Pariser Berichte

Pariser Straßenkalender

Wie mitgeteilt wird, steht die Wiederaufnahme von, Co­riolan" in der Comedie Française   bevor, während das staat­liche Odéon eine Neueinstudierung von Shakespeares Anti­heldenkomödie ,, Troilus und Cressida" vorbereitet.

Dem Vernehmen nach steht die Gattin des neuen eng­lischen Botschafters Clerk den Quäker- Organisationen nahe.

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Die sozialistischen   Stadträte haben an den Seine- Präfekten eine Eingabe gerichtet, die die Ueberprüfung der Angaben des Populaire" von 37 Millionen Franken Ueberschüssen der Métro für Wahlpropaganda der Rechten zum Gegen­

stand hat.

Der bekannte Schriftsteller Georges Duhamel   hat eine Fortsetzung seines Buches ,, Szenen aus dem zukünftigen Leben" erscheinen lassen, die ,, Rede an die Wolken" heißt.

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Die Gründungsversammlung des Pariser deutschen Phil­harmonischen Orchester- und Oratorienvereins wird Mitte März stattfinden. Anmeldungen stimmbegabter oder instru­mental gut vorgebildeter Musikliebhaber sind zu richten an: Philharmonia, 45, avenue du général Michel- Bizot, Paris 12e.

Keine Erhöhung der französischen   Mieten

Mit der französischen   Miete liegts so: Nach einem Gesetz vom Jahre 1929, 29. Juni, Artikel 11 sollte die Friedens­miete von 1914 um 15 Prozent zugunsten der Hausbesitzer erhöht werden. Diese Verteuerung wäre regulärer Weise Ende Juni dieses Jahres eingetreten und hätte natürlich eine ganz wesentliche Umwälzung der Wohnungskosten jedes Franzosen oder jedes in Frankreich   Wohnenden be­deutet. Auch im vorigen Jahre war diese Kalamität eine sehr drohende, und erst im allerletzten Moment, am 30. Juni konnte der Wide stand des Senates gegen eine Hinaus­schiebung der Mietverteuerung beseitigt werden.

In diesem Jahre ging wieder der Sturm gegen das Ge­set los. Der Antrag des Sozialisten Jar del in der Kam­mer, in die das Budget im Wege des Weberschiffchens" ( navette) zurückgekommen war, forderte die Beseitigung der Mietverteuerung überhaupt. In der Abstimmung hin­gegen wurde nur die Aufhebung für ein Jahr er­reicht, und zwar bis 1. Juli mit 394 gegen 190 Stimmen. Für ein Jahr also sind die französischen   Mieter gerettet.

Wenig bekannt ist, daß Mieter in Neubauwohnungen das Recht haben, den Mietpreis innerhalb sechs Monaten nach Zahlung der ersten Quote gesetzlich festlegen zu lassen. Nach einer Entscheidung des Kassationshofes vom 9. November 1933 darf der Mieter bis zur Entscheidung dieses Antrags wohnen bleiben.

Der Privatsekretär des schönen Alexandre

Den Privatsekretär des schönen Alexandre haben sie nun fest. Das ist der Mann. der etliche Millionen Bons auf ein Gewisser aahm und der, um grabbisch zu reden, der Nacht­topf des großen Mannes war. Dieser Lebemann wohnte in der fein n rue de la Boetie, das heißt, er wohnte nicht ,, chez lui", sondern in einem Hotel in Passy  , in dem er aber ich nicht schlief, bis er doch mal kam und ihn die äscher erjagten. Dieser Privatsekretär, Romagnino mit Namen, r I bwächter des schönen Alexandre

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Verurteilung eines deutschen   Abenteurers

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Im Herbst vorigen Jahres verbrannten bekanntlich die französischen   Dampfer Georges Philippar" und Atlan­tique". Damals wurde in Marsaille an Bord des ,, Timgad  " ein junger Deutscher als blinder Passagier, versteckt in einem Rettungsboot, gefunden. Er hatte sechs Pakete Dynamit bei sich, daneben auch eine Zündschnur und ähnliche Dinge.

Der blinde Passagier stellte sich heraus als ein gewisser Bernhard Thiele, 23 Jahre alt Er behauptete, nur aus Zeitvertreib nach Frankreich   gekommen zu sein. Die Ex­plosivstoffe wollte er von seinem Vater beruflich erhalten haben.

Das Urteil lautete wegen Besitzes von Explosivstoffen und Paßfälschung auf fünf Jahre Gefängnis und dreitausend Franken Geldstrafe.

Der Urmensch in Frankreich  

Der kleine Ort Les Eyzies, 40 Kilometer südlich von Périgueux   in der Dordogne  , gilt seit den berühmten Funden, die man dort unter den Felsen und in den Grotten gemacht hat, als einer der Brennpunkte der ältesten Menschheitskultur. Wie wir erfahren, besteht die Absicht, Les Eyzies zu einem Zentrum des Studiums der Vorge­schichte auszugestalten. Die Studenten, die sich mit dem Studium der Vorgeschichte befassen, sollen eingeladen wer­den, anstatt wie bisher ihre Kenntnisse der ältesten Spuren der Menschheit allein aus Lehrbüchern oder Museen schöpfen, im Gebiet von Les Eyzies durch die lebendige An­schauung der hier in Fülle vorhandenen Funde ihr Wissen zu vertiefen. Den Studenten aller Länder soll ein beson­deres Studien- und Wohnhaus, das ,, Maison de Préhistoire", zur Verfügung gestellt werden, in dem sie arbeiten und zu bsonders billigen Preisen leben können.

zu

Die Einrichtung dieses Studienzentrums der Menschheits­vorgeschichte wird weit über Frankreich   hinaus Sympathien finden; denn Les Eyzies ist durch die zahlreichen Veröffent­lichungen, die in den Jahren vor dem Kriege erschienen sind, nicht mehr ein Ort, an dem Prähistoriker eine Ge­heimwissenschaft betreiben. Wenn irgendwo, so erscheint hier die Kenntn des Lebens unserer ältesten Vorfahren als eine verblüffend lebendige Angelegenheit, die jedermann an­geht.

Die Funde im Umkreis von Les Eyzies haben zwei Epochen dés sogenannten Paläolithikums, d. h. des ältesten bisher bekannten Zeitalters menschlicher Kultur, in dem der Mensch bereits den Stein bearbeitete, den Namen gegeben: Moustier und Magdalénien. In der letzteren Epoche, die etwa 10 bis 15 000 Jahre vor unserer Zeitrechnung liegt, sind u. a. die in ihrer künstlerischen Form sehr zu be­wundernden Tierbilder entstanden, die in schwarz und

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Russenghetto in Saris

Von den unzähligen Gesichtern, die Paris   dem Reisenden zeigt, ist eines das Gesicht der typischen Emigrantenstadt. Alle großen Metropolen Europas   sind ja Zufluchtsstätten politischer Flüchtlinge, und jede siegreiche oder mißlungene Revolution schwemmt Tausende und Zehntausende von Menschen über die Grenzen thres Landes in die Fremde. Aber keine Stadt beherbergt ein bunteres Gemisch von Emi­granten als Paris  .

Sie geben dieser alternden, immer noch schönen, immer noch lässig reichen Hauptstadt Frankreichs   einen Geruch von Fremdheit und Ferne, sie unterbrechen aber nicht fühlbar ihren Rhythmus, der so sehr vom gallischen Temperament und den konservativen Gewohnheiten des Franzosen be­stimmt wird. Was an italienischen Emigranten, an geschei­terten Politikern vom Balkan   und aus Spanien  , an ge­flohenen Marristen, Juden und Intellektuellen aus Deutsch­ land   in Paris   sitzt, verschwindet fast ganz im Menschen­gemenge der Stadt und findet sich nur in einzelnen Cafes und Wohnhotels zu losen Gruppenverbindungen zusammen. Einzig die russische Emigration, die freilich größere Aus­maße, tiefere, weltgeschichtliche Hintergründe und eine un­vergleichlich härtere Tragik als jede andere aufweist und die man mit der jüngsten deutschen  " nicht in einem Atem­zuge nennen darf, hat Formen eines eigenen Gemeinschafts­lebens entwickelt, die jedem auffallen müssen, der länger in Paris   weilt.

Seit den Tagen der russischen Revolution, seit dem blutigen Oktober- Umsturz, sind nicht weniger als zwei­hunderttausend Russen nach Paris   gekommen; die zuerst dorthin Geflüchteten erhielten immer neuen Zuzug aus den fleineren Emigrantenzentren in Berlin   und Prag  , in Reval  , Riga   und Warschau  . Sie bilden keine homogene Masse; die russischen Großfürsten und Aristokraten, diese forrupte Ober­schicht eines bäuerlich- barbarischen Landes, die Dichter, Philosophen und Wissenschaftler des beiseitegeschobenen Bürgertums, das zwischen Reaktion und Revolution schwankte, die Aerzte, Lehrer und Kaufleute, die sich aus dem Herenkessel des Nachkriegs- Rußland retten konnten, die ehe­maligen Militärs und gescheiterten Politiker, die Guts­befizer, Fabrikanten, Kleinbürger der zaristischen Epoche. Aber das gleiche Schicksal, die gleiche Not verwischte sehr bald die eingebildeten und wirklichen Unterschiede der Klassen; und Bildungsherkunft, was blieb oder sich neu bildete, war jedenfalls eine Gruppierung nach dem politischen Glaubens­bekenntnis. Sie hinderte nicht, daß das Russentum sich hier in der Fremde stärker als je als Einheit empfand; daß eine typische Emigrantengeistigkeit entstand, eine Emigranten­literatur und Emigrantenphilosophie, die die Züge aus der besonderen Lage einer vom Volfskörper abgesprengten Gruppe empfängt; daß die Pflege der alten Bräuche und Gewohnheiten, die schmerzliche Erinnerung an das gewesene und die leise Hoffnung auf ein fünftiges Rußland noch immer das Band der Gemeinsamkeit schlingt.

Paris   hat diese zweihunderttausend Russen wohl bei sich aufnehmen können, es vermochte aber nicht, sie sich langsam zu assimilieren. Sie bilden mit ihren großen Verbänden, Klubs und Organisationen, mit ihren eigenen Tages­zeitungen, Zeitschriften und Buchverlagen, mit ihren eigenen Schulen, Kirchen und Seminaren so etwas wie ein riesiges Ghetto in der französischen   Hauptstadt, einen unverdaulichen Fremdkörper, der sein eigenes Leben lebt. Sie haben ein Stück ihrer Heimat in die fremde westliche Großstadt ver­pflanzt und halten mit frampfhafter Liebe daran fest.

Man hört in Paris   neben der französischen   Sprache nichts so häufig wie die vollen, starken, strömenden Laute des

rotem Ocker in Fülle auf die Wände gemalt, oder einfach gezeichnet, oder in den Stein gehauen worden sind. Man fin­det hier im Bilde tief im Inneren der Grotten oder Höhlen von Font- de- Gaume, Combarelles und Cap Blanc etwa 80 verschiedene Bisons, eine Anzahl von Pferden, viele Renntiere, zum Teil zu zweit grasend oder im Galopp, den Hirsch mit stattlichem Geweih, das Mammut, das dem Vormenschen das kostbare Elfenbein lieferte, sogar den Bären und das Rhinoceros. Diese Tierbilder waren Ziel eines heidnischen Kults: Eine Art Totem  , der Schutz bieten sollte, oder ein Talisman für die Jagd.

Die Natur, die in den Felsen der Dordogne   den Vor­menschen die trockenen tiefen Grotten und Höhlen als Schutz und als Tempel bot, schuf im gleichen Gebiet auch die feuchten Tropfstein höhlen. Eine von ihnen, die Grotte des Grand Roc in Laugerie Basse  , bietet das seltene Naturwunder, daß hier die Kristalle nicht nur Stalak­titen und Stalagmiten bilden, sondern wie Blumen eine Art

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Russischen. Auf den Straßen und Boulevards, in der Stille der Museen und Bibliotheken, in dem lauten. erregten Ge­triebe der Cafes und Speisehäuser, überall begegnet man russischen Gesichtern, vernimmt man Feßen russischer Ge spräche. Die Gegend um den Boulevard Montparnasse und den Luxembourggarten wird am meisten von den Russen bevorzugt; es gibt hier Häuserblocks und Wohnviertel, in denen sie richtige Gemeinschaftskolonien bilden. Hier liegen auch ihre Speisehäuser und Trinkstuben, in denen sich ein gut Stüd alter Petersburger und Moskauer   Ueberlieferung zu Ende lebt; die bunten Jahrmarktsbilder an den Wänden ver­suchen einen allerdings gewaltsam aus der Pariser   Wirklich­feit herauszureißen, und die gedämpfte russische Volksmusik, die einem beim Eintritt entgegentönt, entstammt einem be scheidenen Grammophon aber der wasserhelle scharfe Wodka mit den obligatorischen Gabelbissen dazu, der würzige Bortsch und die köstlichen russischen Mehlspeisen sind spürbar echt. Man darf sich diese Stätten freilich nicht als Schauplätze iener uferlosen, nächtlichen Diskussionen und dionysischen Trinkgelage vorstellen, die auch heute dem Wesen des Russen naheliegen; es sind eher die Nebenräume fleiner verräucher­ter Cafes oder die Zimmer im sechsten Stock eines Wohn­hotels oder die kahlen Ateliers namenloser Künstler un Schriftsteller, wo die breite russische Natur so zum Durchbruch kommt. Aber weil es am nächsten Tage meist wieder in den ungeliebten Beruf geht, in die nie ganz heimische, nie ganz vertraute Wirklichkeit des Pariser Alltags, sind auch da alle Lebensäußerungen gedämpfter, weniger weitschwingend, im Tiefsten gehemmt; es fehlt der Hintergrund eines heilen völ= fischen Daseins, es fehlt der Hintergrund der russischen Heimat.

Die meisten russischen Emigranten leben eine merkwürdige Doppelegiſtenz; fie lassen sich mit der Wirklichkeit von Paris  nur soweit ein, wie sie sie in Beruf und Arbeit brauchen ihr eigentliches Leben aber spielt sich ganz im Kreise russischer Volksgenossen, russischer Freunde und Kollegen ab: am Feierabend. Sie leben in einem unwirklichen Rußland   und verneinen die fremde Wirklichkeit, die sie umgibt. Wenn man das sieht und erlebt, fallen einem die Auslandsdeutschen ein, aber das ergibt keinen richtigen Vergleich: denn die russischen Emigranten hängen nicht durch Siedlung mit dem Lande zu­sammen. das sie aufgenommen hat, und sie stehen zwiespältig oder ablehnend zu dem bolschewistischen Rußland, aus dem sie vertrieben wurden. Die alte Generation hat wenigstens eine starke und farbensatte Erinnerung an das frühere Ruß­land, sie lebt in der Vergangenheit, wenn sie schon nicht in der Gegenwart lebt. Die Jugend sucht sich ein Bild von neuen Rußland   zu machen und resigniert dabei innerlich oder hofft auf eine Entwicklung, die ihr eine Rückkehr ermöglicht. Und diese sehr vage, ungewisse Aussicht ist ihr einziger Wechsel auf eine völkische sinnvolle 3ufunft.

In der Gegenwart lebt sie inzwischen und arbeitet, sie denkt ihre eigenen Gedanken, sie dichtet, liest und philosophiert wie jede andere Jugend auch, aber es ist schmerzlich, ihr dabei zuzusehen. Man muß einen ihrer Dichterabende miterlebt haben. wo die jungen Lyriker im niedrigen Versammlungs­raum eines kleinen Cafes vortragen, wo junge Menschen mit Hingabe und Leidenschaft um geistige Probleme streiten, um abstandnehmend das innere Elend der russischen Emigranten zu begreifen: denn die Verse, die sie schreiben, die Gedanken, die sie denken, die Taten, die fie tun, hängen nur durch die Bande von Blut und Sprache mit der lebendigen Wirklichkeit Rußlands   zusammen, und sie haben keinen Einfluß auf die Dinge, die dort geschehen, finden keinen Widerhall bei den Menschen, die dort leben. Es ist das Elend derer, die wider Willen und ohne Zutun ihr Vaterland verloren.

vegetatives Leben zu führen scheinen. Ein Phänomen, über dessen Ursachen die Sachkenner sich heftig streiten.

Das prähistorische Museum, das in der Ruine des alten Schlosses in einem der gigantisch über dem Vésère- Flusse hängenden Felsen eingebaut ist, bietet eine einzigartige Uebersicht aller Epochen der Vorgeschichte an Hand von Funden, die vor allem durch den unermüdlichen Konservator D. Peyrony   im Gebiet von Les Eyzies ge­macht worden sind. Die riesige Statue eines Urmenschen, des ,, Cro- Magnon", in leuchtend gelbem Ton hockt wie ein Mammut aus menschlicher Vorzeit vor dem Eingang zu die­sem Museum, das das Leben vor 15 000 Jahren in sich birgt, auf der gleichen Erdscholle, auf der es steht.

Für den Gesamtinhalt verantwortlich: Johann Pis in Dud weiler; für Inserate: Otto Kuhn in Saarbrücken  . Rotationsdruck und Verlag: Verlag der Volksstimme GmbH., Saarbrüden 3, Schützenstraße 5. Schließfach 776 Saarbrücken.

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