Wohnung in der LetdienlialleNationalsozialistische Zeitungen Ober das Elend im..dritten ReichDem„Allgäuer Tageblatt"(Nr. SO) entnehmen wirfolgende Tchilöerung des Elends im Donaumoos:Die Gemeinden sind arm. Auch die kleinste geldlicheUnterstützung zu geben, ist unmöglich. Es fehlt am Not-wendigsten. Herzzerreitzend der Anblick der versorgten undvergrämten Mütter, die ihren Kindern nicht die geringstePflege angedeihen lassen können. Wie schuldbewußt stehtman vor diesen Kindern, die mit ihren unschuldigen Augenuns anschauen, noch nicht ganz wissend, wie grausam oasSchicksal es mit ihnen meint.Kein Strumpf, kein Kleid, kein Spielzeug, nichts, garnichts als das nackte Leben!Volksgenossen, Mütter, schaut in die Augen eurer Kinder,denkt an jene Armen im Donaumoos, Hitler-Jungens,Mädels, denkt an eure Kameraden, an eure Schwestern, helftihnen, vergetzt nicht jener namenloses Leid!!Ein alter Eisenbahnwagen steht am Wegrand.Bewohnt von einem alten einarmigen Schafhirten und seinerFrau. Sein eigen nennt er außerdem noch 20 DezimalMoorboden, der ihm einige Kartoffel zur Nahrung gibt.Regen und Wind dringen in diesen einzigen Raum, Zugund Kälte lassen die Glieder erstarren. Irgendeine Unter-ftützung erhält der arme Schäfer nicht, er ist der Armen-pflege überlassen.Ein Beispiel unter vielen. Ungläubig blickt er uns an, alswir ihm sagen, es wird geholfen werden. Zu schwer warendie Enttäuschungen, die ihm das Leben brachte.Am schrecklichsten aber jene Leichenhalle, in der eineFamilie untergebracht ist. Erschütternd, grausig der An-blick einer kleinen Wiege mit einem Menschenkind am An-fang seiner Erdenlausbahn in diesem Raum, der demMenschen nur für die allerletzte Stunde aus der Erde be-schieden sein sollte.Volksgenossen, nehmt in Gedanken euren Aufenthalt imLeichenhause, zieht in Gedanken fort vom Hofe und hineinin jenes Haus, in dem nur der Tod ein Recht hat. DeutscheMänner, deutsche Frauen, könnt ihr euch auch nur vorstellen,wie es im Innersten dieser armen Menschen aussehen muß,denen man nur noch die Leichenhalle als Wohnraum an-weisen konnte? Euch kommt das Grauen nur bei einemsolchen Gedanken, jene Armen aber haben es erlebt underleben es täglich...Solche Elendshöhlen, wie man sie bort zu Hausantrifft, sind Pestbeulen am Volkskörper, die mit Stumpfund Stiel ausgerottet werden müssen.Menschen, die gleichen Fleisches und gleichen Blutes mituns sind, verkommen dort am lebendigen Leibe.Hier ist ein weiteres Betätigungsfeld für den National-sozialismus. Das Herz krampst sich zusammen, wenn manaus der Helle eines sonnendurchfluteten Frühlingstages ineinen dieser moderigen Räume tritt, in denen der Fuß-boden durchgelaufen und die nackte Erde mit Bretterfetzenüberdeckt ist, in denen Beheizungseinrichtungen stehen, diefrüher einmal Herbe gewesen sein mögen, jetzt aber durchund durch gerostet sind, die keine Ofentürchen mehr habenund defekte Ofenrohre aufweisen, so datz der beizende Rauchdes Torfes, der dort fast ausschließlich als Heizmaterial inFrage kommt, den Aufenthalt im Räume zur Qual macht.Alle Tage müssen die Menschen, die dort in stumpfer Ber-zweislung dahtnleben» fürchten, daß ihnen das Dach überdem Kopfe zusammenstürzt.Keine Fensterscheibe ist mehr ganz, teils muß ein alterKarton die fehlende Fensterscheibe ersetzen, teils findet manüberhaupt glaslose Fenster. Zwischen Mauerwerk undFensterstock sind Löcher, daß man mit zwei Armen hindurch-fahren kann. Soweit noch Fensterläden vorhanden sind,sind sie verfault, verstickt und völlig aus dem Rahmen. Deckenund Wände sind schwarz wie der Moorboden, sofern über-Haupt noch eine Decke vorhanden ist. In verschiedenenHäusern, die wir auf unserer gestrigen Besichtigungsfahrtbesuchten, fehlt die Decke überhaupt. Sie ist abgefallen unddurch die dünnen Brettchen, die den Wohnraum vom Dach-boden trennen, läuft bei jedem Regen das Wasser hindurch.Denn auf den Dächern fehlen zu Dutzenden die Dachplatten,Firstziegel sind eine Seltenheit, so daß man ohne An-strengung den Kopf über den Dachfirst ins Freie stecken kann.Die Wände haben solche Risse, daß das Mauerwerk, wenn sichetwa ein Erwachsener daran lehnen würde, sicherlich zu-sammenstürzen würde.Die Kleidung, die die Leute im Donaumoos ihr eigennennen, besteht aus ein paar geflickten Fetzen, keine ganzeHose haben die Männer, zerlumpte und über und übergeflickte Röcke die Frauen.Ein paar Schüsseln, Töpfe, blechene Löffel und rostig aus-sehende Gabeln bilden das Wohnungsinventar. RichtigeBetten, selbst mit Strohsäcken, sind fast ein Luxus, meist wirdder Strohsack einfach auf den Boden gelegt. Die Männersind mit 40 Iahren grau, die Backenknochen stehen ihnenvor, eingefallen und blutlos scheinen die Wangen, die Westensind ihnen viel zu weit und die Hosen schlottern um die Knie.Die Frauen sind oft in jungen Iahren schon beinahe zahn-los, denn das Geld für eine richtige Zahnbehandlung habensie nie gehabt. Die wirren Haare, die glanzlosen Augen,die matten, ausgezehrten Hände vervollständigen das Bilddes Elends.In dieser Umgebung wachse« Kinder auf, Kinder, denenbei ihrem Eintritt in die Welt die furchtbarste Not Pategestanden hat,die mit Schwarzbrot und Kartoffeln ausgezogen werden unddenen ein Glas Milch ein köstliches Geschenk erscheint. Unddabei kann man in solchen Familien wirklich von einemKinbereichtum sprechen.keine dieser ärmsten Familien trafen wir an, die wenigerals fünf Kinder bat, sieben— acht Kinder sind normal undzehn und mehr Kinder sind nicht selten.Zerlumpt und zerlottert stehen sie umher und gucken den Ve-sucher nur scheu und fragend an. Mitten am warmen Tagehusten und frösteln sie und wenn man die Eltern nach demWie und Warum fräqt. so erfährt man hier und dort, daßder Mann tuberkulös ist. Kein Wunder bei der unbcgren-baren Unterernährung, der die Leute schonungslos ,.,hrelangausgesetzt waren.Herrgott, wie ist das alles nur möglich, wie konnte es nursoweit kommen? So fragt man sich. Die Antwort: eineArbeitslosigkeit sondergleichen.Meist sind die Familienväter dieser Elendssamilicn Korb-wacher, die früher in der Üorbsabrik. beschäftigt waren.UNO die seinerzeit, als die Korbsabrit stillgelegt wurde, vordem wirtschastlichen Nichts standen.Die Bauern, selbst in ärmlichen Verhältnissen lebendkm nten sie nicht aufnehmen und ihnen Aroeit geben, dieStädte sind weit und irgendeine andere Industrie ist nilh.m-hr vorhanden. Man behalf sich, so gut es ging mit demAnfertigen von Körben und ver,uchte'.e auf eigene Rechnungin der Umgegend abzusetzen. Bald gab fS aber Atssav-ichwieriakeitcn und zudem waren die Preise zu gering, daße?n Mann für sich» seine Familie«ich.-".mal»«°i Marim Tage.erdiente. Später konnte man die Korbe gar n.chtmehr an den Mann bringen, so dag die Leute tage- undwochenlang überhaupt nichts verdienten. Die Gemeindenselbst sind arm und was an Unterstützungen gegeben werdenkonnte, war ein Tropfen aus einen heißen Stein. Somotzten viele Familten des Sommers m die Fremde ziehen,nm sich dort mit Korbmachcn notdürstig durchzuschlagenMit den erübrigten 100 bis 200 Mark mußten sie dann wäh-rend des ganzen Winters, wenn sie wieder in die Heimatzurückkehrten, leben. Und so ging es fort und fort..Die Gemeinde hat drei ausrangierte Etsenbahnwaggonsgekaust»nd auf dem Platz um das Armenhaus aufstellenlassen. Die Korbmachersfamilie, die im Leichenhause mitsieben Kindern wohnte, ist schon eingezogen. Die Frau ver-sichert uns. daß es im Eisenbahnwaggon wesentlich kesserzu wohnen sei. Wir glauben ihr aufs Wort.Not bis in den letzten Winkel grinst uns mit hohlen Augenim Vorderhaus entgegen, wo eine Familie mir sechs Kindern— drei weitere Kinder hat sie weggeben müssen, weil es ein-fach nicht möglich war, sie irgendwie zu ernähren, die Frauist erneut schwanger— wohnt. In einem schwarzen Raum,der die Küche darstellen soll, wenigstens deutet ein Herd-Invalide daraus hin, schläft der Mann, der nicht mehrarbeiten kann, weil ihm bei einem UnglückS'all vor vierIahren der rechte Arm gelähmt blieb. Drüben über demGang in einem Raum, der gerade so groß ist, daß man dieTüre noch öffnen kann, die Mutter mit zwei Kindern. Uebcreine Leiter geht es dann auf den Dachboden, der nur mitüber- und nebeneinander liegenden Bretterstumpcn belegtist, zu den zwei Betten der übrigen vier Kinder. Würbeman sich gegen die Sparren stemmen, der ganze Dachstuhlfiele zusammen.Im Winter schneite es herein, da das Dach überall LöcherHa«. Mehrmals waren die Kinder in ihren Betten ein-geschneit.Bei der strengsten Kälte mußte man sie in die Küche auf denFußboden legen. Unser Fotogras wollte diese Stätte desElends im Bilde festhalten— plötzlich ein Krach: er ist durchdie Decke durchgebrochen, etwa ein Quadratmeter Decke istins Erdgeschoß herabgefallen, er selbst hält sich gerade nochan einem Querbalken fest. Glücklicherweise sind die Ver-letzungen nur leichterer Natur. Als wir diese Stätte desGrauens verlassen, betritt sie ein alter Mann, ber kaum nochzu gehen vermag. Entsetzt blicken wir auf dieses eingefalleneGesicht mit den herabgezogenen Augenlidern, dem ein ge-wisser tierischer Zug anhaftet. Wir erfahren von Umstehen-den, daß sich dieser Mann seit zehn Iahren nur von Pferde-fleisch ernährt und von dem Brot, das er noch geschenkt be-kommen mag.Auf dem Weiterwege hören wir von unserem Begleiter,daß in Karlshuld durch das Winterhilsswerk 149 Familiensdavon die Hälfte Korbmacherfamilien) mit etwa 650 Köpfenunterstützt werden mußten...In einem dieser Unterkünfte empfängt uns ein etwa 45jäh-riger Mann, mit laxen, langsamen Bewegungen. Wir fragenihn nach dem Alter, man höre und staune, er sagt uns, daßer 33 Jahre alt ist. Er ist Hilfsarbeiter, hat aber seit Jahrenkeine Arbeit mehr bekommen. Kürzlich wurde er beim Bahn-bau in Donauwörth eingestellt. Die kraftlosen Arme konntenkaum die Hacke halten und als sich der Tag neigte, siel derMann vor Schwäche und Unterernährung bewußtlos um.Jetzt ist es mit der Arbeit wieder nichts, weil er nichtmehr fähig ist, eine solche zu verrichten. In dem einzigenWohn- und Küchenraum sind zwei alte Bettstellen. Für diefünf Kinder muß aus dem Zimmerboden jeden Tag eineSchütte Hen ausgebreitet werden.Im Nebenhaus, das einen schrecklichen Eindruck macht, haustein altes Ehepaar, das im Monat nur einige wenige MarkUnterstützung bekommt. Wie uns unser Begleiter erklärt,ist ber Mann überzeugter Anhänger der nationalsoziali-stischen Bewegung geworden. Der alte Mann, der zwei Leib-schöben hat und gar nichts mehr tun kann— er ist auch 64Jahre alt, wie 90 sieht er aus— murrt auch nicht viel, erhofft, daß es„ber Hitler" besser machen werde.— Auch bei einer anderen Familie, die nichts zum Nagenund zum Beißen hat, es sei denn ein Stücklein trockenesBrot,müssen sämtliche Kinder im gleichen Räume schlafen wiedie Eltern und dabei hat der Bater die Lungentuberkuloseim dritten Stadium!Darum helft alle mit, daß ber Gau Schwaben dem Führerdas schönste Geburtstagsgeschenk geben kann, die Verwirk-lichung des echten Sozialismus.Sozialdemokratisches HeldentumEin Mann und braune Sdintteh. b. Der ehemalige braunschwcigische Landtagsabgeordneteder Sozialdemokratie, Otto Thielemann, ein allezeit mutigerund temperamentvoller Kämpfer gegen die braune Barbarei,wird von seinen nationalsozialistischen Gegnern nun seitmehr als einem Jahr ununterbrochen malträtiert und ge-hetzt.Gleich nach der Besetzung des braunschweiger Parteihausesim März vorigen Jahres wurde Thielemann von bewaff-neten SA.-Leuten festgenommen und in dem als SA.-Ka-ferne eingerichteten Parteihause fürchterlich zugerichtet. DaThielemanns Zustand es seinigen Peinigern nicht gestattete,ihr Opfer in die Oeffentlichkeit zurückkehren zu lassen, wurdeer nach den Mißhandlungen, wie so viele andere, in dasÄreisgefängnis gesteckt.Nachdem seine Wunden geheilt waren, glückte es einembraunschweiger Rechtsanwalt, ihn aus seiner„Schutzhaft"zu befreien. Thielemann hielt sich danach vorerst in Hanno-ver. später in Hamburg auf, ständig von den braunen Spür-Hunden verfolgt. Endlich hatten diese seinen neuen Aufent-Haltsort ausfindig gemacht. Eines Tages fuhr in Hamburgein Kraftwagen mit braunschweiger Nazis vor, die Thiele-mann in ihren Wagen schleppten und mit ihm verschwanden.Die Fahrt ging durch die Lüneburger Heide. Mitten in derunbewohnten Heide zwangen die SA.-Leute den GenossenThielemann, während einer Fahrtpause abzusteigen und einStück allein voranzugehen. Dann wurde ein Fluchtversuch„angenommen" und Thielemann von den Hilfspolizisten be-schössen. Er trug eine ernste Beinverletzung davon, an derer heute noch leidet. Seine Ermordung wurde damals nurdurch das Dazwischenkommen andrer Autofahrer verhindert,die das Lastauto, auf welches Thielcmann nach diesem Vor-gang geschleift wurde, bis Braunschweig nicht mehr aus denÄugen ließen.Nach der Ankunft in Braunschweig wurde Th. erneut in?Gefängnis, in„Schutzhast" gesperrt, da man trotz monate-langen Suchens nichts fand mit Hilfe dessen man ihm hätteeinen Strafprozeß machen können.Bor ungefähr einem halben Jahr schrieb ein hoher Nazi-Würdenträger in einer offiziellen Parteimitteilung sinnge-mäß, es sei sehr fraglich, ob Thielemann das Gefänanisüberhaupt einmal wieder verlassen würde. Der Verhaftetehat trotz seiner Verletzung und aller Qualen auch im Ge-sängnis den Mut nicht sinken lassen. Als man ihm Lese-erlaubnis zubilligte, bekam er aus der Gefängnisbibliothekein Werk, das sich mit der Novemberrevolution beschäftigte.In diesem Buche war ein Satz enthalten, der lautete:„Noch nie ist das deutsche Volk so belogen worden, wieim Jahre 1918."„Sehr wahr! Wie im Jahre 1933!"Daraufhin schrieb Thielemann an den Rand der betreffen-den Seite:Das sollte ihm zum Verhängnis werden. Er hatte sichwegen dieser Randglosse am 21. April vor dem Braunschwei-gischen Sondergericht zu verantworten. Das Delikt lauteteauf Schädigung des Ansehens der Reichsregierung.Der Vorsitzende des Sondergerichts, der sattsam bekannteBlut-Lachmund, begrüßte den Angeklagte mit den Worten:„Angeklagter, wissen Sie, daß Sie im Volksmund als„Lügen-Thielemann" bekannt sind?"Als Thielemann das verneinte, beharrte der Herr Land-gerichtspräsident:„Aber Sie sind doch mit diesem Beinamen in rechtsstehen-den Zeitungen so genannt worden!"Thielemann hielt zu der Anklage eine mutige Vertei-digungsrede, in der er gründlich aus seine politische Einfiel-lung einging und sich zur Sozialdemokratie bekannte. Ersei Sozialdemokrat, weil er es sich zur Lebensaufgabe gestellthabe, dem Frieden zu dienen.Zu der Beschuldigung selbst betonte er, datz er zu der inder Randglosse wiedergegebenen Meinung nach wie vorstehe. Er habe damit die Verlogenheit ber bürgerlichen Pressekennzeichnen wollen, die besonders im Jahre 1983 immerwieder behauptet habe, die Sozialdemokratie sei für den Aus-gang des Weltkrieges verantwortlich.Der Staatsanwalt AhrenS betonte dagegen, daß Thiele»mann mit seiner Bemerkung„ganz offenbar" die Reichs-regierung gemeint habe, deren Ansehen durch dieses Vor-gehen auf das schwerste geschädigt worden sei. Bei der Straf-zumessung müsse die Persönlichkeit des Angeklagten berück-sichtigt werden. Thielemannn sei duröb seine Hctzartikel, dieer jahrelang als Redakteur des„Volksfreund" anwandte,hinreichend gekennzeichnet. Der nationalsozialistische Staatmüsse es sich verbitten, von Leuten wie Thielemann in dieserunerhörten Art angegriffen zu werden. Wenn das der Ange-klagte noch nicht in ber Schutzhaft begriffen habe, so-müsse eres in der Strafhaft lernen.Der Strafantrag lautete auf drei Jahre Gefängnis.Das Sonbergericht folgte diesem Antrage und verurteilteThielemann entsprechend. In der Urteilsbegründung führteBlut-Lachmund aus. daß der Angeklagte ein lebendes Bei-spiel dafür sei, wie das Volk zur Zeit der marxistischen Herr-schast verhetzt und belogen wurde. Irgendwelche Milde habeder Angeklagte bei der Schwere des Falles nicht verdient,daher sei die Strafe von drei Jahren Gefängnis als an-gemessen anzusehen.Der Fall Thielemann ist typisch für die Rechtspflege im„dritten Reich". Zugleich aber zeigt er uns, daß unsere altenKämpfer trotz der furchtbaren Quälereien und Verfalgun-gen, die sie über sich ergeben lassen müssen, treu zur Fahnedes Sozialismus stehen!Der beförderte KöllingUnfähigkeit sprichwörtlich....Magdeburg, 10. Mai 1934.Landgerichtsdirektor Kölling ist vom Justizministerium zumstellvertretenden Präsidenten der Reichsdisziplinarkammer inMagdeburg ernannt worden.Kölling hat es in der deutschen Juristenwelt zu einer trau-rigen Berühmtheit gebracht. Er war der unglückselige Untersuchungsrichter in der großen Mordsache Rudolf Haas-Helling. Infolge Dummheit, Borniertheit und Voreingenommenheit hätte er ohne das energische Dazwischentreten desdamaligen Oberpräsidenten Hörsing und der Verteidigungdes Rudolf Haas den tatsächlichen Raubmörder Schröderlaufen lassen und einen unschuldigen Juden, den MillionärRudolf Haas, vor das Schwurgericht gebracht. Die unglaub-lichen Torheit dieses Mannes und das Treiben der onti-semitischen Kräfte beim Magdeburger Gericht sind in demBuche des Verteidigers von Rudolf Haas, des RcchtanwaltesDr. Braun„Am Justizmord vorbei", ausführlich geschildertBekannt ist, daß ber Haupttreiber bei den antisemitischenVorstößen, Lanbgerichtsbirektor Hossmann, zusammen mitdem Untersuchungsrichter Kölling von der Disziplinarkammerund dem Disziplinarhof mit Strafversetzung bestrast wordenist. Mittlerweile ist Hoffmann, der sich als Antisemit denNationalsozialisten besonders empfahl, erster Präsident desvereinigten Berliner Landgerichts geworden. Der bereits inden Ruhestand versetzte Untersuchungsrichter Kölling wurdeaus der Asche hervorgezogen und zum Lanbgerichtsbirektorbefördert. Jetzt hat man ihm als besondere Ehrung den ansich nichtssagenden Posten eines stellvertretenden Präsidentender Reichsdisziplinarkammer in Magdeburg verschafft. Köl-ling gilt als der unfähigste Jurist Magdeburgs. Er hat sämt-liche Examina nur nach mehreren Wieberholungen mit Achund Krach bestanden. Seine Unfähigkeit ist sprichwörtlich. Esist bezeichnend, daß die Nazis keinen würdigeren Richter fürdas Ehrenamt bezeichnen können. Wir entnehmen daraus,daß die tüchtigen und fähigen Richter auf ihrer dem National-sozialismus abgeneigten Gesinnung auch weiterhin beharrenund deshalb für die Ehrenposten nicht in Frage kommenkönnen. Ein sehr beachtliches Zeichen dasür, wie wenig eSdem Nationalsozialismus gelungen ist, die Intelligenz inner-lich für sich zu gewinnen.