-
Zu den großen Hoffnungen der deutschen Literaturgeschichte gehörte einmal Professor Josef Nadler . Er hat den freilich nicht ganz neuartigen Versuch unternommen, die deutsche Dichtung nach landschaftlicher und schicksalsmäßiger Zugehörigkeit ihrer schöpferischen Gestalten im geschichtlichen Raum" zu gruppieren. Damit wurde der aus Deutsch - Böhmen stammende Katholik, vielleicht ohne Wissen und ohne Absicht, zu einem Vorläufer der Rassenlehre. Heute aber scheint er mit vollen Segeln im faschistischen Wasser zu schwimmen. Damit entwertet er zugleich * seine wissenschaftliche Forschung, die einst zu manchen wertvollen Resultaten und Erkenntnissen zu führen
schien.
Nadler ist heute Professor an der Freiburger Universität. Ueber einen Vortrag, den er jüngst in Luzern hielt, veröffentlicht das dortige Arbeiterblatt" einen aufschlußreichen, für alle der gegenwärtigen Existenz der deutschen Wissenschaft Teilnehmenden interessanten Bericht.
an
Redaktion der Deutschen Freiheit". Professor Dr. Nadler aus Freiburg i. Br. sprach in einem Vortrage über ,, Nation, Staat und Kunst". Der Freien Vereinigung Gleichgesinnter", die den Abend arrangierten, möchten wir nahelegen, nachdem sie der deutschen Propaganda die Tore geöffnet hat, tunlichst rasch die entsprechende Namensänderung in ,, Freie Vereinigung Gleichgeschalteter" vorzunehmen.
Dr. Nadler hat sich alle Mühe gegeben, die Zufriedenheit seiner heimischen Regierung zu gewinnen, ohne die naiven Luzerner besonders plump vor den Kopf zu stoßen.
Den Begriff Nation leitet er von„, nascere" d. h. geboren ab und definiert Nation als eine Gemeinschaft von der Geburt her: Blutsgemeinschaft mit einer innigen Verflechtung innerhalb der Ahnenreihen. Die arische Großmutter hat er wohlweislich nicht aufspazieren lassen. Die Taten der Nation seien triebhaftes Geschehnis, alles Tun ströme aus der unergründlichen Gegebenheit der Blutsverwandtschaft. Verstandesmäßige Ueberlegungen seien ausgeschaltet(!!). Moralisch- sittliche Wertmaßstäbe können nicht angelegt werden. Alles Geschehen sei schicksalhaft. Schon diese Erklärungen sind bewußte Nazipropaganda. Von ihnen leiten die Nazi das Recht zur blutigen Unterdrückung aller widerspenstigen Volksgenossen ab. Sie erklären, eine nationale Welle habe wie ein Naturereignis Deutschland überflutet. Sie entschlagen sich jeder persönlichen Verantwortung. Sie stellen sich einen
Mittwoch, den 28. März 1934
Ereignisse und Geschichten
Aller Geheimnisse Geheimnis
Dinof
Dichter umgestaltende Ideen über. Geistige Vorgänge hätten das ,, dritte Reich" vorbereitet. Stefan George habe der Sehnsucht der deutschen Jugend Richtung gewiesen. Er habe die Hochgedanken des Führertums gefordert und damit geistige Grundlagen des dritten Reiches" geschaffen. Die Künstler geben dem Staat lette Erfüllung und Sinn. Der Führung sollen sich die Dichter willig unterordnen. Sie sollen wie Kleist und wie Gottfried Keller das höhere Recht des Staates auf ihre Kunst anerkennen. Sie sollen an Freuden und Leiden, an den Festen des Volkes und an großen Glückswenden teilnehmen. Wahre ,, Notgemeinschaft" sei höchstes
Die Bahn, die wir in unseren Worten nennen, Ist nicht des ewig Beharrenden Bahn. Der Name, den immer auch unsere Worte kennen Er ist kein ewig beharrender Name. Das Unnambare ist ewiger Schoß des All,
Im Nambaren wird es zur Mutter des Vielen. Ewig dranglos zeigt's unergründliche Tiefe. Ewig drängend das Aeußere nur.
Im tiefsten Grunde sind beide Eines. Der Name ist's, der teilt.
Dies Eine ist das Geheimnis des Großen, Aller Geheimnisse Geheimnis, Zu allen Geheimnissen das Tor.
sittliches Gebot. Großen Zeiten der Geschichte entsprechen Sozialisierung im Anzug
Höhepunkte in der Literatur. Aber nur in der Monarchie und im Führerstaat sei ein vollkommenes Zusammenwirken von Staatsmacht, Kunst und Geistesleben möglich. Der demokratische Staat entbehre des starken Machtpoles. Demokratie sei ein unpersönlicher Staatsbegriff.
Alle diese Sätze sind direkt den Zuständen im ,, dritten Reich" auf den Leib geschnitten und werden zu ihrer Rechtfertigung ausgesprochen. Die Kunst erscheint als Anhängsel und Hilfsmittel der Staatsmacht, ist fast ausschließlich auf Propaganda eingestellt. Die Wissenschaft ist servile Dienerin der neuen Herrscher, sie prostituiert sich selbst als Zuhälter der Kriegsmacher. Wenn auch wir den Standpunkt des ..l'art pour l'art", die Kunst sei um ihrer selbst willen da, als überwunden betrachten, so weisen wir der Kunst und dem übrigen Geistesleben vielmehr die Aufgabe zu, dem Volk und Staat als Wegbereiter für eine bessere Zeit zu dienen, anstatt wie im heutigen Deutschland eine schändliche Gegenwart zu verherrlichen.
In die Zukunft weisen kann aber der Dichter und Denker nur dann, wenn er sich von der Staatsmacht größtmöglich distanziert. Von einem Höhepunkt in der deutschen Kunst haben wir im ,, dritten Reich" noch nichts wahrgenommen.
Dr. Nadler hat erkannt, daß sich zwischen dem deutschen Führerstaat und der demokratischen Schweiz leider politische Gegensäge aufgetürmt haben. Diese Gegensätze beeinträchtigen auch die geistigen Beziehungen. Der deutsche Dichter muß für den Führer schwärmen, der Schweizer besingt die Kraft und Einsicht des Volkes. Auch als zu Bismarcks Zeiten Deutschland in Imperialismus machte, waren die Beziehungen zur Schweiz ziemlich getrübt. Zur Zeit der Weimarer Republik aber waren die Grenzen zwischen Berlin und Zürich stark verwischt. Um das getrübte zwischen Berlin und Zürich stark verwischt. Um das getrübte Verhältnis zu bessern, ist wohl Herr Nadler nach Luzern geschickt worden. Da es leider nicht möglich sei, alle in 18
Aber auf Stottern!
In einer tiefgründigen Untersuchung prüft das faschistische Verbandsblatt der„ Lederarbeiter"( Nr. 9, 1934) die Frage: Was bedeutet für den Arbeiter der Festanzug der Arbeitsfront? Der Verfasser, Hans Biallas, kommt dabei zu dem Entschluß, dem Bürgertum klar zu machen, daß der Kampf um die Volksgemeinschaft nur durchgeführt werden konnte, wenn man der deutschen Arbeiterschaft die gesellschaftliche Gleichberechtigung gab. In einer Zeit der geistigen Revolution des Nationalsozialismus sei daher die Frage nach einem neuen Festkleid des deutschen Menschen dringend geworden.
,, Fest steht, daß es für uns alte Nationalsozialisten nicht des Fracks, Smokings und Cuts bedarf, um im gesellschaftsfähigen Zustand zu erscheinen."
,, An Frack und Smoking hängen noch die Vorurteile einer vergangenen Zeit. Sie waren nur zu oft das Sinnbild der Klassenunterschiede." Biallas versichert, daß damit für alle Zeiten gebrochen werden soll.
ララ
Wenn deutsche Volksgenossen zusammen sind... dann wollen sie sich, ganz gleich, was sie früher... trugen, mit dem Festanzug der Arbeitsfront kleiden."
Hans Biallas erklärt schließlich die historische Bedeutung des Festanzugs, indem er meint:
,, Der Festanzug der DAF. will den letzten äußerlichen Rest von Klassenunterschieden und Klassendünkel beseitigen,"
Hitler wollte bekanntlich am liebsten jedem Arbeiter einen Smoking schenken". Biallas macht es mit der Uniform der Arbeitsfront, die aber freilich nicht geschenkt wird, Aber auf alle Fälle: sondern abgestottert werden muß. Die Sozialisierung ist im Anzug!!!
Freibrief aus für Unterdrückung, Plünderung, Martern und verschiedenen Ländern verstreuten deutschen Volksteile poli- Rembrandt , der Deutsche
Mordtaten. Sie lassen sich diesen Freibrief durch gelehrte Sklaven à la Dr. N. noch ausdrücklich approbieren.
Der Staat sei eine durch Zeit und Blut in seiner Art bestimmte Organisationsform der Nation. Deutsche Fürsten haben in der Vergangenheit einige große Versuche unternommen, um in Europa ein dem alten römischen Reiche vergleichbares deutsches Reich zu errichten. Das sind nach Prof. Nadler Versuche, die Europa zum Segen gereicht hätten.
Die Kunst, die Literatur, das Geistesleben gehören nach Dr. Nadler ganz dem Staate. Der Staat brauche einen Herold. Das sei der Dichter. Der Staat schaffe Ideen und setze Ziele der Verwirklichung. Der Staat bestimme auch Stil und Gehalt der Dichtung. Der Dichter werde genährt vom Staat und empfange von ihm seinen Schuts. Es springen anderseits vom
56
tisch zusammenzufassen( die Trauben hängen zu hoch), so will Dr. Nadler wenigstens das geistige Band enger schlingen. Das gemeinsame Geistesleben soll gepflegt werden.
Wir Schweizer sollten ein offenes Herz für die Schicksalstragik der deutschen Stämme bekunden. Wie meint das Herr Nadler . Sollen wir mit deutscher Propaganda unser Land überschwemmen lassen? Sollen Naziprofessoren nicht nur gelegentlich in ein Kunsthaus, sondern für dauernd an unsere Schulen berufen werden? Wir bedanken uns höflich. Wenn ein Volk sich derart selbst entmannt, wie das die Deutschen unter Hitler getan haben, so verstummt die Stimme des Blutes. Unser Herz schlägt für jene Deutschen in den Ge fangenenlagern, nicht aber für die käuflichen Professoren, die Hitler bei uns rechtfertigen wollen.
Sein Buch„ Entlacute Geschichte"
Unter dem Titel„, Entlarvte Geschichte" hat die Soziologische Verlagsanstalt in Prag das Buch von Werner Hege mann, dem Städtebauer und Historiker, neu herausgegeben, das, ein glänzendes Pamphlet, noch grade vor Hitlers
F. M.
Machtantritt in erster Auflage unter Goethes Mahnwort: Werdegang ist dem Werdegang Luthers verwandt. Beide
erschien: ,, Noch ist es Tag, da rühre sich der Mann! Die Nacht tritt ein, wo niemand wirken kann." Hegemann räumt bei seinem ,, Fackelzug durch die deutsche Geschichte" mit zahllosen Geschichtsklitterungen auf, die immer schon in Deutschlands Schulen verbreitet waren und unter dem Naziregime noch vertieft worden sind. In seiner ersten Ausgabe vom Februar 1933 noch Hindenburg und Hitler gewidmet, ist dieses Buch 1934 in der Neuausgabe zum schärfsten Gegner der heutigen deutschen Regierung geworden. Der hitlerische Nationalheld Her mann der Cherusker erweist sich bei Hegemann als„, einer der verhängnisvollsten Schädlinge der deutschen Geschichte". Der heilige Bernhard von Clairvaux , der den heutigen ..Deutschen Christen " leuchtendes Beispiel ist, wird mit Schillers Wort charakterisiert:„ Es möchte schwer fallen, in der Geschichte einen zweiten so weltklugen geistlichen Schuft aufzutreiben." Zugleich wird ihm nachgerühmt, daß er mit eigner Hand Feldarbeit getan habe ,,, ein verehrungswürdiges, adliges Beispiel, dessen Nachahmung durch unsere Groß
grundbesiger heute Deutschland vom Verderben retten
würde". Als Redner wird Bernhard. der in seinen Versamm
lungen nicht deutsch sprach, die Zuhörer aber so begeisterte, daß sie nicht das geringste Verlangen nach einem Dolmetscher hatten, mit Hitler verglichen:
Bei einer Besprechung der Kreuzzugspredigten Bernhards wird Göbbels charakterisiert: ,, Heute ist der geheuchelte Gotteseifer" längst durch echten nationalen Eifer ersetzt worden. Wie richtig aber trotzdem der fromme Abt von Reichersberg geurteilt hat, beweist der scharfsichtige Propagandaminister Göbbels und seine Mitregenten. Sie haben begriffen. wie sehr die eintönigen Werkeltage der..Massen" kräftiger Unterbrechung bedürfen. Als zeitgemäßer Ersats für Kreuzzüge, mangelndes Brot und Arbeit schenkten oder verhießen sie ihrem Volk bunte Feste, Umzüge, Schuldenerlasse,
Schaustellungen verspotteter und gefolteter Menschen, Fackelzüge, Brände, Pogrome, Attentatsgerüchte, politische Morde und im Notfalle auch innere und auswärtige Kriege." Ueber Hitler und Luther sagt Hegemann: ,, Adolf Hitlers haben durch volkstümliches Schimpfen den Beifall verzweifelnder Arbeiter und Bauern zu gewinnen verstanden. Gleichzeitig aber wußten beide durch scheinbare oder weitgehende Unterordnung auch das Vertrauen der volksfeindlichen Großmächte ihrer Zeit zu erwerben. Beiden wird vorgeworfen, sie hätten sich von diesen Großmächten gegen die Massen gebrauchen lassen. Wie Luther sich von den Fürsten zum Niederschlagen der Bauern mißbrauchen ließ, so hat Adolf Hitler lange der Großindustrie und den Großagrariern zum
Niederschlagen der Arbeitergewerkschaften und zur Verhin
Unser Amsterdamer Mitarbeiter schreibt uns:
In Holland hat man wieder einmal Anlaß, über die Geisteshaltung des dritten Reichs" ein fröhliches Lachen anzustimmen. Zwar hat Hermann Wirth noch keine zweite Ura- Linda- Chronik aus Leeuwerden in Friesland bezogen, dafür geht jetzt die braune Wissenschaft dazu über, den großen holländischen Maler Rembrandt für Deutschland zu reklamieren. In einer zu Leipzig erschienenen Şerie über Meister- Bildnisse kann man über Rembrandt lesen, daß er ,, der deutscheste aller deutschen Maler" sei, und da dieses dem Verfasser anscheinend noch nicht genügt, so erhebt er einige Zeilen darauf Rembrandt zum„, deutschesten aller deutschen Künstler."
Man fragt sich in Holland erstaunt, wie es um das Deutschtum der deutschen Kunst bestellt sei, wenn man sich als ,, deutschesten" bereits einen Holländer verschreibt. Aber man muß schon in deutschen Dingen so unerfahren sein wie die Holländer, um an solchen Kleinigkeiten Anstoß zu nehmen. Der deutscheste aller deutschen Dichter ist bekanntlich Shakespeare gewesen, warum soll da der deutscheste Maler nicht Rembrandt sein?! Wenn die Holländer das nicht glauben wollen, so wird man ihnen bei Gelegenheit, des nächsten Krieges, etwa von Süd- Limburg her, sowieso klar machen, daß sie von Rechtswegen nur ein Bestandteil des Deutschen Reiches sind!
-
Zeit- Notizen
Eine neue Probe der bei den Nazis üblichen., Polemik liefert das Amtsblatt der NSDAP . für Stuttgart , der NS Kurier". Er befaßt sich unter der Ueberschrift„ Der Lump Heinrich Mann " mit dem Ende vorigen Jahres erschienenen Buch von Heinrich Mann ,, Der Haß und schreibt dazu: ,, Heinrich Mann , der frühere Präsident der Dichterakademie, heute seines Zeichens Emigrant, hat jüngst ein Machwerk herausgegeben, Haß betitelt, dessen Schmutz erst
derung der bäuerlichen Kleinsiedlung gedient. Der Eifer, mit dem Hitler die Arbeiterführer, Sozialisten und Kommu an die Verfolgung der nisten verfolgen läßt, erinnert Bauern, zu der Luther die Machthaber seiner Zeit ermuntert hat: ,, Steche, schlage, würge, wer da kann!" ,, Treffender könnte eine Hitlerversammlung in Lippe- und das ist eine ausgezeichnete und dankenswerte GelegenDetmold oder Berlin nicht geschildert werden."
Die Fachschaft für Spitze Aber sie wird nicht geduldet..
Ein Führerbefehl aus dem ,, dritten Reiche":
,, Es ist unzulässig, innerhalb des Reichsverbandes für das deutsche Hundewesen" Fachschaften für Hunderassen zu bilden. Die Bezeichnung Fachschaft" darf nur auf ,, Personenkreise" angewandt werden. Eine Fachschaft" für deutsche Schäferhunde" oder eine ,, Fachschaft für Spite" kann auf keinen Fall geduldet werden."
Was werden nun die rassereinen Spitze machen, wenn sie sich nicht mehr zum Wohle des dritten Reiches" in Fachschaften organisieren dürfen? Werden sie zur Opposition gehen?
jetzt, nach drei Monaten, zu uns heraufspritzt. Sein Haß ist so plump, seine Gesinnung so niedrig, daß wir diesen Ver leumder nicht besser bloßstellen können, als wenn wir seine eigenen Worte zitieren." Das tut der ,, NS.- Kurier" denn auch. Er druckt einen Auszug aus dem Werk von Heinrich Mann , heit, das deutsche Volk die Wahrheit wissen zu lassen ohne daß Görings Geheime Staatspolizei eingreift. Professor Tandler verhaftet
Professor Julius Tandler , der eben aus China zurückkehrte, wo er eine Reihe von Vorlesungen gehalten hatte, ist verhaftet worden. Tandler war Professor der Anatomie an der Universität Wien und Reorganisator des Wiener Gesundheitswesen. Während des Februaraufstandes befand er sich nicht in Oesterreich . Er wurde in seiner Eigenschaft als sozialdemokratischer Stadtrat verhaftet. Professor Tandler ist mehr als 60 Jahre alt.
Reinhardt liquidiert
Wie der Reichsanzeiger" mitteilt, liquidiert max neinhardt seine Berliner Unternehmungen. Die deutsche Theatergesellschaft mit beschränkter Haftung wird für erloschen erklärt.
er