Pariser Berichte
Pariser Straßenkalender
Im Theater du Vieux Colombier verlas der Regisseur Bleich bei der Premiere ,, Lukardis" des toten Jakob Wasser mann einen Brief, den der Dichter wenige Tage vor seiner Abberufung in die Ewigkeit geschrieben hatte. Wassermann sprach in diesem letzten Briefe davon, daß ihn die Krankheit hindere, zu den Proben nach Paris zu kommen; er wünschte dem Werke guten Erfolg. Das Stück spielt 1905 in Rußland .
Im Musée du Luxembourg , dem Museum, das die Staatskäufe bei den Ausstellungen tätigt, wurde die neue Sammlung eröffnet. Unter den Neuerwerbungen befinden sich Bildwerke von Maillol , Bourdelle , Despiau, Bilder von Léger und Matisse und Werke junger Maler von den„, Tuileries", dem ,, Automne" usw.
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Verbotene Musik" ist der Titel einer besonders inter essanten Veranstaltung Anfang Februar im Deutschen Klub, an der unser Musikberichterstatter Walter Jacob beteiligt ist.
An der Porte de Versailles eröffnet der Minister Queuille eine Ausstellung landwirtschaftlicher Maschinen.
Die ,, bayerischen Schwestern" Schmidt wurden erneut vom Zentralzuchthaus Montpellier , wo sie ihre zehnjährige Strafe verbüßen, nach Aix gebracht. Der zum Tode verurteilte Rechtsberater Sarret, der Versicherungsmörder mit dem Schwefelbad, hat, nachdem sein Gnadengesuch verworfen wurde, die erwarteten neuen Geständnisse gemacht, um eine Wiederaufrollung des Prozesses zu versuchen.
Empfindsame Reise von Bayonne nach Pau
Die beiden Kollegen" Darius, der Hitlerfreund vom ..Midi", und Aymard haben die empfindsame Reise von Bayonne , wo der Kerker ,, Villa Chagrin" heißt, nach dem Gefängnis von Pau angetreten. Pau ist zwar sonst ein sehr schöner Ort, aber diesmal hat die Reise den beiden Parisern gar nicht gefallen.
Darius und Aymard trugen Handfesseln, die sogenannten menottes, und Darius, der schweigsame, mußte daher alle Bewegungen des aufgeregten Aymard mitmachen. Die beiden steckten die Hände freundschaftlich zusammen, damit man die siamesische Klammer nicht so sehen sollte. Im übrigen trug Darius, wie die Tageschronik meldet, Handschuhe, Aymard dagegen offene Hände, wie es auch besser zum Stavisky- Stil paßt.
Beide hatten bis Pau ein., reserviertes" Abteil. Aymard schimpfte fürchterlich und zündete sich dabei eine Zigarette
nach der anderen an, aber nicht mit einem Streichholz oder einem Flammenspender in Gestalt eines Feuerzeuges, da derlei gefährliche Dinge in den französischen Kittchen verboten sind, sondern lediglich mit einem ganz gewöhnlichen Zunder- Feuerzeug. Darius, wie gesagt, schweigsam wie ein Diplomat, Aymard hingegen schimpfte heftiger, je näher sie an Pau heran kamen, insbesondere über seine Nieren, die ihn quälen und die Veranlassung gaben, daß dem staviskyschen Märtyrer eine zweite breite Matratze bewilligt wurde. Diese Matratze spielt eine große Rolle in der Tagespresse. Man sieht den braven Arbeiter, der sie in das stille Verließ schleppt, abgebildet. Aymard bekam einen Wutanfall, als er davon hörte, daß er die Matratze persönlich in den Zug schleppen sollte. Dieser Kelch ging aber an ihm vorüber. Es wäre wohl auch ein schwieriger Transport geworden in Anbetracht der Handfesseln.
Als Camille Aymard in der Bahn den Bericht über den Krach in der Kammer las, bei dem es bekanntlich beinahe ein Duell gegeben hätte, wurde seine Seele von besonderem Kummer erfaßt. Er gab sich als verführtes Schäflein und schimpfte mächtig auf diejenigen, die an dem ganzen Unheil schuld seien. Darius aber, der schweigsame Freund der Hintermänner, saß in der Ecke und betrachtete die schöne Gegend, in der es jetzt Frühling wird. Während wir allerdings völkerpolitisch von einem solchen Frühling noch ziemlich weit entfernt sind...
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Die Strafkammer zu Epinal hat einen Fußballer zu fünfzigtausend Franken Schadenersatz und 50 Franken Geldstrafe verurteilt, weil er bei einem Match einem Mitspieler das linke Bein dermaßen verletzte, daß es teilweise abgenommen werden mußte. Der Spieler war vorher mehrere Male vom Schiedsrichter verwarnt worden.
Der neue Bergner- Film
Unter der Anleitung des erfolgreichen englischen Filmregisseurs Corda hat Paul Czinner soeben seine„ K a tha rina von Rußland" vollendet, die dieser Tage in London und Paris präsentiert worden ist. Das Hauptinteresse an diesem neuen Werk lag darin, daß es die Filmdebuts Elisabeth Bergners in englischer Sprache bedeutet, nachdem die große deutsche Künstlerin sich mit beispiellosem Erfolge schon seit Wochen als englisch sprechende Darstellerin auf einer Bühne Londons feiern lassen darf. Die Kunst der Bergner hat alle Schwierigkeiten siegreich überwunden, die der Uebergang zu neuen sprachlichen Ausdrucksformen so vielen in ihrer Heimat entwurzelten Schauspielern bereitet. Wären die Autoren des Drehbuchs, der Regisseur und Douglais Fairbanks jr., der männliche Hauptinterpret, dem Katharina- Stoff sowie der Bergner ebenbürtig gewesen, so hätte sicherlich ein wesentlich interessanterer Film geliefert werden können.
Wie Alfred Savoirs hochbegabtes, wenn auch gelegentlich nicht unpornopraphisches Opus La petite Cathérine" umfaßt dieser Film nur die Zeitspanne vom Eintreffen Katharinas von Anhalt am russischen Hof bis zur Vollendung ihres Aufstiegs, das heißt also die Epoche vor jenem deutschen
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gewesen war.
Da aus Amerika ein Film über Katharina die Große " mit Marlene Dietrich in der Titelrolle gemeldet wird, so steht uns die Genugtuung bevor, USA . und Old- England im Zeichen imigrierter deutscher Künstlerinnen, um die Meisterschaft in der Herstellung von Filmen über Katharina die Zweite von Rußland konkurrieren zu sehen. Hans- Albert v. Maltzahn.
Große Kundgebungen
In Sheffield , Glasgow und London London
, 22. Jan. Nachdem bereits am Samstag, dem 20. Januar, in Sheffield und am Montag, dem 21. Januar, in Glasgow große überfüllte Massenkund= gebungen des englischen Befreiungskomitees stattstattgefunden haben, wurde auch heute abend in der Kingsway- Hall, einem der größten Säle Londons , ein MonstreMeeting vom englischen Befreiungskomitee, das auf Initiative des Welthilfskomitees für die Opfer des Hitlerfaschismus gebildet wurde, durchgeführt. Unter den Referenten waren der Präsident des Hilfskomitees, Lord Marlen, der bekannte Schriftsteller Strachey und der Redakteur des„ Daily Herald" Hannen Swaffer und Isabel Brown. Der Regisseur Iver Montagu und die Sekretärin des Hilfskomitees, Dorothy Woodmann, berichteten in dieser Kundgebung über die mehrfachen Reisen nach Deutschland und ihre Bemühungen, für die vier Freigesprochenen die Freilassung zu erwirken. In der von über 4000 Personen besuchten Versammlung wurde eine scharfe Protest entschließung gegen die andauernde Einferferung Dimitroffs, Thälmanns, Torglers und aller Antifaschisten in Deutschland angenommen und 82 Pfund für den Kampffonds des Befreiungskomitees gesammelt.
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Trümmer von Schutzgittern der Straßenbäume, die von den„ Demonstranten" herausgerissen und auf die Schienen der Trambahn geworfen wurden.
Die französische Hauptstadt hat einige unruhige Nächte hinter sich, in denen Demonstrationen und Krawalle stattfanden, wie sie seit Jahren nicht mehr zu verzeichnen gewesen waren. Man sieht es auf dem Bilde, welche Kreise der Bevölkerung diese„ Straßenschlachten" machen. Ob nicht da die Göbbels - Propaganda mitarbeitet.
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Die Pfänder von Bayonne
Zur gerichtlichen Untersuchung
Paris , 26. Jan. Der Direktor der Versicherungsgesellschaft La Confiance hat gestern abend wieder die Rückreise nach Paris angetreten, nachdem er von dem Bayonner Untersuchungsrichter verhört worden war.
Wie Havas aus Bayonne berichtet, geht dort das Gerücht um, daß sogar die Bilanzen des Bayonner Leihhauses trob der über diesess Unternehmen ausgeübten Kontrolle gefälscht worden seien und auf Grund dieser Fälschungen Vertrauensmißbräuche vorgekommen seien, deren Opfer die Versicherungsgesellschaften waren.
Am Freitag wird die Entscheidung getroffen, ob die Verhafteten Aymard und Darius vorläufig auf freien Fuß gesetzt werden oder nicht.
Unter den verpfändeten Schmuck- und Wertsachen sollen sich wertvolle und wertlose Stücke durcheinander finden. Die Pfandsachen, die sich in 53 Kästen befanden, sollten im August 1933 versteigert werden, und als Erlös wurde damals ein Betrag von 15 Millionen Franken erwartet. Kurz vor der angesezten Versteigerung beantragten 3 Personen, darunter das Faktotum Stavistys, Henry Voir, der die letzten Tage mit ihm verbracht hat, beim Bayonner Gericht die Verschie bung der Versteigerung auf Ende Dezember 1933, und zwar mit dem Hinweis auf die allgemeine wirtschaftliche Krise. Als Anwalt unterstützte Rechtsanwalt Petite, der mit dem radikalen Abgeordneten Bonnaure zusammenarbeitete, diese Terminverschiebung, die auch zugestanden wurde, und zwar hieß es bezeichnenderweise in der Begründung:... angesichts der Tatsache, daß nicht bestritten wird, daß die Pfänder, deren Versteigerung beantragt wird, einen höheren Handelswert besitzen, als die darauf ausgeliehenen Beträge...". Da der Stavisty- Skandal sich Ende Dezember verdichtete, unterblieb diese für Ende Dezember geplante Versteigerung und dadurch wurde vermieden, daß womöglich auch noch falsche Schmuck- und Wertsachen als angeblich echte unter das Publikum gebracht wurden.