»Deutsche Freiheit", Nummer 8» Das bunte Matt Mittwoch, tt. April 1984 T. s>. 26 steht in Flammen Von Heinrich Fordan Zu Rockeseller se«. Zeiten Es ist noch gar nicht so lange her, etwa 80 Jahre, da zog Rockeseller Vater als Komödiant durch die Bereinigten Staaten mit einer richtigen Jahrmarktschmiere. Rockeseller war anscheinend kein Chaplin, das Brot des Komödianten nährte ihn nicht, deshalb betrieb er noch ein Nebenbei-Ge- schüft. Er verkaufte in kleinen Flüschchen Petroleum als einziges Mittel gegen Rheumatismus . Der Sohn, der vom Bater das Genie erbte, begründete auf dem Rheumatismus - mittel eine Weltmacht, vor der sich die Präsidenten der USA. , die Kontinente, der Völkerbund und wir alle im Staub krümmen: die Standard Oil. Blut und Petroleum A. E. Zischka sagt in seinem atemraubenden Buch von dem unterirdischen Kampf umS Petroleum, daß ein Land, vier Tage vom Petroleum abgeschnitten, in eine Revolution hineingerät. Haben Sie sich schon Gedanken darüber ge- macht, wie sehr wir von diesem unangenehm riechenden Stoff sklavisch abhängig sind? Ohne Petroleum fährt der Bauer nichts vom Land in die Stadt, bleiben die Schiffe in den Häfen, stockt der Großstadtverkehr und steigt kein Flug- zeug auf. Ohne Petroleum gibt es aber auch keinen Krieg. Im Jahre 1917 hörten die amerikanischen Trusts Frank- reich zu beliefern auf, weil das Risiko des verstärkten U- Boot-Krieges zu groß war und sich in China besseres Ge- schüft bot. In höchster Not tat damals Clemcnceau den Aus- spruch:„Ein Tropfen Petroleum ist ein Tropfen Blut wert." Wilson legte sich ins Mittel, machte Rockeseller ungeheure Konzessionen, und dann erst geruhten die Götter des schwarzen Oels Frankreich wieder zu beliefern. Als der erste Dampfer in Le Havre anfuhr, hatte Frankreich gerade noch einen Vorrat für vier Tage... Und interessiert letzten Endes Hitler an Oesterreich nicht mehr als die Rassebrüderschaft die geringe Entfernung zum rumänischen Petroleum, die ihm der Anschluß verschaffen würde? Petroleum in Marokko Es gab bisher nur vier Länder, in denen sich Erdölvor» kommen finden: Amerika , Rumänien , Persien und Ruß- land. Sonst gibt es wohl kaum einen Fleck der Erde, wo nicht nach Petroleum mit wahrer Goldsuchergier gesucht worden wäre. Sogar bei Hannover und auf den Hängen des Atlas in Marokko . Bei Hannover fand man eine ganz dünne unergiebige Schicht kaum brauchbaren Erdöls. In Marokko fand man bisher nichts. Aber man sucht da schon seit 1884, wie die Archive der Stadt Tanger zeigen. Ein Engländer suchte da und drei Deutsche : Müller und die Brüder Mannesman... die Manager des Coups von Agadir , die Aufwiegler und Wasfenlieferanten der einge- borenen Bevölkerung, die Provokateure gegen die französische Kolonialverwaltung. Die neuerlichen Waffenlieferungen von Thyssen und Krupp an die aufständischen Araber ver- folgen unzweideutig den Zweck, die semitischen Mohamme- daner zu Kolonialuntertanen des„dritten Reiches" zu machen. Diese neuerlichen Bemühungen um Marokko fallen mit der Aufnahme großzügiger Bohrversuche zusammen... Petroleum macht Politik... In der Nacht vom 7. bis 8. März Das war in der Nacht vom 7. bis 8. März geschehen aus einem der baumlosen Hügel von Djebel Tselsatt im Westen von Fez. Der rumänische Arbeiter Alstatt beobachtet von einem Schaltbrett aus die Arbeit des Bohrturms 26. Die Sonde sucht bereits 8S0 Meter tief in der Erde nach dem kost- baren Erdöl — SV Jahre lang stellt man hier schon die gleichen, resultatlosen Versuche an. Plötzlich ein Blitz, eine ungeheuerliche Erschütterung, Alstatt fliegt weg und rollt die Anhöhe hinunter. Als er wieder zu sich kommt, ragt eine mehrere hundert Meter hohe Stichflammt zum Himmel empor, über der sich eine dicke Rauchschwade wälzt... Petroleum! Petroleum! Auf der Pariser Börse handelte man bereits zwei Tage später mit den marokkanischen Petroleumaktien... Das Papier scheint nicht schlecht zu sein. 200 Tonnen pro 24 Stunden wirft allein dieser einzige Fundort ab. Die Wucht der Eruption läßt auf große, noch unentdeckte Lager schließen. Vorläufig brennt T. S. 26 noch unaufhörlich. Jeder Tag kostet beinahe eine halbe Million Franken. Der Brand wird gelöscht Der Petroleumstrom fließt nicht stetig, sondern alle 8 Minuten intermittierend. Dann verlöscht die Flamme für einen Augenblick Nur das rotglühende Stahlgerippe des Bohrturms ragt in die Lust. Sobald aber der neue Ausbruch erfolgt, entzünden sich die Gase sofort wieder an dem glühenden Metall. Bevor es die Krise gab, löschte man in Amerika Petroleum- brände vom Flugzeug aus. Eine in die Mitte des Brand- Herdes geworfene Nitroglyzerinbombe erzeugt durch die Ex- plosion schnell hintereinander ungeheuerlichen Luftdruck und Vacuum, wodurch die Flamme zum Verlöschen gebracht wird. Der Flieger mutzte aber ganz niedrig fliegen, mitten in den erstickenden Rauch hinein, bis die Flamme seinen Apparat versengte. Explodierte dann die Bombe, so flog der Apparat wie eine Streichholzschachtel irgendwo in den Himmel hinein. Hatte der Flieger Glück, so brachte er die Maschine wieder in seine Gewalt. Meist aber glückte das nicht. Aber ein zer- schelltes Flugzeug kostet Geld. Seit der Krise ist Rockeseller sparsam geworden. Er opfert nur noch Menschenleben, wie zur Zeit, als es noch keine Flugzeuge gab. Er schickt„Salamander" zum Löschen aus: ein Mann, der in Asbest gewickelt ist und sich mit zwei Nitroglyzerinbomben unter dem Arm an ein langes Seil gebunden der Brand - stelle soweit nähert, als er es ohne Gefahr, zu ersticken und zu verbrennen, tun kann. Dann wirft er die Bomben hinein... Der Luftdruck wirft ihn zu Boden... in be- täubtem Zustand wird er mit Blitzgeschwindigkeit von einer Motorwinde über den Erdboden aus dem Bereich der Kata- strophe geschleift. Todeskandidaten verdienen so 10 000 Dollar... In Marokka hat man keine Salamander und keine Piloten, die sowas riskieren. Man verfährt da auf andere Weise beim Löschen des Brandes. In den Intervallen zwischen den einzelnen Eruptionen schaffen Arbeiter blitzgeschwind Erde in die Nähe des Brandherdes. In unendlicher Mühe häuft sich so langsam im Verlaufe von Wochen und Monaten ein Wall auf, oder eine Art Schornstein. Hat dieser Aufbau die nötige Höhe erreicht, so wird eine Motorpumpe aus Casablanca alle Stunden 200 000 Liter Meerwasser auf die Eruptionsstelle schaffen. Man hofft bis Mitte April des Brandes Herr geworden zu sein. Goldrausch Fünf Gesellschaften zusammen mit einem Kapital von vielen Millionen Franken wurden seit dem ersten Auffinden von marokkanischem Petroleum zur Ausbeutung der Oelvor- kommnisse begründet. Pipe-Lines, die oftmals Hunderte Kilometer langen Petroleumkanäle vom Fundort bis zum Hafen, werden projektiert. Und die Häfen liegen bereits im Krieg miteinander, jeder will das Petroleum raffinieren, ausführen und Endpunkt einer Pipe-Line sein. Die durch die Krise völlig verarmte Bevölkerung erlebt Tage eines Goldsucherfiebers, geblendet und verführt von der Fata Morgan« plötzlichen, fantastischen und unversieglichen Reich- tums. Vorläufig aber ahnungslos, welche Intrigen um das Petroleum entstehen werden, welche Machtkämpfe, inter - nationale Verwicklungen. Eingeborenenaufstände und plötz- liche unerklärte Brände... Petroleum finden, bedeutet mit dem Feuer spielen... Das Ende der Eiszeit Von Erich Kästner Es dient höchst verschiednen Interessen, und die Jahreszeit kehrt alles um. Wenn es warm ist, wird das Eis gegessen. Wenn es kalt ist, fährt man drauf herum. Sprung und Spitzentanz und Pirouette führt man aus und lächelt noch dabei! Wenn ich es nicht selbst gesehen hätte, glaubt ich keinem, daß es möglich sei. Hin ist hin. Auch wenn wir abends frieren,- in dem Himmel ist schon Konferenz: und der Winter muß demissionieren, und das neue Kabinett heißt Lenz! Kleiner Krokus kauert zwischen Gräsern. Aus der Eisbahn wirb ein Tennisplatz. Und die Luft ist blau und zart und gläsern. 6:2 verläuft der erste Satz. Hingerissen dichten die Poeten. Schreibpapier wird, wie wir hören, knapp. Und die Springer und die Leichtathleten lösen nun die Schlittschuhläufer ab. Wer ein Pferd hat, macht jetzt Morgenritte. Mich persönlich stört daran der Preis. Und im Freien sitzend, ruf ich:„Bitte, Ober, ein Banille-Eis!" Girsffenjsgd unter 600 Metern verboten Der Bestand an Großwild und besonders an Giraffen, nimmt in den großen afrikanischen Jagdgebieten erschreckend ab, und zwar dadurch, daß die Großwildjäger eine neue und gefahrlose Jagdmethode gesunden haben. Die afrikanische Touristik-Gesellschasten machen neuerdings große Propa- ganda für ihre prächtigen Jagdausflüge per Flugzeug. Diese Flugzeuge mit für diese Art Sport speziell ausgebildeten Fliegern nahmen für gutes Geld Jagdgäste auf. Die Flug- zeuge überflogen die afrikanische Steppe und wenn eine Giraffenherde gesichtet wurde, gingen sie in geschickten Kur- ven bis wenige Meter über die ausgeschreckten Tiere herunter und der Jäger konnte nach Herzenslust in die Herden hinein- schießen. Diese Art der Jagd ist kein Sport mehr, sondern Mord. Die Behörden mußten ihre Antilopen. Büffel und Giraffen vor den beutehungrigen Luftjägern schützen. Zu- nächst wollten sie die Jagd per Flugzeug ganz verbieten, da aber die Touristik-Gesellschaften die besten Steuerzahler sind und gegen eine derartige Maßnahme schärfsten Protest ein- legten, begnügte man sich vorerst damit, den Flugzeugführern das Heruntergehen auf weniger als 600 Meter während der Jagd zu verbieten. Genaue Höhenmessungsapparate werden dafür sorgen, daß dieses Verbot nicht überschritten wird. Neine unverheirateten Taxischauffeure Nach Paris und Neuyork soll nun auch die Haupt- stadt der Türkei , Jstambul, die Erfahrung macheu, wie unangenehm ein Taxistreik der Chauffeure ist. Der Grund dazu ist sehr eigenartig. D»e Regierung des Ghazi hat nämlich angeordnet, daß der Führerschein künftighin nur an verheiratete Kandidaten ausgegeben werden soll. Man ist nämlich der Ansicht, daß ein verheirateter Taxichauffeur vorsichtiger fährt, da er auch an die Existenz seiner An- gehörigen denken muß, als ein lediger. Die unverheirateten Chauffeure dachten erst daran, sich korporativ zu verheiraten. Tann aber entschlossen sie sich für das kleinere Uebel und kündigten den Generalstreik an, falls das junggesellenfeiud- liche Gesetz nicht abgeändert wird. Die iletztm- die Erst« Von M y n o n a „Die Erdmenschen," sagte der Kaiser des Planeten Mars , „sind im beständigen Ausruhr, sie bekriegen einander, sie streiten um Macht, und ihre Beherrscher verständigen sich so schwer miteinander." Er betrachtete mit den hohen Mar» tianern seiner Umgebung einen stereoskopischen Fernsehfilm,- der Projektionsapparat war durch ein Teleskop mit dem Planeten Erde verbunden. Man sah nicht ohne Schaudern einem Luftbombenangriff zu. Dann trat man zur Beratung zusammen:„Jetzt glaube ich," äußerte der Monarch,„ist es an der Zeit, daß wir eingreifen. Machen Sie mir Ihre Vor» schlüge, wie man dort ein« wahre Herrschast durchführen 5önne. Man müßte die allertüchtigsten Menschen über die anderen setzen. Unserer gereiften Urteilskrast wirb es nicht schwer fallen, die Tüchtigsten herauszuerkennen. Ich befehle Sie borthin," wandte er sich an seinen Oberfeldherrn,„und gebe Ihnen alle Machtmittel, die dort nötig sind."„ „Da die Menschen," verbeugte sich gehorsam der Feldherr, „in den Jahrtausenden ihrer Geschichte reichlich bewiesen haben, daß sie untereinander nicht recht einig werden können, ist zu vermuten, daß auf Erden die echte Tüchtigkeit gänzlich verkannt und v e r b o r g e n ist. I» dieser Richtung hoffe ich, den wahren menschlichen Herrscher leicht herausfinden zu können." Es wurde vom Mars aus in die Erdatmosphäre ein Stoff eingemengt, der alle Menschen möglichst suggestibel für die vernünftige Einwirkung der Martianer machte. Das Raum- schiff brachte die Abordnung des Mars in kurzer Zeit zur Erde, in die Hauptstadt des mächtigsten Reiches. Unter der Gewalt der kosmischen Hypnose kam eine Konserenz samt- licher irdischer Staatsmänner zustande. Der martianische Feldherr ergriff das Wort:„Die Menschheit," bestimmte er, „soll sich gesetzlich und nicht chaotisch benehmen. Natur- gesetze taugen nur für Mechanismen, nicht für Intelligenzen. Das Jntelligenzgesetz hat unter euch allen ganz allein Immanuel Kant entdeckt. Wer aber will es a n w e n- den? Wer exekutieren? Ihr wißt es kaum, und ich bin gekommen, um es euch zu sagen. Ich frage daher: wen haßt, wen verachtet ihr am tiefsten? Wer ist euch der Niedrigste, Widerlichste, Ekelhafteste? Wer euer Paria?" Nicht einen Augenblick verzögerte sich die Antwort. Wäh- rend alles von Naturkraft strotzte, wies man auf ein mensch- liches Wesen hin, das die Ohnmacht selber schien, dessen Leib lächerlich war: jedoch war er unverkennbar von uralter, unirdischer Erhabenheit umwittert. „Hier," winkte der Feldherr,„ist das Strahlende. daS ihr zu schwärzen. daS Erhabene, daS ihr in den Staub zu ziehen liebt. Vor diesem beugt euch, er soll euch beherrschen. Das Uebernatürliche und nicht die Natur soll herrschen. To sollt ihr Kraftnaturen von diesem beherrscht werden. Es ist die Einheit, die ihr zerstückelt. Setzt ihn auf den Thron!" Es geschah, und seitdem reimt sich der Mensch auf sich selbst, und der Mensch auf den Menschen wie die Endsilben von Gebichtzeilen. Der letzte Vandit von Korftka Spada wird auf seinen Geisteszustand untersucht Sieben Uhr früh, am Hafen von Marseille stauen sich trotz der frühen Stunde die Neugierigen. Hafenarbeiter, Frauen, die auf de» Markt gehen wollen, und die Masse jene Un» definierbaren, die im Hafen und vom Hafen leben, ohne daß sie arbeiten. Ein Schiff erscheint am Horizont, die„Bille d'Ajaccio". Ein Raunen geht durch die Menge.„Er kommt!" Und dann legt das Schiff am Pier fest. Reisende gehen an Bord, Geschrei, Hasten, dasselbe Bild wie bei jeder Schiffs- ankunft. Tann aber kommt Bewegung in die Masse der Neugierigen. Ein Gendarm erscheint und führt an einer Kette einen kleinen, barhäuptigen, braungebrannten Menschen: Spada, den berühmtesten, letzten korsischen Ban- diten. Hinter ihnen folgt ein weiterer Gendarm. Nicht lange haben die Zuschauer Zeit, diesen Helden zu bewundern, denn er gilt im Volke wirklich als Held, ihn umweht die Räuberromantik verklungener Zeiten, er hat stets den Armen gegeben, was er den Reichen nahm, und sein zäher Kampf gegen ein« ganze kleine Armee von Polizisten hat ihm die Hochachtung der Marseille ! eingetragen. Spada wird von anderen Genbarmen in Empfang ge- nommen und soll in ein Auto verfrachtet und ins Gefängnis abtransportiert werden. Was hat der Bandit von Korsika in Marseille zu suchen? Er kam in einer eigenartigen Mission. Sein Verteidiger hatte Untersuchung auf Geistes- krankheit beantragt, der Untersuchungsrichter gab diesem Antrage statt, aber das Gericht von Ajaccio konnte in ganz Korsika keinen amtlich vereidigten Psychiater austreiben. So mutzten sie ihren Banditen nach Marseille überführen lassen, um ihn hier von Kapazitäten untersuchen zu lassen. Zum Schreck der Gendarmen stellt sich heraus, daß die Ge» fängniSbehörde kein Auto geschickt hat, Spada lächelt ver» schmitzt zu den Neugierigen herüber, bis ein Gendarm kurz entschlossen eine Taxe herwinkt, und nun geht es im Eil- tempo ins Gefängnis. Aber Spada hatte seine Sensation, er hatte eine schöne TchiffSreise und eine noch schönere Auto- tour, das Volk von Marseille stand Spalier und wink'e dem Banditen ein fröhliches Lebewohl zu. MTP.
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2 (11.4.1934) 83
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