,, Deutsche Freiheit", Nr. 95

ARBEIT UND WIRTSCHAFT

d

Niedergang des deutschen  Seeverkehrs

Seit 1930 halbiert

Aus dem ,, Wirtschaftsdienst" vom 6. April ergibt sich, daß der überseeische Passagierverkehr über Hamburg   und Bre­ men   1933 im Vergleich zum Vorjahr noch stärker abgenom­men hat als 1932:

ad

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Saarbrücken  , Mittwoch, 25. April

Kein Geld für Arbeitslose!

Ein Viertel der Arbeitslosen bleibt ohne Unterstützung

Im letzten amtlichen Bericht über den Stand der Arbeits­losigkeit wird festgestellt, daß die Zahl der Arbeitslosen sich in Ostpreußen   um 40 Prozent und in Pommern   um 30 Pro­zent vermindert hat. Wer erinnert sich noch der Sieges­berichte vom vorigen Jahre? Ostpreußen   und Pommern  waren die ersten Provinzen, die die völlige Ueberwindung der Arbeitslosigkeit meldeten. Und als dann in der Zwischen­zeit die Arbeitslosigkeit ganz sachte wieder anstieg, da wurde oss jede Nachricht darüber unterdrückt. Jetzt beginnt man lang­sam zuzugeben, wie die Verhältnisse wirklich liegen.

Zusammen

%%% Rück gang geg. u. Vorjahr

Hamburg

Bremen

Gesamt

verkehr

% Rück gang geg.

d. Vorjahr

Gesamt verkehr

% Rücks gang geg. d. Vor ahr

Gesamt verkehr

1930 1031. 1932. 1933.

157 298

135623

111 849

100 589

95.905

28.9 10.1 4.7

95733 9669 70 885

294 5.3 21.8

292921 207 582 191258 166 79J

78 128

29.130

Dabei fällt auf, daß, während 1932 Hamburg   einen grö Beren Verlust hatte, 1933 Bremen   einen Rückgang um 21,8 Prozent erleiden mußte gegen einen solchen in Hamburg   von 4,7 Prozent. Am Verkehr 1930 gemessen hat sich der Ge­samtverkehr 1933 über die deutschen   Häfen um 43 Pro. zent vermindert. Weiterhin ergibt sich, daß der Aus­reiseverkehr sich verhältnismäßig gut behauptete und daß der Auswandererverkehr, so gering er ist, wieder zunahm. Diese Hamburger   und Bremer   Verkehrszahlen sind nicht identisch mit der Entwicklung bei Hapag und Lloyd, da in den deutschen   Häfen auch andere Linien verkehren, außerdem aber die deutschen   Reedereien einen Teil ihrer Passagiere in England und Frankreich   aufnehmen bzw. ab­setzen. So hat die Hapag ohne die Teilstrecken, aber ein­schließlich der Vergnügungsreisen 1933 etwa 72 000( 83 000) Personen befördert, der Lloyd einschließlich aller Fahrt­gebiete 124 000( 117 000). Im Nordatlantikverkehr ist die Zahl der beförderten Fahrgäste um 24.4 Prozent zu­rückgegangen, bei einer absoluten Ziffer von 572 002 gegen 756 531 in 1932, 813 338 in 1932 und 1 168 184 in 1930. Im Gegensatz zum Personenverkehr hat sich, wie wiederholt be­richtet, der Güterumschlag über die deutschen Seehäfen wieder etwas gehoben. An den bis­herigen Zahlen des laufenden Jahres läßt sich feststellen, daß der Rückgang im Güterverkehr wahrscheinlich zum Stillstand gebracht worden ist.

Höchstpreise!

Im Reichsgesetblatt Nr. 43 vom 21. April 1934 werden zwei Verordnungen zur Verhinderung von Preissteigerungen auf dem Textilgebiet und auf dem Gebiet der Lederwirt­schaft veröffentlicht.

Nach der ersten Verordnung ist es verboten, beim Verkauf von Textilrohstoffen, Textilzwischen- und Textil­fertigerzeugnissen sowie den daraus hergestellten Waren im

Inlandverkehr einen höheren Preis zu fordern oder sich einen anderen gewähren oder versprechen zu lassen, als ihn der Verkäufer in der Zeit vom 1. bis 21. März 1934 erzielt oder angekündigt hat.

Die zweite Verordnung bestimmt, daß es verboten ist, beim Verkauf von Fellen und Häuten einen höheren Preis zu fordern, als ihn der Verkaufer in der Zeit vom 17. März bis 14. April 1934 erzielt oder öffentlich angekündigt hat. Wer den Verboten zuwiderhandelt, wird mit Gefängnis und Geldstrafe, deren Höchstmaß unbeschränkt ist, bestraft.

Nach diesem System spielt sich die gesamte Sozialpolitik im ,, dritten Reich" ab. Während im Vordergrunde im grellen Scheinwerferlicht einer allumfassenden Propaganda die Ak­tionen der Winterhilfe, die Erholungsreisen für Arbeiter auf Ueberseedampfer, das Hilfswerk für Mutter und Kind durch­geführt werden, vollzieht sich im Hintergrunde der systema: tische Abbau der Sozialpolitik, der öffentlichen Unterstützun­gen und der öffentlichen Fürsorge. Ein Beispiel, an dem man diesen Vorgang mit besonderer Deutlichkeit beobachten kann, ist die Arbeitslosenunterstützung.

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Aber diese Zahlen bedeuten zugleich, daß das Regime ungeachtet der Herabsetzung der Unterstügungen selbst- allein durch diese Maßnahmen jährlich rund 200 Millionen an Arbeitslosenunterstützung einspart und höheren Zwek­ken" zuführt: denn der Gemeinnut" der Rüstungsindustrie geht vor dem..Eigennuts" hungernder Arbeitsloser.

Die Unterstützung der Arbeitslosen zerfällt in Deutschland  in drei Zweige, die im allgemeinen in zeitlicher Aufeinander­folge wirksam werden: Die Arbeitslosenversicherung, die Krisenfürsorge und die Wohlfahrtspflege der Gemeinden. Obgleich die Wohlfahrtspflege die Aufgabe hat, alle die Ar­beitslosen zu betreuen, die entweder in der Arbeitslosenver­sicherung oder der Krisenfürsorge ausgesteuert worden sind oder nie ein Anrecht auf diese Art der Unterstützung erwor­ben haben, hat es in Deutschland  , wie wohl auch in allen anderen Ländern, von jeher einen kleinen Teil von Arbeits­losen gegeben, der keine Unterstützung erhielt, weil er noch Einkommen aus anderen Quellen hatte. Wie sich der Anteil dieser Nichtunterstügten entwickelt, ist eine der wichtigsten Maßstäbe für den Zustand der Arbeitslosenunterstützung überhaupt. Lassen wir darüber auf Grund der amtlichen Sta­

Die Verordnungen treten sofort in Kraft. Der Reichswirt­schaftsminister bestimmt den Zeitpunkt, an dem sie außer Kraft treten.

Braune Tantiemenschlucker Eigennutz geht vor Gemeinnutz

Die Nationalsozialisten haben unentwegt gegen die Tan­tiemen und die Dividenden der Aktiengesellschaften gewet­tert. Inzwischen sind die Führer massenhaft als Auf­sichtsräte und Vorstandsmitglieder in die großen kapitalistischen   Gesellschaften eingezogen und genie­Ben ungeschmälert Riesenbeträge arbeitslosen Einkommens. Jetzt bekämpfen sie es natürlich nicht mehr, sondern ver­teidigen und rechtfertigenes! Dafür ist ein Vor­gang in der Generalversammlung der Ilse

dist

tistik die nüchternen Zahlen sprechen, wie sie allmonatlich von der ,, Frankfurter Zeitung  " in einer tabellarischen Ueber­sicht aller Welt zugänglich gemacht werden. Auf Grund der letzten Tabelle in der Ausgabe vom 11. April 1934 ergibt sich bei einer Gegenüberstellung der Gesamtzahl der unter­stigten Arbeitslosen in allen drei Zweigen der Unterstützung und der nichtunterstützten Arbeitslosen folgendes Bild:

Stand

am Monatsende

54 7444 267 6128 6 014

Zahlen in 1 000 477 10 Prozent 5 520 608 10

5 232 772 13

5 599

4 566

1033

18

3 745

2 866

859

23

# 3 715

2 837

878

24

4 058

3 139

919 22

3772

3 028

744 20

22

99

März 1931 Februar 1932 Januar 1933 März 1933 Oktober 1933 November 1933 Dezember 1933 Januar 1934 Februar 1934 3 373 2.694 679 21 März 1934 2.799 2145 654 23 Was bedeuten diese Zahlen? In diesen Zahlen kommt alles das zum Vorschein, was bisher durch die Vernebelungspropa­ganda des Regimes der Oeffentlichkeit verborgen worden ist. Diese Zahlen bedeuten, daß man den Arbeitslosen, die noch ein weniges ihr Eigen nennen, gänzlich die Unterstügung ge­nommen hat. Sie bedeuten, daß man Söhne und Töchter nicht mehr unterstützt. Sie bedeutet, daß man dem Vater die Unterstützung entzogen hat, weil eine Tochter oder ein Sohn noch eine Arbeitsstelle hat, wenn auch die Entlohnung noch so kümmerlich ist. Sie bedeuten, daß man den Mann nicht mehr unterstützt, weil die Frau durch Hausarbeit als Wasch­frau oder Aufwartefrau noch ein paar Pfennige verdient. Sie bedeuten, daß man all die politisch unzuverlässigen Ele­mente" kurzerhand von der Unterstützung ausgeschlossen hat, nur weil sie im Verdacht stehen, noch heute Anhänger der Freiheit und des Sozialismus zu sein. Namenloses Elend, bittere Not verbergen sich hinter diesen Zahlen!

Bergbau AG.   von bemerkenswertem Interesse. Einige Kleinaktionäre, also Leute, die nur für etliche 1000 Mark Aktien im Besitz haben, kritisierten, daß der Vorstand und der Aufsichtsrat zu hohe Aufwendungen für sich beanspruch­ten. In dem Bericht heißt es nun, daß der Vorsigende Staatsrat Reinhart, also ein waschechter National­sozialist, darauf antwortete, daß die Tantiemen und sonstige Aufwendungen auf Verträgen beruhten, die zu ändern keine Veranlassung bestünde. Die Nationalsozia­listen fanden sie als nur zu hoch, solange sie selbst nicht daran teilhaben konnten!

Es ist das nicht der einzige Fall, in dem Theorie und Praxis der Nationalsozialisten in so schreiendem Gegensatz zueinander stehen.

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Als man Herrn Rechenstift morgens früh um 5 Uhr in seiner Kabine weckte, weil dos Schiff ein Leck habe und sich die Reisenden zur Ausbootung bereithalten müßten, wenn das Wasser im Schiffsraum weiter steige, tat Herr Rechen­stift etwas Geistesgegenwärtiges: er goß sein Nachtgeschirr zur Schiffstufe aus.

So geistesgegenwärtig ist auch der Reichsbanfpräsident Hjalmar Schacht  : nachdem feststeht, daß die Rohstoff­fäufe für Kriegsmaterialien, ferner die Strips- und Sperr­marfergebnisse beim Export den Devisenvorrat des deutschen Reiches reißend erschöpft haben, sett er die Summe dessen, was der einzelne monatlich ins Ausland versenden darf, von 200 auf 50 Mart herab. Und glaubt ein Gegengewicht gegen das ins sinkende Schiff einströmende Wasser gefunden zu haben, wie Herr Rechenstift, der seinen Nachttopf ausgoß... Die Empfindlichen

Der deutsche Gesandte in Prag   hat auf Befehl seiner Regierung gegen eine Rarifaturausstellung offiziellen Protest erheben müssen, weil Hitler  , Röhm, Göring   usw. sich durch die ausgestellten Spottbilder in ihrer Würde gekränkt

fühlten.

Vom Alten Fritz wird die Anekdote erzählt: Er habe auf einem Ritt durch Berlin   ein Gedränge von Menschen be­obachtet und als Ursache desselben eine hoch an einem Haus­giebel befestigte& arifatur auf sich selber feststellte. Darauf habe er befohlen: Niedriger hängen, damit die Leute es bequemer ansehen fönnen." Dieses königliche Niedriger hängen!" ist sprichwörtlich geworden.

Die Nationalsozialisten nehmen in üblicher Bescheidenheit den Alten Fris als den ersten Nationalsozialisten" für sich in Anspruch. Es scheint aber doch, daß dieser französisch sprechende und mit dem Spötter Voltaire   eng befreundete Nationalsozialist" in puntto persönlicher Empfindlichkeit er­heblich anders geartet war, als die heutigen Machthaber. Er litt freilich auch nicht wie sie unter Minderwertig­feitsfompleren...

Darum verboten!

Die politische Polizei in Anhalt hat in letzter Zeit eine Anzahl von Organisationen als unzulässig verboten. Unter

diesen fallen einige auf, weil ihre Namen auf eine bestimmte Richtung des Verbots hinweisen. Wir nennen sie, es sind: Der Reichsverband der Reichsbanfgläubiger, Der Reichsbund der Inflationsopfer E. V. Die Aufwertungs- und Aufbaupartei Der freie Bund für Volkes Recht und Aufwertung= Reichsbankgläubiger und Inflationsgeschä= digte aller Art.

Auch bei den übrigen aufgelösten Verbänden wie Deutscher Volksbund für Wahrheit und Recht" handelt es sich über= wiegend um Organisationen der Sparer. Zur Sicherheit wurde auch noch das Vermögen der aufgelösten Ver­bände gestohlen?

Sparer, die erit mit zügellofen Aufwertungsversprechungen Merfite was?" möchte man fragen. Es geht gegen die für Hitler gefödert wurden. Aber nicht nur, daß diese Ver­sprechungen selbstverständlich- vom dritten Reich" nicht gehalten wurden: unter der Decke bereitet sich bereits ein neuer Raubzug gegen die Sparer vor: die Sparkassen werden für die Arbeitsbeschaffung"( lies: Kriegsrüstung) Reichsbank birgt sich die kommende Inflation. Darum ausgeplündert, und hinter dem Devisenschwund der müssen die Selbsthilfe- Organisationen der Sparer schleunigst verschwinden!

Ach so!

Mit großem Tamtam hat die braune Bresse neulich ver­fündet, daß sieben sadistische SA.- Folterknechte zu lang jährigen Freiheitsstrafen verurteilt worden sind. Woraus die Welt erfche, daß Mißhandlungen im dritten Reiche" nicht geduldet würden.( Man kann aber auch daraus ersehen, daß Grenelmärchen" eben feine Märchen sind.) Doch selbst das war Bluff!

Jezt ist die Neue Züricher Zeitung" in der Lage, Licht in die geheimnisvolle Angelegenheit zu bringen. Sie be­richtet, daß die fieben Berurteilten sich in Bredow bei Stettin  cin privates Konzentrationslager errichtet hatten, in das sie nach eigenem Ermessen verhaftete Leute schleppten, um fie zu foltern. Die Behörden haben ihr Treiben monatelang ge= duldet und die fieben Sadisten hätten ihre Tätigkeit un­behelligt fortseyen tönnen, wenn sie nicht aus Versehen eines Tages auch deutsch nationale Stettiner Bür ger zu Opfern erkoren hätten, die noch dazu Freunde des Generalfeldmarschalls Maden fen waren. Der alte Madensen erfuhr von den Folterungen, alarmierte Hindenburg  , Hitler und Göring   und setzte die Bestrafung der sieben Sadisten

durch.

Also nicht, weil sie geoltert haben, sondern weil sie die alfchen gefoltert haben, sind die edlen Sieben verurteilt worden. Denen, die die Richtigen" foltern oder erschießen

geschicht nichts

geschicht nichts- fiehe die Fälle Mahrum, Remmele, Heil­mann, Eggerstädt, Steinfurth   und ungezählte andere!

Einschienenbahn?

Eine beliebte Redensart der Raziagitatoren lautete also: Wenn wir an der Macht sind, dann bauen wir die Ein­schienenbahn nach Jerusalem  ." Nun aber hat der deutsche  Reichsfinanzhof ein auffälliges Urteil gefällt. Nach der von ihm getroffenen Entscheidung fann im allgemeine ein deutsches Interesse an der Auswanderung von Nichts artern   mit anerkannt werden."

Vor Tische las mans anders! Aber inzwischen ist man dahinter gekommen, daß gewisse wohlhabende Juden doch zum mindesten als Steuerobjefte recht gut zu brauche find. Von ihrer Person würde man sich gewiß gerne trennet aber wenn sie ihre Habe ganz oder zum Teil mitnehmen, ist das schmerzlich.

Und dann ist noch ein weiterer Grund vorhanden, der det Bleiben der Juden in Deutschland   gebieterisch erheisch immer deutlicher fühlen die Machthaber den Zeitpunkt nahen in dem der Groll der unterdrückten, betrogenen und be. raubten Massen nicht mehr einzudämmen sein wird. Nun und auf wen sollen sie diesen ausbrechenden Bolkszorn a leiten, wenn feine Juden mehr in Deutschland   sind?! Mein Name ist Sase ich bindas Reich 3- gericht! 20

Ein von der Straffammer zur Entmannung Verurteilter hatte gegen diefes Urteil Revision beim Reichsgericht ein­gelegt. Der 3. Straffenat des Reichsgerichts erfannte jedoch auf Verwerfung der Revision mit folgender Begründung:

Bei der Frage, ob auf Entmannung zu erkennen ist, handelt es sich um eine in das Ermessen des Tatrichters gc­stellte Entscheidung, die von der Voraussetzung abhängig ist, daß es sich um einen gefährlichen Sittlichkeitsverbrecher" handeln muß... Vom Reichsgericht nachprüfbar ist nur, ob die recht lichen Vorausfehungen der einschlägigen Strafbestim mungen vorliegen oder ob der Borinstanz ein Ermessensmisbrauch unterlaufen ist. Die Anordnung der Entmannung fann ab­weichend vom Standpunkt des Sachverständigen erfolgen und bedarf feines entsprechenden Antrags des Staatsanwalts."

Das Reichsgericht schiebt also die Verantwortung dem Tat­richter. d. H. dem Richter der ersten Instanz zu und wäicht im übrigen wie weiland Pontius   Pilatus seine Hände in Unschuld. Es handelt sich ja auch nur um die Verstümme= lung von Menschen, wie fie feit 200 Jahren in   Deutschland nicht mehr rechtens war. Der Tatrichter fann fie anordnen. auch wenn der Sachverständige widerspricht, und das hohe Reichsgericht erklärt: Mein Name ist Hase- ich bist unzuständig!