Deutsche   Stimmen Beilage zur Deutschen Greificit". Ereignisse und Geschichten

,, Uca Linda"

Dienstag, den 9. Januar 1934

Riesenblamage der gleichgeschalteten Wissenschaft

Vielleicht erinnert sich noch dieser und jener, daß vor acht Jahren ein gewisser Franz von Wendrin die Mitwelt teils in Erregung, teils in unbändige Heiterkeit versetzte: er war der Mann, der Mecklenburg   als das Land feststellte, in dem das biblische Paradies gelegen habe.

Das war kein Faschingsscherz, sondern in einem sonst sehr ernsthaften Verlag erschien ein dickes Buch, dessen Verfasser, der genannte Franz v. Wendrin, behauptete, daß es ihm gelungen sei, eine 50 000 Jahre(!) alte Runeninschrift auf den Felsen von Bohuslän( Schweden  ) zu entziffern. Aus dieser ergäbe sich die Bibel als jüdische Fälschung: Jesus   sei ein blonder germanischer Heerführer gewesen, der schon einige zehntausende Jahre vor seiner angeblichen Geburt das schwarzhaarige Volk der Ebräer( von Eber- also Schweinevolk) bei Kreuz und Krojanke aufs Haupt geschlagen und sie aus dem Mecklenburger Paradiese, wo heute noch ein Dorf Paradies an die Stätte erinnert, vertrieben habe. Das war alles mit einem großen Wust von Scheingelehrsamkeit, mit verrückten Ethymologien usw. begründet. Das Buch wurde auch in der hakenkreuzlerischen Presse ganz ernsthaft angezeigt, bis ein Linksblatt Lärm schlug, worauf der Verlag es für angezeigt erachtete, mit einer Entschuldigung über seinen Reinfall das Buch zurückzuziehen.

Franz

Im ,, dritten Reich" ist wieder Hochkonjunktur für solche tollhäuslerischen Schwindeleien. Als Nachfolger v. Wendrins meldet sich Hermann Wirth  , der eine große Rolle als Prophet der neuheidnischen Be­wegung spielt. Hermann Wirth   ist zwar nicht so glücklich wie Franz v. Wendrin, daß er gleich um 50 000 Jährchen in die germanische Vergangenheit zurückblicken könnte, immer­hin aber reicht sein Scharfblick rückwärts bis( genau) ins Jahr 2193 vor Christi Geburt! Er ist nämlich im Besitz der Ura Linda Chronik", einer angeblich altfriesischen Quelle, die nach Wirth   ein eindrucksvolles Bild stolzer Kulturhöhe unserer Vorfahren" gibt, indem sie von ,, Not- und Glückszeiten zurück bis 2193" be­richtet. Diese Chronik gibt nach Wirth   ,, dem deutschen  Volk sein geistiges Ahnenerbe wieder in einer Zeit, die reif wurde für solche Offenbarung".

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Ja, Wirth   hat Recht: erst diese Zeit des ,, dritten Reiches" mußte kommen, damit das deutsche   Volk reif wurde für solchen ungewöhnlichen naiven und plumpen Schwindel, den Wirth eine Offenbarung" nennt. Offen­bar wird allerdings der hoffnungslose geistige Zustand eines in ankritischen Rasereizustand versetzten Volkes!

Das Deutsche   Institut der Universität Breslau sieht sich veranlaßt, eine von den Professoren Merker, Ranke, Siebs und Steller unterzeichnete Erklärung zu erlassen, die Wirths famose Ura- Linda- Chronik für eine ganz wertlose Fäl schung" erklärt.

Die Erklärung der vier Professoren begründet dieses ver­nichtende Urteil wie folgt:

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,, Das durch... eine prächtige Ausstattung angepriesene Buch gibt eine freilich lückenhafte deutsche   Uebersetzung des von Dr. J. G. Ottema 1872 in Leeuwarden   herausgegebenen Buches Thet Oera Linda Bok", das eine angeblich im 13. Jahrhundert geschriebene ,, Chronik" in altfriesischer Sprache nebst holländischer Uebertragung enthält. Freilich ist diese ,, Chronik", die an­geblich von einem Manne namens ,, over de Linden"( über den Linden) geschrieben und von Nachkommen dieses Mannes aufbewahrt worden sein soll, mit Recht von keinem Kenner des Altfriesischen ernst genommen worden.

Tatsächlich muß sie( unseres Erachtens wohl nach 1840) von einem in den Niederlanden lebenden Manne verfaßt sein, der eine nicht geringe Bildung und Belesen­heit hatte, der von fremden Völkern und Rassen, von antiker Dichtung und Philosophie wußte, der einen ge­sunden Verstand und Humor genug besaß, daß man selbst eine satirische Absicht seiner sonderbaren Arbeit nicht für ausgeschlossen halten möchte. Dieser Mann hat in ganz laienhafter Weise einen niederländischen Text in eine den altfriesi­schen Rechtsquellen ähnliche Sprache zu übertragen gesucht. Der Inhalt ist zumeist ein törichtes Gemisch teils bekannter, teils bekannter, teils erfundener mystischer Erzählungen mit sagenhaften hei­mischen und fremden Motiven. Das alles wird den Friesen

Ein Geschlecht

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Wir waren grade achtzehn Jahre, Wir waren sehnsuchtsvoll und jung: Wir knieten vor dem Hochaltare Der Liebe in Verzauberung,

Als man uns roh vom Glanz der Kerzen Zur Schlachtbank, in den Blutstrom stieß. Dort starben grauenvoll die Herzen Auch derer, die man leben ließ.

So waren wir schon alt geworden, Bevor das Leben noch begann, Geschändet durch das Brudermorden, Des Greuel niemand schildern kann.

Dann kam in mühevollen Jahren Der Kampf um unser täglich Brot, Und unter vielerlei Gefahren Besiegten mählich wir die Not.

So hatten wir uns mit dem Leben Schon fast ein wenig ausgesöhnt; Ganz zaghaft hatten wir soeben Ein Lied gesummt, das einst getönt.

Da brachen rasende Barbaren In unsren kleinen Frieden ein, Und abermals nach achtzehn Jahren Glüht der Zerstörung Feuerschein.

zugewiesen; die geschichtliche Kunde beginnt mit dem S

Jahre 2193(!) vor Christi Geburt."

Natürlich müssen die Professoren des Deutschen Instituts dieser vernichtenden Erklärung in heutiger Zeit noch eine lange Entschuldigung anfügen, aus der wir wenigstens einen Satz wiedergeben wollen. Sie sagen nämlich:

,, Es erschien uns als unsere Pflicht, auf diese Irre­führung des deutschen Volkes hinzuweisen, ehe vielleicht

einige Leichtgläubige das Buch nach dem Wortlaut des Um­

schlages als Offenbarung" hinnehmen und die deut­ sche   Wissenschaft im In- und Auslande

lächerlich macht."

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In diesem Punkte können die Unterzeichner beruhigt sein: die Lächerlichmachung der deutschen Wissenschaft haben auch ohne Hermann Wirth   für In- und Aus­land die gleichgeschalteten Professoren gründlichst besorgt! Hermann Wirth   bestätigt nur, was alle bereits wissen: seit­dem die voraussetzungslose Forschung an deutschen Univer­sitäten als ,, liberalistisch" abgetan ist, steht die Bahn offen für Scharlatane und Schwindler.

Linde Lüfte im Oostal

Es collen

die Kugeln, es fliegen die Karten...

,, Ein solcher Katzensprung lohnt sich für dich" brauner deutscher Bürger. Setze dich in dein Auto und fahre nach Baden- Baden  . Welche Genüsse dir hier winken, das erzählt die jüngste Reisebeilage der Kölnischen Zeitung":

,, Erst wenn die vormärzlichen linden Lüfte durch das Oos­tal strichen, wurde es in Baden- Baden   sonst lebendig. Bis dahin war Winterstille, nur wenige Kurgäste überzeugten sich, daß es sich hier auch im Winter kurzweilig leben läßt. Kommt man jetzt nach Baden- Baden  , so fallen in der Nähe des Kurhauses die stark besetten Parkpläge auf. Auto an Auto mit Num­mern und Schildern von überallher aus Deutschland   und auch von drüben. Baden- Baden   liegt günstig, etwa auf dem Kreu Westen nach Osten und Norden nach Süden. Man kann im

jahrsgruß an die deutsche Arbeitsfront  ). Die rassische Er­tüchtigung erfolgt in Baden- Baden   nicht in Gemeinschafts­lagern mit Wehrsport, sondern durch Armübungen an der Roulette unter Oberleitung jüdischer Franzosen, die die Konzession zur Organisation des Spielbetriebs erhielten.

Jeder Ausländer wird sich in Baden- Baden   davon über­zeugen, daß es mit der deutschen Wirtschaft entschieden auf­wärts geht. Man bekommt hier, nach dem Attest der Köl­nischen Zeitung", sogar Devisen zu sehen.

Devisen, die Herr Schacht respektiert! Aber das ist noch nicht alles. Ausländer, die in Baden- Baden   gewonnen haben, werden von der SA.- Kapelle zu ihren Autos zurückbegleitet. Bald wiederkommen! Heil Hitler!

zungspunkt zahlreicher großer Verbindungsstraßen von Frau Topp bringt es an den Jag Nu hier sein, und ein solcher Katzensprung kann sich lohnen. ,, Hitler, Techniker aus Wien  " In den prächtigen Kurhaussälen rollt die Kugel und fliegen die Karten. Boulé, Bak. karat, Roulette werden da gespielt, seit einigen Monaten gibt es in Baden- Baden  die einzige Spielbank Deutschlands  , und, was selbst Optimisten nicht erwartet hatten, ihr Besuch wächst von Tag zu Tag und hält selbst an schlechteren Tagen einen hohen Durchschnittsrekord.

Mehr als 300 Spiellustige kommen täglich. Weihnachten hat man einen größern Spielsaal mit doppelt soviel Spiel­tischen eröffnet. Das Gedränge wird zeitweise schon zu stark. Und schon setzt man auch Roulettes in Betrieb, wo höhere Einsätze als der übliche Mindestsat von zwei Mark nötig sind, um das Glück zu beschwören. Wie im Hochsommer schwirren die verschiedensten Sprachen durcheinander. Wer lange keine Devisen gesehen hat, hier bekommt er sie zu sehen, Spielmarken umgewechselt werden, mit denen allein gespielt werden darf. Viele Tausende, zusammen hohe fünfstellige Beträge in Devisen, sind hier schon abge­liefert worden, während Gewinne, die der Ausländer macht, in fremder Währung in bestimmter Form ohne Anstand aus­geführt werden können."

wenn sie in

Jüngst sagte Dr. Göbbels   in einer seiner eleganten Wort­prägungen, die flink ins Ohr kriechen: Liebe Pg.s! Wir sind keine Revoluzzer! Wir sind Revolu tionäre!"

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sie haben nicht nur Unsere braunen Revolutionäre also Deutschland  , sondern auch den Baden- Badener Kurhaus­betrieb zum Wiedererwachen gebracht. Auf den stark be setzten Parkplätzen stehen die Luxuslimousinen des herr schenden ,, Typs"( dies wiederum wörtlich nach Dr. Leys New

Die ,, Süddeutsche Sonntagspost" veröffentlicht in Nr. 47 die Erinnerungen eines Schneiderehepaares Namens Popp aus München  , bei dem Hitler von 1912 bis 1914 als Zimmerherr wohnte. Voll tiefer Rührung wird da geschildert, was für ein solider Herr sozusagen ein ,, besserer Herr" der Mieter war, wie er nicht trank und nicht rauchte, nicht tanzte und kein Mädchen anguckte, sondern ,, bis in die Nacht über den Büchern lernte".

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Mitten in dem byzantinischen Aftermieter- Heldensang der ,, Süddeutschen" findet sich ein verräterischer Passus:

,, Nun sah er erst, daß Frau Popp ihm einen Zettel ge­bracht hatte, den polizeilichen Meldezettel. Er nahm die Feder und füllte in kleinen, zusammen­gedrängten Buchstaben das polizeiliche Formular aus. Als Frau Popp wieder in der Küche saß, setzte sie die Brille

Jäh brach das bißchen Glück zusammen. Landflüchtig, arm und heimatlos, Sehn wir das Vaterland in Flammen, Und unsre Not ist riesengroß!

Wir stimmen an die Totenklage, Wir, ein verwüstetes Geschlecht, Und rufen bis zum letzten Tage: Gerechtigkeit!- Das werde Recht!

Horatie.

nur noch Lehrer mit Rassenkunde Ausprobierung im ,, Gemeinschaftslager"

Der preußische Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, Rust  , bringt in einem Erlaß zum Ausdruck, daß die Lehrkräfte aller Schulen sich in Lehr­gängen und Arbeitsgemeinschaften über die Grundlagen der Vererbungslehre, Rassenkunde  , Rassenhygiene, Familien­kunde und Bevölkerungspolitik sowie über deren Anwen­dung auf die verschiedenen Erziehungs- und Unterrichts­gebiete klar werden. Bei der Wahl der Vortragenden und Schulungsleiter seien nur solche heranzuziehen, die nicht nur die rein biologischen Tatsachen beherrschen, sondern die auch befähigt und gewillt sind, die weltanschaulichen Forderungen im Sinne der nationalsozialistischen Bewegung zu ziehen. Als Leiter sollen daher nur nationalsozialistisch bewährte Erzieher in Frage kommen. Die Personenwahl hat im engen Einvernehmen mit der zuständigen Gauleitung oder deren Beauftragten, die Aufstellung der Arbeitspläne in Verbindung mit dem Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht", Berlin  , zu erfolgen. Auch das Aufklärungsamt für Bevölkerungspolitik und Rassenpflege" in Berlin   W 35 sei bereit, bei der Plangestaltung zu helfen. Anschließend be­tont der Erlaß, daß erfahrungsgemäß die Form der Ge. meinschaftslager deswegen für solche Veranstal­tungen besonders geeignet erscheine. Daher seien solche Lehr­gänge nach Möglichkeit in Volksschulheime, Schullandheime, Jugendherbergen und ähnliche Gebäude außerhalb der Städte zu legen und auch nach der Seite des Gemeinschaftslebens zu ergänzen.

Dec Wiener   Pen- Klub

,, Jüdisch  " und ,, bolschewistisch"

Es ist den reaktionären Schriftstellern nicht gelungen, den Wiener   Peu- Klub, der eine Antinazi- Haltung eingenommen hatte, umzubringen. Der Klub, aus dem die nationalistischen Autoren und zum Teil die schwarz- faschistischen ausgetreten sind, hat sich soeben neu konstituiert. G. H. Wells hat die Haltung des Klubs für Geistesfreiheit und gegen Terror in einem Schreiben ausdrücklich gebilligt. Nach den Vorstands­wahlen brachte ein jüdisches, dennoch aber gleichgeschaltetes Mitglied, ein Herr Feigel, einen Ehrenrettungsantrag für Gerhart Hauptmann   ein, der nach Reden von Raoul Auernheimer   und Frit Brügel mit allen gegen zwei Stimmen abgelehnt wurde. Die getarnte und offene faschistische Presse greift nun den Pen- Klub als ,, jüdisch" und ,, bolschewistisch" an; er ist weder das eine noch das andere; er ist nur: nicht gleichgeschaltet. Alle Ver suche, auch ihn gleichzuschalten, werden miẞlingen!

auf und überflog den Zettel, der die Namenszüge des Zeit- Notizen

neuen Zimmerherrn trug:

,, Adolf Hitler  , Techniker aus Wien  ".

... Adolf Hitler  , das hatten sie freilich bald bemerkt, war gar nicht Techniker, wie es auf dem Meldezettel stand, sondern Zeichner und Maler..."

War gar nicht Techniker, war auch gar nicht Zeichner..., sondern Anstreicher! Dieser Beruf aber erschien ihm nicht vornehm genug, er hatte schon immer den Zug zum Höheren". Deshalb hielt er mit seinen Arbeitskollegen nie­mals gute Kameradschaft, er schämte sich ein Arbeiter zu sein. Und darum fälschte er seinen Meldezettel.

Man kann fälschen aus Liebe, aus Leidenschaft, aus Geld sucht. Hitler   fälschte seinen polizeilichen Meldezettel, weil er in den Augen der braven Frau Popp nicht ein gewöhn­licher Arbeiter" sein sollte, er fälschte unter dem Zwang seines Minderwertigkeitskomplexes.

Tragikomödie eines Kleinbürgers

,, Frankreichs   Verrat an der weißen Rasse" heißt ein soeben erschienenes Buch von einem H. E. Thümmler. Das durch und durch kriegshetzerische Buch ist für die unterirdische Kriegs­propaganda bezeichnend.

Von der Reichsschrifttumskammer. Auch diese Institution ist in die Auslandspropaganda der Nazis eingebaut. Ein eigener außenpolitischer Referent" besorgt diese Aufgaben. Er heißt Werner Schlegel.

Die SA. bekommt Philosophie. Gegen das Mißverständnis Nietzsches, das Spengler in seiner ,, Raubtierphilosophie" be­geht, wendet sich ein Eitelfritz Scheiner mit einer Auswahl von Nietzsche  - Stellen. Von der Auswahl wird gesagt: sie ge­hört in die Hand jedes SA.- Mannes und Schulungsleiters der Bewegung. Sie ist ein Führer durch die Weltpolitik der Gegenwart und Zukunft."