Deutsche Stimmen Beilage zur Deutschien Freiheit Ereignisse und Geschichten

Samstag, den 12. Mai 1934

Die Inquisition von Bremen

Der Scheitechaufen vom 10. mai 1933

Am 10. Mai 1933 war in Deutschland der Tag des verbrannten Buchs". Die Scheiterhaufen brannten und verzehrten die Werke der besten und kühnsten Fe­dern, die aus Gründen der Gesinnung oder der Rasse den braunen Machthabern miẞliebig waren. Ein un­vergeßlicher Tag deutscher Schande. Er leitete die ,, Säuberung" der Bibliotheken, den Terror gegen Ver­leger und Buchhändler ein, die Enthronung des Gei­stes durch Unkunst und Schund. Göbbels gab in Ber­ lin seinen rhetorischen Segen dazu.

einen großen Pfahl aufzuschichten. Und die an den vier Ecken des Platzes aufgestellten riesigen Lautsprecher grölten dazu ihre Weisen. Stolz weht die Flagge: schwarz- weiß­rot..." ,,, Deutschland , Deutschland über alles...", dann einmal wieder ein Militärmarsch, so ging es in einem fort. Einige Kinder standen dabei und verfolgten mit fragen­den Blicken das Treiben der SA.- Leute. Spaziergänger kamen vorbei und betrachteten sich neugierig dieses eigen­artige Schauspiel, betrachteten mitunter besonders inter­essiert die zusammengeschnürten Pakete, als wenn sie ver­Hier erzählt ein Augenzeuge, wie die Verbrennung suchen wollten, diese Zeitungen zu lesen. Selbst die SA.­in Bremen vor sich ging.

Auf meiner mehrtägigen Radtour war ich in Bremen angelangt. Die Hansastadt hatte es mir angetan, ich wollte sie unbedingt kennen lernen. Es war nun heute der zweite Tag, daß ich durch die Straßen von Bremen bummelte. Die alten Straßen mit ihren alten Kaufhäusern im Renaissance­stil heimelten mich an, hier könnte man Kunststudien treiben, ohne an die neue Zeit" erinnert zu werden, die angeblich über Deutschland hereingebrochen war und sich auch auf den Hauptverkehrsstraßen Bremens durch SA.­Leute, Hakenkreuzfahnen und Plakate zu erkennen gab. Bremer Freunde erzählten mir, daß es nun ebenfalls mit dem künstlerischen Schaffen der Künstler in der Böttcher­straße vorbei sei. Die Böttcherstraße bildete eine inter­nationale Sehenswürdigkeit, auf die jeder Bremer stolz war, und nun wagte man, diese Schöpfung als undeutsch, bolsche wistisch und jüdisch zu verschreien! Doch so ganz wohl fühlten sich die Nazis bei ihrem Angriff auf die Böttcher­

straße nicht.

Am Nachmittage des 10. Mai hatte sich der Himmel etwas aufgeklärt. Ich war, dies ausnutzend, weit zum Hafen hinaus­spaziert. Gegen 5 Uhr befand ich mich auf dem Rückwege durch die Hafenvorstadt. Schon von weitem vernahm ich das Kreischen und Bellen eines großen Lautsprechers. Es war ein weithin vernehmbares Geräusch, das die Melodien nationaler Märsche erkennen ließ. Dieses Geräusch" besagte mir, daß irgendwo wieder ein sogenannter nationaler Rummel" sei, ich fragte mich nur, welcher Anlaß dazu wohl vorlag. Ich hatte mir in den letzten Tagen nicht die Mühe gegeben, eine Zeitung genau durchzulesen, sondern mir ledig lich flüchtig an den Zeitungsständen die fettgedruckten Ueberschriften der Blätter angesehen, denn meistens genügte dies, um das Wichtigste zu erfahren, ohne sich eine Zeitung kaufen und die schwulstigen Ausführungen lesen zu müssen. Es war mir also durchaus nicht klar, warum schon am frühen Nachmittage die Straßen mit ,, nationalen Geräuschen" erfüllt wurden. Doch bald bot sich mir ein merkwürdiger Anblick. Ich hatte zwar in den letzten Wochen viel gesehen und noch mehr erlebt. Man war hinreichend an merk­würdige Ereignisse und Geschehnisse gewöhnt. Aber hier blieb mir doch ,, die Spucke weg", denn das hatte ich nicht erwartet, hier in Bremen Zeuge einer mittelalterlichen ,, In­ quisition " und, Hexenverbrennung" zu werden. Hatte man doch mitten auf dem großen Platz ganze Wagen voll Zeitungs­und Bücherpakete angefahren und eine Anzahl SA.- Leute waren dabei, die Pakete auseinanderzureißen und alles um Beaune

Kleinigkeiten

Die Gleichschaltung des Verbandes Deutscher Rabbiner ist nunmehr beschlossene Tatsache, da man höheren Orts der berechtigten Ansicht ist, daß der Prozentsatz der Juden in diesem Beruf viel zu hoch ist.

Der jüdische Rechtsanwalt Dr. Herbert Cohn II erhielt gestern abend den Besuch dreier Herren in SA.- Uniform. Die Beerdigung findet am kommenden Sonntag statt.

An den deutschen Buchhandel erging von maßgeblicher Seite her die Aufforderung, in Zukunft nur noch broschierte Bücher auf den Markt zu bringen, da jede Art von be­schnittener Literatur mit Recht als volksfremd empfunden wird.

Zu Ehren des Preußischen Ministerpräsidenten General Hermann Göring wurden die Berliner Ringvereine in Göringvereine umbenannt.

In letzter Zeit mehren sich die Fälle, daß zahlreiche -Kastanien, -Erlen, Hitler- Eichen--Buchen,-Linden, Stachelbeersträucher usw. nächtlicherweise in nicht wieder­zugebender Weise beschmutzt werden. Nach wochenlangen, umfangreichen Bemühungen der Gestapo unter persönlicher Leitung von General Göring und unter wiederholtem Ein­satz der Hundertschaften zur besonderen Verwendung ist es nunmehr endlich gelungen, einen dieser Verbrecher auf frischer Tat dingfest zu machen. Es handelt sich, wie wir dazu erfahren, um einen Fox- Terrier, dessen Name jedoch im Interesse der weiteren Untersuchung noch geheim ge­halten werden muß. Der Täter hat jedoch schon gestanden, von den berüchtigten Kommunisten Willi Münzenberg , Hein­ rich Mann und Georg Bernhardt angestiftte worden zu sein. Er wird voraussichtlich in dem demnächst stattfindenden Prozeß gegen den Kommunistenführer Thälmann als Haupt­zeuge auftreten.

Die Reichsregierung bereitet ein neues Gesetz vor, dem­zufolge in Zukunft im Rahmen der Tierschutzmaßnahmen auch das Essen von Eiern in rohem, gekochtem, gebratenem oder sonstigem Zustand untersagt wird. Im Zubereiten oder Essen von Eiern wird mit Recht ein Vergehen gegen das keimende Leben und somit gegen den§ 218 geschen.

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Der Berliner Sportpalast ist vom preußischen Innen­ministerium beschlagnahmt worden. Er wird im Rahmen des Arbeitsbeschaffungsprogramms umgebaut und soll in Zu­

Leute verrichteten stumm ihre Arbeit". Da war einer, der hatte besonders Gefallen daran, rote Fahnen, alte Uni­

formstücke, alte Jacken, Hosen und Mützen, alte Wahl­plakate aus dem Haufen hervorzuziehen, die Kleidungs­stücke mit Zeitungen dick voll zu stopfen und dann alles in der Mitte des Haufens an dem Pfahl aufzurichten. Man konnte meinen, es sei ein kleines Kind, das dort mit alten Sachen spielte und seine Freude daran hat, ulkige Verklei­dungen vorzunehmen.

Ab und zu nahm einer einen Eimer mit leicht brennbarer Teerflüssigkeit und beschüttete damit den Bücherstoß. Die Arbeit ging langsam, fast träge vonstatten. Man konnte es den SA.- Leuten anmerken, daß es ihnen langweilig dabei war. Da waren Stöße von alten Gewerkschaftszeitungen man hatte sie am 2. Mai aus dem Gewerkschaftshaus ge­schleppt, da waren Wahlbroschüren, Zeitschriften, Bücher von Marx, Engels, Wassermann, Mann usw., sie nahmen alles, zerrissen es und schmissen es gleichgültig und phleg. matisch auf den Feuerstoß. Das war ihre Beschäftigung an diesem Nachmittage. Der Lautsprecher knatterte und bellte, doch die Bewohner des Hafenviertels ließen sich nicht herbei­locken. Der Zuschauer wurden immer weniger. Der Feuer­stoß wurde größer und größer, obenauf die ausgestopften Uniformen, einige rote Fahnen und Wahlplakate. Ein SA.- Mann ging eben wieder mit seinem Teereîmer um den Stoß und spritzte seine Flüssigkeit bis zu den roten Fahnen. Der Lautsprecher grölte: Deutschland, Deutschland über alles...". Ich hatte genug und entfernte mich.

,, Das

Am anderen Morgen waren die Zeitungen wieder mit fett. gedruckten Ueberschriften versehen. nationale Deutschland marschiert wider den undeutschen Geist," so hieß es. Ich wurde neugierig, wie man das wohl meinte und kaufte mir eine Zeitung, um Näheres zu erfahren. Da fand ich ganze Seiten mit großartigen Schilderungen von Fackel­zügen und Reden ausgefüllt. Da stand, daß man gestern abend auf dem Marktplatz im Rahmen einer großen natio­nalen Feier den ,, undeutschen Geist" verbrannt habe, daß es sich hier um ein großes Ereignis gehandelt habe, welches in der ,, deutschen Geschichte" unvergeßlich bleiben werde. In allen Städten Deutschlands habe man gestern abend die ..undeutsche Literatur" verbrannt und Studenten waren überall ganz besonders beteiligt.

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Ich wußte genug und wußte, daß ich diesen Feuerstoẞ vom 10. Mai 1933 niemals vergessen werde.

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Hermann Feuerbach.

kunft für die Aufbewahrung der Uniformen des Minister­präsidenten dienen.

Hunger

( Aus dem in Kürze im Offensiv- Verlag, Paris , erscheinen­den Gedichtband: ,, Hunger in Paris ", von Paul Scholl.)

Ich habe Hunger, und Hunger tut weh!

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Und es knurrt und es schmerzt mich der Magen. Doch wo ich gehe und wo ich steh, Seh ich weiße Brotberge ragen.

Nun ist zwar Hunger schon an und für sich Auf die Dauer nicht gut erträglich;

Und sieht man erst Schinken und Brot und Fisch das ist fürchterlich! Rings um sich herum,

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Das ist einfach unerträglich!

Da ist zum Beispiel die Erkerscheibe Mit Butter und Gansbraten voll.

Und ich stehe davor und ich sehe und reibe Die Nase mir an der Erkerscheibe,

Und dann sage ich mir: Paul Scholl, Du bist ein gewöhnlicher Emigrant Und du kommst noch dazu aus einem Land, In dem sie von Hoffnungen leben.

Dein Magen darf auch einmal beben. Und wie ich so denke, um nicht zu reden, Ist leise ein Mann hinter mich getreten.

Der reibt auch die Nase an der Scheibe. Und dann sagt er leise zu seinem Weibe Die schmal und hungrig hinter ihm steht: Nichts für den Prolet!

Verstehts du,... das ist nicht für die Proleten! Das ist nur für die, die sie kneten und treten! Verstehst du, das ist nur für die,... du..!" - ,, Mann," sagt die Frau ,,, Mann, Gott, halt Ruh! Siehst du denn nicht die zwei Schutzleute da!?" Er drehte sich um, bis er endlich sie sah, Und dann gingen sie weiter und er sagte nur: ,, Ja!" Paul Scholl.

Wir verbitten uns... Fort mit dem Alten Testament

Wir lesen folgenden Aufruf, groß aufgemacht, in der ,, Fränkischen Tageszeitung": ,, Unerhörte Provokation!.. Der Streit um das Alte Testament ist seit der Machtergreifung des Nationalsozialismus in schärfster Heftigkeit entbrannt. Ueber den Inhalt wollen wir heute nicht streiten, darüber ist sich jeder Deutsche im klaren. Umso eigenartiger wirkt es auf uns, wenn ein katholischer Verlag ein Buch unter dem Titel ,, Das Alte Testament und seine Bedeutung für die Gegen­wart" herausbringt.... Dem Verlag ist scheinbar nicht be­kannt, daß das Alte Testament nichts anderes als die außer­ordentlich bezeichnende Sittengeschichte des jüdischen Volkes ist, die von Perversitäten gradezu strotzt. Oft genug haben wir in früheren Zeiten die verderbliche Wirkung auf Jugendliche feststellen können. Wir wollen, daß unsere Jugend in Zu­kunft vor diesem ,, Heiligen Buch" des jüdischen Volkes be­wahrt bleibt und verbitten uns solche Redensarten, wie sie in der Einleitung zu finden sind."

Die Veröffentlichung der vorstehenden Nachrichten wird In England-

hiermit genehmigt.

Dacum!

Reichsministerium für Propaganda

gez. Georg Wilmen Wirkl. Geh. Reichspropagandist Adolf Busch

an die Hakenkreuzler

Der Musikverlag Fr. Kistner und C. F. W. Siegel, Leipzig , schickte dem berühmten Geigenkünstler Adolf Busch einen Prospekt über das neu erschienene Violinkonzert von Wetz und unterzeichnete den Begleitbrief ,, Mit deutschem Gruß und Heil Hitler". Adolf Busch und Rudolf Serkin , dem eine gleichartige Sendung zugegangen war, schickten Briefe und Prospekte an den Verlag ohne Kommentar zurück. Der Verlag gab sich damit nicht zufrieden, sondern fragte an, warum die Rücksendung erfolgt sei. Die gemeinsame Ant­wort Buschs und Serkins ist ein Dokument der Haltung

aufrechter Künstler. Sie lautet: Adolf Busch , Basel Serkin, Basel . Riehen

/ Basel ( Schweiz ), Schnitterweg 50, den 17. März 1934.

Sehr geehrter Herr!

Die Rücksendung Ihres Briefes bestand zu Recht. Die beiden Prospekte gingen auch an Sie zurück. Sie werden unterdeß angekommen sein. Wir lehnen es ganz ent­schieden ab, mit Ihrem Gruß verabschiedet zu werden. Wir leben hier in der Schweiz , was bedeutet, daß wir Ihre Grußformel als Beleidigung empfinden. Hochachtungsvoll

( Stempel)

Sekretariat Adolf Buch, Rudolf Serkin gez. L. Schmid.

Professoren! Antreten!

Der württembergische Kultminister hat in dem Bestreben, die Hochschulen immer stärker mit nationalsozialistischem Geist zu durchdringen, die Bestimmungen für die Erteilung. der Lehrberechtigung neu geregelt. Die Möglichkeit einer Habilitation ist künftig an die Voraussetzung eines Dienstes von mindestens zwei Monaten in einem Geländesport- oder Arbeitsdienstlager gebunden. Auch von den bereits habi­litierten Privatdozenten, die das 35. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die dieser Bedingung nicht entsprechen, wird erwartet, daß sie im Laufe des Jahres das Versäumte nachholen.

arbeiten 178 aus Deutschland vertriebene Gelehrte Der Academic Assistance Council , dessen Vorsitzender Lord Rutherford ist, berichtet, daß 178 aus Deutschland ver­triebene jüdische Gelehrte Gelegenheit erhalten haben, ihre Forschungsarbeit an englischen Universitäten fortzuführen. Der Council dankt dem Central British Fund der englischen Juden für seine großmütige Spende von 2500 Pfund zu Gunsten jüdischer und nichtjüdischer Gelehrter. ,, Daily Tele­ graph " widmet dem Bericht einen Leitartikel, in dem aus­geführt wird: Was die Flüchtlinge aus Flandern , die Huge­notten aus Frankreich zur Hebung der englischen Textil­industrie taten, das werden die Opfer des modernen Fana­tismus in Deutschland zur Hebung gewisser Zweige der Wissenschaft, besonders der Chemie, in England tun können. Lord Rutherford teilt in einem Schreiben an die, Times" mit, daß einige der verbannten jüdischen Gelehrten bereits auf englischem Boden mehrere bemerkenswerte und auch

praktisch auszuwertende Entdeckungen gemacht haben.

Schweigen

Das Land erdröhnt, die Rundfunkredner brüllen, wenn Göring ausruht, lärmt dafür Herr Ley, SA. marschiert, und ihre Lieder füllen die deutsche Luft mit Brand- und Mordgeschrci.

Was soll der Lärm? Wen gilt's zu übertäuben? Sind nicht die deutschen Stämme ,, treu vereint"? Was soll der Lärm? Wer wagt noch, sich zu sträuben, wer wagt zu sagen, was er wirklich meint?

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Und doch die allzu lauten Herren zeigen, daß ihnen irgendetwas nicht gefällt.

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Sie haben recht: im Lande spricht das Schweiger so laut, daß aller Lärm daran zerschellt. Indes die Redner ihren Geist verspritzen, pflanzt sich im Volke dumpfes Schweigen fort und weder Wachtparaden noch Haubitzen besiegen es. Das Schweigen hat das Wort.

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Die einen winden sich in Jubelkrämpfen, die andern säen eine stille Saat,

die heute stumm sind, werden morgen kämpfen. Das Schweigen reift im Schweigen reift die Tat. Hugin,