Amtlich: der Nazi- Terror an der Saar  Ein Schreiben des Präsidenten der Regierungskommission an den Völkerbund   196

Die getarnte Nazidiktatur an der Saar  - Die Anmaßung und Ueberheblichkeit der Führer

Die Deutsche Front" hat vor kurzem eine Eingabe gegen die Regierungskommission an den Völkerbund gerichtet. Der Präsident der Regierungs­kommission Knox hat nun gegen diese Denkschrift der Deutschen Front" ein sehr ausführliches Schreiben an den Völkerbund gerichtet, aus dem der im Saargebiet erscheinende ,, General- Anzeiger  " u. a. folgende Stellen veröffentlicht:

Terror nimmt zu

Es kann nicht bestritten werden, daß seit dem letzten Vierteljahresbericht der Regierungsfommission die Zahl der von Mitgliedern der nationalsozialistischen Partei be gangenen Terroratte und Denunzierungen zugenommen hat. Der versteckte Boykott und die Verfolgung von Juden und Nichtgleichgeschalteten seitens der NSDAP  . haben einen der­artigen Umfang angenommen, daß der Regierungskommis fion fast täglich Klagen aus den verschiedenen Kreisen der Bevölkerung zugegangen sind.

Sie sah sich sogar auf Anfuchen der israelitischen   Gemeinde bin gezwungen, eine besondere Schule für die jüdischen Kinder zu errichten.

Nichts läßt beffer den Umfang der erwähnten Verfolgung er­kennen, als die Tatsache selbst, daß diese Gemeinde nach fahr hundertelanger Befreiung von sich aus die Abschließung des Ghettos für ihre Kinder begehrt hat.

Anmaßung des Führers

Gegenüber der von den Beschwerdeführern zu erwartenden Taktik, die erwähnten Uebergriffe auf unverantwortliche Ele­mente abzumälaen, glaubt die Regierungsfommiffion fich 812­nächst darauf beschränken zu können, an einigen Beispielen die von den Zentralstellen der NSDAP  . entfaltete Tätigkeit darzutun.

Bereits in dem letzten Vierteljahrsbericht hatte die Regie­rungsfommission auf die verstedte Verwaltung hingewiesen, welche von der nationalsozialistischen Partei neben der rechts

Organisationen in sich bergen, besonders in einem Abftim­mungsgebiet, und in welchem Maße es ihre Pflicht ist, die Tätigkeit dieser Organisationen durch zuverlässige Beamte überwachen zu lassen.

Bei dem NS  - Reisleiter von Ottweiler   und St. Wendel  ist außerdem eine ganze Kartothet beschlagnahmt worden, die auf seine Anordnung hin angelegt worden ist und, oft in den ungehörigsten Ausdrücken, eingehende Auskünfte über die Laufbahn, die politische Einstellung sowie die als Beamter, von Kommunal- und Polizeibeamten enthält; die Auskünfte stammen häufig von Untergebenen. Diese Auskünfte fönnen nur zu dem Zwed gesammelt worden sein, um auf die be treffenden Perfonen einen Druck auszuüben. Wohin diese Bespibelung der Beamten führt, läßt sich aus einem Briefe erkennen, der von einem Beamten der Saarbahnen an bes fagten Kreisleiter gerichtet ist zu dem offenbaren 3wed, sich gegen jeden Vorwurf der Lauheit gegenüber der NSDAP  . zu sichern:

Anfang Juli nahm ich eine Mappe des Emigranten an mich und fuhr mit dem Kommunalbeamten und Parteis genossen... in derselben Nacht nach Jdar. Dieses war eine Fundunterschlagung, und wenn es ranskäme, würde es mich meine Stellung toften.... Durch meine dienstliche Tätigkeit meldete ich schon manchen Schädling der politi: schen Grenzpolizei in Türkismühle  ."

Mit diesem Fall ist das Gericht in Saarbrüden befaßt. Angesichts derartiger Methoden und Pflichtvergessenheiten ist es ganz natürlich, daß die Regierungsfommission Anlaß nahm, durch strenge gefeßgeberische Maßnahmen die Be­amten an ihre Pflicht zu erinnern.

mäßigen Regierung eingerichtet worden war. Die genannte Die Denunziationen

Partei hat sich auch weiterhin die Befugnisse einer behörd­lichen Verwaltung angemaßt; so hat sie beispielsweise an der Tür des Landesführers ein Schild mit der Inschrift: Preußischer Staatsrat Berwaltung" angebracht; fie hat weiter Aufrufe an die jaarländischen Kommunalbehörden er­gehen lassen; Gesuche um Einbürgerung unmittelbar an die deutschen   Behörden weitergeleitet; Bescheinigungen über Zollfreiheit von Paketen erteilt; neben das polizeiliche Bijum ihr eigenes gefeßt auf Ausweiskarten von Personen, die für der NSDAP  . völlig fremde Wohlfahrtsveranstaltungen melten.

An mein Volk"

Diese und ähnliche Uebergriffe, deren Aufzählung sich erübrigt, find zweifellos zum größten Teil der völligen Unerfahrenheit der Leiter der Partei zuzuschreiben, 30 sowie der Ueberhebung, die ihren Führer, um einen Fall anzuführen, veranlaßt haben, sich in einem Aufruf an seine Bevölkerung" zu wenden. Man fönnte derartige Vorkommnisse mit der findlichem Borgehen zukommenden Duldsamkeit betrachten, wenn sie nicht be­bauerlicherweise mit anderen, viel schwerwiegenderen in Zu fammenhang stünden.

SA. und SS. im Saargebiet

In dieser Beziehung ist es Pflicht der Regierungskommif­sion, die Aufmerksamkeit des Hohen Rates in ernsthaftester Weise auf die in jüngster Zeit gemachten Feststellungen au lenken. Infolge eines besonderen Vorfalles hat die Krimi­nalpolizei in den Räumen der NSDAP  . zu Neunkirchen   am 16 Dezember 1933 eine Durchsuchung vorgenommen; hierbei find eine Anzahl von Schriftstücken in die Hände der Polizei gefallen, welche die von der NSDAP  . angewandten Methoden veranschaulichen.

Sie beweisen das Fortbestehen, und zwar in getarnter

Ein anderes bei der gleichen Gelegenheit vorgefundenes Schriftstück wirft Licht auf die häßlichste Wunde, welche dem faarländischen öffentlichen Leben durch die nationalsozia liftische Partei geschlagen wurde: die zur Ehrenpflicht er­hobene Denunziation. Der betr. Brief, der von dem Adjutanten des Kreisleiters in Neunkirchen   an einen deutschen   Beamten gerichtet ist, beginnt folgendermaßen: Auftragsgemäß wurde der von mir telefonisch gemeldete Wilhelm Ganer aus Elversberg  ( Saar  ) am geftrigen Bors mittag in Jimenau in Schughaft genommen.... Ganer ist feit längerer Reit Zeitungsträger des berüchtigten Separa:

Die Regierungsfommiffion fann nicht annehmen, daß zwei der Unterzeichner der Eingabe, die Herren Röchling  und Levacher, welche seit 14 Jahren eng mit dem poli­tischen Leben des Saargebietes verbunden sind, und deren Parteien fich fürzlich nach langem Zögern der NS.  - Partei unterstellt haben, über die von dieser Partei angewandten Mittel der Verfolgung, Boykottierung und niedrigen Ans geberei nicht unterrichtet sind.

Bezüglich der übrigen Teile der Eingabe wird der Hobe Rat wohl faum eine auf Einzelheiten eingehende Wider legung der oft leichtfertigen und immer tendenziösen und un­richtigen Behauptungen von der Regierungskommission er­warten. Es dürfte nach ihrer Ansicht eine kurze Rich tastel­fung der aufgeworfenen grundsätzlichen Fragen genügen. Der Brief beschäftigt sich dann mit dem Güdinger Ueber­fall und der Affäre Hemmer- Lang Neunkirchen.

Getarnte Naziversammlungen

Er geht weiter auf das Verbot der politischen Versamm­lungen ein und weist darauf hin, daß Ausnahmen zugunsten zahlreicher den Parteien angegliederten Sport, Jugend- und Wohlfahrtsvereinigungen gemacht wurden, fast stets zu gunsten der nationalsozialistischen Partei. Im übrigen habe diese Partei alles daran gesetzt, das Verbot zu umgehen, in dem sie mit der Bezeichnung Elternabende"," Heimatabende" usw. Versammlungen veranstaltete, in denen einflußreiche Mitglieder der NSDAP  . über politische Ereignisse gesprochen haben.

Der Brief geht dann auf die Kritik an den sozialistischen  und kommunistischen Kundgebungen am Tage des Nieder­waldrummels ein, über die sich die deutsche   Front" be schwert hatte, und erklärt, daß die Neunkirchener Veranstal tung auf einem gefchloffenen Plaze stattgefunden habe, und daß den außerhalb Saarbrückens wohnenden Teilnehmern der kommunistischen   Kundgebung der gruppenweise An- und Abmarsch auf Anregung der Polizi als reine Vorsichtsmaß­regel gestattet worden sei.

Ferner erwähnt der Präsident den Notring"-Schwindel, über den wir bereits ausführlich berichtet haben, und be­gründet damit die Ueberwachung der Wohlfahrtsunter­nehmungen.

tiftenblattes Saarlouiser Journal" und wohnt in Elvers Die lügende Nazi- Presse

berg( Saar  ). Derselbe ist ein außerordentlich aktives Mite glied des Saarbundes, d. h., die Tendenz diefes Saarbundes Max Braun  ist, bei der Abstimmung 1935 auf Rückgliederung des Saar­gebiets an Frankreich   zu stimmen. Derfelbe wird mit Recht beschuldigt, diejenigen Heiniger Bergleute, welche an dem Turnfest in Stuttgart   teilgenommen haben, der Bergwerkss direktion gemeldet zu haben, um ihre Entlassung berbeizu führen."

Es ist dabei hervorzuheben, daß die denunzierte Person beute noch in Deutschland   in Haft gehalten wird.

Saarnazis für Oesterreich?

Weiter wurde durch einen vom Kreisleiter am 9. Novem­ber 1988 an den Landesinspektor Theo Habicht   in München  gerichteten Brief, in welchem er defien Aufmerksamkeit auf die Tatsache lenkt, daß Saarländer   auf Grund der bestehen den besonderen Verhältniffe ungehindert nach Desterreich fahren können, der Beweis geliefert, daß sich die umftürz lerische Tätigkeit dieser Partei nicht nur auf das Saargebiet beschränkt.

Form", der militärischen Organifationen ber nationals August und Adolf

sozialistischen Partei( SA. und SS., Motorstaffeln usw.) entgegen dem von der Regierungskommiffion ausge sprochenen Verbot, und die systematische Abhaltung von Uebungen durch diese Formationen. Andere Durchsuchungen haben einwandfrei ergeben, daß diese Formationen im größten Teil des Saargebiets fortbestehen. Welche Beden­tung diesen geheimen nationalsozialistischen Organisationen zukommt, erhellt aus einem Schreiben eines Funktionärs der Partei in Neunkirchen   an den Kreisleiter, in welchem er er­klärt, in der Lage zu sein, im Notfalle innerhalb weniger Stunden 1500 Mann mit Automobilen und Motorrädern stellen zu können.

Allerdings ist gleichzeitig ein Rundschreiben des Landes­führers gefunden worden, welches die Anweisung enthält, jeden Versuch der Bildung von SA.- und SS.  - Formationen als im Saargebiet ungefeßlich zu verhindern. Es tann aber mit Recht vermutet werden, daß diese Anweisung nuraum Schein erfolgt ist, da nach wie vor die Tätigkeit der ver­botenen Formationen fortgesetzt wird, und zwar nicht nur mit stillschweigender Duldung des Führers, sondern, was weit schwerwiegender ist, mit Wissen verschiedener Beamter der Regierungskommission, die es nicht für ratsam halten. pflichtgemäß ihre vorgesetzten Dienststellen davon in Kennt nis zu setzen. Aus den beschlagnahmten Schriftstücken ergibt fich in der Tat, daß in den Kreisen Ottweiler   und St. Wendel die Mitglieder dieser Organisationen in einer neuen Abtei: Iung, genannt Abteilung 10, gesammelt worden sind, die nichts anderes als eine Unterabteilung der deutschen   SS.- Stans darte 10" in Neustadt   a. b. 6. ift. Nachstehend einige Aus­züge aus den Schriftstücken, welche der Polizei in die Hände gefallen sind:

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Kostproben aus Schriftstücken

Der Kreispropagandaleiter in Neunkirchen   schreibt: Die Abteilung 10 wurde im ganzen Kreise auf Befehl des Kreis­leiters aufgehoben. Der Führer der SS.( Standarte 10) warnt, unterm 26. April 1938, die Oeffentlichkeit, auf ein ille­gales Weiterbestehen der SS. bzw. SA. aufmerksam zu machen."

Ein Ortsgruppenleiter bezweifelt in bezug auf einen An­gehörigen der Abteilung 10, ob er im gegebenen Fall be­reit sei, sein Leben aufs Spiel zu fegen, wenn es gilt, die Saarheimat zu verteidigen".

Die Regierungskommission hält es für überflüssig, be­sonders darauf hinzuweisen, welche Gefahren derartige

1901-1933

Wir greifen 33 Jahre zurück. Von Adolf Hitler   wußte noch niemand etwas, ebensowenig von Göbbels  , Frid und Göring  . Da ist in einer Schweizer   Zeitung folgende Notia mit Gedicht erschienen: " Auguft der Starte"

Unter diesem Titel widmet dem Verleger der Woche" ( August Scherl   in Berlin  ) die Münchener Jugend" ein Gedicht, das sich darauf bezieht, daß der Verleger der omi­nösen Woche" nun auch von der Stuttgarter Verlagsanstalt Union  " die Zeitschriften Vom Fels zum Meer" und Weite Welt" angekauft hat. Bei dem Interesse, das in neuester Zeit auch die Schweiz   für Herrn Scherl an den Tag gelegt hat, dürfte unseren Lesern das Gedicht Spaß machen; wir ' affen es hier folgen.

Jetzt endlich naht uns die Epoche, Nach der wir schon so lang gestrebt,

Wo nur ein Geist, der Geist der Woche!

Im weiten deutschen Reiche lebt!

Jetzt endlich

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erst nach dreißig Benzen! Ift unsre Einheit voll geglückt, Des Maines vielberufne Grenzen, Jetzt endlich find sie überbrüdt!

Und August Scherles tennt, auf Ehre, Die weite Welt sein Renommee! Herrscht unbeschränkt vom Fels zum Meere Vom Nesenbach bis an die Spree!

Er stürmt, als wie ein Donnerwetter. Daher in seinem Siegeslanf

Und tauft den Rest der deutschen   Blätter In furzer Frist wohl auch noch auf.

Da hilft kein Sträuben, fein Gewinsel, Sobald er es einmal beschloß:

Sein wird der Borwärts" und die Infel, Der Odin  " und die Tante Voß!

Bald wird die Rölnische" zum Raube Dem August Scherl  , G. m. b. H., Das Baterland", die Gartenlaube", Die Zukunft", die Germania  ")

Saarbrüden, 8. Jaunar.

Jezt hat auch der Bölkische Beobachter" vom Freitag die Lügen einer Reihe anderer Naziblätter gebracht, die aus einer Conti- Meldung stammten, also aus einer hitleramt: lichen Quelle, wonach sich Max Braun   wieder in Paris   auf­halte. Wir stellen dazu fest: Max Braun   ist seit Wochen ununterbrochen im Saargebiet und hat gestern mittag in Friedrichsthal   in einer überfüllten Versammlung( viele mußten leider umtehren, da der Saal nicht alle faßte) ge= sprochen. Er ist nach der Versammlung dann auf Einladung der englischen   Labour Party   nach England abgereift und ist zur Stunde bereits in London  . So verhält es sich also mit den Lügen und Verleumdungen des ganzen gleichgeschalte: ten Göbbelsladens. Es fehlt nur noch die Behauptung der Nazipreffe, daß am geftrigen Sonntag in Friedrichsthal   nicht Brann gesprochen habe, sondern ein Doppelgänger. Dann wäre dieses Lügenreservoir endlich erschöpft.

Der Zwietracht häßliche Erscheinun Ist dann für allemal verbannt, Die ganze öffentliche Meinung Piegt dann in einer starten Hand! Berschwunden das Parteigetriebe Und was die Menschen sonst entzweit, Augunsten holder Menschenliebe, Und ungetrübter Heiterfeit!

Wir leben ohne Zweck und Sorgen, Behaglich wie der Frosch im Schlamm Wir freuen uns an jedem Morgen Aufs- Allerhöchste Fotogramm

Denn dieses fehlt in teiner Nummer Un schildert uns die Majestät

Beim Essen, Trinken und beim Schlummer Und wo Sie geht und sißt und steht!

Es schildert uns den Herrscher, wie er Sich räuspert, wie er spuckt und schneuzt Drum wird dem August als Erzieher Auch seine Männerbrust befreut!

Er macht das Volk ja brav und bieder. Hurrafromm und loyal en bloe

buw

Ofreu Dich, deutscher   Seifensteder: Ein Reich! Ein Blatt! Gin Stil! Ein- Schmod!

Viel Geschrei

Hitlers Noblesse

Hans.

Bekanntlich wurde mit großem Geschrei eine Stiftung für Opfer der Arbeit" errichtet, für die der Olaf persönlich die Maultrommel rührte. Es tamen in den ersten 5 Mona­ten, wie einer der Verwalter der Stiftung Dr. Klugkist sagt. 6,5 Minionen Reichsmart zusammen. Von allen eingebrach­ter Gesuchen wurden im ganzen 500 positiv erledigt. Ins­gesamt wurden 202 000 R. ausgezahlt. Die Söhe der ein­zelnen Unterstüßungen liegt von 120 bis 720 Mark jährlich. Aus arbeits- und wirtschaftspädagogischen Gründen" wird die Unterstützung in monatlichen Teilbeträgen ausgezahlt. Mitte Dezember betrug die Stiftung bereits 7 Millionen Mark und etwa 300 000 Mart wurden zur gleichen Zeit an Unterstützungen ausgegeben. Die Gebarung der Stiftung ift undurchfichtig, ist unkontrolliert und fein Mensch weiß, was mit dem Geld, von dem nicht einmal 10 Prozent aus­bezahlt wurden, geschehen ist