Deutsche   Stimmen Beilage zur Deutschen Freiheit"

Samstag, den 16. Dezember 1933

Ereignisse und Geschichten

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Nobelpreisträger Schrödinger 01 Zwei gibt es nicht Daws

Ein Gelehrter stellt eine Schicksalsfrage

Unter den drei Physikern, die durch die Verleihung des Nobel- Preises ausgezeichnet wurden, befindet sich auch der Oesterreicher Schrödinger. Schrödinger, der zu den vielen großen Gelehrten gehört, die Deutschland   nach dem Aus­bruch der Barbarei verlassen haben, und der nun an der berühmten englischen   Universität von Oxford   tätig ist. hat durch seine Arbeiten auf dem Gebiet der Atomtheorie Welt­ruf erlangt. Die Atomtheorie ist der bedeutendste Vorstoß des menschlichen Geistes in die Geheimnisse der Welt: die Enträtselung des Aufbaues aller Stoffe, die das Weltall   aus­machen.

zu

Man kann leicht begreifen, daß diese Arbeiten die höchste wissenschaftliche Bedeutung besitzen, aber sie können auch von gewaltigen praktischen Folgen für die Menschheit sein. Es ist bereits gelungen, die Atome das sind die winzigsten Bestandteile, aus denen sich die Masse zusammensetzt zertrümmern, und es ist leicht möglich, daß wir auf diese Weise neue, ganz ungeheure Energiequellen erschließen, deren Ausmaß die der Kohle, der Elektrizität, des Erdöls bei weitem übertrifft. Die Technik könnte dann, gestützt auf die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung, die ganze Wirtschaft und auch das Leben jedes einzelnen Menschen in einem Umfang umgestalten, den wir uns jetzt überhaupt noch nicht vorzustellen vermögen.

Aus diesem Grunde ist es sehr wichtig zu hören, was einer der Männer, die an diesem großen Werk arbeiten, uns zu sagen hat. Schrödinger   hat uns seine Ansicht mitgeteilt, er hat in Schweden   gesagt: Meine neuen Atomtheroien können vielleicht in Zukunft dazu beitragen, den Menschen eine größere Kenntnis über das innere Wesen der Natur zu geben. Ich halte es aber für zweifelhaft, ob dies nützlich wäre. denn meine Theorien würden auf diese Weise immer die Technik fördern und die Technik hat der Menschheit eigentlich nie Glück, sondern nur Unglück gebracht."

Es ist eine erschütternde Wahrheit, die der große Physiker hier ausgesprochen hat. Erschütternd zunächst darum, weil hier ein Gelehrter, der eben auf dem Gipfelpunkt seines bisherigen Ruhmes angelangt ist, selbst den Wert seiner von den Wissenschaftern der ganzen Welt bejubelten Arbeiten, den Wert seines ganzen Lebenswerkes in Zweifel setzt. Er­schütternd aber vor allem, weil er mit diesen Worten das

Todesurteil über die heutige Gesellschaftsordnung gesprochen

hat.

In der Tat: die Technik hat der Menschheit eigentlich nie Glück, sondern nur Unglück gebracht Die großen Helden­taten des forschenden Geistes, die Entdeckungen und Er­findungen der Gelehrten schienen stets nur im ersten Augen­blick Segen und Reichtum für die Menschheit zu bedeuten immer wieder wurden sie zu ihrem Verderben mißbraucht. Der Stifter des Nobelpreises selbst. den Schrödinger jetzt erhalten hat. Alfred Nobel  , ist der Erfinder des Dynamits. Er hatte gehofft. daß seine Erfindung nur zu friedlichen Zwecken, zu Sprengungen in Steinbrüchen. Gruben usw. ver­wendet werde. und mußte es schaudernd erleben. daß die Menschen sich damit gegenseitig in die Luft sprengten. Die Chemie hat uns im Laufe des letzten halben Jahrhunderts Steffe in die Hand gegeben. die. richtig verwendet, einen unschätzbaren Segen für alle Völker bedeuten könnten aber die Beherrscher der Erde gebrauchen sie lieber dazu, die Menschen mit Giftgasen, brennendem Phosphor und fürchterlichen Sprengstoffen zu Zehntausenden hinzumorden. Die Ingenieure haben Flugzeuge erfunden, durch die Raum.

In seiner Jugend Kraft und Saft zerstreuen, um Held zu sein;

212DW 150 er speien,

und später dann im Alter Feuer

um jung zu sein

Das gibt es nicht!

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Erst mit Fouqué geschient zu Pferde steigen im Mondenschein;

300

nach fünfzig Jahren dann im Realistenreigen ein Zola sein Das gibt es nicht!

-

Du glaubst, du kannst mit Orden und mit Tresset heut Oberst sein,

und morgen Radikale dann karessen, lieb Kind zu sein?

Das gibt es nicht!

Wer weder warm noch kalt mit mir im Bunde spricht der Psalmist

Und wen nur lau ich fand, aus meinem Munde Gespien ist." Zwei gibt es nicht!

Oskar Panizza  , 1900,

und Zeit überwunden. durch die die Kontinente selbst Die Blamage eines Lexikons

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einander nähergebracht werden aber die Militärfachleute lassen diese selben Flugzeuge Bomben über Städte und Fabriken abwerfen und verwandeln so die Werkzeuge der Völkerversöhnung und-verbrüderung in Instrumente des Massenmordes. Die Menschen haben Maschinen erfunden. die ihnen die Mühe der Arbeit abnehmen und Güter in unend­lichen Mengen erzeugen, so viel. daß alle in Reichtum und Zufriedenheit leben könnten. Aber unsere Welt ist so ein­gerichtet. daß diese Maschinen der Menschheit anstatt Glück nur Unheil bringen und sie zu Millionen auf die Straße stoßen, ohne Arbeit. Verdienst und Brot, dem Hunger und dem nackten Elend preisgegeben.

Es ist nicht die Schuld der Wissenschaftler. nicht die Schuld der Techniker. daß in dieser Welt alles zum Verderben wird. was Segen bedeuten könnte. Es ist die Schuld der Gesell­schaftsordnung, die die Großtaten der geistig Schaffenden verbrecherisch mißbraucht. Es ist zugleich die Gesellschafts­ordnung, die den Faschismus honoriert, um sich gegen ihre sozialistischen Gegner zu behaupten. Niederringung des Faschismus und Kampf für den Sozialismus im Bunde mit der Freiheit: das sind die Aufgaben, die uns gestellt sind.

Heldengedicht mit Hindernissen

Von Walter Kell( Paris  )

Dreierlei regt im Menschen die Dichtdrüse an: Liebe, kein Geld und die Einsamkeit. Weh' aber dem Unglücklichen, den diese drei Uebel auf einmal befallen. Da ist kein Halten mehr.

Ich will nichts verheimlichen und nichts beschönigen: An jenem feuchtkalten Vormittag im November, ils ich mit Füllfeder und Schreibblock bewaffnet in den Pariser Alltag hinausschlich, war ich von Kopf bis Fuß auf Dichtkunst ein­gestellt. Verliebt bis über die Ohren, dito in Schulden und dementsprechend vereinsamt.

Fest entschlossen zu dichten, war ich mir nur noch über das Thema im unklaren. Sollte ich nun Giseles betörende Wimpern oder Herrn Hitlers   gewaltige Taten besingen? Eine Weile fraß grauer Zweifel an meinem Herzen. Dann aber siegte das Heldische. Mein Blick wurde stählern. Dabei fiel er auf eine Bank, die geruhsam am Wege stand. Sie war unbesetzt, bis auf einen kleinen Regentümpel, der sich zur Mitte hin angesammelt hatte. So setzte ich mich hin, tauchte meine Hose in die Pfütze und die Feder in mein Herzblut und schrieb:

An den Führer!

Ein deutsches Heldengedicht

I

quasselbude.g

Du bist kein Mensch.( Natürlich auch kein Jude.) Du bist ein Gott, ein Recke aus Walhall  . Vor Deinem Blick erzittert rings das All Und barst in Genf   die Völkerquasselbude. Etwas berührte mich unsanft am Hinterkopfe. Ich wandte mich um und sah, daß ich nicht mehr allein war. Auf der anderen Sitzfläche der Bank, jenseits der Rückenlehne, hatte sich ein ,, clochard  " in voller Kriegsbemalung niedergelassen. Er schien durchaus vergnügt und zufrieden mit sich und der Welt. Vielleicht lag, das an der unvermeidlichen Flasche mit Rotwein, die er neben sich stehen hatte.( Bitte, das ist kein Wit. Man sieht in Frankreich   oft genug Bettler, die nichts besitzen außer einer Flasche pinard".) Nun zückte er ein Messer und begann an einem Stück Brot zu stochern. Sein Speisen war hörbar, so daß ich beschloß, das Ende seiner Tätigkeit abzuwarten, bevor ich weiterdichten würde. Doch kaum hatten die Eßgeräusche aufgehört, als der Elende mit schallender Stimme zu singen anhub: Il est cocu, le chef de gare..."

ein Drittes. Als ich dessen endlich gewahr wurde, war der Hund schon weit. Kochend vor deutschem Zorn schrie ich ihm nach, soviel mir an Göbbelsscher Prosa einfiel. Er hörte es nicht, oder wollte nicht verstehn. Es war eben ein fran­zösischer Hund, und wahrscheinlich ein Jude.

Wieder schritt ich meiner Wege. An der nächsten Straßen­kreuzung war natürlich ein Café. Es hatte einladend einen Ritterpanzer auf das Pflaster gestellt, der sich bei näherem Zusehen als ein Oefchen entpuppte. Freundliche Wärme strahlte es von ihm aus und scheuchte den Nebel von der

So sieht es das Ausland

Wir lesen in De Nieuwe Rotterdamsche Courant" fol­gendes über die Neuausgabe von Knauers Konversations lexikon: Zwischen der Erscheinung des ersten und des zweiten Druckes liegt die ,, deutsche   Erhebung", so wie es in dem Buche selbst heißt, und man braucht nur hie und da eine Stichprobe zu machen, um zu entdecken, was das für einen Unterschied macht."( Der Schreiber führt nun eine Reihe von Namen an. die in der Neuausgabe nicht mehr vor. kommen und versucht das zu motivieren. Er nennt u. a. Heinrich Mann  , Arnold Zweig  , K. M. Remarque  , Emil Ludwig  , Alfred Döblin  , Lion Feuchtwanger  , Max Brod  , Franz Kafka  , Leonhard Frank  , Ernst Toller  , Sternheim usw.) Dann fährt er fort:..Ueber diese findet man in dem Neudruck von Deutschlands   kleiner, meist verbreiteter Enzyklopädie nichts. In der Literaturübersicht werden hauptsächlich., Politische Dichtungen" von Arnold Bronner, P. M. Lampel, Hans Heinz Ewers und Ernst von Salomon   genannt. Die Liste schließt mit der Namensnennung einiger unter die Rubrik ,, Anfänge eines neuen, in der Weltanschauung des Nationalsozialismus wurzelnden Schrifttums" wie Dietrich Eckart  , Hans Johst  , Baldur von Schirach  , H. Rehberg, H. Anacker und H. J.  Nierent. Mit Hans Heinz Ewers   ist übrigens etwas Merk­würdiges passiert. In der Ausgabe von 1932 macht man ihn noch bekannt als den Schreiber von Alraune", Vampyr und Das Grauen". In der neuen Ausgabe wurden diese Schöpfungen aus seiner sündigen Vergangenheit( durch die er aber zur Berühmtheit gelangte) negiert, und heute ist er der Schreiber von den Romanen ,, Horst Wessel  " und Reiter in deutscher Nacht". Bei Rathenau   wird in der Neuausgabe nicht mehr vermerkt, daß er im Anfang seinem Vater als Leiter der AEG. folgte, aber wohl, daß seine Mörder die Herren E. Kern und H. Fischer sind vermutlich, um die Leser darauf vorzubereiten, daß sie in der folgenden Auf­lage unter einer besonderen Rubrik als Helden genannt werden."

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Terrasse. So ließ ich mich sinnend nieder, bestellte ein Helles Stahlwerks- Fühcectum

und schrieb:

III

Du brichst seit Jahren nichts wie Sklavenketten Und tust Dir an dem Eisenfraß noch gütlich, Man sagt, es sie sich nicht gut auf Bajonetten? Du findest es, im Gegenteil, gemütlich.

Dabei kicherte es. Zwei halbwüchsige Gören( weibliche Göringe) saßen am Nebentisch, sahen zu, wie ich heldische Poesie verbrach und schüttelten sich wie meine Reime. Was sie darüber zu bemerken hatten, war nicht schmeichelhaft, sondern französisch, aber um der Treue dieser Chronik willen übersetze ich: ,, Schon wieder so eine dichtende Nudel," sagte die eine. ,, Laß ihn, was solll ihm bei der Kälte schon Besseres einfallen," meinte die andere.

Mademoiselles! unterbrach ich empört das Gezwitscher. ,, Ich bin keine Nudel, und die Kälte ist mir egal, aber ich schreibe eine Hymne auf den Führer der deutschen Nation. Haben Sie bitte soviel heldischen Anstand, sich nicht dar­chen Anstand, sich über lustig zu machen."

Danach schraubte ich zornvoll meine Feder zusammen, kniff das Gesicht in viele kleine Falten, vergaß zu bezahlen und ging, ohne das wonnig glucksende Weibervolk noch eines Blickes zu würdigen.

Am Wege stand eines jener niedlichen Häuschen, welche die Franzosen nach dem Kaiser Vespasian   getauft haben. Bei seinem Anblick fiel mir ein würdiger Abschluß meines Gedichtes ein. So betrat ich es, zückte mein Messer und schnitt drei wuchtige Hakenkreuze in die wasserumbrandete Wand.

Ich weiß, was ich dem deutschen Ansehen im Auslande schuldig bin.

Diese Franzosen haben nun einmal keinen Sinn für hel- Obermeister Dichter

dische Poesie. Unwillig und würdevoll erhob ich mich und ging meiner Wege. Nach wenigen Schritten schon war mein Dichtvermögen wieder in voller Tätigkeit. So kam ich an eine Eisenbahnbrücke, deren feuchtschmutziges Geländer mir einladend winkte. Behutsam breitete ich mein Manuskript darauf aus, zückte von neuem die Füllfeder und schrieb: II.

Wohin Du schmetterst Deine Donnerkeile, Da wächst kein Gras mehr auf den grünen Tischen, Du tänzelst, hoch zu Roß, auf schwankem Seile Und wo zwei Stühle stehn, sigt Du bestimmt dazwischen Des Weges kam ein Hund, und er hatte es eilig. Ich achtete seiner nicht.( Was geht mich so ein Hund an, ich dichte für meinen Führer.) Mein Herz wogte, mein Hirn brandete. die Feder zischte und die Augen quollen mir über. ( Genau wie ihm.) Vom Himmel tröpfelte Regen, von meiner Feder tröpfelte Herzblut, und von meiner Hose tröpfelte

Im Handwerker- Erholungsheim Wernigerode   fand eine Nazi- Schulungswoche für Obermeister statt. Bei dieser Ge­legenheit dichteten sie in ein Gästebuch. Z. B. so:( wörtlich!) ,, So ist die Nachkriegszeit verstrichen, Wo uns Marxisten machten Qual, Bis nun das Elend ist gewichen Durch., Adolf Hitlers  " Kanzler- Wahl. Was 50 Jahre schien unmöglich,

Ist

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Gott sei Dank durch ihn geschehn. Dazu ist jetzt auch weiter nötig, Nach diesem Willen vorzugehen. Dies ist der Zweck der ganzen Uebung Zu schulen uns um jeden Preis

Und fortzupflanzen die Vorsehung

In unserem Kollegenkreis."

Hier wäre nicht Fortpflanzung, sondern Sterilisierung am

Plate

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Eine ,, Hochschule für Menschenführung"

ist der Bergakademie Clausthal über Verfügung des preu­Bischen Ministers für Arbeit und Wirtschaft angegliedert worden. Der, Deutsche Volkswirt" Nr. 8 beschreibt die Auf­gaben der auf Anregung des Oberberghauptmanns Winnacker ( früher Vorstandsmitglied der Vereinigten Stahlwerke A. G.  ) geschaffenen Hochschule so: ,, In 14tägigen Kursen soll nicht nur dem bergmännischen Nachwuchs, sondern auch den be­reits in der industriellen Praxis stehenden Beamten und Direktoren eines Betriebes eine lebendige Wegweisung zum deutschen Führertum und inneres Erleben des Führergedan­kens vermittelt werden." Die Leitung der seltsamen Hoch­schule liegt in den Händen von Professor Friedrichs, Karls­ ruhe  .

Die deutsche Sprache ist überaus geduldig und in keiner Sprache läßt sich nichts mit mehr Worten sagen als in der deutschen  . Man versuche einmal die Definition der neuen Hochschule ins Englische zu übersetzen. An der Sachlichkeit des Englischen wird die romantische Phrase der neudeutschen Lügen zerbrechen. 1915

Der Kirchenbeudec

Eine gebenn- edeite Familie

Hinter den Kulissen des deutschen Kirchenkonflikts spielt, der Oeffentlichkeit unbekannt, der Oberkonsistorialrat Dr. Benn eine recht bedeutende Rolle. Dr. Benn ist der persön liche Berichterstatter und Pressebearbeiter des Reichsbischofs Ludwig Müller  ; er ist der Bruder des hitlerbegeisterten Nihilisten Gottfried Benn  . Wem es lohnt, mag sich den Kopf darüber zerbrechen, wer hier wen protegiert hat. Gottfried Benn   jedenfalls, dessen flammende Rundfunkrede an die deutsche   Emigration bekannt ist, hat sich schon während des Weltkriegs die nationalistischen Sporen verdient: er amtierte als Militärarzt bei der Erschießung der als Spionin ver­dächtigen Miẞ Cavell  .

Auch das sind Christer

Einsperren! Totschlagen!

In Berlin- Wilmersdorf   fand eine von L ,, deutschen Christen" einberufene, von etwa 2500 Personen besuchte Versammlung statt, in der Pfarrer Tausch, der neue Berliner  Gauobmann als Nachfolger des abgesetzten Dr. Krause, gegen den Pfarrer- Notbund, und Jungreformatorischen tobte. Sie hätten sich mit Hilfe des Auslandes der Greuelpropaganda schuldig gemacht.( Zwischenrufe aus dem Saal: Oranienburg  ! Einsperren! Totschlagen!) Das Vertrauen des..gottgesandten Führers" Adolf Hitler   gehöre einzig und allein den deut­schen Christen", 290