Hobarob

Fretheil

Nummer 83-2. Jahrgang

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

Saarbrücken, Mittwoch, den 11. April 1934 Chefredakteur: M. Braun

Aus dem Inhalt

Greuel

und Genecalfeldmarschall

Seite 2

Reichshaushalt des Betrugs

Seite 4

Bilanz des Weltkrieges

Seite 4

Wie Mütter

haben es jetzt schwer

Seite 7

Brandstifter Thyssen- Röchling

Der nationalsozialistische Waffenschmuggel nach Marokkone

Paris , 10. April( Eig. Bericht).

Die Mitteilungen des französischen Journalisten Charles Reber über den Waffenschmuggel der Nazis in die Zone von Ifni, einem Schlupfwinkel der marokkanischen Aufstän­digen, haben als erstes Resultat zu der Ankündigung der Besetzung dieses Gebietes durch Spanien geführt. Durch diese Maßnahme wird dem dauernden Waffen­schmuggel über die Kanarischen Inseln ein Ziel gesetzt.

Weiter haben die spanische Regierung wie auch die schweizerische, da die Züricher Thyssen- Firma mit der Berladung der Waffen in Rotterdam in Verbindung steht, ihre konsularischen Vertretungen in Rotterdam beauf­tragt, eine Untersuchung vorzunehmen, der sich die hollän= dische Regierung anschließt. Die schweizerische Regie­rung hat auch eine Untersuchung in Zürich gegen die Ge­sellschaft Arksis Aksa" begonnen, und das gleiche Resultat wie Reber festgestellt.

In Rotterdam haben die Behörden festgestellt, daß das Nazi- Schiff Optimist" am 12. März in den Hafen kam und durch die Arbeiter der Firma Ruys und Co. beladen wurde, einer Thyssen befreundeten Firma. Am 17. März war das Schiff schon fertig zur Abfahrt, seine Reise aber aus ungeklärten Gründen erst bis 27., dann auf unbestimmte Zeit verschoben. Angeblich soll eine Operation von Frau Schäfer, der Frau des heit langem unter den Marokkanern lebenden) Nazi- Befehlshabers der Expedition Schäfer die Ursache sein.

Aber in Wirklichkeit war wohl die starke Offensive der französischen Truppen im Vor- Atlas, bei der die Punkte belegt wurden, zu denen sich Schäfer begeben wollte, die Ursache der Verzögerung der Fahrt des Optimist" und des Jupiter".

Natürlich fand die Untersuchung keine Waffen mehr vor. Aber die Beweise sind troßdem überzeugend.

Die zehn Nazis sind aus dem Gesichtskreise in Rotterdam verschwunden, und man bedauert nur, daß die Untersuchung sich nicht auch auf das Braune Haus in Rotterdam er­streckt hat, das in der Sache eine aktive Rolle spielte. Schäfer wohnte in einem Rotterdamer Hotel, in dem er als maure­tanischer Konnetabel" und Gouverneur der Stadt Arksis" eingeschrieben hatte. Ebenso hatte er angegeben, daß er mit dem Optimist" in Bestimmung Marokko abreisen wollte, Die zahlreichen Telegramme, die Schäfer von Berlin und Zürich erhielt, wurden nicht erwischt.

In Zürich wurde ermittelt, daß die Gesellschaft Artsis Atja Co." gegründet wurde durch den Statistic Trust in Eschen ( Liechtenstein ), der Thyssen gehört, dem Wirtschafts­diktator des dritten Reichs", dem persönlichen Freund Hitlers . Aber die Gesellschaft umfaßt auch neues Faktum - einen Gesellschafter von Röchling , nämlich den in Frank­ reich in contumaciam Verurteilten, den die französische Polizei sucht und der die ganze nationalsozialistische Agi= tation an der Saar führt.

eſellſchaft, ber

Der Direktor der Züricher Gesellschaft, der Eigentümerin der beiden Schiffe, ist Borchardt, der Privatsekre tär Thyssen, und ihr Vorsitzender der marokkanische deutsche Agent Schäfer. Dieser Schäfer nennt sich Sidi Fra Achmed Schäfer Arksis Assaka Pascha, Excellenz, Gou­verneur von Arffis, deutscher Staatsangehöriger"( frei nach Karl May , dem von einigen Großen so gern gelesenen Buch). Arksis, in Südmarokko, die Stadt dieses Gouver neurs", das durch die Truppen des Generals Hure besetzt ist, ist, nebenbei bemerkt, ein Nest mit ein paar hundert Ein­wohnern.

Man fragt sich in Zürich , ob Schäfer derselbe Schäfer ist, der die marokkanischen Stämme in Gesellschaft von El Hiba und von Merebbi Rebbe zur Erhebung brachte und 1911 auf Rechnung des bekannten deutschen Industriellen Otto. Diannesmann, der damals zu dem Marokko - Konflikt Anlaß gab, auf Las Palmas 11 000 Gewehre, 4 Millionen Stück Munition und 4 Kleingeschüße kaufte, die er durch jeinen Leutnant Melbergen den Aufständischen liefern ließ.

Ferner wurde noch eine leitende Persönlichkeit der Züricher Gesellschaft in Gestalt eines gewissen Sidi Mo­hammed Mummen Bey, des Gouverneurs eines nicht existierenden Ortes Cartouze festgestellt. Der Handelsvertrag, den die Gesellschaft Arksis Aksa mit dem Sultanat Mauretanien schloß, ist anscheinend in dem nicht existierenden Cartouze registriert. Die Leiter der Thyssen­Gesellschaft in Zürich haben weiter, wie die Untersuchung, dem Bericht zufolge, feststellt, die Weltkarte gefälscht, indem sie nach Mauretanien , das von dem französischen West­ afrika abhängt, Gegenden und Orte verlegten, die sich im Vor- Atlas befinden. Alles zu durchsichtigen Zwecken.

Es handelt sich da um einen Skandal des hochkapita­listischen deutschen Faschismus, hervorgerufen von Männern, die zu den nächsten Ratgebern des Reichskanzlers gehören. Diese Männer bewaffnen aufständische Marokkaner gegen Frankreich .

Englands Schritt in Berlin

Und die Reise Francois Poncets nach Paris

Der Reichswehrhaushalt

London , 10, April. Im Unterhaus wurden Anfragen an den Außenminister gerichtet, die sich mit dem deutschen Reichswehrhaushalt befassen. Außenminister Simon erklärte dazu, daß er durch den britischen Bot­schafter in Berlin bei der Reichsregierung Erkundigungen einziehen ließ.

Baris, 10. April. Die Bedeutung der Unterredung, die Außenminister Barthou am Montag mit dem französi­ schen Botschafter in Berlin Francois Poncet hatte, wird von der Presse unterstrichen. Der offiziöse Petit Parisien" legt den Ton auf die Mitteilungen, die Francois Poncet über die Einstellung Deutschlands zu den Verhandlungen über die Rüstungsbeschränkung gemacht haben dürfte, und glaubt annehmen zu können, daß die offiziellen deutschen Kreise aus Besorgnis über die Wirkung, die die unverhüllt betriebene deutsche Aufrüstung im Aus­land mache, wie der englische Schritt in Berlin zeige, ießt den Plänen einer Rüstungsbeschränkung größeres Interesse entgegenbringen. Es ist natürlich, schreibt andererseits das " Journal", daß jezt, wo die entscheidende Verhandlungs­phase beginnt, die franzöfifche Regierung die Ansicht dessen, der über die Einstellung Deutschlands am besten unterrichtet ist, fennen lernen und ihm entsprechende Anweisungen geben wird. Die Angelegenheit ist zu ernst, als daß man sich nicht vor der Entscheidung mit einem Höchstmaß von Garantien umgibt. Francois Poncet hat Barthou höchst wichtigen Auf­schluß geben können. Das Journal" bestätigt, daß auch die Unterhauserflärungen Sir John Simons über einen eng­lischen Schritt in Berlin in der Unterredung zur Sprache ge­tommen seien. Barthou sei hiervon bereits durch Lord

Tyrrell unterrichtet gewesen und habe seine Zufriedenheit. über eine Tatsache geäußert, die beweise, wie besorgt die Engländer über die Aufrüstung Deutschlands seien.

Für besonders wichtig hält das Blatt, daß die englische Anfrage sich auf die Versailler Militärklauseln beziehe. Es sei das erstemal seit langer Zeit, daß die Engländer sich in der Frage der Aufrüstung Deutschlands auf den Vertrag von 1919 beriefen.

Diese Auslegung des Journal" wird vom Echo de Paris" nicht geteilt. Das Organ des französischen Generalstabes begrüßt den englischen Schritt in Berlin , be= zweifelt aber, ob die Angelegenheit eine befriedigende Reg­lung finden werde, und glaubt vor allem darauf hinweisen zu sollen, daß Sir John Simon sich gehütet habe, auch nur im geringsten auf den Vertrag von 1919 hinzuspielen. England scheine sich nur auf die neue Erhöhung der deutschen Streitkräfte zu beziehen. Alles, was vorher liege, werde mit Stillschweigen über­gangen. Heiße das, daß die vor dem 1. April d. J. begange­nen Verstöße stillschweigend hingenommen und legitimiert würden? Wenn dem so wäre, dann würde die englische Regierung in einer unangenehmen Form zur praktischen Anwendung ihrer Doktrin von der begrenzten Ausrüstung Deutschlands schreiten. Das Echo de Paris" sieht dieser Ent­wicklung mit um so größerer Sorge entgegen, als es in seiner Auffassung, daß die französische Politik ins Schwanken geraten sei, immer mehr bestärkt werde: Wir lehnen nicht mehr so kategorisch den Gedanken, die Aufrüstung Deutsch­ lands wenigstens in gewissen Grenzen zu legalisieren, ab. Auf jeden Fall geben wir zu verstehen, daß der Haupt­ausschuß der Abrüftungskonferenz hierzu Stellung au net­

men hat, und auf Grund dieser Tatsache ermöglichen wir es Henderson und Eden, die Verhandlungen wiederaufzu­

Gestern und heute

Der Schreiber dieser Zeilen hat ein Buch, 272 Seiten stark, vor sich liegen. Er sollte es besprechen, wie der abgenutzte Ausdruck für eine publizistische Aufgabe lautet. Aber es passiert ihm, daß er, durch den Inhalt und die Gestalt dieses Buches, vor das Forum seines eigenen Erlebnisses geladen, vor dieser Aufgabe versagt. Das Buch heißt: ,, Die Geburt des Dritten Reiches ," erschienen im Europa- Verlag in Zürich . Sein Verfasser ist Konrad Heiden .

Jeder von uns hat sie mit angesehen: die Wehen , den Geburtsakt und das Nachher. Jeder kennt die meisten der Tatsachen, von denen hier die Rede ist. Der Leser erinnert sich an jedes Datum, das ihn noch einmal beklemmend an­redet ob der Kürze der Zeit, die seither vergangen ist. Er kennt die Personen dieser gänzlich unklassischen Tragödie, gespielt von Lebenden für Lebende. Du liest dieses Buch und Du findest Dich auf einmal als Mitspieler und als Zuschauer zugleich! Nur eins vermagst Du nicht zu werden: ein kriti­sierender Rezenzent.

Heiden sagt auf Seite 41 zum Endsieg Hitlers : ,, Die Ge­schichte dieses Ringens und des unerwarteten Sieges kurz vor dem scheinbar unvermeidlichen Absturz ist bis zur Eintönig­keit erfüllt von dramatischen Geschehnissen, der Schluß aber ist wie ein Märchen, würdig des Märchens, mit dem sie vier­zehn Jahre vorher begonnen hatte." Ein Märchen: Und nun hier ein Märchenbuch, dessen Prinzen, Stiefmütter und Hexen historische Wahrheit sind! Wir stehen mitten drin und können nicht los davon, von diesem Geisterzuge der verpaßten und der geglückten Gelegenheiten, des Zaubers der Macht und der Uniformen, der Gewalt und der Leiden. Stände in Heidens Buch nur die Geschichte des national­sozialistischen Aufstiegs, durch Dokumente und Bekenntnisse bekräftigt: es wäre bestimmt ein gutes und wertvolles Buch. Aber dieser Schriftsteller hat die Gabe des politischen In­stinkts, der geistigen Einfühlung und einen Stil, der im deutschen politischen Schrifttum kaum seinesgleichen findet. Dadurch verdichten sich die Ereignisse und werden zugleich transparent.

Kein Sats, der drüberweg geschrieben ist, jeder ist Sub­stanz, etwa wie dieser( S. 266): Es baut sich diese ganze Praxis der Widersprüche( des Nationalsozialismus) kunstge­recht auf dem Widerspruch der Doktrinen auf, die vorgeben, eine Lehre des Heroismus zu sein und doch nichts sind Prahlereien auf der Flucht. Es ist die Flucht vor dem Fort­schritt ins gesicherte Heim, vor der Selbstverantwortung in den Befehlsempfang und vor der Tat in den Gehorsam. Es ist die Angst vor dem Aufstieg, vor neuen Winden und unbe­kannten Sternen, ein Protest des ruhebedürftigen Fleisches gegen den rastlosen Geist."

An solchen Sägen erkennt man, daß es vollkommen ge­nügt, aus dem Buche zu zitieren. Auch jene, die die Republik , die Partei und ihre führenden Männer der folgenreichen Versäumnisse anklagen, der Schwäche und des Mangels an Einsicht. Heiden liebt es, alle Illusionen bis zur Grausamkeit zu demaskieren. Er peinigt uns und streut Salz in die Wundenrisse unserer Zeit, aber er will, daß die Menschen. da sind für die kommende Wende, nicht von ihr überrascht, sondern von ihnen gewollt. Um den ,, Beginn von Europa ". Und hier sagt Konrad Heiden etwas, was uns alle zur Redlichkeit der Gesinnung und zur Erkenntnis unserer Ver­antwortlichkeit mahnt. Er wendet sich dagegen, daß man mit den Männern und Frauen des deutschen Volkes hadert, weil sie das gegenwärtige System ertrügen oder ihm zustimmten. Das Volk ist, so sagt er, kein ausgebildeter Charakter, son­dern eine Fülle von Charaktermöglichkeiten. Der Charakter eines Volkes ist kein Geschenk des Schicksals, sondern das Ergebnis erzieherischer, ja politischer Arbeit. Jede Genera­tion hat die Aufgabe, das Volk zu ihrem Kinde, zum Ge­schöpf ihres Willens und zum Gleichnis ihrer Seele zu machen. Konrad Heiden , der Dreißigjährige, hat das Können, den Zorn und die Weisheit. Werdet nicht irre am Kinde Volk, weil es irrte! Dieses Volk ist Deutschland selbst. Indem wir um es kämpfen, wissen wir, wie sehr wir es lieben.

So wird dieses Buch zum Schlusse eine Verhaltensweise. Es verläßt uns aus dem Reiche des Mythos in das des Ethos, wo die höheren Sterne leuchten. Wer Teilhaber an dieser Wandlung und Verwandlung sein will, der lese es.

Howald.

nehmen. Gleichzeitig vertagen wir die in London verlangten Aufklärungen über die Ausführungsgarantien unter dem Vorwand, daß diese Garantien unmöglich definiert werden fönnen, solange der Inhalt des ewaigen Abkommens unbe­fannt ist." Fortsetzung siehe 2. Sette