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Aus dem Inhalt
Internationale Hilfsaktion
Seite 2
Die kleine Entente beunruhigt
Seite 2
Gefechtsbilder von
der österreichischen Front
Seite 3
War Deutschland verjudet ( Das Schwarzbuch)
Seite 7
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Dienstag, 20. Februar 1934 Chefredakteur: M. Braun
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,, Feuerbrand künftiger Kämpfc"
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Revolution und Konterrevolution
Ein erster Bericht
Von einem Führer der österreichischen Sozialdemokratie Es ist noch zu früh, die blutigen Ereignisse, die sich in Desterreich abspielen, darzustellen. Aber über den unmittelbaren Anlaß des revolutionären Ausbruchs in Oesterreich fann und muß jest schon einiges festgestellt werden. lio Seit dem 7. März 1933, dem Tage des Staatsstreichs der Regierung Dollfuß - ey, hat die österreichische Sozialdemofratie die größten Anstrengungen unternommen, um eine friedliche und verfassungsmäßige Lösung der politischen Krise zu ermöglichen.
Die Sozialdemokratie hat elf Monate lang die größte Zurückhaltung geübt. Sie hat auf die Ausschaltung des Parlaments und die Etablierung eines absolutistischen Notverordnungsregimes, auf die Auflösung des Republikanischen Schußbundes, auf eine ganze Reihe von Notverordnungen, die in verfassungswidriger Weise das Versammlungsrecht der Arbeiterschaft und die Preisefreiheit aufhoben, die sozialpolitischen Errungenschaften der Arbeiter abbauten, die fozialdemokratische Gemeindeverwaltung Wiens ihrer Einnahmen beraubten und dadurch leistungsunfähig machten, nicht mit gewaltsamem Widerstand geantwortet.
Sie hat im Gegenteil immer wieder bis in die allerjüngste Zeit alle Anstrengungen unternommen, um zu Verhandlungen mit der Regierung Dollfuß und mit dem nichts faschistischen Flügel der christlich- sozialen Partei über eine friedliche Verständigung und die Bildung einer Einheits: front gegen die Nationalsozialisten zu gelangen. Aber diese friedliche und zuwartende Haltung der Sozialdemokratischen Partei hat die Regierung Dollfuß- Fen nur zu immer feindlicheren Maßregeln gegen die Arbeiterschaft und gegen die Sozialdemokratie ermutig. Alle Versuche, zu Verständigungsverhandlungen zu gelangen, hat Hers Dollfuß bis in die allerjüngsten Tage in der hochmütigsten und beleidigendsten Weise abgelehnt.
Auf der anderen Seite ist die Erbitterung der Arbeiterschaft über den Regierungsfurs immer mehr angeschwollen. Sie wurde in hohem Maße gesteigert durch eine Verordnung des Ministers Schmiß, gemäß der alle freigewerkschaftli organisierten Arbeiter von der Arbeit bei Arbeiten nd Bauten des Bundes und auch von der Arbeit in der Privatindustrie, soweit diese Bestellungen des Bundes durchführt ausgeschlossen wurden.
Nach der Anordnung des Ministers dürfen bei all diesen Arbeiten nur solche Arbeiter beschäftigt werden, welche von den Arbeitsvermittlungen der chriftlichsozialen Gewerks schaften und der Heimwehr vermittelt werden.
Die Arbeiterschaft betrachtete diese Verfügung mit Recht als einen Versuch, auf die Arbeitslosen den Zwang auszuüben, sich den christlichsozialen Gewerkschaften, die in Desterreich nur einen winzigen Bruchteil der Arbeiterschaft organisiert haben, oder der Heimwehr anzuschließen.
Die Erbitterung der Arbeiterschaft wandte sich immer mehr gegen die zuwartende und verständigungsbereite Politik des Parteivorstandes. Wachsende Teile der Parteimitgliedschaft forderten immer stürmischer das Losschlagen. Trotzdem hielt der Parteivorstand an der schon im Herbst pom Parteitage festgestellten Linie feft: Die Partei dürfe nur im äußersten Fall die Parole zum Generalstreit geben, nur dann, wenn die Regierung eine faschistische Verfassung oftroiert, wenn sie die verfassungsmäßige Landesregierung und Gemeindeverwaltung von Wien abseßt, wenn sie die Partei auflöst oder die Gewerkschaften gleichschalte. Solange nicht einer dieser vier Fälle gegeben sei, müßten die Versuche zu einer friedlichen Lösung geduldig fortgesetzt werden. Es ist dem Parteivorstand aber schon seit Monaten immer schwerer geworden, den erbitterten Arbeitern die Notwendigkeit dieser zuwartenden Politik klarzumachen.
In der letzten Woche mehrten sich die Anzeichen, daß die Regierung zum entscheidenden Schlag gegen die Demo: fratie und gegen die Arbeiterschaft aushole. Der Verfassungsminister Dr. Ender fündigte an, Oesterreich müsse binnen furzem eine„ Uebergangsverfassung" bekom men, die„ fast eine Diftatur" sein werde. Ein auf Grund des allgemeinen Wahlrechtes gewähltes Parlament sollte es in dieser neuen Verfassung nicht mehr geben. Der Sozialminister Schmiz kündigte an, daß es in dem„ neuen Desterreich" feine freien Gewerkschaften mehr geben könne, sondern nur noch„ halbstaatliche Organisationen" und kein Streifrecht der Arbeiter mehr. sondern das Entscheidungsrecht des Staates über alle Lohnkonflikte.
Die Heimwehren, als staatliche Hilfspolizei aufgeboten und vom Staat bewaffnet und befoldet, stellten zuerst in Tirol, dann auch in den anderen Bundesländern an die Landeshauptleute die ultimative Forderung nach sofortiger Abfegung der verfassungsmäßigen Landesregierungen und ihrer Ersehung durch Landesausschüsse, in denen die Heim: wehren die Führung haben sollten und von denen die Sozialdemokraten ausgeschlossen sein sollten,
Die Arbeiter der ganzen Welt stehen im Banne des gran= diosen und tragischen Heldenkampfes der österreichischen Arbeiter.
Nicht leichtfertig sind sie in den Kampf gezogen. Zwischen Mussolini - Italien und Hitler- Deutschland eingeteilt, ist Oesterreich der Schauplatz faschistischer Vorstöße aller Spiel: arten geworden. Durch ein Jahr hat die österreichische Sozialdemokratie in trener Verbundenheit mit den freien Gewerkschaften die ungeheuerlichsten Provokationen der Dollfuß - Regierung hingenommen, weil sie sich der ganzen Tragweite der Entscheidung, die auf dem Spiele stand, bewußt war. Sie hat die schwersten Opfer auf sich genommen, in der Hoffnung, daß es trotz der faschistischen Flut ihnen gelingen werde, den wesentlichen Inhalt der demokratischen Verfassung und der schwer errungenen Arbeiterrechte zu behaupten. Aber ebenso wie sie stets entschloffen waren, sich nicht provozieren zu lassen, waren sie auch entschlossen, sich nicht einschüchtern zu laffen. Und als es flar geworden, daß die alten Pläne der Heimwehrfaschisten den Rechtsstaat zu beseitigen und ein Regime des Kleriko- Faschismus in Desterreich aufzurichten, endgültig von der Dollfuß - Regierung atzeptiert waren und die internationale Lage von Dollfuß zur sofortigen Durch= führung seiner Pläne als geeignet erachtet wurde, haben die Arbeiter Oesterreichs im Bewußtsein, daß nur noch der revo Intionäre Kampf eine Aussicht auf Rettung bieten könne, zum legten Mittel, zum Generalstreif und zum Kampf mit den Waffen gegriffen. Sie haben die bewaffnete Macht des Staates und die Horden der Heimwehrbanditen keineswegs unterschätzt, aber sie waren entschlossen, lieber für ihre Sache zu sterben, als widerstandslos in der faschistischen Barbarei unterzugehen.
Die Kommune Wien " war der offizielle Titel der Gemeindeverwaltung der öfters reichischen Hauptstadt in früherer Zeit. Der alte Name hat eine neue herrliche Weihe erfahren. Denn dem glorreichsten Vorbild proletarischen Kampfgeistes der Pariser Kommune von 1871 darf sich das Rote Wien von 1934 stolz an die Seite stellen.
Wie die Pariser Kommune durch Jahrzehnte voranleuchtete dem Aufstieg des internationalen Proletariats, wird auch das Rote Wien zum Feuerbrand fünftiger Kämpfe werden, ein Warnungszeichen aufrichten dem internationalen Faschis: mus. Die Kampftage in Defterreich, fie sagen aller Welt: Nicht ungestraft wird die Demokratie preisgegeben, nicht fampflos läßt sich das Proletariat niederwerfen.
Das Schicksal der herrlichen Wohnbauten der Gemeinde Wien ist ein Symbol. Die Aufbauarbeit der Sozialdemo: fraten hat sie geschaffen, die Kanonen des Faschismus haben fie zu rauchenden Ruinen gemacht.
Aber wenn in Zukunft die Massen des ar= beitenden Volkes fragen werden, wie will
Zugleich forderten die Heimwehren auch die Auflösung der Sozialdemokratischen Partei und aller Gemeindevertretungen, in denen die Sozialdemokraten die Mehrheit hatten. Die Heimwehren drohten ganz unverhüllt mit gewaltsamer Besetzung der Landesregierungsgebäude und der Ratshäuser, wenn ihre Forderungen nicht erfüllt würden. Ein faschistischer Staatsstreich schien unmittelbar bevorzustehen. In den selben Tagen, in denen die Heim wehren diese ultimativen Forderungen stellten, ließ der Heimwehrminister Fen in Wien und in den Bundesländern die Führer des Republikanischen Schutzbundes der einzelnen Orte und Bezirke verhaften, und sowohl in Wien als auch in der nächsten Umgebung Wiens Waffenlager des Republikanischen Schutzbundes, die der Polizei bekannt geworden waren, ausheben. Das mußte natürlich in der Arbeiterschaft den Eindruck erwecken, daß die Heimwehren in dem selben Augenblick, in dem sie zu ihrem Putsch gegen die Demokratie einsetzten, die Arbeiterschaft wehrlos zu machen und den Schutzbund durch die Verhaftung der lokalen Führer zu desorganisieren versuchen. Dieser Eindruck wurde noch verstärkt durch ein provokatorisches Kommunique, das Vizekanzler Fey am Samstag, dem 11. Februar, aus gab. In diesem Kommunique wurden die Waffenfunde der Polizei als Beweis für das Vorhandensein eines omplotts marristisch- bolschewistischer Verbrecher" gegen die Sicherheit des Staates ausgegeben, das die Regierung zwinge, gegen die Schuldigen in den nächsten Tagen schon rücksichtslos vorzugehen.
Es war flar, daß Fey die Waffen: und Sprengstoffunde im Schwechater Bezirk, in der Nähe von Wien , in ähnlicher
der Sozialismus die Welt aufbauen, dann können wir mit Stolz hinweisen auf das, was er in den fünfzehn Jahren fozia. listischer Aufbauarbeit in Wien geleistet. Wir grüßen die Helden des Roten Wien, wir grüßen die unerschrodenen Kämpfer in ganz Desterreich.
Wir neigen uns in Ehrfurcht vor den Männern und Frauen, die ihr Leben der Freiheit hingegeben. Und wie einft die Internationale über die Kämpfer der Pariser Kommune , so wird man fünftighin auch über die roten Kämpfer Defters reichs sagen dürfen, sie bleiben eingeschreint in den Herzen der internationalen Arbeiterklasse".
Wir aber, die wir weiter zu arbeiten, weiter zu kämpfen haben, wir schwören ihnen: ihre Opfer wers den nicht umsonst sein!
Nene große politische Aufgaben stellt der heroische Kampf in Oesterreich für die ges samte Arbeiterbewegung. Heute aber un= mittelbar im Angesicht der Opfer dieser Kämpfe ist es vor allem dringendste Ehrenpflicht der Sozialisten der ganzen Welt und aller freien und aufrechten Menschen überhaupt, den Witwen nnd Waisen der heroischen Kämpfer von Oesterreich zu helfen.
Den Henkern des österreichischen Proletariats, den Dolls fuß und Fey, die in den Arbeitervierteln schlimmer ge: hauft haben als der Landesseind im Kriege, die mit Kanonen gegen Frauen und Kinder geschossen, deren bluttriefende Hände Kunde geben von dem entseglichen Verbrechen an dem österreichischen Proletariat, das nichts anderes als Friede und Freiheit wollte, ist der Haß und die Berachtung der zivis lisierten Menschheit sicher.
Der Dollfuß - Galgen ist aufgerichtet, die Standgerichte überantworten schwerverwundete Menschen dem Henker. Die Verwirklichung des christlichen Staates hat die Dollfußs Regierung zu ihrem Programm erhoben, die barbarischfte Menschenschlächterei ist ihr erstes Werk. Die Sozialisten aller Länder werden ihrer alten Ueberzeugung getreu aufrufen zum Protest gegen die bestialische Todesstrafe.
Aus den Toten von heute werden die Rächer von morgen, aus den rauchenden Trümmern Wiens ein neues Rotes Wien erstehen! erstehen! and
Es lebe der Weltkampf gegen den Faschismus! Es lebe die österreichische Sozialdemokratie, es lebe der internationale Sozialismus! 15. Februar 1934.
Die sozialistische Arbeiter- Internationale.
Weise als Vorwand zu dem entscheidenden Schlag gegen die Sozialdemokratie benützen wollte, wie Göring den Reichstagsbrand benügt hat.
Dabei wußte Fey natürlich sehr wohl, daß die Arbeiterschaft ihre Waffen schon seit der Revolution von 1918 verborgen gehalten, sie niemals verwendet, sie immer nur für den Fall der Notwendigkeit der Verteidigung der Demokratie gegen einen faschistischen Angriff aufbewahrt hatte.
Diese Ereignisse riefen in der Arbeiterschaft folgende Ansicht hervor: Der Gegner will in den nächsten Tagen unter dem Drucke der Heimwehr die Landesregierungen und Gemeindeverwaltungen„ gleichschalten". Er holt zu einem Streich gegen die Partei aus. Er bereitet eine faschistische Verfassung vor, die das allgemeine Streifrecht der Arbeiter aufheben will.
In dieser Lage dürfen wir uns nicht länger durch Verhafs tung der Schutzbundführer desorganisieren und durch Aushebung von Waffenlagern entwaffnen lassen, wenn wir nicht binnen wenigen Tagen wehrlos, kampfunfähig einem faschistischen Staatsstreich gegenüberstehen sollen. Troßzdem hielt der Parteivorstand auch jetzt noch an seiner Linie fest. Er hielt es für notwendig, daß die Arbeiterschaft die Ergebnisse der für Montag, den 12. Februar, angesagten Verhandlungen des Bundeskanzlers mit den Landeshauptleuten über die Forderungen der Heimwehr abwarte, und daß sie nicht losschlage, solange nicht etwa einer der vier Fälle, in denen gemäß dem Parteibeschluß ein Abwehrkampf zum Schuße der verfassungsmäßigen Ordnung unvermeidlich