Der deutsche   Kirchenstreit

Von einem Ausländer gesehen

Saarbrüden, 21, Februar 1934. Ein prominenter amerikanischer Geistlicher mit Namen Charles S. Mac Farland hat bei der Macmil: Ian Preß, Neuyork, ein Buch erscheinen lassen mit dem Titel The New Church and the New Germany" ( Die neue Kirche und das neue Deutschland  ), in dem dieser amerikanische   Theologe ans genauer eigener Kenntnis einen Ueberblick über den protestantischen Kirchenstreit gibt. Er hat darüber Unterredungen mit Frid, Rosenberg, Müller, Karl Barth   und mehr als sechzig evangelischen Geistlichen und schließlich auch mit Hitler selbst gehabt.

Ueber das Gespräch mit Hitler   berichtet er ausführlich und konstatiert,

daß Hitler nur beschränktes Berständnis für das Christentum"

befize und sich in kirchlichen Dingen absolut von andern lenken und leiten lasse. Hitlers Antisemitismus aber hat auf ihn den Eindruck gemacht, daß er nahezu eine Besessenheit" darstellt. Als die treibende Kraft des Kultur: fampfes in Deutschland   bezeichnet der Amerikaner den von Hitler   ernannten Kulturdiktator des dritten Reiches", den Chefredakteur des Völkischen Beobachters" und Leiters des außenpolitischen Amtes der NSDAP.  , dessen Buch der Papst jetzt auf den Inder gesetzt hat:

Alfred Rosenberg  , den Hohepriester einer Theorie, die sich zu einer Art Religion entwidelt und die fundamentalen Lehren Jeju verlegt".

Reichsbischof Müller und sein Berater setzen die Maß nahmen zur Unterdrückung der kirchlichen Opposition fort. Der Führer des Pfarrer- Notbundes, Pfarrer Niemöller in Berlin- Dahlem  , der bereits von seinem Amte suspendiert war, ist jetzt, wie die Neue Zürcher Zeitung  " meldet, end­gültig abgesetzt worden, und zwar ohne das in der firch­lichen Gesetzgebung vorgeschriebene Disziplinarverfahren, das einem angegriffenen Geistlichen Gelegenheit gibt, sich zu verteidigen. In Dahlem   hat die Entfernung des beliebten Führers, zu dessen Predigten der Andrang so groß war, daß die Leute vor der Kirche auf der Straße standen, eine starke Erregung hervorgerufen; man bezeichnet es als eine Ver­lekung protestantischer Grundsäße, wenn den Gemeinden jedes Mitspracherecht genommen wird.

In Preußen find insgesamt 68 Pfarrer suspendiert worden, davon 35 in der Kirchenprovinz Brandenburg  . Das weitere Verfahren ist aber nur gegen eine Minderheit dieser Pfarrer eingeleitet, während die übrigen ihr Amt wieder ver­sehen. Zugunsten der gemaßregelten Amtsbrüder haben zweitausend Pfarrer eine Solidaritätserklärung unter­Schrieben. Die geistigen Borausjegungen für die Grün. dung von Freikirchen sind vorhanden, jedoch ist an eine Ausführung dieses Gedankens unter den gegenwärtigen Verhältnissen, wo die Staatsintervention jeden Augenblick

10000 Mark Geldstrafe 10 Monate Gefängnis Teure Geldsendungen

Berlin  , 19. Februar. Der praktische Arzt Dr. Fried= länder und seine Familienangehörigen standen heute vor dem Berliner   Schnell- Schöffengericht unter der Anklage des Devisen vergehens. Zwei Brüder des Angeklagten,

die als Nichtarier nach der nationalsozialistischen Revolution wirtschaftliche Schwierigkeiten befürchteten, waren nach Frankreich   gegangen und leben dort schon seit längerer Zeit als Emigranten. Dr. Friedländer wollte seine Brüder durch Geldsendungen unterstützen. Er wählte dazu den Weg, daß er auf den gemeinsamen Paß, den er für sich und seine Ehefrau hatte, den zulässigen Höchstbetrag von 400 Mark nach Paris   schickte. Das wäre rechtlich zulässig gewesen. Er schickte aber außerdem auf den Sonderpaß, den seine Frau besaß, weitere 200 Marf und veranlaßte auch seine Echwiegermutter, seine beiden Schwägerinnen und schließlich den bei ihm beschäftigten Gärtner, auf ihre Pässe je 200 Mark an seine Brüder zu schicken, so daß im ganzen 4000 Mark in mehreren Sendungen nach Paris   gin= gen. Das Geld stammte in allen Fällen aus dem Besitz des Dr. Friedländer.

In der Verhandlung verteidigte sich der Angeklagte damit, daß er sich streng an die Bestimmungen gehalten habe, wonach ein Deutscher auf seinen Paß hin monatlich 200 Mark ins Ausland senden dürfe. Die mitangeflagten Familienmit glieder und der Gärtner hätten ja auch die zulässige Höchst­summe nicht überschritten. Das Schnell- Schöffengericht stellte sich demgegenüber auf den Standpunkt, daß es nach dem Sinn der Devisengesetzgebung nicht darauf ankomme, wer formal der Absender sei, sondern darauf, aus weffen Besitz das deutsche Geld ins Ausland fließe. Wenn der deutsche Geldspender sich zur Absendung der Beträge an= derer Personen und ihrer Pässe bediene, so sei das eine Um­gehung der Devisenbestimmung, die ihn nicht vor Strafe schützen könne.

Das Gericht verurteilte Dr. Friedländer zu 10 Monaten Gefängnis und 10 000 Mart Geldstrafe. Wegen Beihilfe erhielt die Ehefrau des Angeklagten statt einer an sich ver­wirkten Gefängnisstrafe von einem Monat 300 Mark Geld= strafe und außerdem weitere 20 Mark Geldstrafe. Der schon vorbestrafte Gärtner des Angeklagten erhielt einen Monat Gefängnis und 100 Mark Geldstrafe. Gegen die Schwiegermutter und die beiden Schwägerinnen wurde das Verfahren eingestellt mit der Maßgabe, daß 200 Mart an die Winterhilfe zu zahlen seien.

500000 Schüler sammeln

20 Millionen Wimpelplaketten

Berlin  , 21. Febr. Am 23. Februar, dem zweiten Opfertag des VdA. für das Winterhilfswerk, werden über 500 000 Schüler und Schülerinnen, Hitler- Jugend   und VdA.- Jugend, die an diesem Tag vom Unterricht befreit sind, im ganzen Reich für das Winterhilfswert sammeln. An die Stelle der blauen Kornblume, die am ersten Opfertag das Abzeichen d: Spender war, tritt diesmal eine weiße Metallplakette mit dem blauen Wimpel des VdA. 20 Millionen dieser Plaketten Hat der VdA. aus den Notstandsgebieten der fächsischen Ju dustrie bestellt.

Ein interessantes Urteil

Das Landesarbeitsgericht Kiel   stellt( PAG. Nr. 38) fest: Ein zwischen der NEBO. und dem Kampfbund für den gewerblichen Mittelstand abgeschlossener Tarifvertrag" ist nicht rechtsverbindlich, da beide Organisationen politisch und nicht tariffähig sind."

ausgelöst werden kann, nicht zu denken. Pfarrer Niemöller hat Berlin   verlassen und sich in seine engere Heimat nach Westfalen   zurückgezogen.

In ganz Westdeutschland

Jol

stehen die Gemeinden in geschlossener Front und weigern sich unter Berufung auf die alte rheinisch- westfälische Kirchen­ordnung, die weitgehend von den Auffassungen des Reform­bekenntnisses bestimmt ist, die Einsetzung von Bischöfen an= zuerkennen. Der von Berlin   aus ernannte Bischof des Rhein­landes, Oberheid, war von Anfang an von einer un­sichtbaren Mauer des Boykotts umgeben. Der Versuch einer Konzession, indem sich Oberheid nicht mehr als Bischof, son­dern als Landespfarrer bezeichnete, war zum Scheitern ver­urteilt, da Geistliche und Gemeinden auch von einer Ein­führung des bischöflichen Regimentes unter anderem Namen nichts wissen wollten und an ihrer überlieferten Synodal­verfassung festhalten.

Seither hält Oberheid sich vorwiegend in Berlin   auf und bildet hier die rechte Hand des Reichsbischofs Müller, den er im Sinne eines verſchärften Sturſes beeinflußt. Die Bil dung eines Geistlichen Ministeriums stößt noch immer auf die größten Schwierigkeiten, so daß die Notstandsregierung Müller- Oberheid sich fortsetzt.

Pistolen!

Für politische Leiter

Berlin  , 20. Februar.

Nach einer Meldung des Preußischen Pressedienstes der NSDAP  . hat der Führer den politischen Leitern( einschließ= lich Ortsgruppenleitern der NSDAP  .) das Recht verliehen, zum Dienst anzug eine Pistole zu tragen.

27 Jahre Zuchthaus! Für Kommunisten!

Das Reichsgericht fällte gegen vier Kommunisten aus Gonsenheim   Urteile auf Zuchthausstrafen in Höhe von acht, fünf und zweimal sieben Jahren. Die Arbeiter waren an­geklagt, Sprengstoff entwendet und Hochverrat vorbereitet zu haben. Das Reichsgericht berief sich bei seinen Urteilen auf Aussagen, die der zu acht Jahren Zuchthaus   verurteilte Arbeiter Steiger in der Voruntersuchung schriftlich und mündlich gemacht haben soll, und die er in der Hauptverhand­lung widerrief. Außer den Aussagen in der Voruntersuchung, bei deren Zustandekommen die berüchtigten Verhör­Methoden der Nazis angewandt sein werden, lag nicht der Schatten eines Beweises gegen die Angeklagten vor.

Unterschlagung!

Verbandsbezirkswart Rarl Unterrieser- Dortmund hat eine aus dem Verbandstreis Essen stammende Summe unterschlagen. Er wurde seines Amtes enthoben, aus der DAF. und der NSDAP  . ausgeschlossen.

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Reichswehr   als Parteiheers

Hoheitsabzeichen   der NSDAP  . für die Wehrmacht

Amtlich wird gemeldet: Um die Verbundenheit der Wehr­macht mit Volk und Staat zum Ausdruck zu bringen, hat der Reichspräsident in Verfolg des Gesetzes zum Neuaufbau des Reiches auf Vorschlag des Reichswehrministers eine Ver­ordnung erlassen, welche das Hoheitsabzeichen der NSDAP  . auch bei der Wehrmacht einführt.

Die Landestokarde an der Dienstmüße des Reichsheeres wird in Zukunft durch das Hoheitsabzeichen in silberner Ausführung ersegt; an der Schirmmüße der Offiziere usw., wird es in goldener Ausführung über der Reichskofarde ge= tragen, ebenso an der Marinemannschaftsmüße. Am Stahl= helm wird auf der rechten Seite das Schild mit den Reichs= farben schwarzweißrot, auf der linken Seite das Hoheits­abzeichen angebracht, beim Reichsheer in weißer, bei der Heichsmarine in goldgelber Ausführung.

Ferner wird das Hoheitsabzeichen an der Uniform ge­tragen, beim Reichsbeer auf der rechten Brustseite des Rockes bzw. der Bluse in filbergrauer Stickerei, an der Bekleidung der Reichsmarine in Höhe des zweiten Rockknopfes in goldener bzw. goldgelber Stickerei.

Die neuen Abzeichen sind zur Zeit in Bearbeitung. Der Zeitpunkt des Anlegens wird besonders befohlen werden.

Goldene Tressen...

aber leider nichts zu essen

Stabschef Röhm hat dem Völkischen Beobachter" zufolge eine Verfügung erlassen, wonach alle SA  - Führer und SA.  ­Männer, die in der Zeit vom 1. Januar 1923 bis 31. Dezem ber 1932 in die SA. eingetreten sind und außerdem minde­stens seit dem 1. Januar 1923 ununterbrochen in der SA. stehen, am rechten Oberarm einen Winkel aus einer ein Zentimeter breiten, mit Rot durchwirkten Goldtresse tragen. Witze erlaubt?

In einer

Gauleiter Bekanntmachung beklagt Bürckel   in Neustadt   a. H., daß einzelne Denun zianten so weit gingen, diesen oder jenen harmlosen Witz zur Kenntnis von Behörden zu bringen, um auf diese Weise zu versuchen, ihnen unliebsamen Personen Schwierig­teiten zu bereiten. Es werde so heißt es in der Bekannt= machung u. a. feinen Führer von Format geben, der sich darum fümmert, wenn das Volk auf anständige Weise schließlich einmal seine Tätigkeit in scherzhafter Form kritisiert.

Oberbürgermeister wegen ,, Beleidigung" des Gauleiters in Schutzhaft

Bamberg, 20. Febr. Die politische Polizei teilt mit, Oberbürgermeister Dr. Weegmann- Bamberg mußte am Dienstagvormittag in Schuhhaft genommen werden, weil er einen Gauleiter der NSDAP  . beleidigt" hat.- Eigene Meinung ist Beleidigung in Hitlers Reich!

Mein Kampf"- französisch

Der französische   Franken ist eine gute Währung Nachdem Hitler   bisher jedem Schriftsteller und jedem Ver­leger die Autorisation zur Uebersehung seines Buches Mein Kampf  " ins Französische rundweg verweigert hat, hat der Verlag Nouvelles Edition Latines" nunmehr eine Ueber­segung gegen den Willen des Autors herausgebracht und über ganz Frankreich   verbreiten lassen. In der Vorrede heißt es: Wenn Hitler   sich der Verbreitung seines Buches in Frankreich   widersetzt, so tut er das, weil er glaubt, daß es für seine Politik von Nachteil sein könnte. Aber das ist es gerade, weshalb wir die Veröffentlichung für vorteilhaft halten. Es wird uns bei ihm entschuldigen, daß wir zur Rechtfertigung unseres kleinen Gewaltstreiches uns iene Rechtsgrundsätze zu eigen machen, die sein Innenminister Dr. Frick bei der Eröffnung des Deutschen Juristenfongresses in Leipzig   am 3. Oftober 1933 verkündete: Für uns Natio= nalsozialisten ist alles Recht, was dem deutschen   Volfe nüßt.. und Unrecht ist, was ihm Schaden bringt."

Aus Paris   wird uns dazu noch geschrieben: Ein Ver­lagshaus teilt mit, daß es die Absicht hat, ungeachtet des Verbots des Autors, eine Uebersetzung von Adolf Hitlers   Mein Kampf  " herauszubringen.

In der bekannten Zeitschrift Comoedia" wendet sich M. Gabriel Boissy   gegen diesen Plan, der ihm beim gegen­wärtigen Stand unserer Beziehungen nicht nur inforreft, sondern auch gefährlich scheine. Hitlers   Verbot könne sich auf Gründe stüßen, die ebensowohl im Nußen wie im Schaden Frankreichs   liegen könnten. Was würden wir sagen, so etwa fragt der Kritifer, wenn die Deutschen   der Vergeltung wegen franzöftiche Schriftsteller ohne deren Genehmigung übersehen würden?

Hierauf ist zu erwidern, daß entscheidend ist, ob Hitler   das Ueberseßungsrecht zu Mein Kampf  " verkauft hat oder nicht. Die Taktif, das Buch im Innern des Landes zu drücken und es nach außen zu unterdrücken, ist jedenfalls so unmora­Tisch, daß jede Verhinderung dieser Absicht Moral ist.

Gerüchte um Stavisky

Er und seine Tänzerinnen

DNB. Paris, 21. Febr. Die Pariser   Morgenpresse berichtet im Zusammenhang mit dem Stavisfy- Standal, daß nach den in Bayonne   umlaufenden Gerüchten die ganze Angelegenheit in den nächsten Tagen ein vollkommen anderes Aussehen er­halten könnte. Gewisse Anzeichen deuteten darauf hin, daß sich die Tätigkeit Stavistys nicht auf die Millionenbetrügereien beschränkt habe, sondern daß er seine guten Beziehungen zu den höchsten Stellen geschickt ausgenutzt habe, um Spionage zu betreiben. Obgleich dieses Gerücht im Augenblick noch feine festen Formen angenommen hat, zitiert man in diesem Zusammenhang die Namen der Wiener   Künstlerinnen Rita Georg   und einer augenblicklich in London   weilenden Wiener  Tänzerin Marianne Kupfer. Man wundert sich darüber, daß beide unmittelbar nach dem Tode Staviffys Frankreich   ver­lassen haben, und daß sich besonders Nita Georg bisher weigere, nach Paris   zu kommen, um über ihre Beziehungen zu Stavisfy auszusagen. Das Journal" hat von sich aus eine Untersuchung eingeleitet und spinnt den Faden weiter. Stavisky, so betont das Blatt, habe sich eingehend um die Organisierung der französischen   Grenzbefestigungen ge­fümmert. Andererseits dürfe man nicht vergessen, daß Rita Georg  , deren Beziehungen zu Stavisfy feststünden, die Ope­rette Kathinka, in der sie mit Erfolg in Paris   auftrat, zuerst in Berlin   gespielt habe. Hinter all diese Tatsachen müsse man darum ein großes Fragezeichen machen. Die Pariser Sicher­heitspolizei hat sich ebenfalls mit diesen Gerüchten befaßt und erklärt, daß sie verschiedenen Spuren nachgegangen sei, daß aber keine einzige die umlaufenden Gerüchte bestätige. Die Blätter glauben aber doch, daß sich der Bayonner Unter­suchungsrichter demnächst auch mit dieser Seite der Stavisky­Angelegenheit zu befassen haben werde.