Pariser   Berichte

Pariser Straßenkalender

Die Ortsgruppe Paris   der deutschen   Liga für Menschen­rechte hielt eine Mitgliederversammlung ab, in der nach dem Weggange des nach Lyon   berufenen Professors Gumbel über die Tätigkeit der Liga berichtet wurde.

Der französische   Abgeordnete Bergery, wiederholt im Kampfe gegen die Hitlerbewegung hervorgetreten, zuletzt parteiloses Mitglied der Kammer, hat den Entschluß aus­geführt, sein Mandat niederzulegen.

Eine Stoffpuppe, die die streikenden Pariser   Chauffeure unter dem Eiffelturm vom pont d'Jéna symbolisch in die Seine geworfen haben, war ein zweiköpfiges Wesen, das wahrscheinlich die beiden Männer vorstellte, die das jetzige Reglement für die Taxis gemacht haben.

In der etwas in Vergessenheit geratenen Sittenaffäre Violette Nozière   fand ein neuer Termin in Gegenwart von Mutter und Tochter statt, in dem die Mutter erneut be­hauptete, daß die Violette einen Mitwisser habe. Der Prozeß Violette wird wahrscheinlich erst in geraumer Zeit statt­finden können.

Wie wir hören, wurde die einzige von Göbbels   zugelassene reichsdeutsche Uraufführung der ,, Marne  " des in Paris   leben­den Dichters Paul Raynal  , übersetzt von H. A. von Maltzahn, verschoben. Die Premiere sollte anläßlich des, Dramatiker. Kongresses" am 23. Februar in Erfurt   stattfinden.

Die Verhöre im Stavisky- Prozeß

Aus Bayonne   wird gemeldet, daß Bonnaure, der Abge­ordnete von Paris 3, glücklich" ist, in der St.- Leo- Klinik untergebracht zu sein. Er sitzt dort in einem Krankenstuhl und liest Romane, Zeitungen bekommt er nicht. Wenn eine Krankenschwester oder ein Arzt vorbeigeht, schließt er die Augen. Ein Polizist ist bei ihm und bewacht das Leben des Stavisky- Anwalts, der mit dem ,, schönen Alexandre" so oft nach Budapest   fuhr und so schöne Anzüge trug. Mittlerweile hängen immer noch in Paris   in der Nähe der rue Boubourg, in der der wohlbeleibte Advokat wohnte, die Zettel mit der Inschrift: A la porte Bonnaure", die seine Wähler veran­lassen, sich in Listen einzutragen, damit der Angeschuldigte sein Mandat niederlegt.

Zwei hohe Insassen der Villa Kummer", der Bürger­meister Garrat und der Sparkassendirektor Tissier haben jetzt respektvoll stets in der dritten Person vonein­ander gesprochen( ,, der Direktor"," der Bürgermeister"), als sie wegen der faulen Bons vernommen wurden. Nur wenn es sich um die Verantwortlichkeit handelte, ob Garrat, ob Tissier das Hauptkarnickel war, gingen sie aufeinander los. Garrat vor allem bestritt alle Schuld. Er ist nur unbedacht gewesen, vertrauensselig, er war selbst ein Opfer.

Tissier hingegen hat rund und nett zugegeben, daß er die Papiere gefälscht hat. Am 16. Mai 1931 übernahm er die Leitung der Sparkasse als Nachfolger eines provisorischen Direktors Mora, und fand nur 230 000 Franken im Geld­schrank vor. Seine Eintragung lautete aber über 7 785 500 Franken, also über 7,5 Millionen mehr. ,, Das war ganz ein­fach," sagte Tissier ,,, das Geld hatte ich nicht, weil die Bons

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Inserieren bringt Sewinn

Die ganze Stavisky- Affäre bekommt jetzt einen noch sensationelleren Anstrich, als ohnehin schon, durch einen Artikel des ,, Journal", der die Stavisky- Clique ziemlich deut­lich verdächtigt, auch Spionage für Hitler­Deutschland getrieben zu haben. In diesem Zusammen­hange nennt das Blatt auch die Pariser   Beziehungen der Rita Georg   zu Marianne Kupfer, die in einem Etablisse­ment der rue du Colisée auftrat und jetzt in London   en­gagiert ist.

Im Hause numéro 4, rue Arsène- Houssaye sollen Stavisky, der Revue- Direktor Hayotte, Rita und wahrscheinlich auch Marianne Kupfer öfter zusammen gekommen sein.

Das Journal" schreibt unmiẞverständlich, daß die Sta­visky- Leute Spionage- Unternehmungen erleichtert hätten und daß die Geschichte der, ungarischen Optanten"( das ist das

letzte Schwindelgeschäft Staviskys) an den Ufern der Spree   eingefädelt sei.

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Die Pariser   Polizei bewahrt, so bemerkt das Blatt weiter, eine große Reserve über diesen Fall.

Was uns angeht, so geben wir lediglich, ohne Einmischung in diese Skandalaffäre, die Gerüchte weiter, die das große und angesehene Nachrichtenblatt der französischen   Rechten verbreitet.

So ganz nebenbei erkundigt man sich aber vielleicht in diesem Zusammenhange auch nach den Hintermän­nern des in Bayonne   festgehaltenen Mulatten Darius und nach der Tatsache, warum M. Louis Thoma jetzt nicht mehr über seine Liebe zu Hitler Deutschland und seinen Tournée- Plan durch ganz Frankreich   spricht.

Paris  , 22. Februar mittags.

in Paris   von Stavisky einkassiert waren. Also, um meine Der Tote vom Tunnel von Dijon  Buchhaltung in Ordnung zu bringen, trug ich eine Summe ein, wie wenn ich das Geld in der Kasse hätte." Auf der Rückseite seines Berichts gab Tissier auch die einzelnen Scheine an: 7700 Tausendfrankenscheine, der Rest in Noten von 500 und 100 Franken.

Seelenruhig bezichtigte Tissier dann einen alten Knaben Garric, der in Südfrankreich   als Einnehmer in Pension lebt. Dieser Garric soll alles gemerkt haben, der mußte jeden Tag revidieren: ,, War er denn blind?", fragte Tissier ,,, oder war er bloß blind gemacht?"

Und Sie, Herr Garat? Was sagen Sie davon?", fragte der Untersuchungsrichter.

,, Achich... Ich hatte doch nichts mit der Buchhaltung zu tun. Ich bekam dóch die Kassenberichte nicht zu Gesicht. Ich wußte nicht Bescheid."

,, Und wer bestimmte, daß die Bons von 40 auf 80 Millionen vermehrt wurden das war am 16. Juli 1931?"

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Tissier: ,, Herr Josef Garat natürlich. Er erklärte mir extra, daß er eine mächtige Kreditoperation im Auge habe." Garat: Total falsch. Ich verbitte mir das. Allein der Direktor ist berechtigt, einen solchen Vorschlag vorzu­bringen." el

Im ganzen liegen sieben falsche Bons vor, deren Scheckbuch über 100 Millionen lautet, während die einzelnen Bons sich auf zwei bis fünf Millionen beziffern. Die Gesell­schaft La Confiance" hat sie nicht placiert wer also? Tissier? Niemals im Leben," sagt Tissier ,,, weder echte, noch falsche Bons."

Tissier soll aber versucht haben, bei einem großen Juwelen­geschäft in Biarritz   einen Bon über eine Million los zu wer­den. Er hot ihn für 600 000 Franken an, aber dem Inhaber des Ladens schien diese Sache zu faul.

Anschließend an diese Vernehmung Tissier. wie ge­meldet wird, seine Suppe und einen Kessel mit Harricots.

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In der ,, Villa Chagrin" strebt inzwischen erheblich ins Freie Pierre Darius, der hitlerfreundliche Mulatte, der dem ge­wissen deutschen   Korrespondenten so gut bekannte Louis Thoma im ,, Midi" Unterkunft gewährte wo er so eifrig für Verständigung mit dem Hakenkreuz warb. Aber dieser edle Apostel ist jetzt so ganz verschwunden, während sein halbrassiger Meister im Verhör vor dem Untersuchungsrichter in Bayonne   erscheinen mußte.

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Rita Georg   und der Stavisky- Prozeß Spionage für Hitler- Deutschland?

Der Star des zusammengebrochenen Empire- Theaters, dessen Operettenglück bis zum Sturze des Meisters dessen Vertrauter Hayotte leitete, war bekanntlich Rita Georg  . Die kluge Ungarin, auch in Berlin   nicht unbekannt, hat gleich nach dem Aufdecken der Bayonne  - Bons die Erklärung ab­gegeben, daß sie Stavisky überhaupt nicht kenne. Man durfte allerdings von vornherein einige Fragezeichen hinter diese Improvisation der Diva machen. Jedenfalls hielt die Ungarin es für angebracht, sich von Paris   nach dem Süden zurück­zuziehen und dann nach Wien   zu fahren.

Schillers Ballade von den Kranichen des Ibykus", wird sie noch in den Hitler  - Schulen gielernt? Kommt es noch vor, daß heimlich ein verborgener Feind", der einen Sänger tötet, gefunden wird? Sind die Mörder von Bell, von Hanussen, von Mitwissern des großen Geheimnisses der Hintertreppenpolitik der Weltgeschichte gefunden worden?

Warum wir das schreiben? Weil die entsetzliche Bluttat an dem Pariser Richter Prince so grauenhafte Aehnlichkeit mit den Untaten an Waldstreifen und Verschleppungen von Opfern im Reiche Potempa hat. Wie nach dem Muster der SA. ist das alles... Wir wissen nicht, ob die SA., die ihre Zellen in Frankreich   unterhält, ihre Hände im Spiel hat und wir wollen nichts gerichtlich Unbewiesenes behaupten. Aber es ist bestimmt so, als wenn die Mörder von Hanussen   und Bell hier Lehrmeister wären...

80,

Der Leichnam eines hohen Richters, des Rates am Appel­lationsgericht zu Paris  , Prince, wird gefunden. Es sind die Reste eines Juristen, der am genauesten die trübe Flut Stawiskys kennt. Jetzt hat sie ihn am Vorabend seiner Vernehmung vor dem Gericht hinweggeschwemmt. Der tote Alexandre, der im Bergfriedhof von Chamonix   liegt, hat noch gespenstisches Leben. Vergiftet, gefesselt, auf die Schienen geworfen, der Kopf abgefahren, die Gieder zerstückelt jetzt kannst du nicht mehr reden! So sprach schon ein anderer zu dem Leichnam van der Lubbes. So sprach auch der Gangster von Dijon   zu seinem Opfer, das vor dem Unter­suchungsausschuß der französischen   Kammer zeugen sollte. Seltsame Dinge in dieser Schauerballade, die zeitlich mit der neuen Spionage Sensation der Stavisky- Affäre zu­sammenfällt. Seltsame Dinge... Das Telegramm, das der Mörder von Dijon   unter dem Namen des Opfers aufgegeben hat, nennt den Namen des Hausarztes falsch; der alte Haus­arzt der Mutter heißt Ehringer das Telegramm nennt ihn Hellinger. Eigenartig diese Verwendung eines anderen deutsch   klingenden Namens. Der neue Timotheus muß deutsch   gekonnt haben... Dann ist da diese Ver­bindung Stavisky mit Rita Georg  . dem Revuestern, und der Wedekind- Schauspielerin Marianne Kupfer. Dann die Be­ziehung des Mannes, der unzweifelhaft für Ungarn   und wahrscheinlich auch für Deutschland   des Geldes wegen Propaganda trieb, mit dem Industriellen Boch- Bauer, der in der deutschen   Botschaft verkehrte. Dann ist da Darius, der Mulatte, mit den Hintermännern der Zeitung ,, Midi", die sicherlich Herrn Friedrich Sieburg  , den Nazi- Geldverteiler für Frankreich  , kennt und von denen Louis Thoma eine Campagne in allen Departements Frankreichs   vorhatte. Dann ist da Dubarry von der Volonté  ", dessen Spuren ebenfalls direkt nach Berlin  führen. Sehr viel schöne Adjektive für Herrn von Heim­ burg  , wenn er das nächstemal wieder an der Seine über das dritte Reich" redet!

29.

Wie gesagt, wir erwähnen diese Perspektiven nur, wir

Dr. Spécialiste

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behaupten nichts, uns fällt nur die scheußliche Aehnlichkeit dieses Gangster- Verbrechens mit den Verbrechen der Mörder auf, die einen Theodor Lessing   oder die Brüder Rotter auf fremdem Boden erjagten und eben wieder um Thälmann  Leichen häuften. Diese sind hier Lehrmeister gewesen. Sie haben das Modell von Dijon   gestellt.

Die Schillersche Ballade ist fast vollendet: ,, der nackte Leichnam ward gefunden", der Gastfreund in Korinth   er­erkennt ihn mit Entsetzen, und schwer und ernst nach alter Sitte umwandeln Rachegöttinnen das Theater... Doch wo die Spur, die aus der Menge? ,, Sinds Räuber, die ihn feig erschlagen?" Seids Ihr, Würdenträger des Stavisky? Bist du's, Timotheus auf den höchsten Stufen?

100 000 Franken Prämie Die Regierung untersucht

Nach einer Beratung zwischen dem Ministerpräsidenten, dem Justizminister und dem Innenminister über den Mordfall des Gerichtsrates Prince hat die Regierung eine Prämie von 100 000 Fr. ausgesetzt für diejenigen Angaben, die zur Ermittlung des Mörders führen. Die Aussetzung solche Prämien ist in Frankreich   eine Seltenheit; daß die Regierung dazu greift, zeigt, welche Bedeutung sie dem Falle angesichts der Erregung in der Oeffentlichkeit beimiẞt.

BRIEFKASTEN

Dr. P. Sie machen uns darauf aufmerksam, daß der Landes­bischof von Hessen   die Genehmigung der Konfirmation im Dienst­anzug der Hitlerjugend mit der Notlage vieler Eltern der Kon­firmanden" begründet. Das spricht nicht sehr für das große natio­nalsozialistische Aufbauwerk. Unter dem früheren" System" konnten sich doch noch die allermeisten Eltern ein Sonntagsgewand für die Konfirmanden leisten.

Für den Gesamtinhalt verantwortlich: Johann Pis in Dud­ weiler  ; für Inserate: Otto Kuhn in Saarbrücken  . Rotationsdruc und Verlag: Verlag der Volksstimme GmbH., Saarbrücken&  , Schüßenstraße 5. Schließfach 776 Saarbrüden.

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