Fretheil

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

Nummer 137-1. Jahrgang Saarbrücken , Donnerstag, den 30. Nov. 1933

Chefredakteur: M. Braun

13 Todesurteile!

Aus dem Inhalt

Polizei kapituliect

Seite 3

Göcing als Kapitalsocgan

Seite 4

Mosse in SA.- Uniform

Seite 5

Saar Justizskandal

Seite 8

Jusecatenteil beachten!

Spaniens Wahlen ungültig?

Vor einer Staatskrise

Madrid , 29. Nov. El Socialista" behauptet, daß in einem gestern abgehaltenen Kabinettsrat Justizminister Asensi vorgeschlagen habe, das Wahlergebnis vom 19. Nos vember zu annullieren und die verfassunggebenden Cortes, die aufgelöst worden sind, erneut einzuberufen. Asensi bes

Dreizehnfache Sühne für einen erschossenen SA.: Mannabitige, als Proteft gegen die Wahlmanöver gewiffer Par­

Von der SA. verübte Morde bleiben straflos

Kommunisten

Dessan, 28. Nov.( Eig. Drahtm.) Nach vierstündiger Beratung verurteilte hente das Schwur­gericht im Hedlinger Mordprozeß wegen Erschießung des SA.- Mannes 3ieslik zehn angeklagte Kommunisten wegen gemeinschaftlichen Mordes zum Tode und zum dan­ernden Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte. Ein Angeklag­ter wurde freigesprochen. Schon im Juli dieses Jahres maren drei Kommunisten wegen dieses Mordes zum Tode verurteilt worden.

Das Urteil erfolgte auf Grund der Verordnung, die für sämtliche SA.- und SS. - Leute den besonders geschützten Be­amten, Richtern, Geschworenen, Schöffen usw. gleichsetzt und diesen priviligierten Schichten einen ähnlichen Schutz ge­währt, wie ihn in Monarchien die Herrscherfamilien genießen. Die Beteiligung der verurteilten Kommunisten an der Er­schießung des SA.- Mannes ist übrigens keineswegs nach­gewiesen. Ganz abgesehen davon, daß natürlich nicht alle 18 Kommunisten den Tod verschuldet haben können. Zu be­rücksichtigen ist auch, daß gerade in Deffan die Kommunisten nicht weniger unter dem Terror der Nationalsozialisten zu leiden hatten. Es wurde auf beiden Seiten geschlagen, ge= stochen und geprügelt. Auf beiden Seiten ist schon vor dem Tede Ziesliks viel Blut geflossen.

Nationalsozialisten

Aus Köln wird uns von einem angesehenen Bürger, dessen Zuverlässigkeit zweifellos ist, mitgeteilt: In unserer Stadt haust die SA. und die SS. seit den ersten Tagen der Re­volution schlimmer, als wir es bei der demokratischen Tra­dition Kölns und bei der alten rheinischen Kultur hätten erwarten dürfen. Unübersehbar ist die Zahl der schweren Mißhandlungen, Folterungen( auch im Polizeipräsidium), Verhaftungen, Verschickungen, Beraubungen und anderen Berfolgungen. Es ist nicht in einem einzigen Falle bekannt geworden, daß einer der schuldigen Nationalsozialisten be: straft oder auch nur in Untersuchung genommen worden wäre. Im Gegenteil sind einige der an den Scheußlichkeiten beteiligten Führer in hochbezahlte öffentliche Stellungen eingerückt. Von dort aus decken sie die Verbrechen ihrer Mit­Ichuldigen, und es scheint, daß der Kölner Regierungspräfi­dent und der Polizeipräsident, die trotz ihrer nationalsozia liftischen Gesinnung als ehrenhafte Beamten galten, zu ichwach oder zu ängstlich find, einzuschreiten. Wir haben aus der ausländischen Presse erfahren, daß der Reichsinnens minister Dr. Frid einen Erlaß gegen die Uebergriffe der A. herausgegeben hat. Bisher ist er wirkungslos geblieben, wie folgende Schandtat in Köln beweist.

SA und SS. - Leute brangen nachts gegen 12.30 Uhr in die Wohnung des früheren Kriminalbeamten und jetzigen Privatdetektivs Weide in Köln- Sülz ein, angeblich um eine ansluchung vorzunehmen. Sie beschuldigten Weide, er fei munist. Wahr jedoch ist, daß Weide teiner Partei

5

Im

Dienst"

seinen Rücktritt zu geben. Das Blatt schließt mit der Bemerkung, daß der heutige Tag von entscheidender Bedeutung sein werde. Eine Krise stehe unmittelbar bevor..

angehörte und sich überhaupt nicht politisch betätigt hat. Wahrscheinlich war er in seiner Eigenschaft als Privat: Jan Severin: detektiv einem der vielen Kriminellen in der SA. unbequem geworden, und es handelte sich wie bei so vielen Verhaf

fungen und Haussuchungen um einen persönlichen Nacheatt. Die Reichsmark

Natürlich blieb die Durchsuchung bei Weide ergebnislos. Die Eindringlinge fielen nun über den Mann her und schlugen ihn bewußtlos. Dann warfen fie ihn zwei Stockwerke hinunter auf die Steine des Hausflurs. Wahrscheinlich war Weide durch diesen Stura schon tot. Die Beftien im Ehren: Kleid des deutschen Reichskanzlers schleppten den leblosen Körper dann auf die Straße und schoffen ein paarmal auf die am Boden liegende blutige Maffe. Inzwischen waren die Hausbewohner und Nachbarn aufgeschreckt worden. Die Verbrecher zwangen eine Frau, die Blutlachen zu beseitigen, brohten allen Zeugen der Tat, daß es ihnen ähnlich ergehen werde, wenn sie etwas über das Verbrechen verlauten ließen und fuhren dann mit dem Leichnam davon.

Wie mir von unterrichteter Seite glaubwürdig versichert wird, ist keiner der Beteiligten perhaftet und gegen feinen eine Untersuchung eingeleitet worden. Ebensowenig wie gegen die SA.- Leute, die im Polizeipräsidium einen Kom munisten aus den Fenstern gestürzt haben und dann ver: künden ließen, es liege ein Selbstmord vor.

Glückliche Tiere

Im Reichsgesetzblatt wurde das neue Reichstierschutzgesetz veröffentlicht. Es sieht für das unnötige Quälen oder rohe Mißhandeln eines Tieres, das als Vergehen angesehen wird, Gefängnis bis zu zwei Jahren und Geldstrafe oder eine dieser Strafen vor. Dadurch soll die Mög­lichkeit geschaffen werden, daß Rohlinge besonders nachdrücklich bestraft werden können.

Lynch justiz verboten!

Nicht in Deutschland , sondern in USA .

Neuyork, 29. Nov. Die Haltung des Gouverneurs von Kalifornien , der, wie berichtet, das Lynchen von zwei des Mordes Beschuldigten ausdrücklich gebilligt hat, wird von den Blättern meist abfällig kritisiert mit der Begründung, daß es nicht die Sache eines Staatsgouverneurs fet, die Be­wohner zu gesezwidrigen Handlungen aufzufordern. Auch der Gouverneur von Maryland teilt offenkundig nicht die Ansicht seines Kalifornischen Kollegen, denn er hat den Trup­pen Anweisung gegeben, in der Stadt Salisbury bei der Verhaftung von neun Personen mitzuwirken, die ange­flagt sind, einen alten Neger gelyncht zu haben. Es gelang den Truppen, vier Verhaftungen vorzunehmen. Am Nach­mittag fam es in der Stadt zu scharfen Zusammenstößen mit einer großen Menschenmenge, wobei die Truppen vom Tränengas reichlich Gebrauch machten. Die Truppen konnten aber die verhafteten Personen in einem Lastfraftwagen ab­transportieren. In Süd- Carolina find elf weiße Männer verhaftet worden, die angeschuldigt werden, am 16. No­vember einen leger gelyncht zu haben.

Der Mörderchef

Aus München wird heute gemeldet, daß der Organisator und Führer der brannen Banditen, der oberste Stabschef Nöhm, zum Ehrenbürger des Freistaates Bayern ernannt worden ist.

Göring läß köpfen

Wie der amtliche preußische Preffedienst mit teilt, ist in Breslau der Arbeiter Kurt Ger ber aus Maliers( Kr. Dels) hingerichtet worden. Gerber hatte am 25. Oktober 1933 den SA- Mann Doktor durch mehrere Meffer tiche getötet. Der preußische Ministerpräsident what von dem Begnadigungsrecht keinen Ge­brauch gemacht, weil die Tat an einem be währten, anständigen er für die natin nalsozialistische Ber roher, heimtückischer begangen worden ist

n ungewöhnli .iftiger Wei

Wirtschaft und Währung

Als Herr Dr. Schacht vor einiger Zeit die Aenderung des Reichsbankstatuts und den Uebergang zur Offenen­Markt- Politik" verkündete, war man sich zwar über die Schwierigkeiten, die zu diesen valutapolitischen Maß­nahmen führten, ziemlich klar, aber man wußte auch, daß es zunächst eine gewisse Zeit dauern würde, bis man sich dazu entschließen konnte, offen vor aller Welt am Markt aufgekaufte Wertpapiere dem Deckungsbestand der Reichss bank einzuverleiben. Die Anstandsfrist, die man ge wahrt hat, ist allerdings ziemlich kurz gewesen und ihre schnelle Beendigung macht auch dadurch keinen besseren Eindruck, daß man zum Aufkauf der Wertpapiere für Deckungszwecke jetzt Umwege benut.

Die deutschen Bankenkonfortien hatten Bestände an Steuergutscheinen, also Wertpapieren, die erst nach Jahren durch Anrechnung auf fällige Steuern zurück­gezahlt werden sollten, in Höhe von rund 250 Millionen Reichsmark im Portefeuille. Der größte Teil dieses Be­standes ist nun gegen bare Noten an die Reichsbank ver­kauft worden und die Banken haben den Gegenwert in unverzinslichen Reichsschaganweisungen mit einer Lauf­zeit von 11 Monaten angelegt. Ein Zufluß von rund 200 Millionen Reichsmark an deckungsfähigen" Wert­papieren zur Reichsbank ist die Folge, und der einzige Unterschied zu den früheren Jahren der deutschen In­flation liegt höchstens noch darin, daß das Reich diese Schazanweisungen jetzt nicht direkt an die Reichsbank verkauft, sondern daß man den scheinbar komplizierten, in Wirklichkeit aber ziemlich durchsichtigen Umweg über die Konsortialbanken eingeschlagen hat. Transaktionen dieser Art werden sich aller Voraussicht nach in den nächsten Wochen und Monaten ständig wiederholen, denn sie ent sprechen ja nur dem eigentlichen Zweck dessen, was der Reichsbankpräsident als seine Offene Markt. Politik" bezeichnet hat.

Man wird sich darauf gefaßt machen müssen, daß der Geldmarkt in Deutschland unter der Einwirkung solcher Transaktionen liquider werden und daß man auch dies triumphierend als Folge der neuen Linie der Reichs­bankpolitik ausweisen wird. Die Anreicherungan den wirklichen Deckungsmitteln, also an Gold und Devisen, freilich wird durch solche Manipulationen nicht gefördert werden können. Sie bleibt nach wie vor fast ausschließlich von der Höhe des Außenhandelsergebnisses abhängig, und hiermit bleibt es weiter nicht gerade sehr gut bestellt. Die von der Statistik ausgewiesenen Exportüber schüsse sind zwar noch immer ganz leiblich; untersucht man aber die Reichsbankausweise, um in der Form eines gesteigerten Devisenzuflusses die günstigen Folgen eines solchen Aktivsaldos festzustellen, so muß man sich mit der in den Reichsbankberichten in den verschiedensten Formen wiederkehrenden Bemerkung begnügen, daß ja nur ein kleiner Teil des Exportsaldos dem Devisenbestande der Reichsbank zufließen könne, weil ja die Verbindlichkeiten an das Ausland, der schlechte Zahlungseingang bei den Exporteuren, die Notwendigkeit langfristiger Kredit. bewilligungen usw. diese vorteilhaften Folgen immer wieder verhindern. Jn Wirklichkeit ist man sich im Auslande längst darüber klar, daß trotz des Export. Dumpings, das Deutschland jetzt mit allen Mitteln nach japanischen Mustern und durch ein kompliziertes Aus­fuhrprämiensystem betreibt, die Exportüber schüsse recht mäßig sind, wenn sie über. haupt noch vorliegen. Die Berichte aus den einzelnen Industriezweigen, selbst von denjenigen In­dustrien, die eine leichte Besserung des Geschäftsganges behaupten, wiederholen ständig, daß der Export immer veiter zusammenschrumpfe. Die Tatsache, wie die Iddition so vieler einheitlich ungünstiger Exportberichte günstige Gesamtziffern ergeben soll, bleibt ein Ge. heimnis der gleichgeschalteten deutschen Statistik, das mit rein wissenschaftlichen Meiheden