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Freihei

Nummer 72-2. Jahrgang

Tb baube

Aus dem Inhalt

Englischer Brief

Seite 3

Dimitroff wird enthüllen

Seite 4

Wie steht

dee illegale Kampf?

Seite 4

91151

Kommen die Habsburger ?

Seite 7

Einheitsfront" in Chikago

Seite 7

Chefredakteur: M. Braun

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

Saarbrücken, Dienstag, 27. März 1934

" Es wird gepumpt" Gestern und freute

Mindestens acht Milliarden Vorbelastung

Münster , 25. März. Reichsfinanzminister Graf Schwerin von Krosigk hielt Samstagabend auf Einladung der wirtschaftswissenschaftlichen Gesellschaft im Audi­torium magimum der Universität Münster einen Vortrag über öffentliche Finanzen und Wirtschaft, zu dem sich ein großer Kreis interessierter Persönlichkeiten eingefunden

Ueber diese schwere Tatsache sucht der Reichsfinanz­minister mit optimistischen Ausblicken auf die wirtschaft liche Entwicklung hinwegzukommen.

Krankt auch das dritte Reich an der Flaggenfrage wie einst die selige Weimarer Republik ? Es scheint fast so.

Im Inland merkt es nur der aufmerksame Beobachter, der mehr sieht, als seine Zeitung schreibt. Im Ausland wird es schon deutlicher. Denn da machen sich die anderen bereits über uns lustig.

Das sah man kürzlich wieder einmal bei einem Flaggen­zwischenfall im südafrikanischen Johannesburg . Ein eng lischer Freund hat uns darüber in einem Brief berichtet, dem wir folgendes entnehmen:

Vor einigen Wochen besuchte der englische Prinz Georg, Herzog von York, die Stadt auf seiner großen südafrika­

hatte. Nach einem Rückblick auf die legten 10 Jahre Gegen wirtschaftliche Vernunft" nischen Reise. Alles war geflaggt. An der Hauptpost wehten

fagte er u. a.:

Diese öffentliche Arbeitsbeschaffung war absolut not­wendig, muß aber auch in ihrer Begrenzung verstanden werden, weil sie nur eine Uebergangszeit überbrücken soll. Es ist falsch, von einer künstlichen Arbeitsbeschaffung zu sprechen, denn sie ist nicht fünstlich, sondern sie ist in diesem Augenblick und in dieser Lage notwendig und gerechtfertigt. Nun endlich die oft an mich gestellte Ge­wissensfrage: Wer bezahlt denn nun eigentlich alles? Ich drücke mich gar nicht vor dieser Frage, sondern will sie absolut flar beantworten, und mit Ihnen besprechen, ob man das nach den Grundsätzen, die ich vorhin nannte, rechtfertigen fann oder nicht: Das Geld zur Bezahlung aller Arbeitsbeschaffungsprogramme wird gepumpt. Ich kann es aus dem laufenden Haushalt nicht geben. Wenn ich es aus den Steuern zahlen könnte, dann brauchten wir ein zusäßliches Arbeitsbeschaffungspro gramm nicht. Diesen Kampf nehme ich durchaus nicht Leicht, sondern erkenne an, welch schwere Belastung fünftiger Jahre darin liegt. Es ist eben so geregelt, daß ebenso wie die Steuergutscheine auch die furzfristigen redite zur Unterstützung des Ar­beitsbeschaffungsprogramms innerhalb fünf Jahren ab­zudecken find, und da wir schon im Arbeitsbeschaffungs­programm an Steuergutscheinen rund 4 Milliar­den haben, so ist das eine erhebliche Belastung kommender Jahre, zumal wenn man bedenkt, daß wir aus ver­gangenen Zeiten auch noch einen Haushaltfehlbetrag im Reich in Höhe von 2 Milliarden mitschleppen. Kann man nun mit einer solchen Vorbelastung von 6 Milliarden ruhig schlafen? Wenn man nichts getan hätte und feine Vorbelastung fünftiger Jahre übernommen hätte, dann hätten wir wie in den vergangenen Jahren einen riesigen Fehlbetrag gehabt, den wir im Haushalt durch kurzfristige Kredite hätten abdecken können. Was aber ebenfalls eine Vorbelastung für die Zukunft gewesen wäre, nur mit dem einen Erfolg, daß nicht die Quellen erschlossen worden wären, aus denen diese Vorbelastung wieder abgezahlt werden kann. Da liegt der Unterschied. Es handelt sich hier um die einzig mögliche Politik, diese Mehrbelastung zu übernehmen. Weil wir keine Reserven aus guten Zeiten haben, müssen wir die Reserven aus der Zukunft vorübergehend nehmen. Auf nichts anderes fommt es an. Eine Mehrbelastung von jährlich einer Milliarde und ein Steueraufbau von sechs Milliarden.

Der Reichsfinanzminister gibt also an Vorbelastung zu: Steuergutscheine 4 Milliarden, Haushaltfehlbetrag aus vergangenen Zeiten 2 Milliarden, kurzfristige Kredite und sonstige nicht genau zu kontrollierende Borbelastungen, die mir auf 2 Milliarden schätzen, so daß wir auf 8 Mil­liarben kommen.

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Wirtschaftlich und politisch ein fehlschlag

Die Basler National- Zeitung"( Nr. 139) schreibt: Alles, was man aus dem gleichgeschalteten Deutschland offiziell vernimmt, erzählt uns von dem bedeutenden Auf­schwung der Wirtschaft: Verringerung der Arbeitslosigkeit, Erhöhung von Umsaßziffern, Börsenhausse. Einzelnes da von wurde bestritten, es wurde von Zweiflern ausgerechnet, daß die Gesamtlohnsumme feine Erhöhung aufweist, also nur eben die ausbezahlte Lohnsumme auf mehr Köpfe ver­teilt wird.

Aber durchaus wahrscheinlich klingt es, daß infolge be­dentender Staatsaufträge, Notstandsarbeiten und aller mit Rüftung zusammenhängernder Industrien im deutschen Inland eine gewisse Belebung eingetreten ist, welche der Nationalsozialismus seinem Regierungssystem zugute­

schreibt.

Nun aber mehren sich Alarmrufe seitens des Reichsbant­leiters Schacht, der Goldbestand der Reichsbank ist auf den wahrhaft fläglichen Bestand non etwa einer Viertelmilliarde gesunken, bereits sind Gerüchte von einer beabsichtigten Wertsenfung der Mark verbreitet, die dementiert werden und aus verschiedenen Gründen auch tatsächlich unwahr­scheinlich sind. Wohl aber ist es nach den letzten Reden Schachts zweifellos, daß neue und noch größere Opfer von den Gläubigern des Reiches verlangt werden sollen. Es ist ja klar, daß die erhöhte Inlands= produktion Deutschlands eine größere Einfuhr bedingt: die Wolle zu den Braunhemden und Uniformen, Kupfer, Nickel, viel anderes muß Deutschland einführen, wenn es mehr er­zeugen will, und da es selbst sich möglichst autarfisch ein­gestellt hat, so fann es auch nicht mit erhöhter Ausfuhr be­zahlen, und so sinkt seine Goldreserve.

Die Erklärungen Schachts zeigen den Irrtum des deut: schen Wirtschaftsimperialismus, der selbst die Importe drosselt, aber seinen Export dennoch steigern will. Der Aufschwung dieses Jahres ist also gegen die wirt­schaftliche Vernunft erreicht worden und es hat den Anschein, daß das offizielle Deutschland beabsichtigt, die Kosten für alle Verheißungen des Nationalsozialismus und für seine Aufrüstung, wozu auch noch viele der neuen Auto­straßen und modernisierten Verkehrsmittel zu rechnen sind, von seinen Gläubigern bezahlen zu lassen. Ueber die Argumente des Reichsbankleiters, wonach Deutschland durch politische Schulden, die es dem Ausland entrichten mußte, ausgepowert wurde, spricht man besser nicht; es tst ziffermäßig bewiesen, daß Deutschland in dem Jahrzehnt nach 1919 viel mehr Gelder aus dem Ausland borgte als ihm zurückzahlte.

Die nationalistische Einschnürung, die zuerst als Evange lium gepredigt wurde, erweist sich wirtschaftlich heute ebenso als Fehlschlag, wie sie sich morgen auch politisch als Fehlschlag erweisen wird,

und man wird sich bald in Deutschland überzeugen können, daß die Ueberwälzung auf die Gläubiger nicht ins Un­begrenzte fortgesetzt werden kann, weil dies zum völligen Erliegen der deutschen Exportindustrie führen muß.

Drosselung der Einfuhr

Rückschlag in die Kriegswirtschaft

Das Deutsche Nachrichtenbüro muß melden: Die zunehmende Devisenknappheit der Reichsbank macht eine schärfere Ueberwachung der Einfuhr und damit des Devisenbedarfs notwendig. Zu diesem 3mecke ist vom Reichskabinett das bereits angekündigte Gesetz über den Verkehr mit industriellen Rohstoffen und Halbfabrikaten erlassen worden, durch das die Versorgung der Industrie mit den lebenswichtigsten Rohstoffen in einer wirtschaft­lich möglichst günstigen Weise sichergestellt wird. Es sollen damit auch die Voraussetzungen für eine reibungslose und Stetige Durchführung der Arbeitsbeschaffnug erhalten werden.

Der Reichswirtschaftsminister hat auf Grund des Ge­setzes folgende Ueberwachungsstellen eingerichtet: Für Baumwolle, Wolle und Bastfasern; zu Reichsbeauftragten werden ernannt:

1. für Baumwolle: Herr Hugo Pabst in Bremen , am

Wall 141;

Am

2. für Wolle: Herr Kurt Hoff, Geschäftsführer der Deutschen Wollvereinigung, Berlin NW. 7, Hermann­Göring- Straße 28;

3. für Bastfasern( Flachs, Hanf, Jute, Hartfasern usw.) Herr Dr. Ernst Ruoff, Berlin SW. 19, Krausen­straße 25-28.

neben der südafrikanischen Fahne die Flaggen aller Län­der. Das Dritte Reich war, wie unser Freund schreibt, ,, seinem Ansehen entsprechend doppelt vertreten", näm­lich mit Schwarz- weiß- rot und der Hakenkreuzflagge. Prompt protestierte eine große Anzahl von Privatleuten: wenn das Hakenkreuz nicht verschwinde, würden sie ihre Flaggen einziehen. Am nächsten Tag war die Hakenkreuz­flagge weg; an ihrer Stelle hing eine zweite schwarz- weiß­rote da. Nun aber protestierte der deutsche General­konsul bei der Regierung. Darauf kam Antwort vom Post­direktor, die Fahnen der Länder an seinem Gebäude hingen nur zu Dekorationszwecken da. Schließlich gab es ein Kom­promiß. Zwei Tage später wurde die Hakenkreuzflagge nochmals hochgezogen für genau fünfzehn Minuten. Dann verschwand sie, und mit ihr verschwanden die Flag­gen aller anderen Länder ebenfalls. Einsam wehte allein die Regierungsflagge weiter.

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Das war der Flaggenkrieg von Johannesburg .

Unser Engländer schreibt dazu: Wenn Sie in ihrer Reichsverfassung nachlesen, werden Sie finden: die Reichs­farben sind schwarz- rot- gold. Warum zeigen Sie nicht Ihre Reichsfarben?" 261

Was fragen sie uns, lieber Mann? Aber der Gute hat recht: nach der formell immer noch geltenden Reichsver­fassung sind die Reichsfarben tatsächlich schwarz- rot- gold. Es gibt lediglich einen Erlaß des Reichspräsidenten , nach dem bei feierlichen Anlässen die schwarz- weiß- rote und die Hakenkreuzflagge zu setzen sind. Mit anderen Worten: der Reichspräsident hat befohlen, daß das Reich nicht die Reichsfarben zeigt. Wir geben zu, daß das einem Aus­lander schwer in den Kopf will, aber gewisse Deutsche be­greifen es sehr gut. Und das ist die Hauptsache.

Die Sache hat nämlich einen tieferen Humor. Natürlich hätte das Dritte Reich längst die fragliche Stelle der Vers fassung außer Kraft gesetzt. Aber daran hätte man den alten Herrn irgendwo mit beteiligten müssen. Der Herr Reichspräsident hat aber einen Eid auf die Reichsver­fassung geschworen. Und, alle Achtung, er will nicht, daß irgendeiner ihm nachsagt, er habe es mit dem Eide nicht genau genommen. Es gibt ja nun zum Glück in Deutschland große Rechtsgelehrte, wie den berühmten Carl Schmitt , die entdeckt haben, daß man mit der Reichsverfassung alles machen kann, wenn man sie nicht zu oft liest, sondern sich lieber an die Kommentare von Schmitt und Genossen hält. Und einer von diesen findigen Köpfen scheint auf den Aus­weg gekommen zu sein, daß ein Staat zwar verfassungs­mäßige Farben haben könne, aber sie nicht zu zeigen brauche.

Wir finden das gut. Jede Flagge an ihrem Platz. Die eine in den verborgenen Zeilen der beschworenen, aber nicht mehr gelesenen Reichsverfassung, die andere an des Schiffes Mast. Die Flagge deckt die Ware. Und die Piraten­flagge des Hakenkreuzes deckt gestohlenes Gut, wie ihr das zukommt. Die gestohlene deutsche Freiheit.

Der Vorstand

der SPD . bleibt in Prag Verlegung des Sitzes nicht beabsichtigt

Argus.

Paris , 26. März. Am Samstag und Sonntag war hier eine Tagung der Exekutive der Sozialistischen Arbeiter­internationale. Von einem Mitgliede des sozialdemokrati­schen Parteivorstandes hören wir, daß der Vorstand nicht die Absicht hat, seinen Siz aus Prag nach dem Westen zu ver­legen. Er hat bei der fortschreitenden Isolierung der Tschecho­ slowakei und der schwierigen Verbindung mit Westeuropa lediglich vorsichtshalber bei Parteifreunden in Brüssel , in Paris und einigen andern westeuropäischen Städten anfra­gen lassen, in welcher dieser Städte die Möglichkeit einer Niederlassung gegeben ist, wenn sich die Verlegung des Par­teivorstandes von Prag nach Westeuropa notwendig machen sollte. Anders ist auch der Brief, den Leon Blum an die ches Land und welche Stadt in Betracht kommt, wenn über­haupt einmal eine Verlegung des Sizes des SPD. - Vor­Fortsetzung siehe 2. Seite standes notwendig werden sollte, steht also feineswegs feft.

Um den Aufbau dieser Stellen zu sichern. ist für die Zeit bis zur Aufnahme ihrer Tätigkeit der Einkauf der in Frage kommenden Rohstoffe und Halbfabrikate im Ausland verboten worden. Dieses Einkaufsverbot stellt naturgemäß nur eine vor­übergehende Maßnahme dar, die auch zeitlich kurz be franzöfifche Regierung gerichtet hat, nicht aufzufanen. Wel­fristet ist.