Dummtöpfe find in Deutschland , sondern daß wir eingesehen haben, daß noch keine Regierung in Deutsch land derartige Erfolge aufzuweisen hat, wie die Regies rung unseres Führers. Wir müssen aber auch dem letzten Bolksgenossen klar machen, daß wir mit dem Führer zus sammen sterben und fallen."

Die amtliche Terrorrede des braunschweigischen Oberbür germeisters ist wörtlich in der Braunschweigischen Landes­zeitung" Nummer 303 vom 1. November abgedruckt worden. Die Herren geben sich also in Braunschweig nicht einmal mehr Mühe, ihr Verbrechen und ihre Schande nach außen hin zu verbergen.

sholo pas. Kainszeichen"

gangenheit ihre Brutalität unter Beweis geftellt. Außerdem ist hier bekannt geworden, daß am Wahltage, von 12 Uhr mittags ab ein sogenannter Schleppdienst eingerichtet wird. Die Wahlschlepper haben die Aufgabe, alle Wahlsaboteure um jeden Preis an die Wahlurne zu bringen. Es wird also der etwa trotzdem die Absicht hat, nicht zur Wahl zu gehen niemanden möglich sein, der Wahl fern zu bleiben. Jedem, oder gar mit Nein zu stimmen, wird ganz offen Rache ange­droht. Die Bevölkerung ist so verschüchtert, daß zu erwarten ist, es werden zehntausende von Braunschweiger Wählern mit Ia stimmen, die bestimmt mit ein stimmen würden, wenn sie nicht Furcht um Leib, Leben und Eristens haben müßten.

In den Wahllokalen sind eine Reihe von Vorkehrungen getroffen worden, die eine genane Kontrolle der abge= gebenen Stimmen ermöglichen. Die Parteileitung der NSDAP . wird wenn nicht schon während der Wahl­handlung so doch spätestens bei Schluß derselben, genan wissen, wer mit Ja und wer mit Nein gestimmt hat.

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loses, strenges Auftreten an diesem Tage zur besonderen Allen im Wahltag tätigen Nationalsozialisten ist rücksichts­Pflicht gemacht worden. Nach der Beendigung aller Vor­bereitungen hat in Braunschweig in der vorigen Woche eine Amtswaltertagung stattgefunden. Auf dieser Tagung sprach der neugewählte Braunschweigische Oberbürgermeister Dr. Hesse, der Kreisleiter der NSDAP. in Braunschweig ist. Er

bestätigte die vorstehend gemachten Angaben in einer län geren Rede, die u. a. folgende Säße enthielt:

Wir werden am 12. November ab 12 Uhr mittags einen Wahlschleppdienst organisieren, der vor allen Dingen die lanen Brüder erfaßt. Wir werden sie aus ihren Wohnungen herausholen, denn sie sollen zum mindesten an diesem Tage wiffen, daß es mit der Lanheit in Deutschland vorbei ist. Wir müssen uns darüber klar sein, daß wir noch einmal die nächsten vierzehn Tage alles einsehen müffen, um auch diese Wahlschlacht in Braunschweig fiegreich zu gestalten.

Wir müssen auch zeigen, daß wir eine Organisation haben, die tatsächlich jetzt so eingespielt ist, daß jeder Block= wart am Abend des 12, November, wenn in seinem Stimas

Prinz Auwi hat am 1. November in einer großen Wahl­fundgebung in Hamburg gesagt:

" Ich weiß, daß es Kritiker gibt, die sagen, eine Wahl und ein Reichstag seien unnötig. Wenn es nach uns ginge, dann wären fie schon längst in der Rumpeltammer verschwunden. Es geht aber um die Auffassung der Welt!

Unser Führer in seiner Weisheit hat geglaubt, dieses Mittel, das den noch liberalistisch eingestellten Völkern ge= läufig ist, benußen zu müssen, um sie davon zu überzeugen, daß es eine unerhörte Lüge ist, wenn gefagt wird, das deutsche Volk lebe in Knechtschaft und sei nicht in der Lage, feine eigene Stimme zu erheben."

Also, sagt Hoheit, die Abstimmung soll den liberalistisch eingestellten Völkern beweisen, daß das deutsche Bolt seine Stimme frei und unbehindert erheben kann. Nachdem er das behauptet hat, fährt der hohe Herr wörtlich fort:

" Wer den verbrecherischen Gedanken haben sollte, fich dieser Wahl zu entziehen, der schädigt gleichzeitig seine eigene und feiner Kinder Zukunft.

Wir werden aber schon irgendwie erkennen, wer seine Pflicht nicht getan hat, und werden dafür sorgen, daß diese Menschen mit einem Kainszeichen auf der Stirn als Deutsche zweiter Klasse durchs Leben laufen sollen.( Stüre mischer Beifall.)

Das sagt Ihnen der Prinz von Preußen, der unendlich stolz darauf ist, in der Kampfzeit das braune Kleid seiner Kameraden tragen zu dürfen, nachdem der 9. November nach dem Wunsche internationaler Schufte auch ihm das Heimatrecht im deutschen Vaterlande entziehen sollte." ( Stürmischer Beifall.)

Angst vor Diskussionen

Angst vor

Die Nazipreffe in Dortmund teilt mit, es sei in letzter Zeit wiederholt Klage darüber geführt worden, daß auf dem alten Markt der Stadt Unna Gruppen von jungen und älteren Leuten zusammenstehen und alle möglichen und unmöglichen Diskussionen führen. An allen Ecken, mitten auf dem Platz, ta sogar unter dem Torbogen am alten Rathaus standen größere und kleinere Gruppen. Um dieser Unfitte des Um­herstehens," heißt es, die nebenher auch ein Verkehrs­hindernis darstellt, entgegen au steuern", wird streng gegen umherstehende Gruppen und Einzelpersonen vorgegangen