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Donnerstag, den 7. Februar 1934
Im Monat August dieses Jahres 1934 werden zwanzig Jahre seit dem Ausbruch des großen Krieges vergangen sein. In diesem Jahr wird man mehr noch als in einem anderen sich an die Ereignisse von 1914 erinnern und wieder werden sie das Thema für unzählige Artikel in der Presse und für Reden und Kundgebungen bilden. Aber kann zu diesem Thema noch Neues, wirklich Neues, gesagt werden, gibt es noch unbekannte Tatsachen, sind nicht alle Quellen ausgeleert? Wir glauben behaupten zu können, daß ein Buch ... Der Krieg des Pontius Pilatus " von Theodor Wolff , das im Mai im Verlage von Oprecht u. Helbling in Zürich er. scheint. Neues bringen, durch Inhalt und Darstellung das allgemeine Interesse erregen und in der Diskussion dieses Erinnerungsjahres eine nicht unbedeutende Rolle spielen
wird.
Man kann in dem Buch Theodor Wolffs drei Abschnitte unterscheiden. Der erste Teil handelt von den Vorgängen und, genauer gesagt, von den politischen Fehlern Wilhelms II. und seines Kanzlers Bethmann- Hollweg in den letzten Jahren vor dem Kriege. Der zweite Teil gibt eine Darstellung der geistigen Strömungen, der inneren Verhält nisse und der hauptsächlichen handelnden Persönlichkeiten in den wichtigsten Ländern, die dann in den Krieg eintraten. All das ist nicht im Ton trockener Geschichtsschreibung vorgetragen, es ist mit einer leichten Eleganz geschrieben, in einem fesselnden Stil und mit fortwährender dramatischer Steigerung. Zwischen der ernsten aber immer stilistisch reizvollen und niemals schwerfälligen Erzählung, ein feiner Sarkasmus, zu dem die Betrachtung mancher Erscheinungen Anlaß gibt. Eine Fülle von pittoresken Einzelheiten, aus intimer Kenntnis der Menschen und Dinge geschöpft. Und eine Kritik, die sich nach allen Seiten hin richtet und bisher ganz unberücksichtigte Gesichtspunkte in den Vordergrund stellt.
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Der dritte Teil des Buches nähert sich dem Genre der Memoiren, denn er enthält, innerhalb der fortlaufenden Darstellungen der politischen Vorgänge, das, was der Verfasser in den Tagen vor dem Ausbruch des Krieges selbst erlebt und gesehen hat. Theodor Wolff , damals Chefredakteur des ,, Berliner Tageblatts", hat aus besonderen Gründen sehr vieles in nächster Nähe miterleben und beobachten können, wie nur sehr wenig andere. In gewissen politischen Aktionen, die auf deutscher Seite dem Kriege vorangingen, hat er in der Hoffnung, damit der Erhaltung des Friedens dienen zu können persönlich mitgewirkt. Dann nach der Kieler Woche , bei deren Beginn er noch als Gast an dem Kaiserdiner teilgenommen hatte und unmittelbar vor
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der Ueberreichung des österreichischen Ultimatums- wurde er von den Leitern der deutschen Politik gebeten, aus Holland , wo er sich aufhielt, nach Berlin zu kommen. Er hat dann als entschiedener Gegner der Politik, die durch das Ultimatum eingeleitet wurde an jedem Tage im Aus wärtigen Amt geweilt und in Gesprächen mit den maßgebenden Personen dort von Tag zu Tag die tragische Entwicklung konstatiert. Seine Erzählung, voll stärkster Spannung und packender Lebendigkeit, gestattet zum erstenmal einen Einblick in die verschlossenen Räume des damaligen Auswärtigen Amtes. Sie geht hier bis zur Mobilmachung und bis zum Ausmarsch der Truppen.
Wie schon gesagt wurde, richtet die Kritik Theodor Wolffs, die gegenüber der deutschen politischen Leitung jener Tage sehr scharf ist und nichts verschweigt, sich nach verschiedenen Seiten hin. Nach keiner Seite hin hält der Verfasser mit seiner Meinung zurück. Gerade deshalb wird die Diskussion, die das Buch hervorrufen wird, vermutlich lebhaft sein. Im letzten Kapitel, in dem auch der Titel ,, Der Krieg des Pontius Pilatus " erklärt und begründet wird, finden sich zwei Unterredungen mit Herrn von Bethmann- Hollweg . Die eine ist eines der zahlreichen Gespräche, in denen während des Krieges der ehemalige Reichskanzler dem Verfasser des Buches gegenüber seine Politik verteidigt hat, die Theodor Wolff noch billigen konnte. Die zweite Unterredung fand statt an dem Tage nach der deutschen Niederlage, an dem auf der Liste der Personen, deren Auslieferung die Entente fordern wollte, auch der Name des Herrn von BethmannHollweg erschienen war. und man sieht den ehemaligen Reichskanzler als gebrochenen Mann, als eine tragische Figur, mit Worten der Verzweiflung vom Schauplatz der Ereignisse verschwindend.
Noch einmal sei wiederholt, daß dieses Buch nicht zu verwechseln ist mit der großen Menge von Werken, die den Ausbruch des Krieges mehr oder minder einseitig und auf Grund eines gelehrten Aktenstudiums schildern. Die genaue Kenntnis der in den Akten dargelegten Tatsachen ist hier nur nebenbei, ohne jede Pedanterie und mit leichter Hand verwertet und bildet nur die sichere Grundlage, auf der das eigene, sehr persönliche, nene Gesichtpunkte eröffnende Urteil und die farbige und plastische Schilderung des selber Miterlebten sich aufbauen. Soll man das Buch, trotz seiner stilistischen Eigenart, in eine bestimmte Gattung einreihen, so ließe sich am ehesten sagen, daß eine gewisse Geistesverwandtschaft mit den Büchern zweier Künstler der historischen Darstellung besteht, die Theodor Wolff besonders liebt: mit den Büchern André Maurois und Lyton Stracheys.
Es geht ihnen besser und besser
Schönheit der Arbeit
Ein Zwiegespräch
Pg. Merz( Presse- und Propagandawart der Reichsbe triebsgruppe Bergbau): Ich habe gehört, die NS.- Gemeinschaft Kraft durch Freude" besitzt ein Amt für Schönheit der Arbeit . Was wird mit dieser Einrichtung bezweckt?" Pg. Obst( Gauwart Westfalen- Süd der NS.- Gemeinschaft Kraft durch Freude"):„ Dieses Amt hat eine hohe Aufgabe. Im Einvernehmen mit den Betriebsinhabern sollen mißliche Zustände beseitigt werden, die hier und da noch bestehen. Im Laufe der Zeit sollen die Betriebe, wo es notwendig ist, ein anderes Gesicht bekommen. Sie sollen freundlicher und heller werden Der Arbeiter soll sich an seiner Arbeitsstätte wohlfühlen, mit Freude soll er seiner Arbeit nachgehen. Bei gutem Willen ließe sich mit wenigen Mitteln das äußere Bild einer Werkanlage freundlicher gestalten. Eine kleine Rasenfláche, einige Ziersträucher dazu, würden manch unfreundlichen Eindruck verwischen." t Westfälische Landeszeitung", 3. Februar.
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SA- Vernichtungskrieg
gegen den Alkohol
..Kraft durch Freude " in der Praxis
,, Wo mochte die Russin stecken? Ich suchte sie. Da saß doch das Luderchen mit einem Tiroler Boxer und ließ sich ko. küssen! Schon überlegte ich, ob ich nicht schleunigst zu der Polin nach der Harmonie zurückkehren sollte, als mir noch beizeiten einfiel, daß ich da vielleicht aus dem Regen in die Traufe kommen würde. Was macht man da in solchen Fällen, man sucht seine eigne Frau, denn bei ihr ist man doch immer am besten aufgehoben. Die war mir aber auch entschlüpft. Nun warf ich mich in meiner Verzweiflung dem obengenannten Kleeblatt in die Arme und wir begannen einen Vernichtungsfeldzug gegen den Alkohol. Mein Freund Hanns( er legt ein großes Gewicht auf das zweite n in seinem Namen) hatte ein deutsches Gretchen mit reizenden Zöpfen im Gefolge. Ich wollte es ihm abjagen, aber es ist mir nicht gelungen. Bei der Verlosung habe ich auch nichts gewonnen... Morgen muß ich den Verlag um
Wir vertiefen uns, so erzählt die ,, Basler National- Zeitung", wieder einmal in die Lektüre des Judenhaß verbreitenden, von Julius Streicher in Nürnberg herausgegebenen Wochenblatts„ Der Stürmer ", das uns ab und zu auf den Redaktionstisch fliegt. Aber es wäre falsch zu behaupten, daß„ Der Stürmer " nur Haß predigt. Denn auf der letzten Seite fanden wir neben Ueberschriften wie„ Die Tragik eines Judenmischlings" ,,, Der Jude von Mußbach",„ Juden in Ehingen ", ,, Der jüdische Notar", Jüdische Gier nach Christenblut", ..Jüdische Schweinerei", endlich und ganz zuletzt noch folgende köstliche Zuschrift einer Mitarbeiterin, die Ermelinde zeichnet.
Vorschuß bitten.
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Meine Frau schläft noch immer; wir beide haben etwas Knies, da wir uns nicht einigen konnten, wer eigentlich den andern nach Hause gebracht hat. Einen Durst habe ich. einen Durst!" Pitterche, im ,, Westdeutschen Beobachter", 5. Febr.
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Amerikaner beneiden uns Vorbild für die ganze Welt
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Der Münchener Faschingsorden Für Freude und Hilfsbereitschaft" ist volkstümlich, das ist gar nicht zu bezweifeln. Das Allerschönste an ihm ist, daß er nur aus den Händen junger Damen verliehen wird. Wir haben uns im Fasching bereits ein wenig umgeschaut, wer die Faschingsorden trägt. Mit Genugtuung können wir feststellen, daß gerade die Kreise des Bürgertums und die eigentlichen Wirtschaftsführer vor allem Träg der Orden sind, ja, daß sie
Faschistische Lektion
libabibe
Ihr armen Irren auf der ganzen Erde, Die ihr ersehnt, daß sie faschistisch werde, Wollt ihr euch gründlich am Faschismus laben, Dann geht in Länder, welche ihn schon haben. Dort wird euch, so ihr hören könnt und sehn, Das Hören und das Sehen bald vergehn. Damit ihr etwas von der Wahrheit wiẞt, Laẞt euch erklären, was Faschismus ist.
Ein jeder, der noch ausspricht, was er denkt, Wird mit den Freuden langer Haft beschenkt; Wer es gar wagt, sein Denken aufzuschreiben, Dem dürfte bald kein heiler Knochen bleiben. Ein jeder Brief von dir wird aufgemacht, Dein Telefon wird peinlich überwacht. Ein offnes Wort, zu einem ,, Freund" gesprochen, Und morgen ist dein Leben schon zerbrochen. Mißtrauisch bangst du vor dem eignen Sohn, Der dich belauscht als Polizeispion.- Du magst ein Muster an Korrektheit sein, Wenns jenen" paßt, so sperrt man dich doch ein. Wenn ein bezahlter Schuft dich denunziert, Bist du verurteilt schon und diffamiert. Kein Richter und kein Recht sind mehr vorhanden." Die dich beschützen vor Regierungsbanden. Willst du nicht, daß sie deinen Frieden meucheln, So mußt du zähneknirschend Beifall heucheln Zu allen Missetaten, die geschehen,
Bis du vor Scham und Ekel magst vergehn.
Dein Leben ist das Leben des Heloten, Und insgeheim beneidest du die Toten. Das ist, fragt alle, die es durchgemacht,- Das wahre Antlitz der Faschistenpracht! Horatio.
Die neuen Titel
Im ,, dritten Reich" werden, wie gemeldet, neue Titel ein. geführt. Neue Ehrennamen sind im Entstehen, die einer. seits an altpreußische Titel anknüpfen, anderseits aber der arteigenen Nazisprache Rechnung tragen müssen.
Göring hat bereits den Anfang gemacht: er ließ sich zum Ehrenhandwerker ernennen. Der Titel Geheimer Brandrat steht ihm noch bevor. Die anderen Hauptbeteiligten an dem Leipziger Prozeß werden sich Justizkomödienrat oder Gerichtsessessor nennen dürfen. Die wichtigste Person des ,, dritten Reichs" der Richter und Henker darf natürlich nicht leer ausgehen. Sein Ehrenname Schneidiger Kopfarbeiter kann nicht mißverstanden werden. Auch die wertvolle Arbeit in den Konzentrationslagern muß anerkannt werden. Verdienstvolle Lagerleiter wird man zu Wirklichen Greuelräten ernennen, denen Konzentrierte Sadistenführer zur Seite stehen. Gefangene, die sich durch sehr gutes Betragen von den unverbesserlichen Marxisten abheben, heißen zur Belohnung Hochver- Rat.
Das Propagandaministerium verleiht an seine Beamten die Ehrentitel Nordischer Lug und Truchseß. Völkische Journa listen können sich vom einfachen Doktor honoraris causa zum Schmiersaf emporarbeiten.
Dichter. Künstler und Gelehrte, die an den verschiedenen gleichgeschalteten Akademien und Universitäten wirken, sollen als Speichellektoren der studierenden Jugend ein leuchtendes Vorbild sein. Nationalsozialistische Aerzte kön nen mit den Titeln Kräuterrat. Geheimer SA.- nitätsrat und Oberster Sterilisator ausgezeichnet werden.
Die Wirtschaftsführer, auch Geheime Volksführer genannt, werden die Bezeichnung Wirklicher Dividenderat führen. Mit dieser Neueinführung hofft das dritte Reich", endlich aus seiner Ratlosigkeit herauszukommen.
diese mit Begeisterung tragen, weil sie auch den Sinn der Das Gerippe
Auszeichnung voll begriffen haben. Eine gewisse Mittelschicht indessen, Leute, denen der Begriff für wahres Volkstum und Gemeinschaftswesen immer noch verschlossen blieb, schütteln beim Erscheinen der Ordensverleiherinnen harthörig den Kopf. Demgegenüber darf man sagen, daß heute alle Minister in Bayern und nahezu alle führenden Persönlichkeiten den Orden der Stadt München tragen, selbst in Berlin zeigen zahlreiche Offizielle sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit der Münchener Auszeichnung. es wurden dahin vom Münchener Faschingsausschuß bereits fünfzig Großkomturkreuze verliehen! Die Frem
Karo.
Das„ Berliner Tageblatt" meldet zum diesjährigen Münchener Faschingszug, daß das eigentliche Gerippe des Zuges von der Reichswehr und der Landespolizei gebildet werde.
Anschließend allgemeiner Totentanz mit Gasmaskenzwang. Die Gerippe des Faschingszuges marschieren geschlossen in das offene Massengrab. Den Heringschmaus halten die Leichenwürmer.
den erwerben, wie man beobachten kann, die Berechtigung Zeit- Notizen 10
zum Tragen des Ordens mit Freude. Einer von zahlreichen Amerikanern, denen der Orden verliehen wurde, äußerte seine Bewunderung über die Idee der Ordensverleihung und das damit verbundene große Hilfswerk. ,, Amerika dürfte sich glücklich schätzen, wenn es das ebenso könnte, die Not mit der Freude zu verbinden. Eine solche Volksgemeinschaft, wie sie hier selbst bei einer so närrischen Angelegenheit, wie der Fasching es ist, zutage tritt, kann als Vorbild gelten für alle Welt."
( ,, Münchener Zeitung", 4. Februar.)
Ein jedes Kind kennt mich!! Mit Recht sprach neulich Adolf Hitler die Worte: ,, Ein jedes Kind kennt mich." dieses konnte ich selbst im Wartezimmer eines Arztes beobachten. Unter den Wartenden war eine Mutter mit ihrem eineinhalbjährigen Mädchen. Die Kleine trippelte hin und her, man merkte, daß auch ihr die Zeit zu langsam verging. Schließlich sette die Mutter die Kleine auf das Sofa und gab ihr eine illustrierte Zeitschrift in die Händchen. Sie fing emsig zu blättern an, wie es Kinder eben tun. Alles, was sie entdeckte. wurde laut von ihr ausgesprochen. Sie entdeckte den ,, Wauwau", dann sah sie wieder einen„, Wauwau!" Dann blätterte sie weiter, ohne etwas Rechtes mit den andern Bildern anfangen zu können. Schließlich hatte sie etwas entdeckt und mit Stolz kam es aus ihrem Munde: ,, Hitler!"
Philosoph in jeder Hinsich
Professor Oscar Kraus , der repräsentative Philosoph der deutschen Universität in Prag , erhielt eine Einladung zu einem ,, Deutschen Philosophentag" in München . Als ein. zig bemerkenswerten und ernsten Punkt enthielt die Tagesordnung die Absingung des Horst- Wessel - Liedes. Kraus lehnte höflich ab. Er erklärte, zu wenig musikalisch gebildet zu sein, um den Niedergang der deutschen Philosophie in ihrer aktuellsten Erscheinungsform würdigen zu können Germanische Psalmen
Die Psalmen Davids sind ,,, germanisiert", unter dem Titel ,, Göttliche Gesänge für Deutsche" neu herausgegeben wor den. Als Beispiel der„ Germanisierung " verzeichnen wir: Statt des Textes in Psalm 87:„ Gott liebt die Zinnen von Zion" liest man: ,, Gott liebt die Höhen Deutschlands mehr als alle Orte des Auslands. Gott liebt die Eibe des Odenwaldes und die Eiche des Baltikums."
Dr. von Leers befaßt sich in der ,, Deutschen Studentenzeitung" mit der Aufgabe der deutschen Frau: ,, Wir wissen aus der Geschichte und Frühgeschichte unseres Volkes zur Genüge von Lehrerinnen und Kämpferinnen, von waffentragenden Frauen... Es besteht von der nationalsozialisti. schen Idee aus nicht das geringste Hindernis, auch einmal Wehrsportlager für Mädchen einzurichten!"