Urrecht des Volkes Dollfuß  : Freiheit!"

Das Widerstandsrecht

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HAI  

Ehedem dachten auch die Klerikalen anders. Sie, die heute in Deutschland   nicht den Mut fin..n, im Geiste Jesu einzustehen für die Verfolgten, Erniedrigten. Die in Desterreich den Staatsstreich geschehen ließen, den Bürger­krieg heraufbeschworen. Wie konnten doch einst die Päpste Fürsten   und Völker aufrufen gegen nach ihrer Meinung kirchenräuberische Könige. Ein Gregor VII.  entband die Deutschen   von ihrem Eid gegen Heinrich IV.  Später, im 16. Jahrhundert, zur Zeit der französischen  Heinriche, haben katholische Theologen sogar den " Tyrannenmord" für erlaubt erklärt, und obwohl dies niemals kirchliche Doktrin war, so hat doch auch das " Haupt der Schule", der größte der mittelalterlichen Denker, Thomas v. Aquine, das Widerstandsrecht gegen gottlose Könige verteidigt.

Aber lassen wir die Katholiken. Das Papsttum selber hat genug zu verantworten an Verleugnung von Menschenrecht und Christenliebe. Halten wir uns an germanisches" Rechtsbewußtsein. Was steht denn im Tacitus, dem ältesten Schilderer der Deutschen  ? Reineswegs ist die Macht ihrer Könige un begrenzt und schrankenlos." So dachten die Deutschen   des ersten Jahrhunderts, zur selben Zeit als christliche Märtyrer für die Freiheit ihrer Ueberzeugungen ihr Leben hingaben. Wie war es später? Fürsten   und Stände ja gerade die Stände, die man heute dem un­bequemen Volk" gegenüber wieder ins Leben rufen möchte wetteiferten in eifersüchtiger Behauptung ihrer Libertäten", Freiheiten; die einen gegen Rönige und Kaiser, die andern gegen die fürstliche Gewalt überhaupt. Freilich nach unten und ganz unten, wo damals die Bauern standen, war man hart. Die Bauern erfuhrens vor und nach ihren Aufständen, in Frankreich  , England und Deutschland  . Jahrhunderte dauerte es, ehe die Frondienste fielen. Jahrhunderte, ehe auch der Bauer sich als gleich berechtigter Staatsbürger fühlen durfte.

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In der Neuzeit hat sich zunächst das Bürgertum aus eigener Bedrängnis zum Vorkämpfer der Menschenrechte und auch des Notrechts auf Abwehr ihrer Verleugnung gemacht. In den Kämpfen des englischen Volkes gegen die Willkürherrschaft der Stuarts   hat kein geringerer als Milton das Widerstandsrecht leidenschaftlich verteidigt Später ist Locke, der bedeutendste der englischen Auf­klärer, dafür eingetreten gegenüber absolutistischen Theo­rien. In Deutschland   haben sich Ende des 18. Jahr­hunderts Fichte und der Rechtslehrer Anselm v. Feuerbach ( dieser in einer seiner frühesten Schriften) dafür ausge sprochen. Auch im 19. Jahrhundert fehlte es nicht an Ver­teidigern. Später wird jenes Recht dann, mitsamt dem angeblich erledigten Naturrecht", ein Gegenstand rein historischer Neugier, gelehrter Abhandlungen, und selbst das nicht einmal oft. Im Elsterschen Handwörterbuch der Staatswissenschaften" findet man das Wort Wider­standsrecht nicht verzeichnet. Go sicher schienen Recht und Gesetz begründet in Europa  .

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Sosicher war die Demokratie ihrer selbst geworden, daß sie nicht oder nicht genug beachtefe, wie durch den vierjährigen Welt­krieg alle verjährten Gemaltinstinkte wieder geweckt und in der folgenden Wirt. fchaftskrise von demagogischer Seite neu angesta chelt wurden. Man konnte sich tatsächlich nicht denken, daß aus dem Volk heraufgestiegene Menschen, wie Hifler und Mussolini  , in der Weise mit den Volksrechten umgehen, wie wir es nun erlebten. Man überschäßte das Klassenbewußtsein. Man beachtete auch zu wenig, daß eine ganze Anzahl ähnlicher ,, Tyrannen" des Altertums auch der berühmte Dionys und viele der späteren den unteren" oder kleinbürger lichen Schichten entstammten und eben daher ihr sug gestives Handwerk so gut verstanden. Sie wurden zu Reisläufern und bald auch Feldhäuptlingen der Bourgeoisie und erwürgten dann die Freiheit und ihre blinden Bekenner, deren Gutmütigkeit die eigentlich alles verdankten. Wie jene dann erwachten, war es zu spät. Wenigstens fürs erste.

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Unsere neuen Napoleoniden deren keiner dem ersten Napoleon   auch nur übers Knie reichte, so sehr sie sich auch strecken können freilich ihres Lebens nicht recht froh werden. Von einer Emotion steuern sie in die andere. Paraden, Enthüllungen, Ansprachen, ein unausgesetzter und von Anhängern machgehaltener Kultus ihrer selbst. sollen nicht nur das Bolk, sondern auch das eigene böse Gewissen betäuben. Das ganze Volk soll womöglich zu Teilnehmern thres Seelenselbstmordes werden. Den leiblichen Tod oder die Einsperrung dem, der sich widersetzt.

Nun, Menschen widersetzen sich und werden sich wider. setzen. Nicht um ihrer Habe willen, nicht um äußeren Er­

Ein Erlebnis des österreichischen Bundeskanzlers

Von illegal arbeitenden österreichischen Sozialdemo­kraten erhalten wir folgende Meldung: Am 4. März hielt Bundeskanzler Dollfuß   in Villach   eine Rede, über die die gleichgeschaltete österreichische Presse berichtete, daß ein kleiner Zwischenfall vorgekommen sei.

Die Wirklichkeit ist wesentlich anders. Die Spannung unter der Menge hatte bereits ihren Höhepunkt erreicht, als Dollfuß das Podium bestieg, um seine Rede vom Stapel zu lassen. Als er feststellte, daß keine Vc>= erhebung so groß und mächtig sei wie die österreichische, brach unter den Zuhörern ein schallendes Gelächter aus. Freiheitsrufe und Verwünschungen gegen das öster­reichische Gewaltregime erklangen. Ein Höllenlärm ent= stand! Der Volkskanzler" schwieg und die Organisatoren der Veranstaltung liefen verlegen hin und her. Nach einiger Zeit bekam Dollfuß   eine glänzende Jdee": Seine Sturmscharen, die rund um das Podium postiert waren, unternahmen auf seinen Befehl einen Angriff mit dem gefällten Bajonett auf die Zuhörer: massen Auch die Polizei mußte eingreifen, um die Ordnung wieder herzustellen. Als die Aktion beendet war, hatten drei Viertel der Zuhörer bereits das Terrain

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Carl von Ossictzky

Beide in Lebensgefahr

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verlassen. Die Rede wurde später auf Grammofons platten im Radio übertragen. Da man aber die Beifalls. kundgebungen  " nicht gut übertragen konnte, unterbrach die Platte die Rede Dollfußs, um mit der Bemerkung fortzufahren: Jm Verlauf seiner Rede führte Bundes kanzler Dollfuß weiter aus....".

Massenverhaftungen

Die Hälfte der Männer von Bruck  ...

Steyr, 14. März.( Inpreß.) In der kleinen steyrischen Stadt Bruck   an der Mur   ist, wie wir bereits meldeten, die Hälfte der männlichen Bevölkerung verhaftet. 400 Personen find in einem Kinosaal eingeschlossen. Sie schlafen auf Strohsäcken. Heimwehren mit aufgepflanztem Seitengewehr stellen die Wachen. Ein Maschinengewehr, plaziert auf der Bühne, ist auf die Häftlinge gerichtet.

Die Gefangenen dürfen den Raum täglich nur für einen 10 Minuten währenden Spaziergang verlassen. Ihre An­gehörigen haben das Recht, sie durch die Gitter zu betrachten. 250 weitere Gefangene sind in der städtischen Schule unter­gebracht.

Erich Mühsam  

Carl von Offießti, als Pazifist und begabter radi­faler Schriftsteller den Nazis seit langem verhaßt, gehört zu denjenigen, die als Opfer der provokatorischen Brand­stiftung im Reichstag durch die Nationalsozialisten verhaftet stärksten Arbeiter überstehen nicht ohne schwere Schädigung ihrer Gesundheit den Aufenthalt in diesen neudeutschen Er­ziehungsanstalten". Mit noch größerer Wucht lastet der mili­tärische Drill, die unbarmherzige Antreiberei in einem solchen Lager auf dem intellektuellen Schriftleiter Carl von Ossiezki. Lager auf dem intellektuellen Schriftleiter Carl von Offieszki. Sein Schicksal ist um so tragischer, als er bereits Ende des Jahres 1981 wegen angeblichen Verrats militärischer Ge= heimnisse für einen Artikel, den er nicht einmal geschrieben hatte, zu eineinhalb Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Der Verfasser floh vor der drohenden Strafe ins Ausland, Offiezki, tapfer und aufrecht für seine Gesinnung einstehend, stellte sich dem Gericht und verbüßte fast die ganze Strafe.

Die wenigen Menschen, die Gelegenheit hatten, Ossieszki jetzt zu sprechen, schildern ihn als einen gebrochenen Menschen, der am Rande seiner Kräfte ist. Das Internatio­nale Befreiungsfomitee für Thälmann und alle ein­geferferten Antifaschisten appelliert insbesondere an alle

Schriftsteller- Organisationen der Welt, sich Earl von

Offießtis anzunehmen und nicht zu dulden, daß er, wie so viele andere, seinen Leiden im Konzentrationslager erliegt. Allein eine wuchtige Protestbewegung ist imstande, das Leben dieses aufrichtigen Mannes zu retten.

Mit zu den ersten Verhafteten in den Märztagen nach Hitlers   Regierungsantritt gehört der den Nationalsozialisten mie so viele andere tödlich verhaßte anarchistische Schrift steller Erich Mühsam.  

folges willen. Was hatten die österreichischen Arbeiter zu hoffen, als sie sich den bürgerlichen und aristokratischen Nachahmern Hitler   und seines Vorbildes Mussolini   wider setten? Nichts, recht gesehen. Sie tatens um der eigenen Ehre und der Ehre der Menschheit und um des Volkes willen, ihm ein Beispiel zu geben. Die Hoffnung, es mit fortzureißen, konnte nur schwach sein, wenn sie überhaupt vorhanden war. Ruhm ihnen, dauernden Ruhm, daß sie als die ersten in Europa   aufstanden wider die faschistische Tyrannei, das Urrecht des Menschen auf Gerechtigkeit ver fochten mit ihrem Leben. Denn das ist ein Unrecht, wie es ein Unrecht des Volkes ist, sich in freier Verfassung äußern zu dürfen. Was in Jahrhunderten erkämpft wurde, mag wohl in einem Rückfall in Barbarei eine Weile ver loren gehen, aber nur um gestärkt und geläutert wieder heraufzutauchen.

Unsere Napoleoniden wissen auch das und eben des halb beteuern sie die eigene epochale Bedeutung. Jawohl, ihr macht Epoche in der Unmenschlichkeit und eine Weile ists euch vergönnt, zu schelten, damit einmal offenbar werde, wer Mensch sei und wer nicht. Euer Urteil nicht nur vor dem Stuhl der Geschichte, nein, ich sage das mit allem Nachdruck: vor Gottes Stuhl, dessen Namen ihr ebenso mißbraucht wie den heiligen Namen Volk", ist längst gesprochen. Es kann nicht sein, daß in der Welt Es Lüge, Meineid und Gewalt das letzte Wort behalten. Es wird euch auch nicht gelingen, die zu Verbrechern umzu­

Für seine Beteiligung an der Münchener Räterepublik  wurde er 1919 von dem bayerischen Sondergericht zu einer zehnjährigen Festungshaft verurteilt, von denen er sieben Jahre verbüßte. Er verließ die Festung als Schwerkranker. Herz und Ohren waren durch die harten Bedingungen der Haft aufs schwerste angegriffen. Doch die Behandlung, der Mühsam jetzt im Konzentrationslager ausgesetzt ist, über­trifft alle Härten seiner damaligen Haft. Man riß ihm seinen Bart aus, schnitt in sein dichtes Haar ein Hafenkreuz, ver­suchte unter Gummiknüppel- und Peitschenschlägen Mühsam zum Absingen nationaler Rieder" zu bewegen. Als Begrün­dung für diese barbarische Behandlung wurde angegeben, Mühsam   sei einer der Verantwortlichen für den sogenannten Geiselmord, den die Münchener   Räterepublik an An­

gehörigen des deutschen   Adels begangen haben soll. Tat­sache war, daß Mühsam   sich bereits zur Zeit dieser Tat in Haft befand. Ein Jahr hat genügt, um aus dem Schwer­franfen einen Sterbenden zu machen. Infolge der ununter­brochenen Mißhandlungen und der völligen Entblößung ärztlicher Hilfe ist Mühsam völlig ertaubt. Nach den letzten Meldungen soll Mühsam nach einer neuen Prügelszene, während der er wiederum gezwungen werden sollte, natio=

nalsozialistische Lieder zu fingen, einen so schweren Nerven­

schock erlitten haben, daß seine Freunde, die die brutale Szene miterlebten, der Meinung sind, Mühsam sei durch Prügel zum Wahnsinn getrieben worden. Es ist ein Gebot tiefster Menschlichkeit, für die sofortige Freilassung Mühsams einzutreten und das Internationale Befreiungskomitee für Thälmann bittet alle Organisationen und Intellektuellen mit ihm dafür zu fämpfen, den Qualen Mühsams durch sofortige Freilassung ein Ende zu bereiten.

fälschen im Andenken der Menschheit, die wider eure Proklamationen des Unrechts zu den Waffen griffen. Zum letzten, was dem freien Mann, bleibt, gerade nach ger­Desterreichs Arbeiter manischem" Rechtsbewußtsein.

haben weit mehr verteidigt als Marg und seine auf­wühlende Lehre, sie haben Schiller   und Herder, ja alles verteidigt, was je in Deutschland   von Menschenwürde und Menschenrecht sang und sprach.

Wird Europa   dies Opfer verstehen? Vielleicht fürs erste nicht. Sein Bürgertum ist in der kapitalistischen   Epoche zum großen Teil den eigenen Jdealen untreu geworden. Der Bauer schaut ohnehin nur schwer über die eigene Scholle und ihre Sorgen hinaus ins Weite. Der Wille zu menschheitlicher Erneuerung lebt heute überwiegend in den Arbeitern. Auch er läßt sich nicht dauernd ver­fälschen, rückbilden ins Nationale", nein: Tierische. Desterreichs kämpfende, kämpfend unterlegene Arbeiter sind für Menschentum aufgestanden, und ein Aufleuchten geht durch viele Augen, auch über ihre Klassengenossen hinaus. Einst, wenn die Völker sich in Wien  , als Europas  natürlicher Hauptstadt, versammeln werden, wird man ihres Heroismus noch anders denken als heute. Nun aber scheint es mir Pflicht an alle, die sich noch einiger Freiheit und Auskömmlichkeit erfreuen können, die nicht im Stich zu lassen, die sie im Lande des Terrors und der Beraubung zurücklassen mußten. Denkt der Opfer, der toten, denkt mehr noch der lebenden. Vindex.

Zum 100. Geburtstag des Autopioniers Gottlieb Daimler  

Das erste Motorrad, das Gottlieb Daimler schuf Ebenso wie mit seinen Automobilkonstruktionen hat er damit eine Industrie ins Leben gerufen, die heute sich über fast alle Länder der Welt erstreckt und viele Hunderttausende von Arbeitern beschäftigt.

Originalbild von der Weltrekordfahrt des Engländers Eyston

Ein sausender Schatten das ist der Stromlinienwagen des Engländers Eyston auf de. Montlhery- Bahn beim Paris  . Enston stellte hintereinander vier neue Weltreforde, und zwar über 1000 Kilometer, über 2000 Kilometer sowie über 12 und 48 Stunden auf.,