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Diensfag, den 16. Januar 1934
Von Alexander zu Adolf
Die Geschichte des ,, dritten Reiches"
Pünktlich neun Monate nach der ,, nationalen Erhebung" stellt sich eine Geschichte des Dritten Reiches" ein. Geschrieben von einem Geschichtsforscher Wilfrid Bade , der sonst Romanschreiber und außerdem Regie. rungsrat im Göbbelsschen Propagandaministerium ist. Mit dem stürmischen Elan, mit dem die Herren des dritten Reiches" bekanntlich alles anpacken, wollen sie auch schwarz auf weiß ihre Geschichte haben, bevor sie sie noch gemacht haben.
Hat nicht Hitler selber verkündet, daß mit ihm eine neue dreißigtausendjährige Epoche anhebt? Immerhin, es sind ja nun beinahe schon zwölf Monate dieser 30 000 Jahre um und da ist es doch wirklich an der Zeit... Wobei mir einfällt, daß Wilhelm der Zwote so um 1910 herum, den Grafen Zeppelin zum größten Mann des Jahrhunderts" ernannt hat. Wobei er sträflicherweise Adolf Hitler ignoriert hat. Trotzdem, auch so hat die Welt sich nicht wenig lustig gemacht über eine Voreiligkeit, die das ganze Jahrhundert schon vergab, nachdem es gerade angefangen hatte.
Wilhelm II. konnte eben nicht abwarten, sonst hätte er vielleicht gar nicht abdampfen müssen. Hitler will ihm nicht nachstehen, auch er kann nicht abwarten... Schiller sagt von
doch einigermaßen anders aus. Also hätte ich in dem Buch von Bade gern mal gesehen, wie die Geschichte beim„, dritten Reich" so ausgeht. Aber gerade in dem Punkt, der die Allermeisten doch lebhaft interessieren würde, versagt Bade vollkommen. Mit einem Dreh, den ich einen jüdischen Dreh nennen würde, wenn ich nicht wüßte, daß ein Regierungsrat bei Göbbels auf ganz andere Drehs geeicht sein muß, bricht er bei dem Austritt aus dem Völkerbund ab, der sozusagen ein Rückzugs- Sieg war, und nennt seine Geschichte Band I. Was einerseits sehr zu bedauern ist, eben weil das, was er sonst zu berichten hat, noch kaum der Rede wert ist. Andererseits muß ich als Schriftsteller und Mitbegründer des Schutzverbandes deutscher Schriftsteller den Kollegen Bade doch aufs höchste bewundern.
Wenn er die besagten 30 000 Jahre hindurch alle neun Monate so einen Band rausbringen kann, womöglich noch mit kräftigem Zuschuß des Propagandaministeriums, dann ist er ja ganz gut versorgt. Direkt lebenslänglich, sofern mit einem Mal nicht eben auch das dicke Ende nachkommen sollte. Paul Westheim .
seinem Wallenstein , er habe das doppelte Unglück gehabt, Zukunftsträchtiger Schaumschläger
zugrunde zu gehen und überdies seine Geschichte geschrieben zu bekommen von seinen Gegnern. Daß das ,, dritte Reich" sich dem nicht aussetzen will, kann man verstehen. Also schreibt man sich selbst die Geschichte. Vorher, ehe es zu spät sein sollte.
Frühere Geschichtsforscher, z. B. Ranke, der Verfasser der Römischen Geschichte, meinten noch abwarten zu müssen Jahrhunderte, sogar über tausend Jahre. Es ist mir schon immer aufgefallen, daß Ranke nicht die mindeste Neigung hatte, etwa die Geschichte des neu geeinten Reiches zu schreiben, dessen Entstehung er ja brühwarm miterlebt hatte. Stubenhocker, der er war, ängstlich besorgt, sich vor dem Wirbelwind der neuesten Ereignisse zu hüten, hat er wohl auch gemeint, man müsse erst mal sehen, was aus Bismarcks Schöpfung in den Händen gewisser Nachbismarcks werden werde. Die Rankes von heute sind gottlob forscheren Geistes; ihre Geschichtsforschung hat den Ehrgeiz, die Geschichte voranzulaufen und nicht wie ein lahmer Gaul nachzuhinken. Es heißt zwar immer, für das Gewesene gibt der Jude nichts; der Nazi gibt, scheints, noch weniger dafür. Offenbar sind die Herrschaften selber neugierig, was überhaupt bei der Geschichte rauskommt.
Im Entscheidendsten freilich versagt das Buch. Leider. Wie jeder Kinobesucher doch die Filme sich bloß des happy ends wegen ansieht, so habe ich die Gewohnheit bei allen Büchern, die ich lese, mich zuerst mal am Schluß über das happy end zu vergewissern. Uebrigens die einzige fruchtbare Methode, Bücher, speziell Geschichtswerke, zu studieren. Wie ganz anders erscheint einem die Geschichte Alexanders des Großen, wenn man bei Droysen erst mal am Ende ge
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lesen hat, wies eins, zwei, drei mit der ganzen Herrlichkeit aus war. Der wahrhaft sieghafte Aufbruch der mazedonischen Nation, die buchstäblich die halbe Welt eroberte, das heißt, ihre Welteroberungsträume nicht bloß hatte, sondern heldisch auch erfüllte, und eines Tages Alexander, der Alexander, der Führer, wurde von einem Fieberchen gepackt, nicht vom Fieberwahn den merkt man ja nicht so, wenigstens bei einem großen Mann nicht sondern von einem richtigen Fieber, das die Naturheilkundigen von damals nicht zu heilen vermochten. Und als es mit einem Mal aus war, da fielen die Diatochen übereinander her, die Unterführer, die er groß gemacht hatte, jeder nur darauf bedacht, zu räubern, was irgend noch zu räubern war. Dem mazedonischen Volk selbst verblieb von dem herlichen Aufbruch der Nation nichts als ein riesengroßer Katzenjammer.
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Wenn man das weiß, daß am Ende die armen Mazedonier bloß die Gelackmeierten waren, dann, meine ich, nimmt sich das beispielhafte Vordringen der sieghaften Sturmtrupps
Dieser nämliche Regierungsrat Wilfrid Bade vom baunen Propagandaministerium hat eine Rede über die ,, Kulturpolitischen Aufgaben der deutschen Presse" gehalten( und herausgebracht bei Junker und Dünnhaupt, Berlin ). In die ser Rede wird vom Feuilleton der gleichgeschalteten Presse vor allem Pflege der völkischen Kultur" gefordert. Der Roman müsse völkisch sein. Den guten Unterhaltungsroman habe bisher leider nur die Nazipresse gepflegt. Jüngst hat sich erst die gleichgeschaltete Literarische Welt " über die schlechten Romane der nationalsozialistischen Presse beschwert und in diesem Teile energisch Besserung gefordert. Schenken wir Göbbels ' Wilfrid das alles. Festgehalten aber muß die Definition werden, mit der er den staunenden Presseleuten des dritten Reiches" endlich sagt, was kunftsträchtig und revolutionär ist:
zu
,, Das deutsche Feuilleton wird vor allen Dingen in gleichem Maße zukunftsträchtig sein müssen wie traditionsgebunden und konservativ. Denn jeder konservative Gedanken ist ebenso wie jeder revolutionäre ein Todfeind der Reaktion. Gerade jedes konservativ revolutionäre Moment, das die deutsche Kunst von jeher in ihren höchsten Epochen auszeichnete, von Grünewald über Rembrandt bis zu Franz Marc , von Luther über Schiller bis zu Binding und Johst, wird das deutsche Feuilleton befähigen, zwischen Gestern und Morgen im Heute zu vermitteln.
Für den Fall, daß jetzt über die Aufgaben des deutschen Feuilletons immer noch keine Klarheit geschaffen ist und
einige gleichgeschaltete Feuilletonisten pedantisch über einige Begriffe stolpern, sollen hier einige Erläuterungen gestiftet werden: Konservativ- revolutionär waren jene Blaublütigen des wilhelminischen Deutschlands , die am Dreiklassenwahlrecht festhielten; konservativ- revolutionär sind Hugenberg, Papen und Thyssen, sind Görings junkerlichen Freunde, sind der Herr Oldenburg von Januschau , sind die alten Prinzen und Generale und das gesamte monarchistische Lager; ihre konservative, traditionsgebundenen Gedanken sind ja bekannt als revolutionäre Todfeinde jeder Reaktion. Ja, wo ist und was ist nun aber Reaktion?!
Das, lieber Leser, gibt's überhaupt nicht, das ist eine reaktionäre marxistische Erfindung! Und nun auf, deutsche Feuilletonisten! Jetzt wiẞt Ihr, was zukunftsträchtig und revolutionär ist, denn der Mann, der in Göbbels Auftrage endlich das Revolutionäre des Hugenberg- Thyssenschen Konservatismus lehrte, ist eine große Kanone im Ministerium für Volksaufklärung.
Blicke in europäische Hauptstädte
Nachrichten von übermorgen
Friedenspakte
Pakte Pakte nichts als Pakte solln den Frieden garantieren, doch die Unterzeichnungsakte können Waffen nicht plombieren Gestern noch ein Pakt versagte, morgen schon ein neuer tagt. Und Europa , das verzagte, lauscht dem Redekatarrakt. Konferenz der großen Staaten- Deutschlands Austritt aus dem Pakt.
"
Wer will unter die Soldaten?" Adolf Hitler schlägt den Takt. Und so naht gewiß die Stunde, die dem letzten Mächtepakt und dem letzten Völkerbunde kriegerisch die Akten packt.
Dec liberalistische Typus Mensch( S2)
Thomas Eck.
,, Auf Grund jahrelanger Untersuchungen über die Grund formen des menschlichen Seins kennzeichnete E. Ja ensch den S- Typus( Synästhetikertypus) als Typus der Zersetzung, der extrem liberalistischen Geisteshaltung, der Anpassung und damit als den Gegentypus der deutschen Bewegung. Der S.Typus ist biologisch- psychologisch verankert. Er weist auf extreme Rassemischung hin, auf Tuberkulose und andere Krankheitsprozesse, auf unfertige und unausgereifte Beschaffenheit und schließlich auf Umformungsphasen, d. h. Lebensabschnitte, in denen der Mensch eine neue Wesensform annimmt. Besonders die gesteigerte Form des S- Typus, der durch überstarke Schwankungen und Anpassungsfähig. keit egozentrischen Charakter und Oberflächlichkeit der Gefühle gekennzeichnete S- Typus, wird zum Gegentypus der deutschen Bewegung. L. F. Clauß führte in Bild und Wort Rassetypen vor: den nordischen Leistungs- und den fälischen Verharrungsmenschen, die eigentlichen Aufbauer germanischer Kultur, und, zur Unterstreichung der germanischen Eigenart, den wüstenländischen Offenbarungs- und den vor derasiatischen Erlösungsmenschen." Diese Orgie an Kretinismus, um bei den nordischen Fremdworten zu bleiben, finden wir im Bericht über den 13. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, der soeben im 11. Heft der„, Industriellen Psychotechnik" erschienen ist.
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Von Schulze bis Heyde
Chamäleons
Herr G. Schultze- Pfälzer hat ein Buch aus dem Jahre 1930, in dem er den Stahlhelm einen zwischen Einsicht und Aberwit schwankenden Veteranenbund"( S. 309) und den Osaf einen„ politischen Piraten"( S. 312) nannte umgeschrieben, das unter dem Titel„ Deutsche Geschichte 1918-33" soeben erschienen ist. Dieser Neuerwerbung des Nazitums gesellt sich Otto Freiherr von Taube, der vor ein paar Jahren den Antinaziroman ,, Das Opferfest" veröffentlichte; nun ist er völkisch brav geworden und schreibt im Verlag Stalling über den ,, baltischen Adel". Auch der Universitätsprofessor Dr. Ludwig Heyde Kiel, der sich einst als biederer Demokrat gab, ist zu den Nazis abgeschwenkt. Er hat, flink wie ein Kaninchen, eine ,, Deutsche Gewerbepolitik" geschrieben, in der ,, Wirtschaftsliberalismus, Marxismus und Sozialreaktion" abgelehnt wer den. Sonst betont der Heyde noch, daß er im ,, Einklang mit den grundlegenden Wertungen der neuen Staatsführung" sich befindet.
Edition Schott im Verfall
Berlin . An der Hochschule für Bevölkerungspolitik fand gemeinsamen Beratung der baltischen Randstaaten über das Von deutscher Musik
heute die erste feierliche Promotion statt. Scharführer Pg. Dieter Minnemüller, der die Staatsprüfung in Jus primae noctis mit größtem Können abgelegt hatte, erlangte die Doktorwürde. Seine Dissertation über Römisches Recht und Recht der ersten Nacht( kein Vergleich) wird in einer größeren Auflage in Druck erscheinen. Dr. juris p. n. Minnemüller wurde zum Fernzeugmeister der SA. Brandenburg bestellt.
Wien . Der Verein zur Förderung der Familiesinteressen hat die Forderung nach sofortiger Einführung der allgemeinen Gebärpflicht in Oesterreich aufgestellt. Der Verein verlangt weiter wirksamen Schutz vor Schutzmitteln und Maßnahmen zur Aufklärung der Bevölkerung über die Schäden der Aufklärung.
Paris . Der Kolonialminister dementiert, daß er falsche Gutscheine der Sozialversicherungsanstalten als Börsentip empfohlen habe. Der Sozialversicherungsminister bestreitet, daß er gefälschte Kolonialpapiere zur Deckung seines Guthahens bei der Bank von Indochina verwendet habe. Der Finanzminister erklärt, daß er das Blatt ,, La Morale Publique" niemals mit falschen Aktien der Luftfahrtgesellschaft gekauft oder bestochen habe. Der Luftfahrtminister ist zurückgetreten. Die Nachricht von einer Ministerkrise wird dementiert.
London . Eine Klärung der weltpolitischen Lage steht insofern unmittelbar bevor, als der englische Außenminister der Einladung des rumänischen Gesandten in Brüssel , einer
Saarproblem beizuwohnen, Folge geleistet hat. Der fran zösische Gegenbesuch in Rom mußte auf Intervention des spanischen Geschäftsträgers in Tokio unterbleiben, doch rechnet man mit einer baldigen Eingliederung des Völkerbundes in den Viermächtepakt auf Grund der Vermittlungsvor schläge Monakos.
Nicht zuviel Politik
Es graut ihnen schon davor
Im laufenden Semester, so teilt Preußens Kultur- Rust mit, hat sich herausgestellt, daß an allen Hochschulen eine Ueberzahl von politischen Vorlesungen" angekündigt und zum Teil auch für die gesamte Studentenschaft verbindlich gemacht worden ist. Aus diesem Grunde betont der Rust in einem Erlaß, daß die politische Erziehung der Studenten schaft in erster Linie in den Fachkollegs zu erfolgen habe, während nur in besonderen Fällen politische Vorlesungen, etwa für Hörer aller Fakultäten, auch im Vorlesungsverzeich nis, besonders herauszustellen seien. Der Minister ersucht deshalb, bei der Neuaufstellung des Vorlesungsplanes für das Sommersemester darauf Bedacht zu nehmen, daß nur solche Vorlesungen als politische Vorlesungen" besonders herausgehoben werden, die auch strengen Anforderungen genügen. Die Entscheidung darüber, ob eine Vorlesung als„ politische Vorlesung" zu bezeichnen ist, trifft der Rektor im Einvernehmen mit dem Führer der Dozentenschaft und dem Führer des SA.- Hochschulamtes. Es würde genügen, so schließt der Erlaß, wenn etwa zwei bis drei Vorlesungen an jeder Hochschule als Vorlesungen zu politischer Erziehung der Studentenschaft" hervorgehoben würden,
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,, Das preiswerte Volksbuch der neuen deutschen Lieder. Umfassender Inhalt! Vollständige Texte! Für Klavier zu zwei Händen, Ed. Schott, Nr. 2324: Badenweiler- Marsch- Lied; Lore; Lisa; Stolzer Adler; Horst- Wessel- Lied; Argonner- Lied; Flaggenlied; Durch Deutsches Land marschieren wir u. a. m." So sieht der einst anständige und unpolitische Musikverlag aus, der ohne Export nicht leben kann!
,, Mußt Du haben ein Gewehr"
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Aus einem Bericht des Völkischen Beobachters" über die Einweihung der Staatlichen Bildungsanstalt in Spandau :
,, Wehr- und Führertum, Rasse und Religiosität sind die geistigen Fundamente der neuen deutschen Schule." Erst die Flinte dann das ABC, erst die Großmutter dann die Moral.
Verboten
laut Kriminalpolizeiblatt 1716/17:„ Der sozialistische Bote" ( in russischer Sprache erscheinendes Organ der Menschewiki, Paris );„ Burgenländische Heimat"( Eisenstadt );„ Erste Pa riser Zeitung"( Paris );„ Tribüne"( Monatsschrift, Prag ); ,, Hindurch zur Kirche"( Druckerei Franz Weber , Berlin ); ,, Arbeiderbladet"( Oslo );„ Prager Neueste Nachrichten"; Der Montag"( Wien ); Wiener freie Lehrerstimme"; Johannes Scherr , Katharina II. ; Johannes Scherr ,„ Messalina Aspasia Berliner Herold" Nr. 47,