Göbbels   Propagandarezepte

Die Enthüllungen des ,, Petit Parisien" in vollem Umfange bestätigt- Ein lehrreiches halbes Jahr

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Der Petit Parisien" hat die beiden Dokumente, die er auszugsweise am 16., 17. und 22. November 1933 veröffent­lichte, nun im vollen Wortlaut sowohl den deutschen  Originaltext wie die französische   Uebersetzung in Form einer kleinen Broschüre veröffentlicht. Die bisher unbekann­ten Stellen, die sich vor allem mit den außerdeutschen Telegrafenagenturen befassen, würden die Echtheit, wenn es heute noch notwendig wäre, über jeden Zweifel erheben. Der Herausgeber des großen Pariser Blattes, Albert Jullien,

Als Endziel der nationalsozialistischen Außenpolitik hat zu gelten: die Wiedererlangung aller Gebietsteile rund um Deutschland  , in denen eine deutsche Minderheit besteht."

Schutzhaft als

enthült" herdies in der Einleitung einige interessante Einzel. Sie bleibt bestehen

heiten, die auch solche Leute aufklären werden, die nicht imstande sind, den Charakter der Dokumente zu beurteilen. Er schreibt:

..Aus dem Inhalt der Dokumente selbst, die in dieser Broschüre reinigt sind, geht hervor, daß das von Dr. Göbbels   geleitete Amt seit dem Monat April 1933 den verschiedenen diplomatischen deutschen Vertretungen im Ausland Richtlinien für die Propaganda gesandt hat. Es waren jedoch nur unvollständige Anleitungen. Diejenigen, die wir ve. ffentlicht haben und deren vollständigen Text wir nun wiedergeben, sind bestimmt rewesen. jene zu vervollständigen, wie ausdrücklich am Schluß des ersten Dokuments behauptet wird. Es handelt sich also im ganzen um die ersten Anweisungen, die von dem Reichsministe­ rium für Volksaufklärung und Propaganda   ausgearbeitet wurden.

Das erklärt ihren außerordentlich ausführlichen Charakter, die Bestimmungen über die Art und Weise ihrer Be­förderung- nämlich ausschließlich durch die Schiffe der deutschen Schiffahrtsgesellschaften, die Empfehlungen, sich des Telegrafen so wenig wie möglich zu bedienen, niemals die Funkstationen zu benugen, die zu leicht ab­gehört werden können, die Kabeltelegramme nach dem Code C. B. zu chiffrieren und endlich der Befehl an die südamerikanischen Agenten( die Propaganda ist in Brasi­ lien   und Argentinien   hesonders intensiv), ihre Berichte nach Montevideo. der Hauptstadt Uruguais zu befördern, um nicht die Aufmerksamkeit der argentinischen oder brasilianischen Behörden zu erregen. Dieser Aufwand an Vorsichtsmaßregeln hat nicht verhin dert, daß die wichtigsten Schriftstücke, die in dieser Bro­schüre vereinigt sind, sich verirrt haben und in andere Hände gefallen sind. Man kann sich dazu nicht genug beglückwünschen. Sie liefern ebenso aufklärende wie kost­bare Einzelheiten über die Grundsäge und die Methoden der deutschen Propaganda, über die Bemühungen, Miß­trauen zwischen den Völkern zu säen, indem sie sogar zu falschen Nachrichten greift, über die besondere Rolle, die in dieser Hinsicht den diplomatischen Vertretern des Reichs im Ausland zufällt und endlich über das wesentliche Ziel dieser Propaganda, das heißt, über die wahren Ab­sichten der Außenpolitik Hitlers  .

Unbeschadet der pazifistischen Proteste, über die eine der wichtigsten Persönlichkeiten, die sie erhoben haben ( Göbbels  ), hier selbst offen erklärt, was sie wert sind, sucht Hitler- Deutschland mit allen Mitteln die Ordnung zu zerstören, welche die Friedensverträge begründet haben. Es bemüht sich, ebenfalls mit allen Mitteln, sich in diesem Kampfe die Zustimmung und die Unterstügung der Welt­meinung zu sichern, indem es versucht, Frankreich   für den Fall einer späteren Revanche zu isolieren. Es stellt seine Militärmacht wieder her, und seine Ansprüche wachsen und werden wachsen genau in dem Maße der Aufrüstung. Soll man sich darüber aufregen oder, wie einige, sich damit beruhigen, daß die angewendeten, Methoden nur rein diplomatischer Natur sind? Es handelt sich nicht darum. Vielmehr kommt es für unser Land, das in Gefahr ist, das Opfer zu werden, darauf an, die Methoden dieses tra­gischen Spieles festzunageln, zu enthüllen, um sich nicht fangen zu lassen, und zu verhindern, daß die anderen Länder getäuscht werden."

Wird die Welt daraus lernen?

Es ist heute von besonderem Reiz, in den mehr als ein halbes Jahr alten Dokumenten zu blättern, die durch die in vischen ingetretenen Ereignisse seltsam illustriert wer­den. Nehmen wir zum Beispiel die Stellen, die sich im all­gemeinen Teil auf Polen  , Frankreich   und England beziehen. ,, Polen   gegenüber," heißt es hat die nationalsozialistische Regierung Deutschlands   vorerst eine versöhnlichere Hal­tung eingenommen und zwar deshalb, weil nach dieser Richtung besondere Bemühungen im Gange sind, eine Erfüllung der deutschen Forderungen auf eine andere Weise zu erreichen. Selbstverständlich sind diese Forde­rungen in keiner Weise aufgegeben worden, ebenso wenig wie die Forderung nach Rückgabe mindestens eines Teiles der deutschen Kolonien in Uebersee  ."

Ueber Frankreich   und England wird ge­sagt: ,, Die außenpolitische Lage Deutschlands   ist gegen­wärtig derjenigen in den Jahren 1910 bis 1913 ähnlich. Der unversöhnliche Gegner Deutschlands  , und zwar sowohl des demokratischen" wie des nationalsozialistischen Deutschland  , ist Frankreich  ...

Richtig ist aber, daß England als der stärkste und gefähr lichste Partner Frankreichs   zu gelten hat, weshalb sich auch alle außenpolitischen Bemühungen der Reichsregie­rung darauf richten, das Verhältnis zwischen diesen beiden Ländern zu stören...

Es soll nichts unterlassen bleiben, um eine Revision des Versailler Diktats auf dem Verhandlungswege zu er­reichen. Es darf aber auch nichts unterlassen werden, was sich auf die Möglichkeit bezieht, daß Deutschland   ge­zwungen sein könnte, sich seine Rechte auf andere Weise zu nehmen.

Die Forderungen Deutschlands   im Sinne einer Revision des Versailler Vertrags sind bekannt. Es soll jedoch hier kurz bemerkt werden, daß im Vordergrund dieser Forde­rungen jetzt die Rückgabe des Saargebiets steht, weshalb die unveräußerlichen deutschen Ansprüche auf Elsaß­Lothringen jetzt nicht so betont werden sollen, wie dies n sich dem Wunsch und der Stimmung des deutschen   Volkes entsprechen würde...

Der preußische Ministerpräsident hat eine neue Regelung der Schutzhaftbestimmungen in Preußen angeordnet, die in gewissen Teilen der deutschen   Presse eine frische Beigeiste­rung für den nationalsozialistischen Ordnungsstaat hervor­gerufen hat. Rudolf Kircher   von der ,, Frankfurter Zeitung  " bot die Nachricht wegen ihrer ,, sehr bedeutungsvollen Ten­denz" seinen Lesern in besonderer Aufmachung dar. Die ,, aus schaffene Einrichtung" sei zwar nicht ,, völlig beseitigt, wohl den Bedürfnissen einer revolutionären Umwälzung ge­aber in einem entscheidenden Punkt umgestalten oder durch Wiederaufrichtung früherer Rechtsschranken eingeengt worden". Die Rheinisch- Westfälische Zeitung" sieht in der Verordnung geradezu eine schlagende Widerlegung der Greuelmärchen. In Deutschland   sei im vergangenen Jahr ,, in keinem Augenblick Gesets und Ordnung suspendiert ge. wesen". Daher könne ,, der neue Staat ein milderes Ver­fahren gegen jene Isolierten" anwenden. Willkür wird fortgesetzt

Die Schutzhaft ist im dritten Reich" das Strafmittel dez Verwaltungsbehörden geworden. Sie wird ohne Urteil und auf unbestimmte Zeit verhängt; eine Berufung gegen sie gibt es nicht. Die neuen einschränkenden Bestimmungen, die nur für Preußen gelten, heben die grundsätzliche Zulässig­keit dieser grausamen Verwaltungsstrafe nicht auf. Sie wird nur der Kontrolle des Ministerpräsidenten unterworfen. Trotzdem ist anzuerkennen, daß nunmehr der Willkür ge­wisse Schranken gezogen werden. Die Herren der bürger­lichen Presse haben wirklich einigen Grund, sich über die Stärkung der staatlichen Ordnung zu freuen. In den neuen Bestimmungen zeigt sich die Tendenz, die Selbständigkeit der unteren Partei- und Staatsorgane einzuschränken. Diese Entwicklung wird zweifellos noch Fortschritte machen.

Aber die bequeme Einrichtung der Schuthaft bleibt er­halten. Die durch die Verfassung gewährleistete Freiheit der Person und der Wohnung wird nicht wiederhergestellt. Die höheren Verwaltungsstellen sind nach wie vor in der Lage,

dodo

MB

AUWI

Als diese Aeußerungen vor einem halben Jahr durch die Veröffentlichungen des Petit Parisien" bekannt wurden, erschienen sie weiten Kreisen unglaubhaft. Insbesondere reicht die Phantasie einiger verfetteter Politiker nicht aus. um sich ein solches Maß an brutaler Berechnung, Energie und

Zielstrebigkeit vorzustellen. Solche Eigenschaften pflegten sind aber Ereignisse eingetreten, die geradezu die Probe

sie nur im Reiche der Romandichtung zu suchen. Inzwischen

aufs Exempel liefern. Und es ist daher anzunehmen, daß nunmehr die ganze Welt an die Kunst des Dr. Göbbels   und an die unbeugsame Energie Adolf Hitlers   glaubt. Ob sie sich auch belehren läßt, ist allerdings eine offene Frage.

,, Erzieherin"

eine miẞliebige Persönlichkeit, die gegen das bestehende Recht in keiner Weise verstoßen hat, auf unabsehbare Zeit in einem Gefängnis oder Konzentrationslager verschwinden zu lassen. Damit ist in Deutschland   ein Zustand geschaffen, wie er in Frankreich   vor der großen Revolution geherrscht hat, als der König seine Untertanen durch ,, lettres de cachet" in die Bastille   werfen lassen konnte.

Die unbegrenzte Macht der Diktatur ist mit der Würde eines freien Bürgers nicht vereinbar. Aber es fehlt nicht an gelehrten Sklaven, die eine Einrichtung loben, die ihrer eigenen Natur allerdings recht angemessen ist. Nicht nur gegen aktive Staatsfeinde, meinte z. B. Dr. Werner Spohr in der Deutschen Justiz", sei die Verhängung der Schutz­haft angebracht, sondern z. B. auch aus erzieherischen Gründen gegen Kritiker der nationalsozialistischen Be­wegung, gegen Miesmacher und andere. Auch die ,, Frank­ furter Zeitung  " stellt fest, daß die Schutzhaft ,, sowohl Vor­beugungs- wie auch Erziehungsmittel" sei.

Göring   im Hintergrunde

Wir glauben nicht fehlzugehen, wenn wir aus der Tatsache, daß der preußische Ministerpräsident sich persönlich dieses ausgezeichnete Machtmittel vorbehält, auf einen akuten An­laß schließen. In der letzten Zeit sind immer häufiger ,, un­soziale Arbeitgeber" in Schutzhaft genommen und in ein Konzentrationslager überführt worden. Die niederen, sozia­listisch eingestellten Organe der Partei fanden offenbar ein zu großes Wohlgefallen an der Beseitigung mißliebiger Unter­nehmer. General Göring   soll aber für die proletarischen Stimmungen wenig Sympathien besitzen, dagegen sehr freund­liche Beziehungen zu schwerindustriellen Kreisen unter­halten. Es wäre auch unwahrscheinlich, daß sein plöglich er­wachendes Rechtsgefühl ihn zur Beseitigung der schreiendsten Mißstände veranlaßt hätte. Viel näher liegt es, anzunehmen, daß er den unteren Parteiinstanzen eine gefährliche Waffe gegen das Unternehmertum aus der Hand nehmen wollte.

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Unser Führer ist bekanntlich ein großer Hundeliebhaber Darum lernen die Hohenzollernprinzen jetzt bellen.

SH