ballo bau diode 196
Frethel
Nummer 86-2. Jahrgang
Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands
Saarbrücken, Samstag, den 14. April 1934 Chefredakteur: M. Braun
Wir beginnen heute mit dem
Abdruck einer Actikelceihe von Heinz Liepmann über
,, Internationale Probleme der
Emigration"
Seite 3
Herausforderung! Gestern und heute
An die Geheime Staatspolizei , an das ReichsPropagandaministerium und an ihre Presse In der„ Saarbrücker Zeitung " vom 13. April lesen wir: starf sich bei vereinzelten Gruppen auch in der Schweiz der starf sich bei vereinzelten Gruppen auch in der Schweiz der Deutsche Freiheit“ Wille festgesetzt hat, geistigen Kampf durch Polizeimittel zu entscheiden. Es hieße die Bundesbehörden der Schweiz beleidigen, wenn wir auch nur einen Augenblick annehmen wollten, sie beabsichtigten eine Auslegung ihrer Verordnung in der plumpen und gehässigen Art, die ihnen das„ Berner Tageblatt" zuzuschieben trachtet.
Das Berner Tageblatt" beschäftigt sich mit einem Artifel, der in der Saarbrüder Emigrantenzeitung Deutsche Freiheit" unter der Ueberschrift„ Erlebnis in Zürich " von einer Emigrantin in der Schweiz veröffentlicht worden war. Das Blatt führt dabei u. a. aus: In Saarbrückenerscheint die Emigrantenzeitung, Deutsche Freiheit". Dieses übelste Elaborat jüdisch- marristischen Geistes wird auch von Schweizer Zeitungen gelegentlich als Quelle benutzt. Eigentlich sollte dieses Blatt, dem Lüge und Verleumdung auf der Stirn geschrieben stehen, bei uns verboten werden, weil es dazu geeignet ist, die guten Beziehungen zu unserem Nachbarstaat zu trüben." Zum Schluß erklärt der Artikel:„ Die Zeit wird zeigen, ob auf die Dauer die Schweiz der Tummelplaz solcher Elemente bleiben soll, die nicht nur das schweizerische Ainlrecht mißbrauchen, sondern auch noch unsere altschweizerische Tradition verhöhnen und beschmuzen." So das„ Berner Tageblatt".
Das„ Berner Tageblatt" wird seit einiger Zeit in den gleichgeschalteten deutschen Zeitungen ähnlich gern und häufig sitiert wie einst die Pariser Volonte", ehe fich öffentlich herausstellte, daß sie von der deutschen Reichsregierung und von Herrn Stavisfy gleichermaßen geliebt und gesegnet worden war.
Was unser Feuilleton„ Erlebnis in Zürich " betrifft, das übrigens gar nicht von einer in der Schweiz lebenden Emigrantin stammt, so hat es uns gerade aus der Schweiz entrüstete Zuschriften von eidgenössischen Staatsbürgern eingebracht, weil es die Verhältnisse viel zu rosig schildere. Wie sehr es geeignet ist, altschweizerische Traditionen zu verhöhnen und zu beschmutzen", beweist der Schluß der kleinen Arbeit:
Sind Demokratie und Kapitalismus auf die Dauer vereinbar? Mit bangen Fragen vor der Zukunft verlassen wir das Land, dessen Volksrechte auf dem Rütli por vielen Jahrhunderten unveräußerlich festgelegt wurden und lebendigen Atem behielten für alle, die mit der Freiheit und dem Menschenrecht untrennbar verschwi= ftert sind.
Wenn das„ Berner Tageblatt" auf Grund eines solchen Befenntnisses zum Geist der Schweizer Demokratie unser Verbot in der Schweiz fordert, ist das ein Beweis dafür, wie
Dem Berner Tageblatt" aber wollen wir Gelegenheit geben, wirkliches Material für unser Verbot in der Schweiz beizubringen.
Wir fordern das Blatt auf, uns unverzüg= lich nachzuweisen, wann wir Lügen und Ver leumdungen veröffentlicht haben. Die Mithilfe der Geheimen Staatspolizei und des deutschen Reichspropagandaministeriums wird dem in Berlin so geschäßten Blatte sicherlich zur Verfügung stehen, falls diese Stellen Material über unsere Lügen und Verleumdungen" besitzen sollten. Auffallend ist dann allerdings, daß weder die Geheime Staatspolizei noch das Reichspropagandaministerium bisher auch nur in einem einzigen Falle Gelegenheit genommen haben, uns irgendeine Rüge oder Berleumdung" nachzuweisen. Nicht minder auf fallend ist, daß gegen unser Blatt,„ dem Lüge und Verleum= dung auf der Stirn geschrieben stehen", während seines nun immerhin zehnmonatigen Bestehens weder eine private noch eine öffentliche Klage angestrengt worden ist. Bei einem so aggressiven und rücksichtslosen Kampfblatt immerhin eine feltene Erscheinung.
Dem Saarbrücker Blatt schließlich, das aus denselben reichsdeutschen Quellen gespeist wird, wie die korrupte Pariser„ Volonte ", ist noch zu sagen, daß bei den reichen Berliner Subventionen doch hätte erwartet werden müssen, daß mindestens die„ Saarbrücker Zeitung " ab und zu die „ Lügen und Verleumdungen" hätte aufzeigen müssen, die uns angeblich an der Stirn geschrieben stehen.
Wir erwarten, daß das Berner Tageblatt" und die„ Saarbrüder 3eitung" nun sofort mit ihrem Material gegen uns herausrüde n. Man wird vergebens warten.
Wir jedenfalls werden unseren Kampf fortsetzen: für Deutschland , gegen die Barbarei! Nicht minder scharf und rücksichtslos gegen eine Journalistik, der bestimmte sehr materielle Interessen an der Stirn geschrieben stehen.
Kirchen- Müllers Regiment zu Ende?
Von
allen Seiten berannt....
Sind die Tage der Diftatur des Reichsbischofs Müller wirklich gezählt? Fast scheint es so. Von mehreren Seiten wird seine Position gestürmt. Die NSDAP . hat beschlossen, durch einen Gewaltatt den innerfirchlichen Streitigkeiten ein Ende zu bereiten. Der Münchener Nationalsozialist Dr. Jäger wurde auf den Druck der Partei hin zum Mitglied der Kirchenregierung mit diftatorischen Vollmachten ernannt. Er soll einen„ neuen Aufbau" der Kirche unter vollkommener Unterdrückung jeder Opposition durchführen. Reichsbischof Müller soll im Amt bleiben, aber nur noch formelle Vollmachten besitzen.
Aber damit sind die Schwierigkeiten des offiziellen Kirchenregiments noch nicht abgeschlossen. Der frühere Kirchenminister Dr. Friedrich Werner, der ursprünglich persona gratissima des Reichsbischofs war, im Dezember aber plößlich entlassen wurde, hat seinen Prozeß gegen die evangelische Kirche gewonnen. Ein Urteil des Landgerichts Berlin verpflichtet den Re hsbischof oder die Kirchenregierung zur Weiterbezahlung des Gehaltes. Dieses Urteil stel It die Rechtsgültigkeit sämtlicher firchenpolitischer Defrete Müllers ernsthaft in Frage. Der eigentliche Kopf ist längst nicht mehr Müller, sondern sein„ Stabschef", Bischof Oberheid, der früher in der westdeutschen Schwerindustrie als besonderer Vertrauensmann Thyssens eine einflußreiche Rolle spielte. Er holte später sein Theologiestudium nach und trat in die SA. ein. Im März
1933 bestand er sein theologisches Eramen. Nachdem er ein halbes Jahr Pfarrer war, wurde er Bischof. Dieser Mann, Befizer großer diplomatischer Fähigkeiten und aalglatter Gewandtheit, ist heute der eigentliche Kirchenregent. Inzwischen gehen die Amtsenthebungen immer weiter. Aus allen Teilen Preußens und Sachsens werden, wie United Preß meldet, Maßreglungen von Pastoren gemeldet. Fast überall protestieren die Gemeinden, da sie nahezu durchweg hinter den Notbund- Pfarrern stehen. Allein in Sachsen wurden seit Ostern 24 Pfarrer ihres Amtes enthoben. Darunter befindet sich der bekannte Dresdener Hofprediger von Kirch=
Gleichzeitig aber ist der Pfarrer Notbund attiver als je. Der fommissarische evangelische Bischof von Berlin , Domprobit Edert, ein Mitglied der Deutschen Chriften, hatte für den 11. April sämtliche Berliner Pfarrer zu einer Konferenz eingeladen. Die Angehörigen des Pfarrer- Notbundes bontottierten diese Konferenz. Sie erließen eine Erflärung, daß sie erst dann wieder folchen Einladungen folgen würden, wenn ihre abgefeßten Amtsbrüder rehabilitiert seien und die Beschuldigung, daß die firchliche Oppofition im Dienste der Reaftion stehe, offiziell zurückgenommen merde. So wurde aus der Konferenz nichts. Der Korrespondent der„ Neuen Zürcher Zeitung " teilt mit, daß von den 400 Berliner Pastoren 200 dem Notbund und 120 den Deutschen Christen angehören. Nach zuverlässigen Schäßungen stehen von der gesamten evangelifchen Geistlichkeit Deutschlands 6000 im Lager des Not- 6 ach. bundes, 2000 bei den Deutschen Christen und 9000 verhielten
Bon Westfalen abgesehen, ist der Proteststurm in om bischof Einspruch gegen die Maßreglungen erhoben. Die
Geht es schon los? Wann war es das letzte Mal, daß man dergleichen las? Die Ueberschrift nämlich, die wir heute in der Kölnischen Zeitung " lesen:„ Gegen den neuen EierSchleichhandel".
Schleichhandel das war doch eine Sache aus der Zeit im Kriege und unmittelbar nachher, als es nichts zu essen gab.
Als die Wirtschaft nicht mehr funktionierte. Als die Stadt
bevölkerung nichts mehr kaufen konnte, weil sie zu arm war, und die Bauern nichts mehr verkaufen wollten, weil sie der Mark nicht mehr trauten. Als Wohlhabende Unsummen für ein Pfund Butter anlegten und die weniger Glücklichen über eine Untertasse voll Rübenmus froh waren.
In der Tat, die Meldung, die das Deutsche Nachrichtenbüro in aller Unschuld mit dem Datum des 12. April 1934 versieht, könnte ebenso gut am 12. April 1917 veröffentlicht worden
sein:
,, Mittwoch morgen wurde mit großem polizeilichem Aufgebot eine Kontrolle der Zentralmarkthalle Berlin am Alexanderplatz vorgenommen. Das Ziel war, alle diejenigen Aufkäufer und Zwischenhändler von Eiern zu erfassen, welche entgegen den gesetzlichen Vorschriften Eier noch unmittelbar bei den Erzeugern oder bei den Kennzeichnungsstellen ohne Mitwirkung der Bezirkszentralen aufkaufen. Eine große Anzahl von solchen Händlern und Aufkäufern wurde festgestellt. Ihre Ware wurde beschlagnahmt und Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet. Vor wenigen Tagen wurden in Stettin ebenfalls in großem Umfange Kontrollen durchgeführt. Die Uebertretung der neuen Eierbestimmungen wurde auch hier festgestellt und zur Anzeige gebracht. Solche Kontrollen der Märkte werden auch an anderen Orten erfolgen."
Was ist da passiert? Versuchen wir es uns vorzustellen denn mit handfesten, zuverlässigen Mitteilungen ist der deutsche Nachrichtenapparat leider sparsam. Also: die Lebensmittel werden offenbar mit jedem Tage teurer. Zwar die Statistik zeigt es nicht an; im Gegenteil, da sinken die Preise in den legten Wochen. Auch die Eierpreise- was ja im Frühjahr ganz natürlich ist. Aber damit muß es doch irgendwo einen Haken haben. Denn ohne Grund macht der Schleichhändler sich nicht auf die Strümpfe.
In der deutschen Landwirtschaft diktiert der Staat die Preise. Er hat vorher durch eine unsinnige Zollwirtschaft sein Möglichstes getan, sie in die Höhe zu treiben, und ver sucht jetzt das Unmöglichste, nämlich ihr weiteres Steigen zu verhindern. Eine weise Politik, die den Beamten wenigstens Beschäftigung gibt.
Aber der Bauer will nun einmal Geld sehen. Und es scheint Leute zu geben, die imstande sind, höhere Preise zu zahlen. Dazu gehören zwar nicht die Millionen, denen Hitler durch seine Arbeitsbeschaffung Arbeit und Brot nicht ohne Margarine versprochen hat, aber doch wohl diejenigen, die wir in der ,, Eleganten Welt" oder der ,, Berliner Illustrirten" beim Fahr- und Reitturnier der Grünen Woche mit eleganten SS.- Uniformen abgebildet sehen. Für diese kauft der Schleichhandel die Eier auf.
Kurz: alles wie einst im April vor siebzehn Jahren. Wenn man den Herrn Schleichhändlern einen Tip geben dürfte, so würden sie gut daran tun, sich demnächst mit Strümpfen, Damenblusen oder Unterhosen auszurüsten. Nach dieser Ware wird voraussichtlich bald große Nachfrage sein. Denn in ihrer Weisheit und in ihrer Not hat die Reichsregierung bekanntlich die Einfuhr von Wolle, Baumwolle und anderen Stoffen, die man für Strümpfe, Blusen und Unterhosen braucht, verboten. Das Allerklügste aber wird sein, wenn der Herr Schleichhändler bei dem Herrn Unterhosenverkäufer sogleich mit einem Korb voll Eiern antritt. Denn Mark ist Mark, und Sache ist Sache, und was nügt die schönste Währung, wenn man sich nichts dafür kaufen kann. Es wäre noch nicht soweit? Zugegeben. Aber wenn man in der gleichen Zeitungsnummer und auf derselben Seite Ueberschriften liest wie„ Ausgabe neuer Fettverbilligungsscheine", dann wird man doch zu lebhaft an die Vergangenheit erinnert, um nicht auch an die Zukunft zu denken.
Argus.
oppofitionelle Stimmung wurde geschürt durch einen Vorgang, der erst jetzt bekannt wird. Vor einigen Wochen wurde der Superintendent Neumann in einer Versammlung der Deutschen Christen, in der er in der Diskussion sachlich eine andere Meinung vertrat, aus dem Saal gezerrt, schwer mißhandelt und alsdann ins Gefängnis ge= bracht. Von der Leitung der Versammlung geschah nicht das Geringste zum Schuße des Superintendenten .
So ballen sich die Wolken über dem Haupte des Kirchendiftators Müller zusammen. Er ist ein erledigter und abger wirtschafteter Mann, der die maßgebliche Verantwortung für die vollkommene Auflösung der evangelischen Kirche zu tragen hat. Freilich entsteht die Frage: Wird sein Abschied die auseinanderstrebenden Elemente wieder zusammenfügen und scheidet die Geister.
sich„ neutral". Man nimmt nicht mit Unrecht an, daß diese mern besonders heftig. 120 Personen haben beim Reichs- können? Wir zweifeln daran. Der Riß geht tief
9000 innerlich mit dem Pfarrer- Notbund sympathisieren.