Deutsche   Stimmen Beilage zur Deutschien Freifieit" Ereignisse und Geschichten

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Freitag, den 1. Dezember 1933

An Selma Lagerlöf   Die namhaften

Von Gerhart Hermann Mostar.

Einst sah ich am Lagerfeuer

Der Jugend dich weisend steh'n: Es war kein Gefolge dir treuer, Als wir zwischen zwanzig und zehn. Wir lauschten Ekebys Hämmern, Gösta Berlings Lachen klang her, Es zogen im Abenddämmern Nils Holgersons Vögel zum Meer. Doch später, die Feuer versanken, Hat mancher die Lippen geschürzt: Zu schlicht seien deine Gedanken. Einfach und wenig gewürzt; Man wählte sich andere Götter, Die wohnten näher der Zeit:

Kluge Männer und scharfe Spötter,

Und dein Haus in Wärmland war weit...

Nun ist zum Braunhemd geworden

Der Kindheit buntes Gewand,

Die Gruppen wuchsen zu Horden,

Die Lauten lärmen im Land,

Unsere Götter sind ihr Gesinde

Und beten den Götzen an,

Ihre Mäntel wehn längst nach dem Winde. Es verdient, wer verdienen kann...

Nur du hast, was du geschrieben,

Einfach und still verschenkt

An solche, die fest geblieben,

An solche, die Fremde bedrängt.

Es rufen die Wildgansschwärme Wie einst dein freies Wort,

Aus Wärmland bringt deine Wärme Wie einst der Wind von Nord.

Die Hämmer von Ekeby hallen Wie einst durch die deutsche Nacht, Wie damals ist in uns allen Gösta Berlings Lachen erwacht... Und geht nun dein Leben zur Neige, Grüßt unsre Ehrfurcht dich neu: Manch alter Mann wurde feige. Eine alte Frau blieb treu!

Selma Lagerlöf  , die große schwedische Dichterin, ist jüngst 75 Jahre alt geworden. Sie hat einen namhaften Geldbetrag für deutsche Emigranten, die Opfer der Hitlerbarbarei, ge­spendet. Obwohl irgendwelche Aeußerungen der bedeutenden Frau über die Politik Hitlers   nicht bekannt sind, zumal sich Selma Lagerlöf   grundsätzlich nie mit Politik befaßt, veröf­fentlicht eine deutsche   Zeitungskorrespondenz eine förm­liche Achterklärung gegen Selma Lagerlöf   und bezeichnet es als eine Schädigung Deutschlands  , wenn ein Deutscher eines ihrer Bücher kaufe...

Die Rache am Sohn

Der Fall Gruber in Jena  

Die Verhaftung des Professors von Gruber, Jena  , über die in Nr. 131 der ,, Deutschen Freiheit" berichtet wird, ist ein persönlicher Racheakt Hitlers  . Grubers Vater, der Professor der Hygiene an der Universität München   war, beschäftigte sich überaus viel mit Rassenfragen und veröffentlichte kurz vor seinem Tode ein Gutachten über die Rasse des Osafs, das dem Größenwahnsinnigen nicht eben günstig war. Der Hygie­niker Max von Gruber   war ein konservativ eingestellter Mann; er war in keiner Weise beschränkt oder von Vorur­teilen gehemmt und so blieb er mit seinen Jugendfreunden, den Sozialdemokraten Victor Adler   und Engelbert Perners­ torfer   bis zum Tod in Verbindung. Für all das bezahlt nun sein Sohn, allerdings nach dem alttestamentarischen Grund­satz, daß die Söhne für die Sünden der Väter zu büßen haben.

Hitler- ecleuchtet und durchsichtig

itsch, der erlaubt ist

Vom Reichsministerium für Volksaufklärung und Propa­ ganda   sind wiederum Entscheidungen auf Grund der§§ 2

Die Männer mit der goldenen nadel

Reichsminister Dr. Göbbels   hat als Schirmherr des Reichs­bundes der deutschen   Freilicht- und Volksschauspiele ,, eine Reihe namhafter Dichter" in den Dichterkreis berufen und durch die goldene Nadel des Reichsbundes der Deutschen  Freilicht- und Volksschauspiele ausgezeichnet. Es sind dies: Fred. A Angermayer, Paul Apel  , Friedrich Arenhövel  , Max Barthel  , Peter Bauer, Julius Bernhard, Paul Beyer, Walter Bloem  , Hans Friedrich Blunck  , Hans Brandenburg, Otto Brues  , Hermann Burte, Paul J. Cremers, Kurt Eggers, Hans Franck  , Georg Feichtinger, Reinhard Göring  , Wolf­gang Götz, Joachim v. d. Golts, Sigmund Graff  , Friedrich Griese  , Paul Gurk  , Max Halbe  , Hanns Heyck, Kurt Hey­ nicke  , August Hinrichs  , Karl Maria Holzapfel, Hans Chri­ stoph Kärgel  , Kurt Kluge  , Eberhard König, Hans Kyser  , Alois Joh. Lippl, Felix Lütkendorf, Joseph Maria Lut, Walter Lutz, Gerhard Menzel  , Eberhard Wolfgang Möller  , H. Römer, Karl Röttger  , Walter E. Schäfer, Franz Schau­ wecker  , Dietzenschmidt, Wilhelm Schmidtbonn  , Wilhelm von Scholz  , Wilhelm Ritter von Schramm, Florian Seidl, Heinz

Steguweit, Götz Otto Stoffregen, Hellmut Unger, Joseph Magnus Wehner, Franz Johannes Weinrich, Leo Weismantel  , Heinrich Zerkaulen  , Maxim Ziese  .

Diese Liste bereichert die Reihe der Gleichgeschalteten in bemerkenswerter Weise. Immer neue Namen kommen zu den schlechten der Barthel, Blunck und Schauwecker auch manche, um die es einem für einen Augenblick leid

tut, sie in dieser Gesellschaft zu sehen. Nur einen Augen blick.

er

Da ist Wolfgang Göt. Er hatte Unterkunft bei der liberalen Asphaltpresse gefunden und schrieb Dramen, die den jüdischen Theaterdirektoren kniefällig antrug. Schauspielhaus, schrieb sozialrevolutionäre Sturmverse und Kurt Heynicke  , zuletzt Dramaturg am Düsseldorfer  war zu Dreivierteln Kommunist. Dietzenschmidt aus Deutsch­böhmen war das Schoßkind und die Hoffnung der jüdischen Literaten, von denen er sich unterstützen ließ. Gerhard Menzel   gefiel sich in lärmender Jugend und stürmte den Pelion. Um jetzt, wie sie alle, beim Ungeist und bei der Gedankensperre zu landen.

könnte das noch ertragen, wäre die Unterwerfung nicht fast Brothunger bricht Charaktere und Widerstand. Man immer begleitet von dem Hand- aufs- Herz- Bekenntnis, daß man schon immer.... Das ist die Quelle des Ekels, die nicht eingedämmt werden kann.

blattes, schrieb kürzlich einen Roman: Der Jüngling Heinz Steguweit  , heute Feuilletonredakteur eines Nazi­im Feuerofen." Hier schmoren sie alle, seine Kollegen, in brauner Glut, selig mit der goldenen Nadel des Reichs­bundes der Freilicht- und Volksschauspiele. Sie leuchtet jett auf dem Talmi der Gesinnungen

vorausgesetzt, daß sie echt ist, denn es ist möglich, daß Göbbels  , überwältigt von der Fülle der herandrängenden Dichter, dekretiert hat: Vergoldung genügt!

# 1110

Ein Presseinstitut erhält einen Führer"

Schwaebe als Erzieher

Nachwuchs sitzt ihm zu Füßen...

Wir haben kürzlich berichtet, daß der Chefredakteur des , Westdeutschen Beobachters" in Köln  , seit einiger Zeit 22 Jahre alt, wegen seiner großen Verdienste um den Aufstieg des deutschen   Pressewesens zum Direktor des Forschungs­institutes für internationales Pressewesen an der Kölner  Universität ernannt worden ist.

Am 27. November wurde das Institut unter seiner neuen Leitung eröffnet. Die Eröffnung erfolgte im Beisein zahl­reicher Ehrengäste durch den Kurator der Kölner   Univer­sität, Staatskommissar Dr. Winkelnkemper( der andere Chef­redakteur des Westdeutschen Beobachters" und Stuben­ältester. Die Red. der Deutschen Freiheit"), der den neuen Leiter des Institutes in sein neues Amt einführte. Dr. Winkelnkemper bezeichnete den Eröffnungsakt als ein außer­ordentlich bedeutsames Ereignis auf dem Gebiete des Jour­nalismus. Zweck und Ziel des Institutes sei, von Köln   aus an einer neuen Form der deutschen   Presse und an der Er­ziehung des journalistischen Nachwuchses richtunggebend mitzuarbeiten.

Wahrhaftig ein bedeutsames Ereignis". Einer, der dringend der Erziehung bedarf, wird zum Erzieher ernannt. Einer, der noch nicht ausgewachsen ist, hat bereits einen Nachwuchs zu betreuen. Aber dieser wackere Schwaebe forscht sich nit. Er hat eine wunderschöne schwarze Uni­form mit feinen Litzen und ist damit hinreichend ligitimiert.

Unter den Zuhörern sah man die bedrückten Gesichter der bisherigen Leiter des Instituts, die es mit Mühe und mit Sorgfalt aufgebaut und organisiert hatten: den Histo­riker Professor Kallen und den Privatdozenten Dr. Wohlers. Kallen ist 55, Wohlers 45 Jahre alt. Man kann

einen ,, Führer"

sich vorstellen, mit welchen Gefühlen sie die Einführung ihres 22jährigen Institutsvorgesetzten begleiteten. Der Uni­versitätskommissar und Redaktionskollege Schwaebes, Dr. Winkeln kemper, tröstete sie mit der Bemerkung, daß die Ernennung Schwaebes, keine persönliche Spitze" gegen die beiden Abgesetzten enthalte. Denn:

Das Bedingende zu der Umgestaltung sei hier, daß nun­mehr die Leitung in die Hand eines Mannes gelegt würde, der neben den ideellen Möglichkeiten zur Aus­gestaltung des Instituts auch die notwendige Partei­autorität besitze und einsetzen könne, die revolutionären Ziele aus der politischen Praxis heraus zu verwirklichen. Die Bedeutung der letzten neun Monate für die deutsche Presse und die sich daraus ergebenden Folgerungen müßten sich nun in Forschung und Lehre zugleich aus­wirken. Es gelte, einen Nachwuchs zu schaffen, der aus nationalsozialistisch- revolutionärem Geist hier geschult und gefördert würde zum Nutzen der gesamten deutschen  Presse....

Selten ist so klar gesagt worden, warum es geht: ein Mann mit Parteiautorität" mit der Legitimation des autoritativen Wissenschaftlers in Forschung und Lehre zu versehen. Kraft der gleichen Autorität ist der Dr. Winkeln. kemper selbst zu seinem Amt als Universitäts  - Kommissar und Kurator gekommen. Vor weniger Jahren bestand er mit Ach und Krach sein Doktorexamen an dieser Universi tät. Mit Schrecken denken seine Lehrer an die grauenvollen Prüfungsstunden des sehr blonden, aber sehr unbegabten jungen Ariers zurück. Heute prüft er seine Professoren und läßt sie durchfallen, wenn sie das ABC des Parteikatechis mus nicht beherrschen.

Kurz, er genießt jeden Tag kalte Rache und freut sich, wenn die Professoren, die ihn einst peinigten, heute stramm grüßen müssen.

richten. Immerhin hat es Sinn für unpassende Zusammen- Zeit- Notizen

stellungen. Daß es eine Hitler  - Postkarte verbietet, auf der der Name des Führers senkrecht erscheint, noch dazu in rot, ist nur in der Ordnung.

und 4 des Gesetzes zum Schute der nationalen Symbole" Die schönste Aufgabe

gefällt worden. Es wurden durch die neue Entscheidung aber­mals 20 Erzeugnisse als einwandfrei zugelassen. Darunter be­finden sich Neujahrskarten mit dem Hakenkreuz, Christ­baumschmuck mit dem Hakenkreuz und ein durchsich­tiges Bildnis des Reichskanzlers mit Vor­richtung zur Erleuchtung. Auch sind diesmal zum ersten Male SA  , und SS. Puppen zuge. lassen worden, weil sie von guter Ausführung waren und der SA.- und SS.  - Uniform ein würdiges Aussehen ver. liehen. Auf die Verbotsliste wurden dagegen 49 Kitsch­gegenstände gesetzt. Darunter befanden sich u. a. Abzieh­bilder mit berühmten deutschen   Persönlichkeiten, Selbst­binder mit eingewebten Hakenkreuzen, Speisekartenständer aus Holz in Form eines Hakenkreuzes, Pullover mit aufge­nähtem Hakenkreuz, Kinderschürzen mit aufgenähtem Hakenkreuz und aufgenähter Aufschrift ,, Heil Hitler", Hosenträger aus Gummiband mit eingewebtem Hakenkreuz­muster. Ferner wurden auf die Kitschliste gesetzt Buchdrucke, die in ganz unkünstlerischer Art und mit unähnlicher, zum Teil entstellender Wiedergabe der Bildnisse der Staats­männer den Staatsakt in der Garnisonkirche in Potsdam   dar­zustellen versuchten, sowie Postkarten mit einem Gedicht ..Der Führer", wobei in senkrechter Zeilenfolge der Name des Führers durch die jeweiligen Anfangsbuchstaben in roter Farbe herausgehoben war.

Das sind interessante Aufschläge über die Industrialì­sierung des Hitler- Mythos. Hitler  - Transparent auf Haus­altärchen, Hitler auf Hosenträgern, Hitler   im Herzen und auf der Bauchbinde: Gegen solche Emanationen des deutschen  Geistes wird auch das Propagandaministerium nichts aus­

Stählernes spricht zu uns

Durch die Provinzpresse läuft ein Berliner   Brief: ,, Eine interessante Ausstellung im Berliner   Schloß: das Reichs­kartell der bildenden Künste hat Bildnisse und Bildwerke der heutigen Staatsführer gesammelt. Die bildenden Künstler haben in ihnen viele Aufgaben gefunden. Es gibt für sie keine schönere Aufgabe, als den Willen im Antlitz des Schaffenden zu suchen und zu gestalten. Da sehen wir das Hitlerporträt von Walter Miehe, das der Deutsche Ge­meindetag angekauft hat, das vor allen Dingen den schlich­ten, volkstümlichen Menschen im Reichskanzler sieht, im Gegensatz zu der Bronzebüste von Hermann Joachim Pagel, die das Kinn und die Stirnpartie sprechen läßt und den stählernen Willen des Kanzlers offenbart. Ernst Segers hat das Seherische in Adolf Hitler  gestaltet das A uge, das auch für Beethoven   und Richard Wagner   leuchtet. Viel kehrten in dieser Auststellung das Profil des Dr. Göbbels   wieder mit seinen gebändigten Nerven und der eiserne Blick Hermann Görings.

Letzterer ungebändigt!

Ritual- Mord- Hetze

ist die neueste Blüte des Antisemitismus in der Hitlerei. Der Verlag Deutsche Kultur- Wacht" Berlin- Schöneberg bringt ein zweibändiges Werk von Julius Baron Rosenberg, bear­beitet von G. Arnold: Die Juden in Rußland  , 1. Band: Leben und Treiben im jüdischen Kahal; 2. Band: Jüdische Ritualmorde in Rußland  . Alles für die Psychiater!

Fachleute werden entlassen

Der stellvertretende Direktor der Deutschen Bücherei in Leipzig  , Oberbibliothekar Dr. Otto Ebert, Herausgeber der ,, Minerva- Zeitschrift", ist auf Grund des ,, Beamtengesetzes" in den Ruhestand versetzt worden. Die Entlassung Eberts, der sich während seiner Leipziger   Tätigkeit nicht nur als ein wissenschaftlich hervorragend befähigter Fachmann, sondern auch als ausgezeichneter Organisator erwiesen hat, ist in den Fachkreisen des Auslandes mit Aufsehen ver merkt worden.

Ein neuer deutscher   Buchverlag in Paris  

Der Verlag läßt eine Broschürenreihe Die Streitschriften des europäischen Merkur" erscheinen, Auseinandersetzungen mit den wichtigsten Fragen, die heute zur Diskussion stehen. Es erscheinen zunächst die folgenden Bände: Die Aufgabe des Judentums" von Lion Feuchtwanger   und Arnold Zweig  ; ,, Und Oesterreich?" von Ludwig Bauer; Der Sinn der Emi­gration" von Heinrich Mann  ; ,, Warum versagte die Mar­xisten?" von Rudolf Olden  . Ferner erscheinen die folgenden Bücher: Der berühmte Roman des englischen Judentums ,, Die Magnolienstraße" von Louis Golding  ; ein einfacher Roman aus dem freien Deutschland   von gestern. Ist es vor­bei?" von Margrit Anger; ein Ueberblick über das gegen­wärtige Geschehen in Amerika   Amerika  , Neubau oder Chaos" von André Maurois  ; eine ausführliche Auseinander­setzung mit den Grundlagen des heutigen Geschehens, mit der Ideengeschichte des XX. Jahrhunderts ,, Der mißbrauchte Mensch" von Paul A. Robert Sämtliche Bücher erscheinen in einfacher, französischer Ausstattung zu den üblichen billigen, französischen Preisen, von Fr. 5,- bis Fr. 18,-.

Gerechtigkeit und Macht müssen eins werden, damit die Gerechtigkeit Macht und die Macht Gerechtigkeit werde.

Pascal