Deutsche   Stimmen Beilage zur Deutschen Freiheit Ereignisse und Geschichten

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Sieben Kisten voll

Einem Bücherdiebstahl nachgedacht...

Sieben Kisten voll waren es. In der größten lag unten darin ein großes rotes Fahnentuch. Sieben Kisten mit all den Schätzen, die durch viele unstete Jahre zusammengetragen waren, angefangen bei den Kriegsausgaben der Inselbücherei, Reclams   endend bei den letzten Erscheinungen der vor Jahr und Tag noch nicht gleichgeschalteten Büchergilde. Kei­neswegs war das alles marxistische oder nur revolutionäre Literatur. Aber sie haben alles mitgenommen, ohne Beschei­nigung, ohne auszusuchen, sie haben alles gestohlen, was ich mir erworben hatte von der Stunde an, da zum ersten Male ein Buch das Herz entzündete mit dunkler Musik. Das war Rilke   ,, Cornet" wir schrieben 1915, ich war vierzehn alt. Daneben stand Gide   ,, Der verlorene Sohn", die Stimme des Verlorenen an den jüngeren Bruder: ,, Kehre du nicht zu­rück!"

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Seither ist vieles geschehen. Ich lernte einen Beruf und kam nicht hinein. Ich hatte viele Berufe und blieb keinem treu. Ich hatte Freundinnen, schließlich eine Frau. Ich habe ein Kind, das man mir jetzt zu nehmen droht. Eins nur blieb im Auf und Ab, das Ziel: Deutsche   Revolution, die Entschei­dung: Klassenkampf, das Bekenntnis: Freundschaft! Zu er­werben gab es nicht viel. Es langte sogar nicht einmal jeden Tag zum Sattessen und Ruhigatmen. Aber das machte fast nichts. ass

Nur Bücher bezeichneten dauerhaft den Weg durch die Jahre, erschrieben, geschenkt bekommen, erworben, tausend, zweitausend, noch mehr, behütet und geliebt. beginnend bei den grauen Kriegsbänden der Rilke, Trakl  , Werfel  , den zer­lesenen Reclamausgaben von Fichte und Hegel, die bunten Reihen entlang, jeder Umschlag eine Erinnerung an Gestal­ten, Töne, Bilder, Abende, bis zu den würdigen breiten Rücken der Jahrbücher, der ökonomischen, politischen, psy­chologischen Fachliteratur, den Dissertationen der Freunde. Es war keine mit Vorbedacht aufgebaute Bibliothek. Diese Blumen waren in vielen Gärten gepflückt, diese Früchte aus zahlreichen Feldern erwachsen.

Wenn man mir die marxistische Literatur, die Marx- Engels­Lenin- Bebel- Bände genommen hätte, dazu die aus ihren Ge­danken entsprossenen, dann würde ich, da man einen Anlaß sähe, nicht viel sagen. Das koloniale Regime in Deutschland  , das die blutrünstigen altjüdischen Rassegesetze neu kulti­viert, hat solche Ungeheuerlichkeiten verübt, daß dies zu wenig wäre, darüber zu reden. Doch stahlen mir die braunen Fremdenlegionäre vierzig Bände Jean Paul  , eine kostbare Ausgabe des Dichters, in dessen Zaubergärten sie nicht zu­rechtfinden, sie nahmen mir Hölderlin   und Stefan George  , die Nietzschebände, die Goetheausgabe, Bücher, in denen unser nie verwirklichtes Deutschland   erlesenste, einzige Form, Weltenklang angenommen hatte.

Neben den barbarisch- großartigen Denkergebnissen Kierke­gards standen einige Bände Luther, die Auseinandersetzun­gen mit Erasmus, die Reden und Schriften seiner hohen Zeit. Die Knechte des Pg. Müller, Reichsbischof, haben diese Bücher gestohlen. Herr Rassendiktator Frick und die Inkar­nation neuarischen Wesens, die sich Göbbels   nennt, reden gern und hochtrabend über Fichte. Aber die Bücher dieses Mannes, in dem ein großartiges Feuer brannte, entzündet an

Samstag, den 7. April 1934

der Großen Französischen   Revolution, ließen sie stehlen. Man nahm nicht nur die Bücher, man wollte mich treffen, ich verstehe das wohl und man traf mich ja auch. Aber diese Taten, verübt von den Nachläufern eines Mannes, in dessen Munde das Deutsch   seinen eingeborenen Glanz verliert, der mit den Methoden einer verflossenen Kolonialperiode im Lande Goethes haust, sind mehr als die Ausdrücke niedriger Gehässigkeit gegen den Gegner. Sie verraten recht eigent­lich, daß die gegenwärtige deutsche   Kolonialregierung einen Angriff bedeutet auf das, was im besten Sinne deutsches Weltbürgertum ausmacht, auf die Aufgabe und den Reich­tum des geistigen Deutschland  .

Hebbel   spricht einmal bitter von der Tatsache, daß der Deutsche   verhaßt sei bei allen Nationen. Hier haben wir die Ursache, so klar wie nur möglich. Nicht der Deutsche schlecht­hin ist verhaßt, sondern dieses fürchterliche Rückfallen in die Barbarei, diese innere Unsicherheit, die den Spuk ermög­licht, daß heute Mörder und Lügner mit den Gedanken der besten Deutschen   Spott und Hohn treiben können.

Sie haben mir noch viel mehr gestohlen, an dem das Herz hing. Viele Bilder, gesammelt auf weiten Wegen, Bücher, zu denen ein intimes Fühlen und Erinnern ging, die unvergeß­lichen Romanreihen, von denen die großen Erschütterungen ausgingen, Dostojewski  , Zola, Nexö, Norris. Ganz zuletzt war mir noch in die Hände gefallen jenes unheimlich aufwüh­lende Biointerview Tretjakows über den Lebenslauf eines

The Liebstes wäre das...

Neudeutsche Mädchenerziehung

Wir lesen im..Frauenspiegel" Nr. 56 vom 26. Februar 1934 folgendes Gedicht:

Wenn ich ein junges Mädchen wär,

Mein Erstes wäre das:

Ich nähme Woll und Nadel her Und strickt ohn' Unterlaẞ. Ich ließe fort das Radiospiel, Das doch nur Ohrentrug, Gespielt wird ja doch viel zu viel, Gestrickt aber nie genug.

Wenn ich ein junges Mädchen wär, Mein Zweites wäre das:

Ich kontrollierte etwas mehr Die Wäscherin am Faẞ.

Ich stellte, wenn die Waschzeit ist, Roman, Lektüre ein,

Mit spannenden Romanen liest Man keine Wäsche rein.

Wenn ich ein junges Mädchen wär, Mein Liebstes wäre das:

Ich ging zur Köchin in die Lehr Und kochte selber was.

Der Hausfrau ziemt es sicherlich, Wenn sie gut kochen kann. Und könnt ich diese, bekäme ich Auch sicher einen Mann.

jungen Chinesen, ich hatte noch einmal die großen Epen der Wenn am Sonntagmorgen"

Gegenwart durchflogen, Travens Totenschiff", Die weiße Rose", das erschütterndste Regierung". Dann mußte ich eines Tages fliehen. Ein Freund packte mir nachher die Bücher ein. Es gelang ihm noch, sie fertig einzupacken. Ehe sie weggeschickt werden konnten, holte sie dann die SA. für den Scheiterhaufen. Auch die große leuchtende Fahne müs­sen sie mit verbrannt haben, die eigentlich noch einmal wehen sollte, wenn einst wieder die Freiheit regiert.

Der Diebstahl geschah tiefstens mit Mordabsicht. Sie nah­men, da sie mich nicht erwischten, die Summe von Erleb­nissen, die sich mit Wort, Klang, Bild der Bücher verband. Sie rotteten das aus, an was ich mich gehängt hatte. Die von Bier und Unterwerfung erfüllten Gehirne empfanden Ver­gnügen dabei, zu zerfetzen und verbrennen, was Wegweiser, Leitstern, Nahrung ist für Hirn und Herz. bet

Die jungen Fremdenlegionäre der braunen Diktatur haben vergessen, woher sie kommen. Sie waren eingeklemmt zwi­schen Aussichtslosigkeit und Hunger seit vielen Jahren. Ihr Wille lag brach, ihre Triebe wucherten ins Leere. Nun gab einer eine Richtung, zwar zurück in die Unfreiheit des Ghet­tos, zurück zu einem Germanentum, das weder Vergangen­heit noch Zukunft hat, aber doch eine Richtung und sie marschierten, marschieren heute noch, tapfere, wohlveran­lagte, aber völlig verwirrte und kranke Jugend. Führern fol­gend, die um weniger als etliche kahle Wüstenfelsen Genera­tionen in die Vernichtung führen. So tief der Haß gegen jene.

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Nichts Widerwärtigeres gibt es als die Mischung von Gar­tenlauben- Kitsch, verdrängter Erotik und Hurragefühlen, mit der in Deutschland   das große Weltkriegsmorden vor­bereitet wird. Da liest man in den ,, Hamburger Nachrichten" einen Bericht über ein..Buntes Luftschußfest" in Fuhlsbüttel  :

vue:

,, Das war in der Tat einmal etwas Besonderes und fein Durchdachtes, ein Fest, durchaus auf den Ernst eingestellt und dabei mit einem wundervollen Humor ge­paart, so daß es noch lange nachklingen und nachhalten wird. Gleich die Festansprache des Abschnittführers führte jedem Teilnehmer den hohen Ernst und die Notwendig­keit, Luftschutz zu üben und zu treiben, vor Augen.. Es folgte dann die Aufführung einer ernst- heiteren" Re­Wenn am Sonntagmorgen der Luft­schutz sich rührt..." Alles schlägt zum Guten aus, die Frauen erkennen in dem Luftschutz mehr als eine Spielerei und Lotte bekommt ihren schneidigen Halbzugs­führer. Wir nahmen am Kirchgang mit Hindernissen, mit I und ohne Gasmasken teil und ließen uns auch das Preis­riechen mit nachfolgender Entgiftung nicht entgehen...** Es haben nur noch die röchelnden Opfer moderner Gift­gase, aufgetriebene Leichen von Männern, Frauen und Kin­dern mit verzerrten Gesichtern und in Qual verrenkten Gliedern gefehlt.

Mörder der Freiheit ist, so tief ist die Liebe zu dem Lande, Wec nicht"

das sie verwüsten, und das Mitgefühl mit der Jugend, die sie ruinieren. dan 6

Brief an meinen ungeborenen Sohn

Von Georg Wilman

Mein lieber Junge! aim i

Nun hast Du also Dein Kommen angemeldet. Was sollen wir, Deine Eltern, dazu sagen? Wir haben lange überlegt, und dann sind wir übereingekommen, daß ich Dir diesen Brief schreiben soll. Und ich muß, um Dir alles auch recht verständlich zu machen, ziemlich weit ausholen.se

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Es ist jetzt bald ein Jahr, daß wir nicht mehr in unserem und also auch in Deinem Vaterland sind. Drüben, wo Dein Vater und Deine Mutter aufgewachsen sind, in jenem herrlichen Land, das sie Deutschland   nennen, herrschen heute die Barbaren, herrschen Terror, Folter und Tod.

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Und nun stutze ich schon. Barbaren Terror Folter Tod: Worte, die Du nicht verstehen kannst. Und siehst Du, mein Junge, das ist auch der Grund, warum Du nicht kom­men sollst vorläufig nicht.

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Du kämst hinein in eine Welt, so voll unfaẞbaren Grauens, so voll von Widersinn und Widernatürlichkeit, so voller Ent­setzen und Gram, daß Du selbst es vorzögest, nicht da zu

sein.

Du kämst zu uns, ohne Vaterland, ohne Heimat, hin und hergeworfen zwischen zwei Sprachen und somit zwei Völ­kern, und Dein kleiner Verstand wüßte nicht zu fassen, was um Dich vorgeht. und

Du kämst zu uns, willkommen und nicht willkommen. Willkommen von uns, und nicht willkommen von jenen, die Deine Eltern vertrieben haben. Du wärest jahrelang vielleicht behaftet mit der Schmach, ein Mischling, ein Bastard zu sein in den Augen jener, die sich besser dünken als wir.

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Du kämst zu uns, und vielleicht käme am selben Tage der Krieg, jener Krieg. aus dem es kein Entrinnen mehr gibt. Deinen Vater brächten sie nachhause als einen Haufen Kno­chen und Blut, Deiner Mutter würde vom giftigen Gas der Leib zerfressen- und Du?

Und selbst wenn das nicht käme Du würdest aufwachsen in einer Atmosphäre. vergiftet vom Selbstzerfleischungstrieb der Menschen, vergiftet vom Haß, vergiftet von Moder und

Unrat.

Und wenn Du größer würdest: in der Schule würden sie Dich lehren, den Nachbarn zu hassen. sie würden Dich leh ren, daß es immer arm und reich geben müsse auf Erden und daß es recht sei, daß der eine nichts habe und andere alles.

Zinnsoldaten würden sie Dir als Spielzeug geben und Dir sagen, der bunte Lock des Soldaten sei ein Ehrenkleid und nicht das Kleid eines Mörders.

R.

Und wenn Du dann der Schule entwachsen wärest, dann würden sie Dich entweder beiseite werfen als unnütz und Dich zum Müßiggang verurteilen, oder Du ständest am Fließband dest hinter einem Ladentisch, acht oder neun Stunden am der Fabrik, Du säẞest in einem staubigen Kontor, Du stän dest hinter einem Ladentisch, acht oder neun Stunden am Tag, gehetzt, ausgebeutet, für ein paar Hungergroschen. Oder sparen

und auch das Schlimmste werden sie Dir nicht er­sie werden Dir ein Gewehr in die Hand drücken und sagen: ,, Der, der gestern Dein Bruder war, der gestern gleich Dir am Fließband stand, der, der eine andere Sprache spricht als Du- er ist heute Dein Feind. Gehe hin und töte

ihn!"

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Nein, mein Junge- das alles wollen wir Dir ersparen. Du sollst nicht aufwachsen in einer Umgebung, deren schreckliche Eindrücke Du im Greisenalter noch nicht vergessen hättest falls sie Dich nicht vorher irgendwo verscharren. Ja, Du sollst kommen, mein Junge! Eines Tages, wenn wir

wieder drüben sind in unserem Vaterland, und wenn wir dort die Herren sind und nicht jene, die heute oder gestern herrschten dann sollst Du kommen!

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Du sollst aufwachsen in einer Zeit, die nichts mehr kennt von Haß, von Krieg und Terror, von Ausbeutern und Aus­gebeuteten.

910 Jans

Du wirst eines Tages kommen, mein Junge, so wahr wir eines Tages wieder in der Heimat sein werden.

Und Du wirst ein Kämpfer werden, mein Junge, ein Kämp­fer gegen alles Unrecht wie jener Karl, dessen Namen wir Dir geben wollen zur Erinnerung an jenen großen Karl, den sie erschlugen, dieselben, die heute unsre Kameraden morden. Du wirst kommen, mein Junge, und wenn Dir Deine Eltern von Tagen erzählen, die dann vergangen sind, dann wirst

Die Reichsmusikkammer   befiehlt

Der Präsident der Reichsmusikkammer  , Richard Strau B, erläßt folgende Anordnung: Personen, die in der Oeffent­lichkeit einer auf Erwerb gerichteten musikalischen Tätigkeit, haben bis zum 1. April 1934 die Mitgliedschaft der Reichs­musikkammer zu erwerben. So wird durch Eingliederung in den für diese Tätigkeitszweige allein zuständigen Fach­verband Reichsmusikerschaft" erworben und ist Voraus­setzung für die künftige öffentliche Betätigung. Der Nach­weis des Erwerbs der Mitgliedschaft wird durch eine Mit­gliedskarte erbracht, die der Fachverband ,, Reichsmusiker­schaft" jedem Mitglied im Auftrage der Reichsmusiker­kammer ausstellt. Jedes Mitglied hat die ihm ausgestellte Mitgliedskarte bei der Ausübung seiner Tätigkeit stets bei sich zu führen und auf Verlangen jedem Polizeibeamten oder den von mir zur Kontrolle besonders bestellten Per­sonen vorzuweisen. Wer den Nachweis der Verbandszuge­hörigkeit nicht erbringen kann, wird an der Ausübung seiner Tätigkeit verhindert. Diese Anordnung findet auch auf Aus­länder Anwendung."

Schonzeit

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indesda

Noch kein Festanzug für Arbeiterinnen

Der Leiter des Organisationsamtes der Deutschen Arbeits­ front   gibt bekannt:

Um alle Differenzen zu klären, die in der Frage der Klei­dung für alle weiblichen Mitglieder der Deutschen Arbeits­ front   aufgetreten sind, wird hiermit verfügt, daß für alle weiblichen Angehörigen der Deutschen Arbeitsfront   und der Reichsbetriebsgruppen eine einheitliche Uniformierung nicht vorgesehen ist. Es bleibt den Mitgliedern selbst überlassen, sich dem deutschen Charakter entsprechend bei allen An­lässen zu kleiden.

Der Festanzug für Arbeiterinnen das kommt erst beim nächsten Ankurbelungsversuch mit untauglichen Mitteln! Es ist eine letzte Reserve.

Du froh sein, daß Du diese Tage nicht miterleben mußtest. Aufgabe der deutschen Jugend

Du wirst kommen, mein Junge, denn daß Du kommen kannst in einer Zeit, schöner und freier als diese, dafür sind Deine Eltern außer Landes gegangen und dafür werden

sie zurückkehren.

Bis auf den Tag, mein Junge!

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Aus der kleinen jüdischen Gemeinde kommt das Prinzip der Liebe her: es ist eine leiden­schaftliche Seele, die hier unter der Asche von Demut und Armseligkeit glüht: so war es weder griechisch, noch indisch, noch gar germanisch. Niegsche

Der ,, Armanen- Verlag", der die Bücher des berüchtigten Professor Banse herausgebracht hat, kündigt in einem Pro­spekt aus der Reihe Deutsches Schrifttum" fólgende Werke für den Schulgebrauch an:

,, Soldatendienst"

Die Front kehrt heim" ,, Der Krieger" ,, Putsch"

16.Aufbruch der Nation"-von Untersekunda ab. - von Untersekunda ab. - von Untersekunda ab. - von Untersekunda ab. von Untersekunda ab. ,, Die Stimme der Toten" von Untersekunda ab. Die Aufgabe der deutschen Jugend kennzeichnet dieser Verlag so: Das Vermächtnis der Toten des Krieges an die Jugend soll unüberhörbar laut werden. Es ist ihre hohe Auf­gabe, es zu erfüllen.