Deutsche   Stimmen Beilage zur Deutschen Freifieit" Ereignisse und Geschichten

Mittwoch, den 4. April 1934 | 4. Apri

Sie heben den rechten Acm..

Marxisten demonstrieren für den Hitlergruß

Indes die Redner ihren Geist verspritzen,

pflanzt sich im Volke dumpfes Schweigen forte aporund weder Wachtparaden noch Haubigen besiegen es. Das Schweigen hat das Wort. Die einen winden sich in Jubelkrämpfen, die andern säen eine stille Saat,

die heute stumm sind, werden morgen kämpfen. Das Schweigen reift im Schweigen reift die Tat. Hugin.

Eine ergreifende Kundgebung, die auch auf Unbeteiligte einen starken. Eindruck gemacht hat, ereignete sich unlängst im Urnenhain des Krematoriums zu Dresden  . Es war be­kannt geworden, daß drei Gefangene in einem der sächsischen Konzentrationslager in welchem konnte unser Gewährs­mann nicht sicher erfahren sich erhängt hatten; verzwei­felte Flucht, die einem Selbstmordversuch gleichkommt, oder

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freiwilliger Tod sind die letzten und einzigen Mittel für

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Die SA., die Polizei stand fassungslos in peinlichem Er­staunen. Und es blieb nichts anderes übrig, dieser Gruß zwang sie auch sie mußten die Arme erheben. Auch sie schweigend, aus anderen Gründen, und insgeheim knirschend oder ratlos verdattert in dieser unerwarteten Situation. Und so grüßten die uniformierten Schuttruppen des braunen Regimes das Opfer des braunen Regimes.

Unser Gewährsmann vermag den tieferschütternden Ein­druck nicht zu schildern, den diese stumme Szene auf ihn als Ausländer gemacht hat: in diesem Deutschland   müssen die Geknechteten den Gruß des Feindes anwenden, um ihrem toten Kameraden ein letztes Mal zu ehren! Eine Trauerkund­gebung, außergewöhnlich in ihrer Art, demonstrierte stumm und schweigend und gerade darum weithin vernehmbar gegen die Machthaber der Diktatur.

Plischke im Delicium

Das im offiziellen ,, NS. Druck und Verlag" erschienene und vom Organ des Reichspropaganda- Ministeriums Der An­griff" warm empfohlene Buch Der Jude als Rasseschänder" von Dr. Kurt Plischke enthält u. a. folgende Stellen:

hunderte solcher Opfer gewesen, sich den braunen Peinigern zu entziehen. Einer dieser drei Toten wurde zur Ein- ,, Der Jude hat" äscherung ins Dresdner   Krematorium überführt. Auch das war bekannt geworden und an allen Stempelstellen und bei sonstigen Gelegenheiten war die Parole herumgesprochen worden, diesem toten Kameraden ein letztes Geleit zu geben. Die Parole wurde befolgt. Z u Tausenden unser Ge­währsmann, der an diesem Tage zufällig in Dresden   war und die Kundgebung mit angesehen hat, versichert, daß das keine übertriebene Phrase, sondern eine wahrheitsgetreue Feststellung ist: zu Tausenden erschienen die Anhänger aller sozialistischen   Bekenntnisse im Urnenhain. Dort standen sie, strengste Disziplin wahrend, schweigend um das Krematorium und zwischen den Grabstätten.

Kein Wort wurde gesprochen. Ein ungeheures Aufgebot von SA.- Mannschaften und Polizisten umschwirrte den Schau­platz. Die braunen und schwarzgrünen Truppen der Ord­nung" waren in höchstem Maße aufgeregt, sie flitten in ihren Dienstautos hin und her, die Kompressionshupen der Ueber­fallkommandos zwitscherten gellend und aufreizend. Aber es fand sich nicht der geringste, wenn wahrscheinlich auch noch so sehr gewünschte Anlaß zum ,, Einschreiten" still und schweigend stehendes und wartendes Trauergeleit mit Gummiknüppeln vom Friedhof zu vertreiben, mochte man nicht wagen; man konnte nur aufgeregt abwarten, was die tausendköpfige Menge der Schweigenden etwa noch tun würde. ok

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ein

Und was tat sie? Als der Sarg mit dem Opfer des Regines gebracht und durch die Reihen getragen wurde, öffnete sich ihm ehrerbietig eine Gasse. Auch jetzt fiel kein Wort. Aber -die schweigenden Männer und Frauen, alle, Kommunisten und Sozialisten, Unterdrückte des dritten Reiches", Schick­salsgenossen des Toten sie alle erhoben angesichts des Sarges die rechte Hand zum Hitlergruß. Nicht ein Wort fiel.

Ein System" musiker

Zum Tode Franz Schrekers

In die Freude darüber, daß die Nachricht vom Tode des Dirigenten Otto Klemperer   sich nicht bewahrheitet, mischt sich die Trauer um den in seiner Geburtsstadt Monaco  noch nicht 56jährig verstorbenen Komponisten Franz Schreker  . Ein tragischer Lebensweg hat seinen Abschluß gefunden, ein Weg, der nach langer, entbehrungsreicher Lehr­und Reifezeit ein kurzes Genießen großer öffentlicher Er­folge und dann eine lange Zeit verbitterten Beiseitestehens gerade im Alter der Reife brachte.

Der Sohn österreichischer Eltern erhält seine musikalische Ausbildung in Wien  . Die äußeren Verhältnisse der Familie sind nach dem frühen Tode des Vaters die denkbar schlech­testen. Der Musikstudent muß fast allein mit Stunden­geben den Lebensunterhalt der Familie bestreiten. Aber trotz aller äußeren Nöte setzt er sich als Musiker durch. Ueber die verschiedensten Dirigentenposten, über die Gründung des Wiener   philharmonischen Chors gelangt er sogar in die Wiener Musikakademie als Lehrer für Komposition. Um so erstaunlicher, als Wien   dem Komponisten die Anerkennung versagt. Französische   Musikerkreise werden zuerst auf den Wiener  , der aus Debussys Impressionismus und Puccinis Opernwelt die entscheidensten Anregungen gewonnen hat, aufmerksam. Erst nach Kriegsende setzt sich das Opern­schaffen Schrekers in einer Serie von Erfolgen, die vom Frankfurter Opernhaus, das damals unter Rottenbergs musikalischer Führung stand, ihren Ausgang nehmen, durch. Das damalige preußische Kultusministerium beruft Schreker  als Akademiedirektor nach Berlin  , was einen der unbestrit­tenen Aktivposten der Aera Kestenberg darstellt. Unter Schrekers Leitung wird aus dem verstaubten Staats­konservatorium in der Hardenbergstraße am Zoo das modernste Musikerziehungsinstitut der Welt. Schreker selbst, der in Wien   bereits eine stattliche Schülerzahl um sich sah, wird einer der begehrtesten, weil freiesten Lehrer für Kom­position. Pisk, Rosenstock, Krenek  , Haba, Rathaus, Horen­stein, Goldschmidt, Höffer gehören zu seinen Schülern. Die bedeutendsten älteren und jüngeren Komponisten und Musik­pädagogen gehören zum Lehrkörper des von Schreker   ge­leiteten Instituts. Inzwischen wandeln sich die Stile, die Musikauffassungen. Es sind die Jahre der Donaueschinger  Musikfeste, die Jahre, in denen sich Strawinsky  - Busoni­Schönberg im mitteleuropäischen Musikkreis durchsetzen, in denen Hindemith  , Krenek  , Toch, Bartok  , Casella, Milhaud  ihren Aufstieg nehmen. Schreker, der Künstler des farbigen Klanges, eben noch als Hypermoderner von der reaktionären Kritik bekämpft, muß es erleben, in die zweite Reihe zu geraten, ja von den Jüngsten selbst als Reaktionär an­gegriffen zu werden. Er versucht sich umzustellen. Mehrere Fragmente in seinem eigensten farbsatten, spätimpressio­

,, Der Jude hat eine unstillbare Gier, nichtjüdische Frauen und Mädchen zu schänden und sie in den Sumpf seiner gemeinen Gesinnung herabzuzerren."

,, Die jüdische Rasse ist die Hauptträgerin der Geschlechts­krankheiten unter den Völkern, was ja bei ihrer tierisch­sinnlichen Veranlagung und ihrem ausschweifenden Leben nicht zu verwundern ist."

,, Der Mädchenhandel ist fast ausschließlich in den Händen von Juden."

,, Es ist notwendig, für das deutsche   Volk ein Rassenschutz­gesetz zu schaffen. Darin muß das Verbrechen der Rassen­schändung wie früher mit dem Tode bestraft werden. Und zwar mit dem Tode durch den Strang."

Selbstrasieren!

Ein neues Verbrechen im ,, dritten Reich"

Was ist Selbstrasieren? Im ,, dritten Reich" ist es eine ver­hängnisvolle Unsitte, jawohl! So vermelden deutsche   Re­gierungsorgane, und es muß demnach wahr sein. Diese Frei­heiten einer liberalistischen Epoche haben im Naziland keinen Platz mehr und haben auf Befehl der Arbeitsfront zu verschwinden! Sie wünschen einen Beweis für meine Be­hauptung? Bitte:

Folgendes schreibt die

Presse:

westdeutsche

, Vorschlag zur Arbeitsbeschaffung. Ein Aufruf an alle Selbstrasierer. Die Düsseldorfer   Friseurinnung machte einen bemerkenswerten Vorschlag zur Arbeits­beschaffung. Hier klafft noch eine Lücke in der Front der Arbeitsschlacht.... Erst wer sich einmal der Mühe unterzog, den Einfluß der für das Friseurgewerbe so verhängnisvollen Unsitte des Selbstrasierens auf den Ar­beitsmarkt und auf die öffentliche Belastung zu über­denken, erkennt mit Leichtigkeit, wie leicht jeder in der Lage ist, im Arbeitsbeschaffungsprozeß mitzuwirken und­mitzuhelfen...."

Selbstverständlich, wo kämen wir hin, wenn jeder, wenn er gerade Lust und Laune dazu hat, sich vor den Spiegel stellen und sich selbst rasieren könnte? Selbstrasieren wird wohl demnächst als staatsfeindlich und hochverräterische Hand­erklärt lung an dem Gedanken der Arbeitsschlacht werden, und dann wird es jedem Friseur freistehen, jeden verbrecherischen Selbstrasierer der SA. anzeigen, die den Fall bis zu seiner letzten Lösung schon klären wird. Arbeitsschlacht"," Arbeitsbeschaffungsprozeß".... sieht so aus: ,, Gewöhn dir das Selbstrasieren ab!" ,, Geh ,, Laẞ dein auch mal aus!"( Arbeit für Wirtschaften!) Haus neu anstreichen!" ,, Bist du schon im Besitz der deut­,, Jedem Deutschen   ein Volks­schen Reichsflagge?" ,, Jeder muß Hitlers   ,, Mein empfänger- Radiogerät!" Kampf lesen!"

Das

Auf diese Art und Weise wird bis Ende des Jahres die Arbeitsschlacht siegreich beendet, die Arbeitslosigkeit im Naziland restlos beseitigt sein. Wer's nicht glaubt, verfolge H. W. nur die deutschen Statistiken...

Der Dank

Einem Artikel des Amtsblatts der NSDAP   für den Gau Die Doppelverdienec Baden ,,, Der Führer", ist zu entnehmen: Kreisleiter Epp ging in einer Beamtenversammlung mit den jüdischen Rasse­schändern scharf ins Gericht. Er kündigte auch an, daß er nicht zurückschrecken werde, artvergessene Volksgenossin­nen, die in Gesellschaft von Juden verkehren, öffentlich durch Namensnennung zu brandmarken. Selbstverständlich wird der nationalsozialistische Staat in absehbarer Zeit die gesetz­lichen Grundlagen zur Bekämpfung jüdischer Wüstlinge schaffen... Es kommt darauf an, auch den letzten Volks­genossen und die letzte Volksgenossin über die Juden- und Rassenfrage so aufzuklären, daß sie im Juden den Todfeind völkischen Lebens erkennen und ihn wie die Pest meiden."

Aus dem Brief einer Volksbibliothekarin an dic

Deutsche Kämpferin", eine nationalsozialistische Frauen­zeitschrift( Märzheft 1934):

nistischen Opernstil bleiben liegen. Er will die Läuterung, die Reinigung, die Rückführung auf die Urelemente des Rhythmus und der Melodie, die die Musik gerade durchmacht, im eigenen Werk dokumentieren. Aber seine schöpferische Kraft reicht nicht aus. Die Werke sind Mißerfolge. Die schnellebige Zeit geht über sie und mit ihnen auch über die

,, Viele Jahre stand ich im Beruf, vor und während meiner Ehe, immer mit der gleichen Liebe zu meiner Arbeit, der Arbeit am Menschen, und beseelt von der großen kulturellen Aufgabe, die wir zu erfüllen haben. Ich habe stets danach gestrebt, mein Amt für Volk und Vaterland nach bestem

Gewissen zu verwalten. Betonen möchte ich noch, daß ich bereits von 1931( meiner Amtsübernahme) an alles daran gesetzt habe, um ungeeignete Bücher( Asphaltliteratur und volksverseuchendes Schrifttum) meiner nach echter und auf­rechter Literatur verlangenden bäuerlichen Leserschaft fern­zuhalten. Wir haben auch kein einziges Werk abzulehnender Literatur angeschafft!

Dafür wurde ich am 1. April 1933 fünf Monate lang zwangsbeurlaubt. Dann erhielt ich die Kündigung ohne An­gabe des Grundes. Auf mein sehr gutes Zeugnis setzte man die Bemerkung, daß man mich auf Grund der Bestimmungen über das Doppelverdienertum( ich erhielt eine Entschädigung von 28 Reichsmark monatlich!) habe entlassen müssen, und zwar geschah das in dem Augenblick, als man auch meinen Mann aus ,, Sparmaßnahmen" seines Amtes als Stadtbibliothekar enthoben hatte.

früheren Erfolge hinweg. Die politische Entwicklung tut das Zeit- Notizen

Ihre: der Direktor der Staatlich Preußischen Musikhochschule gilt als Vertrauensmann des sozialdemokratischen Kultus­ministeriums. Es wird immer riskanter, Werke dieses Mannes aufzuführen. Eine Palastrevolution in der Hochschule, ge­führt von dem braunen Musikpapst Havemann, läßt Schreker  schließlich auf die Direktion verzichten. Er bleibt Leiter einer Meisterklasse für Komposition an der Preußischen Aka­demie. Und dann kommen die Märztage des Jahres 1933: In Freiburg  ( Breisgau) sollte eine neue Oper Schrekers aus der Taufe gehoben werden. Aber der Komponist selbst zieht das Werk zurück. Wenige Tage später wird er gemeinsam mit seinem Kollegen und intimen Freunde Arnold Schönberg  von der neuen preußischen Regierung beurlaubt und ent­lassen. Die Umwälzung, das Schwinden jeder Möglichkeit, in deutschsprachigen Ländern weiter zu wirken, scheint den seit lange Kränkelnden völlig gebrochen zu haben, er ist am Vorabend seines 56. Geburtstages gestorben.

Es ist die Frage zu stellen, was von diesem Manne, den das Leben nicht verwöhnt hat, der verbittert und einsam dahin­geschieden ist, bleibt. Gewiß nicht so viel, wie einige be­geisterte Jünger und Propagandisten einst in den Tagen der großen Erfolge wähnten. Aber auch nicht so wenig, wie bös­willige Verleumder brauner und anderer Couleur versichern: Schreker   war einer der wenigen wirklichen Opernmenschen und Opernschöpfer dieser Zeit. Seine drei Hauptwerke, in denen der Klang, die Musik selbst zum Thema der auch von

Lager für Historiker und Architekten

In Halle   ist ein auf sechs Wochen berechnetes erstes Ge­meinschaftslager für 25 Kunsthistoriker und Architekten ein­gerichtet worden, die als künftige Mitarbeiter bei der Be­standsaufnahme der Bau- und Kunstdenkmäler eingesetzt werden sollen.

Abbau der höheren Schüler

Das sächsische Kultusministerium hat angeordnet, daß schon beim Uebergang aus der Untersekunda auf Ober­sekunda in den sächsischen Schulen eine Beschränkung der Schülerzahl durchgeführt werden soll, die etwa der Zahl der später zum Hochschulstudium Zugelassenen entspricht

Wie sie lügen

Der Präsident der deutschen Dichterakademie, Hanns Johst  , der eine barbarische Pogromszene bei der Berliner  Aufführung seiner ,, Propheten" mit Rücksicht auf das Aus­land umarbeiten und abschwächen mußte, erklärte in Kopen­ hagen  : ,, Ich bin ebensowenig Antisemit wie Antialkoholiker. Ich bin ein lebensbejahender Mensch, der auf den Sieg alles Guten und Gesunden vertraut. Solche Menschen sind auch Hitler und Göring  , so sind die Menschen im neuen Deutsch­ land  : positive Menschen."

Heraus

ihm selbst geschaffenen Handlungen wurde, Der ferne Deutscher! Klang" ,,, Die Gezeichneten  " und Der Schat­gräber", werden heute und immer das Repertoire der großen Opernhäuser sehr erfolgreich bereichern können. Seine Tanzmusik- zum Ballett der Wiesenthals ,, Der Geburtstag der Infantin" geschrieben

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gehört zum Besten, was in Deutschland   in diesem Genre je geschrie­ben worden ist. Schließlich wird der große Lehrmeister Schreker  , der Erzieher zweier Komponisten- und Dirigenten­Generationen, in die Geschichte der deutschen Musik ein­gehen, und wenn der Spuk brauner Unkultur einst ver­schwunden sein wird, werden die verantwortlichen Leiter einer neuen deutschen Kulturpolitik dort weiterbauen müssen, wo das pädagogische Werk Schrekers geendet hat. Paul Walter.

aus E. H. P. und Warenhaus!

Der deutsche   Werkmann leidet Not, gib Du ihm Arbeit,

schaff ihm Brot!

Ein guter Deutscher willst Du sein und kaufst noch stets beim Juden ein? Trägst Deiner Woche kargen Lohn zu Schocken, Tietz und Salomon! Weh Dir! Du übst Verrat

am Vaterland!

Pfui! Welche Schandt!

Fränkische Tageszeitung", 19. März,