Deutsche   Stimmen Beilage zur Deutschien Freiheit"

Ereignisse und Geschichten

Donnerstag, den 25. Januar 1934

Dec Degen Napoleons

Vaterländischer Klau

Im Zeughaus in Berlin   stehen jetzt wieder die Na po leon- Reliquien: Napoleons   Hut, eine Reihe Orden Napoleons  , auch ein Reisewagen des Kaisers zur Schau. Seit Kriegsende waren diese Napoleon  - Reliquien verschwunden. Da man befürchtete, sie könnten im Versailler Vertrag von den Franzosen zurückgefordert werden, wie die Belgier die Auslieferung der Genter Altartafeln der Brüder van Eyck  verlangten, so hatten beherzte Männer sie vorsorglich aus dem Zeughaus fortgeschafft. Sie waren in Ostpreußen   ver­borgen. Da man der Republik   sie ebenso wenig gönnte wie den ebenso verhaẞten Franzosen, sind sie erst jetzt nach der ,.nationalen Erhebung" wieder zurückgegeben worden. Die Wiederaufstellung im Zeughaus wurde denn auch gebührend gefeiert.

Doch des Lebens ungemischte Freude ward keinem Sterb­lichen zuteil. Es stellte sich nämlich heraus, daß die be­deutendste der vaterländischen Napoleon  - Reliquie: der Degen Napoleons  , den Blücher   in Schlacht bei Waterloo   erbeutet hatte, fehlte. Eine öffentliche Mahnung, ihn zurückzubringen, blieb erfolglos. Blücher   hatte den Degen zum Ansporn und zur Nacheiferung dem Kadettenkorps geschenkt. Seit hundert Jahren lag er in der Hauptkadettenanstalt in Lichterfelde   im Feldherrnsaal in einer Vitrine auf Samt gebettet. Seinerzeit, als im Zeughaus die Orden verschwanden, haben ein paar Kadetten ihn beiseite geschafft, damit auf keinen Fall die Franzosen   ihn zurückkriegen könnten. Wenn in einem solchen Augenblick," sagt ein Bewunderer dieser Beiseite­schaffer, vaterländisch begeisterte Leute im Zeughaus und in der Hauptkadettenanstalt vollendete Tatsachen schufen und das unternahmen, was nach Lage der Dinge die ver­antwortlichen Dienststellen nicht tun konnten, so hatten sie den Beifall aller anständigen Deutschen   für sich." Gewiß, gewiß. Alle Hochachtung vor diesen vaterländisch begeisterten Leuten, die vor nichts zurückschreckten, um dem Vaterland

eine so kostbare Trophäe zu retten. Die Nachwelt wird ihnen einen Ruhmeskranz flechten. Aber- wo ist der ge­rettete Degen? Das Vaterland, für das er in Sicherheit ge­bracht worden ist, wartet auf ihn. Die Gefahr, daß die Fran­ zosen   ihn nachträglich noch zurückfordern könnten, besteht ja nicht mehr und andere Vorwände, daß z. B. die nationale Regierung nicht national genug wäre, sind ja wohl auch hin­fällig geworden.

Wenn die Herren vaterländisch begeisterter junger Leute" trotzdem keine Anstalten machen, den Degen Na­ poleons   zurückzubringen, so hat das ganz andere Gründe. Sie haben ihn nämlich versehärft und zwar ,, vaterländisch begeistert" an die Franzosen verschärft, nachdem das geliebte deutsche Vaterland nicht genug be. zahlen wollte. Vor einiger Zeit wurde nämlich in Berlin   an mehreren Stellen in bester Erhaltung, in einem Lederetui eingebettet, ein Degen Napoleons   zum Preis von 6-8000 Mark angeboten. Da die Herkunft mysteriös schien oder im Mysteriösen gehalten wurde, fand in Berlin  sich niemand, der diesen enormen Preis zahlen wollte. Also gaben jene vaterländisch begeisterten jungen Leute sich, vielmehr ihrer vaterländischen Begeisterung einen Ruck, und verkauften die Siegestrophäe des Marschalls Vorwärts- in Paris  . ,, Bis zum Nachweis des Gegenteils," klagt elegisch die vaterländische Presse, die sonst, wenn es sich um Marxisten handelt, so herzhaft entschiedene Töne findet ,,, besteht der dringende Verdacht, daß es sich tatsächlich um den früher in der Hauptkadettenanstalt in Lichterfelde   aufbewahrten und seit den Spartakuswirren verschollenen Degen Napoleons  handelt, der auf diese Weise Deutschland   für immer verloren gegangen ist."

6-8000 Mark sind ein ganz schöner Batzen, den, wie man sieht, auch vaterländisch begeisterte junge Leute nicht gerade verachten. Im übrigen selbstverständlich: Gemeinnut vor Eigennut. Horst Priepel.

Leistungsaristokratie

Die Betriebsordnung der allgemeinen Heldentod- Bedarfsartikelwerke AG.

Die nationale Arbeit ist geordnet. Der Betriebsführer führt, die Gefolgschaft folgt und der Treuhänder faltet seg­nend seine Treuhände über diesen Bund.

Zu den Führerpflichten des Unternehmers gehört die Er­lassung einer nationalen Betriebsordnung, in der er sowohl auf die Volksgemeinschaft als auch auf seinen bescheidenen Nutzen Rücksicht zu nehmen hat. In jeder Beziehung ent­spricht den Intentionen des Gesetzgebers die

Betriebsordnung

der Allgemeinen Heldentod- Bedarfsartikelwerke AG.

§ 1. Ich, euer oberster Führer, bin die erste, zweite und legte Instanz in allen Anfragen, Wünschen, Beschwerden und Anregungen, der ihr euch bedingungslos zu unterwerfen

habt.

§ 2. Die Treuhänder der Arbeit sind nicht dazu da, Fragen zu beantworten, die sich auf den Zweck ihrer Existenz oder auf eventuelle Lohnsenkungen beziehen. Die Treuhänder dienen überhaupt nur als Prüfstein staatsbejahender Ge sinnung und Sammelstelle für Informationen über getarnte Marxisten.

trieb wird für

§ 3. In meinem Betrieb wird für Deutschlands   Wiederauf­bau täglich zwölf Stunden gewerkt. Da der deutsche   Arbeiter ein Uebermensch ist, sind ihm Ueberstunden arteigen und daher Ehrensache, fern von materialistischen Ansprüchen.

§ 4. Meine Arbeiter haben um 6 Uhr morgens gut aus­geschlafen, wohl ernährt, nett gekleidet und voll freudiger Arbeitslaune zu ihrem Werkplatz zu eilen. Beim Signal der Fabriksirene singt die Belegschaft mit Begeisterung an ge­raden Tagen das Lied ,, Volk ans Gewehr!" und an ungeraden

das Horst- Wessel- Lied. Dann ertönt das Kommando: ,, Hände auf die Werkbank!"

5. Während der Arbeit ist das Sprechen, Singen, Pfeifen und abfälliges Räuspern strengstens untersagt. Gestattet ist hingegen das leise Summen nationaler Lieder und zeitweiliges Ausstoßen des Heil- Hitler- Rufes, wobei jedoch darauf zu achten ist, daß Tonhöhe und Klangfarbe des Grußes das völkische Empfinden nicht verletzen.

§6. Die Mittagspause hat ausschließlich der körperlichen Ertüchtigung im Sinne unserer Abrüstungsbestrebungen zu dienen. Es braucht aber auch nur mit Kleinkaliber geschossen

zu werden.

§7..Nach Betriebsschluß haben meine Arbeiter einen Blick auf das braune Brett zu werfen, wo jeweils Arbeitszeitver­längerungen, Lohnkürzungen, Urlaubsbeschränkungen und Abbaulisten für den nächsten Tag angeschlagen sind.

§ 8. Die Betriebsgefolgschaft hat außer auf das Eintopf. gericht auch auf das Ehrengericht Anspruch; das heißt, der Betriebsführer hat das Recht, Hetzer, Saboteure und andre Beschwerdeführer wegen Hochverrats an der Werkgemein schaft anzuklagen.

§ 9. Meine Arbeiter haben das Recht, zweimal täglich bis zu je drei Minuten einen gewissen Ort aufzusuchen; außer­dem dürfen sie beim Stiegensteigen das Geländer benützen. Weiter haben sie Anrecht auf je einen warmen Treuhände­druck am Festtag der nationalen Arbeit und am Geburtstag des Führers.

$ 10. Langjährige Mitglieder der NSDAP  . dürfen die An­ordnungen ihrer Vorgesetzten auch freiwillig befolgen. Der Betriebsführer: m. p. Karo.

Jetzt wieder: Kaiserliche Hoheit"

Illustre Hochzeitsgäste bei Macia Paudler

In der Zittauer Morgenzeitung", einem Provinzorgan des ,, dritten Reiches, liest man folgende anmutige Schilderung:

Die aus vielen Filmen bekannte und beliebte Film­darstellerin Maria Paudler   hat am Samstag voriger Woche geheiratet, und das war ein kleines gesellschaft­liches Ereignis. Man sah den Staatskommissar Hinkel, man sah den Prinzen von Schaumburg­Lippe, der Adjutant bei Dr. Göbbels   ist, und eine ganz große Ueberraschung gab es am späten Abend, als der Adjutant des Reichskanzlers, der Oberleutnant Brück. ner, erschien und ein Handschreiben Adolf Hitlers  und in seinem Auftrag einen großen Strauß weißen Flieder brachte. Das alte Preußen war durch den Prinzen Joachim Albrecht   mit dem schönen Bart vertreten, der ein Meister des Cellos ist und auch gern komponiert. Man sieht preußische Prinzen jetzt über­haupt viel. Bis zur Kanzlerschaft Brünings wurden sie überall mit dem schlichten Sie" angeredet, seit dem vorigen Sommer hat sich wieder die Anrede Kaiser  . liche Hoheit durchgesetzt. Am gleichen Abend war im Zoo ein großes Wohltätigkeitsfest des Luftschut verbandes angesetzt, zu dem um Mitternacht der Kron prinz in großer Friedenshusa renuniform erschien. Sie machte erhebliches Aufsehen.

Ihre Kollegen vom Theater ehrten Maria Paudler   durch eine intime Kabarettvorstellung. Dabei gab es eine an­mutige Szene. Der Schauspieler Harry Gondi   hielt eine rührende Rede auf seine eigene Frau. Tritt in unsere Mitte, damit wir dich alle sehen können, du Vorbild deutscher Frauen," sagte Maria Paudler   zu Frau Gondi. ,, Ich werde dich durch einen Stengel vom Strauß des Führers auszeichnen." Und da zog sie aus dem Strauß, den der Führer gesandt hatte, einen

Teutsche Frauen.

Teutsche Helden

Es brauchen die Thusnelden

Zwischen Etsch   und Belt Immer einen Helden, Von dessen Glanz sie melden Der erstaunten Welt.

Nach Wilhelm war mal Pause In hehrem Reckentum. Bei Schulze und bei Krause Kein Führerbild im Hause, Kein Lied von Waffenruhm.

Da litten die Brunhildseelen Schrecklich unter der Schmach, Da lechzten viele Kehlen

Das läßt sich nicht verhehlen Kerndeutschem Wesen nach.

Bis Adolf   sie befreite. Wie fanden sie ihn schön, Von vorn und von der Seite,

Als ob er finster schreite Auf einsam stolzen Höhn.

Und viele Holde kamen Zu wählen sein Panier; Und neublondierte Damen Hingen in schönen Rahmen Ihn selig übers Klavier. Sie schufen Hausaltäre Und beteten ihn an, Als ob er göttlich wäre; Und manche Liebeszähre In manchen Busen rann.

Er ließ sichs gern gefallen Und schrie durchs Radio Von arischen Walhallen; Und hörten sie ihn lallen, Ward ihnen leicht und froh.

Nichts merkten die Walküren  , Wie er das Recht entzog. Sie ließen gern sich führen Und glaubten seinen Schwüren. Dieweil er dreist betrog.

Nun haben die Thusnelden Zwischen Etsch   und Belt Wieder einen Helden, Der, mit Respekt zu melden, Sie nur zum Narren hält.

Horatio.

Wilhelm Schäfers Wandlungen

Der Dichter Schäfer, der sich eifrig zum dritten Reich" und stolz zum Mittelalter bekennt, schrieb 1923( ,, Der deutsche Gott", Seite 216): Wer je einen Eingeweihten vom Buch der Weisen Zions spreden hörte, dem wurde der Welt­krieg im Handumdrehen zum Welthintertreppenroman. In diesem angeblichen Protokoll jüdischer Fanatiker ist das Schicksal des Abendlandes, wie es nun wurde, vorgedacht, geplant und bezweckt; Regierungen und Völker sind ledig. lich auf den zionistischen   Leim gegangen, als sie den Welt­krieg anfingen. Nach seinen Zerrüttungen noch ein bißchen Revolution zu machen, war schließlich nicht mehr so schlimm; und so ist die ganze Welt heute so, wie es die Weisen Zions wollten. Die Historiker haben es sich unnötig schwer gemacht mit ihren Deutungen, und wir Dichter sind mit Schuld und Schicksal umständliche Narren gewesen: gewissen Gemütern, soeben aus dem Mittelalter im Kino er wacht, ist das Weltbild fix und fertig, ehe wir zu denken beginnen. Sie können nun den bösen Feind hassen und sich als Märtyrer fühlen, wo sie in sich gehen sollten mit ihrer Schuld."

So treffend wußte Wilhelm Schäfer   einst den Spuk, als er erst drohte, zu kennzeichnen; heute, da der Spuk regiert, ge­hört er zu dem im Kino aus dem Mittelalter Erwachenden und sein Weltbild ist fix und fertig.

Heil Hitler statt Mahlzeit

Brief einer Zwölfjährigen

Zum Beweis, daß es in Hitler- Deutschland besser geht als früher und daß die Marxisten die Besserung deutschen Lebens anerkennen, druckt die Deutsche Metallarbeiter­zeitung"( Nr. 48) den folgenden Brief eines 12jährigen Mädchens: Liebe Tante Ilse, ich bin gut zu Hause ange­kommen. Meine kleinen Geschwister haben sich sehr über die Puppen gefreut. Meine kleine Schwester sagte, in der Schule müssen die Kinder Heil Hitler   sagen, ich staunte. Wenn der Papa von der Arbeit kommt, müssen wir auch Heil Hitler sagen. Mahlzeit will er jetzt gar nicht mehr hören, weil der Gruß Heil Hitler   aufgekommen ist. Er grüßt Dich und Tante Hilde herzlich ein Heil Hitler.

langen Stiel und überreichte ihn der beglückten Gattin Zeit- Notizen

des Kollegen. Tiefbewegt klatschten die Hochzeitsgäste Beifall. Ueberall werfen die großen Ereignisse des Jahres ihre Wellen auch in das private Dasein.

*

Auf den Wellen der großen Ereignisse reiten preußische Prinzen mit schönen Bärten, kaiserliche Hoheiten mit Friedenshusarenuniformen und beglückten Wohltätigkeits­damen, liebenswürdige Adjutanten mit Fliedersträußen und allerhand andre Ueberbleibsel des wilhelminischen Zeit­alters. Und das Vorbild der deutschen Frauen kriegt einen Führerstengel, um das private Dasein durch die Blume mit der nationalen Erhebung gleichzuschalten; so innig, so sinnig leben die feinen Leute im dritten Reich".

Immer weiter: Verboten

Irma Nehrhorn.

wurden laut Kriminalpolizeiblatt 1746/48 folgende Druck­schriften: Bernard Brentano  ,., Der Beginn der Barbarei in Deutschland", Berlin  , Rohwolt; Werner Hegemann  , Ent­larvte Geschichte"( wiederholt!), Leipzig  , Jakob Hegner  ; J. Jakob Wagner in Ehrenbreitstein  ,..Prophezeiungen über die nächste Zukunft, über den zukünftigen großen Kampf mit dem Osten und das Ende der Welt"; Emil Lengyel  , Hitler  ", London  , George Routledge and Sons Ltd.; Beauté Maga­zine", Paris  ; das Flugblatt: Blutterror in Ronsdorf"; Inter­nationales ärztliches Bulletin"( Prag  ); das Flugblatt ,, Rüstet zum Massenprotest gegen Mißhandlung. Meuchelmord und Terros".