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Deutsche Stimmen Beilage zur Deutsɗfien Freiheit" Ereignisse und Geschichten
Donnerstag, den 22. März 1934
Heine, der Emigrant
ver
Heine- Denkmäler waren im Kaiserreich pönt, in der Republik erlaubt, im ,, dritten Reich" mußten sie wieder entfernt werden. Aus wohlerwogenen Gründen wie jeder zugeben wird, der sich die folgenden marxistischen Schmähungen" ins Gedächtnis zurückruft:
' Aus der Vorrede zu Atta Troll :
Die Verhaftsbefehle, die von der deutschen Grenze al auf jeder Station die Heimkehr des Dichters mit Sehnsucht erwarten, werden gehörig renoviert jedes Jahr, um die heilige Weihnachtszeit, wenn an den Christbäumen die gemütlichen Lämpchen funkeln. Wegen solcher Unsicherheit der Wege wird mir das Reisen in den deutschen Gauen schier verleidet, ich feiere deshalb mein Weihnachten in der Fremde, und werde auch in der Fremde, im Exil, meine Tage beschließen. Die wackeren Kämpen für Licht und Wahrheit, die mich der Wankelmütigkeit und des Knechtsinns beschuldigten, gehen unterdessen im Vaterlande sehr sicher umher, als wohlbestallte Staatsdiener, oder als Würdenträger einer Gilde, oder als Stammgäste eines Klubs, wo sie sich des Abends patriotisch erquicken am Rebensafte des Vater Rhein und an meerumschlungenen schleswig - holsteinischen Austern.
Damals blühte die sogenannte politische Dichtkunst. Die Musen bekamen die strengste Weisung, sich hinfüro nicht mehr müßig und leichtfertig umherzutreiben, sondern in vaterländische Dienste zu treten, etwa als Marketenderinnen der Freiheit oder als Wäscherinnen der christlich germani
schen Nationalität. Es erhub sich im deutschen Bardenhain ganz besonders jenes vage, unfruchtbare Pathos, jener nutzlose Enthusiasmusdunst, der sich mit Todesverachtung in einen Ozean von Allgemeinheiten stürzte... Das Talent war damals eine sehr mißliche Begabung, denn es brachte in Verdacht der Charakterlosigkeit.
Dort in meiner teuren Heimat
ist das Lumpentum im Fortschritt,
und es machen gar zu viele
Anspruch auf den schmutz'gen Lorbeer.
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Beruhigt euch, ich liebe das Vaterland ebensosehr, wie ihr. Wegen dieser Liebe habe ich dreizehn Lebensjahre im Exil verlebt, und wegen eben dieser Liebe gehe ich wieder zurück ins Exil, vielleicht für immer, jedenfalls ohne zu flennen oder eine schiefmäulige Duldergrimmasse zu schnei
den.
Aus: Deutschland ( Ein Traum).
Schau ich jetzt von meinem Berge in das deutsche Land hinab, seh' ich nur ein Völklein Zwerge, kriechend auf der Riesen Grab.
Muttersöhnchen gehn in Seide, nennen sich des Volkes Kern, Schurken tragen Ehrengeschmeide, Söldner brüsten sich als Herrn.
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' An eines Idols verschüttetem, traurigem Grabe steht Schmitt, Herrn Hugenbergs Volksausgabe. Er lächelt ein wenig, perfid und heiter Da können Millionen hilflos verrecken
in Dachkammern, Hinterhöfen und Kellerecken- Die leben weiter.. Allez hopp!
Die schwingen die Peitsche, die halten den Zirkus in Gang. Und mancher ist Clown und Gepeitschter sein Leben lang und merkt es nicht
Da können Millionen hilflos verrecken
in Dachkammern, Hinterhöfen und Kellerecken
Die Peitsche zischt:
Allez hopp!
Die zahlen die Uniform und das ganze Getriebe. Und tanzt der Clown nicht, so sett es goldene Hiebe der Clown im Fürstenpalais
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Da können Millionen hilflos verrecken
in Dachkammern, Hinterhöfen und Kellerecken Doch die sind zäh... Allez hopp!
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Ich würde lieber bei dem ärmsten Franzosen um eine Kruste Brot betteln, als daß ich Dienst nehmen möchte bei jenen vornehmen Gaunern im deutschen Vaterlande, die jede Mäßigung der Kraft für Feigheit halten oder gar für präludierenden Uebergang zum Servilismus und die unsre beste Tugend, den Glauben an die ehrliche Gesinnung des Gegners, für plebejische Erbdummheit ansehen. Ich werde mich nie schämen, betrogen worden zu sein von jenen, die uns so schöne Hoffnungen ins Herz lächelten: wie alles aufs fried- Allez hopp! lichste zugestanden werden sollte, wie wir hübsch gemäßigt bleiben müßten, damit die Zugeständnisse nicht erzwungen Hauptstadt der Kunst?
Die Hunde laufen, die Menschen, das Spiel geht im Kreise. Die Zirkusmusik spielt die alte, bekannte Weise von Ruhe und Ordnung und: Profit! Da werden Millionen Suppen dünner und trüber da gehen Millionen verzweifelte Augen über und auf, Herr Schmitt... Aber dann: Herr Schmitt,
und dadurch ungedeihlich würden, wie sie wohl selbst einsähen, daß man die Freiheit uns nicht ohne Gefahr länger vorenthalten könne..." Ja, wir sind wieder Düpés geworden, und wir müssen eingestehen, daß die Lüge wieder einen großen Triumph erfochten und neue Lorbeeren eingeerntet hat...
Armes, unglückliches Vaterland! Welche Schande steht dir bevor, wenn du sie erträgst, diese Schmach! Welche Schmerzen, wenn du sie nicht erträgst! Nie ist ein Volk von seinen Machthabern grausamer verhöhnt worden!
Schiller, von Feindmächten gefällt
Zum 175. Geburtsjahr Friedrich Schillers kündigt das unbezahlbare Börsenblatt für den deutschen Buchhandel" folgende Neuerscheinung an:
,, Schulze- Berghofs„ ,, Schiller , der Geopferte" bringt uns endlich schlechthin den Schiller- Roman für jung und alt, Suchende und Wissende, Familie und Volk, der uns fehlte und den wir brauchen in unseren Tagen des völkischen Aufbruchs und der nationalen Wiedergeburt.
Aus dem geistigen Siegfried- Idyll von Schillers Liebe zu seiner Lolo und seinem sonnigen Familienglück hebt sich die menschliche Tragödie....
Was uns der Dichter hier im Gegensatz zu einer fragwürdigen, weltblinden und politisch betörten Literaturhistorik zu künden weiß, das klingt anfangs unglaublich... Aber mit der Wucht der Tatsachen und der künstlerisch zwingenden Form seiner Erzählung reißt uns der Dichter im tiefsten ergreifenden Erleben der Freundestragödie Schillers und Goethes auf dem politisch dunklen Welthintergrund des illuminatischen Geheimbündlertums unwiderstehlich mit sich...
Schiller, der Führer- Dichter eines ringenden Geschlechtes, der heldische Lebenskämpfer und nationale Schicksalsträger im Kampfe für Ideal und Freiheit des deutschen
Menschen, fiel wie Siegfried, der mythische Lichtheld, und Hermann, der Befreier Deutschlands , allzufrüh gefällt für Volk und Nation durch dunkle Albengeister und politische Feindmächte, als Opfer vor dem Altar des Vaterlandes für den Tag des Deutschen in dessen Morgenrot wir jetzt stehen."
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Der pathetische Schmus der völkischen Aufbrecher und nationalen Hebammen( was stellt sich der Trottel unter geistigem Siegfriedidyll" mit Lolo vor?) hat folgenden politisch dunklen Hintergrund: Einige Naziliteraten haben, Blutmythos mit Kriminalroman, die Protokolle der Weisen von Zion mit Karl May verknüpfend, die gruselige Geschichte aufgebracht, daß Schiller von den Freimaurern vergiftet ja, das weiß man nicht genau. Goethe wurde, weil
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hat sich an diesem Giftmord beteiligt und Schillers Wohnung mit den giftgrünen Tapeten ausgestattet, aus denen ,, die dunklen Albengeister und politischen Feindmächte" hervorquollen und den Dramatiker töteten.
Dieser idiotische Detektivroman soll offenbar die deutschen Fürsten und die deutsche Bourgeoisie, die den größten deutschen Dramatiker verhungern ließen, entlasten und den Dichter der Freiheit in einen Vorläufer der Göring , Göbbels und Röhm verwandeln. Und diese Mischung von Schwachsinn, Tücke und Hintertreppenromantik wird heute als deutsche Geistigkeit offeriert!
,, Man müßte ein Buch schreiben"
Zu den führenden nationalsozialistischen Kulturpolitikern gehört der Frankfurter Professor und Universitätsrektor Eduard Krie ck. Er hat soeben einen Ruf an die Heidel berger Universität erhalten und angenommen- ein Ereignis, das die badische nationalsozialistische Presse hymnen auf den außerordentlichen Mann und Gesinnungsfreund anregt.
zu Lobes
Aber eben dieser Eduard Krieck schreibt in Nr. 5 der von ihm herausgegebenen Zeitschrift Volk im Werden" folgendes:
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,, Man müßte schon ein Buch schreiben, um den Unsinn, der heute allenthalben im Namen der Kultur geschieht, auch nur anzuführen. Ueber den Gleichschaltungsrummel ist überall da kein Wort mehr zu verlieren, wo er vor aller Augen schon ins Chaos getrieben ist. Hier kann man nur noch den Schutt wegräumen.
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Dann der Totentanz des Bildungswahns! Man nehme einmal irgend eine größere oder kleine Stadt. Die Stadtverwaltung, die großen Verbände zwanzig an der Zahl reicht die Theater, die mancherlei Konzertin der Regel nicht! unternehmungen, der Rundfunk, die Museen und Kunstausstellungen, die Berufsorganisationen aller Art, die Bildungsvereine und Volksbildungsveranstaltungen haben ihre Winterprogramme aufgebaut, als sei jeder von ihnen allein auf der Welt, als sei jeder von ihnen der Nabel der Welt, als hinge an jedem von ihnen das Heil der deutschen Zukunft. Welche Erlösung für das deutsche Volk, wenn die meisten der Vereinsmeiereien samt ihren Kulturfimmel und Bildungs
wahn sich in Nichts verziehen wollten! Aber man baut Unternehmen, Bildungskurs neben Bildungskurs, Veranstaltung neben Veranstaltung. Vortrag neben Vortrag ein wahres Füllhorn von Kultur und Bildung. Dahinter stehen alle die kleinen Gernegroße und großen Wichtigmacher, deren Ziel doch nur ist, möglichst viele Volksgenossen unter ihren Oberbefehl zu stellen und ihnen die Zeit abzustehlen. Da sie nichts anderes zu bieten haben, setzen sie ihre Lunge in Bewegung gegen den dreimal verfluchten Liberalismus.
Aber sie da: die Anmeldungen tröpfeln verzweifelt daher und die Säle gähnen vor Leere, auch wenn die sogenannten Führer darüber toben. Dann kommen die diktatorischen Befehle, die schrecklichen Androhungen und die kleinen Schikanen. Vielleicht füllen sich daraufhin einmal, zweimal die Häuser, wenn die großen Kanonen der Bildung aufmarschieren. Dann gehen die Leute heim, bleiben das nächste Mal fort und scheren sich den Teufel um die Papierwische. In jedem Haushalt ist der Papierkorb zum unentbehrlichen Ausrüstungsgegenstand geworden."
,, Laßt ab vom babylonischen Kulturumbau, dem doch nur Sprachverwirrung und Einsturz vorbestimmt ist", mahnt Herr Krieck . Ach, dieser Einsturz ist nicht abzuwenden, denn die ,, babylonische Sprachenverwirrung" auf dem Gebiete der
Es war einmal:
In einer Münchener Rede hat Adolf Hitler pathetisch deklamiert:
Die Hauptstadt der Kunst und unserer Bewegung ist München und wird München bleiben.
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Hauptstadt der nationalsozialistischen Bewegung das kann Hitler kommandieren, aber Hauptstadt der Kunst?- Ja, dann vielleicht, wenn Hitlers Dekorationsgewerbe ausreichen würde, um Werke, denen ebenbürtig, hervorzuzaubern, die in der Pinakothek und in der Schack- Gallerie hängen! Aber wo es zum Stubenraphael reicht, da reicht es noch lange nicht zum Raphael der Sixthinischen Madonna!
Münchens Stellung als Hauptstadt der Kunst wurde schon durch die Reaktion von 1919-20, durch die Periode KahrEpp, stark erschüttert, das Hitlerregiment hat ihre letten Grundlagen beseitigt. Was die Künstler nach München zog, war in erster Linie die bayrische Toleranz, die das Treiben des Völkleins vom Schwabing ( Künstlerviertel Münchens ) zwar nicht immer mit Verständnis, aber sicher mit nachsichtigem ,, Humor" betrachtete. Dazu gesellte sich die bayrische Opposition gegen das kommißstieflige und raunzende Preußentum, die Blättern wie dem alten, unnachahmlichen ,, Simplizissimus" und der Jugend" ein Asyl gegen polizeiliche und gerichtliche Verfolgungen gewährte.
Je mehr aber München Hauptstadt der nationalsozialistischen Bewegung wird, desto mehr breitet sich die Atmosphäre der Intoleranz und des Kasernenhofes auch über Isar- Athen aus. Der größte Teil der Münchener Künstler von Ruf lebt heute schon im Exil, was heute noch an Kunst mühsam am Isargestade sein Leben fristet, wi. I bald von SA.- Stiefeln zertreten und unter der Gasmaske erstickt sein!
Ein Preisausschreiben
,, Die Sammlung", die bekannte literarische Monatsschrift unter dem Patronat von Andre Gide , Aldous Huxley , Hein rich Mann , herausgegeben von Klaus Mann , veranstaltet ein Preisausschreiben für die beste literarische Novelle. Die Novolle muß in deutscher Sprache geschrieben sein und eine Länge von 25 bis 40 Maschinenseiten( oder 8000 bis 13 000 Worten) haben. Einsendungen können vom 1. März bis zum 15. Mai 1934 an den Querido- Verlag, Amsterdam , Keizersgracht 333, erfolgen, und zwar anonym, unter Angabe einer Deckadresse, an die das Manuskript in der zweiten Junihälfte zurückzusenden ist. Wir bitten auf dem Briefumschlag das Wort„ Preisausschreiben" zu vermerken und Rückporto in Form von internationalen Postscheinen beizulegen.
Das Preisrichterkollegium setzt sich zusammen aus: Hein rich Mann , Bruno Frank und der Redaktion der Sammlung". Die Entscheidung des Kollegiums ist unwiderruflich. Sie wird in der Julinummer der Zeitschrift bekannt gegeben. Der erste Preis beträgt 300 Hfl., der zweite 150 Hfl. in der preisgekrönten Novellen werden
erscheinen.
Zeit- Notizen
Die fremde Rassenseele im Ton
die beiden Sammlung"
,, Die Wissenschaft hat festgestellt, daß jede Unterteilung des Halbtones in Drittel- und Vierteltöne bzw. noch kleinere Werte als Ausdruck einer fremden Rassenseele anzusehen ist und sich nicht mit dem Empfinden des nordischen Menschen, der den Tonraum dem hohen Grad seines Bewußtseins entsprechend erweitert, in Einklang bringen läßt. Diese unumstößliche Tatsache erfährt selbstverständlich keine Aenderung dadurch, wenn sie auch Musikern in früheren Zeiten nicht bekannt war!"- Musikkritiker Frienes... Westdeutscher Beobachter".
Politik wie des Kulturlebens ist nur der äußere Ausdruck Verklärungskirche im Kreml abgerissen dc. Tatsache, daß Gernegroße und Wichtigmacher- um sich anmaßen, das mit dem genannten Autor zu reden Leben eines 65- Millionen- Volkes diktatorisch zu leiten und
Die im Hauptschloß des Kreml in Moskau errichtete Christi- Verklärungs- Kirche ist abgebrochen worden. Man will dort einen anderen Bau errichten. Die Verklärungskirche
alles niederknüppeln, was der nationalsozialistischen Welt wurde 1330 gebaut und 200 Jahre später durch den jetzt anschauung" zuwiderläuft.
abgerissenen Bau ersetzt.