Dr. Richard Kern Herren und Sklaven Die gelbe Pratze der deutschen Diktatur Dieses neue deutsche Arbeitsgesetz ist nur in diesem Deutschland möglich! Selbst das faschistische Italien hat bis heute noch nicht eine so völlige, schamlose Entrechtung und Vergewaltigung der Arbeiter gewagt. Mussolini hat zu- nächst die Gewerkschaften bestehen lasten, sie in Zwangs- organisationen verwandelt, sie gewaltsam unter die Leitung faschistischer Beauftragter gestellt, die Koalittons- und Streik- freiheit beseitigt. Aber ein Rest von Betätigungsmöglichkeit, schwache Versuche, die Lohn- und Arbeitsbedingungen zu be- einflussen, blieben erhalten. Selbst jetzt werden bei dem Aufbau des italienischen Korporationssystems zwar die früher getrennten Arbeiter- und Unternehmerverbänbe in Einheitskorporationen zusammengelegt. In diesem über- wiegt noch mehr als früher die autoritäre Leitung durch die faschistische Partei und der Unternehmerstanbpunkt. Aber diese Korporationen können doch gemeinsame und dann auch verpflichtende Beschlüsse über Arbeitszeit, Lohnhöhe, kurz über den Inhalt des Arbeitsvertrages fassen. In Deutschlaut aber ist jetzt auch jeder Schein einer Mit- Wirkung des Arbeiters an der Gestaltung seines Lebens- schicksals ausgerottet, dort wird der Arbeiter von der nationalsozialistischen Diktatur nicht im übertragenen, son- deru im grausamsten Sinue des Wortes in einen recht« losen Sklaven verwandelt. Der tatsächliche Zustand der Zeit des Frühkapitalismus vor den Anfängen der Arbeiterbewegung, der tatsächliche Zu- stand des japanischen Arbeiters und des chinesischen Kulis ist zum deutschen Rechtszustand geworden. Und dazu wurden die deutschen Arbeiter zu großartigen Dankfeiern für den Tührer getrieben! Arbeiterorganisationen gibt eS nicht mehr, die auf den Inhalt des Arbeitsvertrages auch nur den geringsten Ein- fluß ausüben dürfen. Aber auch der sogenannte freie Arbeitsvertrag existiert nicht mehr. Welch vernichtende Kritik ist im Beginn der Arbeiter- bewegung an diesem kapitalistischen Schlagwort geübt worden! Nicht nur von Sozialisten, von allen bürgerlichen Sozialreformern wurde der Schwindel die,erFreihdit" von Vertragsparteien nachgewiesen, von denen die eine die Arbeiter um jeden Preis ihre Arbeitskraft verkaufen müssen, sollen sie nicht Hungers sterben, während die andere der Kapitalist Alleinbesitzer der Produktionsmittel, die Bedingungen diktiert. Erst durch die Organisation, durch die Vereinigung der atomisterten, vereinzelten Verkäufer der Arbeitskraft in der kämpfenden Gewerkschaft sind die Vor- aussetzungen geschaffen, in der kapitalistischen Gesellschaft eine Besserung der Lebenshaltung zu erringen, wird die Arbeiterschaft instand gesetzt, die Gestaltung ihres Lebens- lchicksals mitzubestimmen. Das nationalsozialistische Arbeitsrecht beseitigt nicht nur restlos alle so mühsam erkämpften Errungenschaften der modernen Arbeiterbewegung, es beseitigt sogar den freien Arbeitsvertrag", es geht hinter das einseitige srüh- ka italistischc Recht noch zurück. Der Unternehmer wirdFührer", die Arbeiterschaft seine Gefolgschaft". Die Heeresorganisation der germanischen Horden, wie sie sich die nationalsozialistischen Geschichis- forscher nun einmal vorstellen, wird auf die modernste soziale Struktur übertragen eine wahrhaft barbarische Restauration! Daß der germanische Kriegshäuptling von dem Stamm gewählt wurde, der kapitalistische Unternehmer kraft kapitalistischen Erbrechts dieFührung" inne hat, ist für Nationalsozialisten ein zu vernachlässigendes Detail... In de« nüchteren kapitalistischen Verhältnissen wird der Führer" zumHerr« im Hause" zum unbeschränkten Herru, zum absoluten Herrscher. Sein Feld ist der Betrieb Er verkündet die Lohnhöhe und die Dauer der Arbeitszeit. Praktisch mag er in diesen Ver- lautbarungen zunächst noch an die alten- aus der bösen marxistischen Zeit stammenden Tarifverträge gebunden sein, die im wesentlichen bis April 1934 bestehen bleiben sollen. Aber diese Verträge sind zum Absterben verurteilt schon aus dem einfachen Grunde, weil es keine Tarifparteicn mehr gibt und weil die Treuhänder, die künftig allein und selbstherrlich die von den Unternehmern festgesetzten Lohn» und Arbeitsbestimmungen schänden können, gar nicht Abonnier! dieDenfsdie freibell 4 rasdiisflsdier Tadel Mittelalterliches Feudalwesen" DerCorriere Vadano", der in Italien allgemein als das Blatt Balbos gilt, berichtet am 24. Januar seinen Lesein über das deutsche Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit . Die Entrechtung der deutschen Arbeiter sei jetzt voll- kommen, meint daS Blatt:Der Geist der neuen Betriebs- ordnung entspricht dem mittelalterlichen Feudal- wesen". Die BegriffeTreuverhältnis" undsoziale Ehre", auf denen der deutsche Nationalsozialismus das neue Ver- hältnis von Arbeitgebern und Arbeitnehmern aufbauen wolle, stammten aus der Vorstellungswelt der Lehnsherren und ihrer Vasallen. Wenn der italienische Faschismus über die Alpen blickt, kommt er sich nicht nur menschlich, sondern auch sozial vor. Wollen die Nazis dem deutschen Volk und der Welt im- ponieren, so rühmen sie, sich der Freundschaft ihres großen Vorbildes. Der italienische Faschismus aber legt Wert dar- auf, von dem eigenen Volk und der übrigen Welt von Hitler abzurücken. Reglungen für ganze Berufs- und Wirtschaftszweige treffen werben, sondern den Einzelbetrieb berücksichtigen sollen. Das mag Wahnsinn sein, es mag sogar dem kapitalistischen All- gemeintnteresse widersprechen, das Gleichheit der Konkur- renzbestimmungen fordert, aber ist es die Methode des natio- nalsozialistischen Arbeitsrechts. Die völlige Entrechtung des Arbeiters wird noch ver- schärft durch den elenden Hohn, mit dem das herrschende Gesindel seinen infamen Anschlag gegen die Arbeüerherr- schaft begleitet. DerBetriebsführer ist entscheidend in allen betrieblichen Angelegenheiten" Heidts kurz und beißend klar im neuen Recht. Und die Gefolgschaft? Tie hat demFührer die Treue zu halten". Der Kapitalismus hat alles aus die bare Zahlung gestellt, der Unternehmer entläßt je nach den Wechselfällen der Konjunktur seine Arbeiter und gibt sie dem Elend der Arbeitslosigkeit preis, die ältesten,treuesten" oft zuerst. So wirds natürlich bleiben, aber die Arbeiter haben Treue zu halten". Auch die aufs Pflaster Geworfenen, und wie macht der Arbeitslose das? Aber übertreiben wir nicht. Entsprechen der Treuepflicht nicht auch die Rechte? In der Tat! Die marxistischen Betriebsräte sind zwar beseitigt. Aber es gibt für Betriebe über 20 Arbeiter einen Vertrauensrat, der ein Jahr lang amtiert. Die Liste aber für diesen Vertrauensrat wird im Einvernehmen mit dem NTBO.-Leiter vom Unternehmer ausgestellt Die Gefolgschaft kann diese,Liste nur en dloc an- nehmen oder ablehnen. Im Fall der Ablehnung entscheidet aber der Treuhänder! Der Unternehmer beruft die Sitzungen nach freiem Ermessen ein und führt den Vorsitz: auf Verlangen der Hälfte des Vertrauensrats muß eine Sitzung stattfinden. Der Bertrauensrat kann unverbindliche Aeußerungen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und des Betriebsschutzes geben. Doch unabhängig davon erläßt der Unternehmer seine Anordnungen über Löhne und Ge- hälter, Arbeitszeit, Arbeitsordnung, Pausen, bestimmt die Gründe für fristlose Entlassung und setzt die Bußen für Uebertretungen seiner Arbeitsordnung fest. Er spricht die Entlassungen aus, und nur bei größeren Entlassungen soll er eine monatliche Kündigungsfrist einhalten. Jedoch die entrechteten Arbeiter kriege« noch etwas das Ehrengericht. Zuerst raubt man ihnen d'e Freiheit, die sie selbst in allen anderen kapitalistischen Staaten haben und damit dieEhre des freien Mannes", und dann gibt mau ihnen das Ehren- gericht! Halt! Man gibt es nicht den Arbeiter» allein, son­dern auch den Unternehmern. Der kann gegen Betriebs- angchörige wegenböswilliger Hetze" oder unbegründeter Beschwerden fauch der Vcrtrauensratsmitgliederi Beschwerde beim Treuhänder erheben, der die Ueberweisung an das Ehrengericht beschließen kann. Die Arbeiter können wegen Ausnutzung der Arbeitskraft" oder Ehrenkränkung sich ebenfalls an den Treuhänder wenden und die Ueberweisung an dasEhrengericht" beantragen. Seiner Willkür sind sie völlig überliefert. Der Treuhänder, diese? w'chtigste Organ der national- VH" ff M« f-,1' lich in allen Fragen der Arbeitsordnung formell das letzte Wort. Er kann die Borschriften des Unternehmers abändern, kann, wenn für eine Gruppe von Betrieben eine Tarif- ordnungzwingend geboten" ist falso nur dann!!, eine solche erlassen, und kann bei Massenentlassungen Kurzarbeit oder eine Kündigungsfrist von zwei Monaten festsetzen. Da von der Diktatur nur verläßliche Vertrauensmänner der Unter- nehmer zu Treuhändern ernannt werden, bedeutet seine Oberherrschast mir die Befestigung undStabili- srerung der Herrschaft des Unternehmer» im eigenen Haus, zugleich mit der Unterstellung des einzelnen Unternehmers unter die Herrschaft der Diktatur. Bier Elemente, innig gesellt, sind notwendig, um dieses ekle Gebräu zu ergeben Das grundlegende Element ist die Gesinnung d e S Gelben. Hitler ist nicht wie Mussolini oder andere ein Abtrünniger der Arbeiterbewegung und des Sozialismus. Er war von Anfang an ihr bornierter Feind, ihr Hasser, und stand abseits an dem Platz der Verachteten. Hitler war ein Gelber, ein Unorganisierter, ein Asozialer. Seine Selbstbiografie atmet den Haß gegen die Gewerkschaften. Es ist die gelbe Fratze, die uns auS dem nationalsozialistischen Arbeitsrecht entgegengrtnst, d i e Fratze des Verräters seiner Genossen. Das zweite Element ist der Haß des kleinen Hand- werkerS und des kleinen Kapitalisten gegen die Sozialpolitik. Es ist bezeichnend, daß selbst die elende Schein- Vertretung des Vertrauensrats nur für Betriebe über 20 Mann gilt. Sind überhaupt Grade der Entrechtung zu unterscheiden, dann ist die Entrechtung in den Kleinbetrieben am größten. Je kleiner das Haus, desto größer der Herr! Der kleinbürgerliche Charakter der national- so,!<,ssstischen Diktatur offenbart auch hier wieder sein Wesen. Das dritte Element ist die Herrschsucht der großkapitali, stischen schwerindustriellen Bande, die mit Hitler im Bunde ist, den sie dafür subventioniert hat, daß er die Gewerkschaften zerschlägt, daß er die Arbeiter knebelt, daß er das Ideal des Thyssen: Herr im eigenen Hause zu sein und nicht mehr mit den Gewerkschaften ver- handeln zu müssen, endlich verwirklicht. Das vierte Element schließlich ist der infernalische Haß gegen die Arbeiter, der von je einen so großen Teil der deutschen Spießbürger erfüllt, die reaktionäre Rückstänbigkeit der Intellektuellen und Mittelschichten, die niederträchtige Wollust an der Unterdrückung dieser Arbeiter, die sich nur allzu sanft gegen diese Gesellschaft der Gewaltanbetung, Ttaatsvergot- tung und des kriegerischen Nationalismus erhoben hatten. Es ist kein Wunder, daß in Deutschland ein elender Gelber zum Diktator geworden ist. Aber sie sind weit gegangen, weiter als irgend ein anderes Gewaltsystem! Und sie verüben ihr Verbrechen in dem "ande mit der stärksten und aufgeklärtesten Industrie- arbeiterschgst der Welt! Es mag länger oder kürzer dauern, an diesem Widerspruch müssen sie zugrunde gehen! Die Fäuste derGefolgschaft"