Der hohe Kommissar

Es heißt, daß der Professor James Macdonald ein Schwiegersohn Rockefellers ist.

Wir wissen nicht, ob das stimmt. Fest steht jedoch, daß dieser Umstand im vorigen Herbst bei der Bestallung Macdonalds zum Hohen Kommissar für die aus Deutschland stammenden Flüchtlinge eine gewisse Rolle gespielt hat. Es scheint gar, daß die maßgeblichen und repräsentativen jüdischen Kreise von dem Professor Macdonald, dessen Wahl sie propagierten und durchsetzten, kaum viel mehr kannten als diese problematischen, verwandtschaftlichen Beziehungen zu den Herren der Welt merikanisch gesehen.

Jetzt, sechs Monate nach der Ernennung bereits, hat Mac­donald eine schlechte Presse. Alle Welt ist von ihm ent­täuscht, die nichtgleichgeschalteten deutschen Zeitungen finden nur Worte des Tadels, von einzelnen wird er scharf angegriffen. Und die Juden in den Ländern fragen empört, warum denn just ein so in jeder Hinsicht ungeeigneter Mann wie der Professor Macdonald auf diesen wichtigen Posten berufen werden konnte.

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Sie sollten sich diese Frage selbst beantworten. Die gleiche Logik, dieselben Argumente, die zu Herrn Macdonald führten, haben die Juden stets und zu allen Zeiten bestimmt, wenn sie einen Mann suchten, der ihre Interessen politisch vertreten sollte. Sie haben nie danach gefragt, was der Mann ihrer Wahl verstand, und seine diplomatische Bewährung, seine politischen Fähigkeiten waren ihnen nie so wichtig wie seine Beziehungen. Sie waren zufrieden, zu wissen, daß er zu allen Ministerien der Welt Zutritt finden würde sie glaubten nicht an die Berufung des Politikers. sie wollten und brauchten einen Vermittler. Sie waren stets tief inner­lich davon überzeugt, daß ein Mann, der Rang und Ruf in der Welt habe, auch der Rechte sei, politische Interessen erfolgreich zu vertreten so haben sie es gehalten jahr­hundertelang. Und selbst Einstein hat so gedacht so sehr ein großer Gelehrter wie ein politischer Dilettant. Die Wahl Macdonalds erinnert peinlich an das achtzehnte Jahrhundert, an die Zeit, da die Juden den Oberhoffaktor und Kammer­agenten zum Fürsten schickten, wenn es politische Dinge durchzusetzen galt.

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Gewiß, es sprach manches dafür, einen Nichtjuden mit dem Amt des Hohen Kommissars zu betrauen. Denn er hatte ja zweifellos auch mit der deutschen Regierung, mit Herrn Hitler und seinen Ministern zu verhandeln. Aber dieses Moment durfte nicht ausschlaggebend sein. Wichtiger war es, einen Mann zu finden, der für die akuten Notwendigkeiten der Flüchtlinge Verständnis. Interesse und Herz hatte. Und der bereit war, seine Beziehungen nicht nur zur Erlangung eines diplomatischen Frühstücks in den verschiedenen Hauptstädten, sondern auch zu Nutz und Frommen der Emigranten spielen zu lassen. Und es kam nicht zuletzt darauf an, daß dieser Mann tiefinnerlich von den Rechten der politischen Emigranten auf ihre Existenz und von der Verpflichtung aller Länder zu ihrer Hilfe überzeugt war.

Wer James Macdonald ist, wissen wir jetzt. Ein smarter Amerikaner aus dem Grenzgebiet zwischen der plutokra­tischen und der diplomatischen Sphäre, ein Mann, dem das Amt des Hohen Kommissars das Sprungbrett für eine diplomatische Karriere sein soll. Und von dem es bereits jett heißt, daß ihm die Emigranten im einzelnen wie in der Gesamtheit gleichgültig, wenn nicht gar unsympathisch sind. Die peinlichen Verhandlungen über den Etat des Hohen Kommissars und seines Stabs, die Auseinandersetzungen über die Besetzung der einzelnen Posten, ob mit Fachleuten, ob mit den Vertrauten Macdonalds, ob mit Ariern oder Nichtariern alles das hat gezeigt, wie notwendig auf diesem Platz ein Mann von großem politischen Format ge­

versucht, wobei nicht erörtert zu werden braucht, bei wem das Schwergewicht dieser Tätigkeit lag. Immerhin vermag der Hohe Kommissar zu erklären, daß seine Vorschläge in manchen Ländern mit Wohlwollen entgegengenommen wor­den und hie und da die Einwanderung tatsächlich erleichtert worden sei. Der Verwaltungsrat werde es aber verstehen, daß er die Angabe von Einzelheiten im Rahmen dieser öffentlichen Erklärung vermeide. Und im übrigen vertraue er auf eine zunehmende Besserung der allgemeinen wirt­schaftlichen Lage.

wenn

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wir ver­

Vielleicht versteht das der Verwaltungsrat stehen es jedenfalls nicht, daß Herr Macdonald stets dann diskret wird, wenn man konkrete Angaben von ihm erwartet, er von praktischen Ergebnissen berichten soll, mit denen die Emigranten etwas anfangen können. Das Wohl­wollen, das einzelne Länder Herrn Macdonald gezeigt haben, ist dem Flüchtling oft nicht gar so wichtig wie die Chance, die ihm der Hohe Kommissar irgendwo eröffnet hat und über die er so beharrlich schweigt.

Hier zitieren wir wörtlich den Bericht: ,, Der Hohe Kom­missar James Macdonald berichtete weiter, er wie seine Mitarbeiter hätten bei Gelegenheit zweier Besuche in Berlin , im Februar und im April 1934, mit den Beamten des deutschen Auswärtigen Amts die Paßfrage für die Emi­granten erörtert und verlangt...

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Macdonald hat ein ganzes Dutzend mehr oder minder wichtiger Verlangen gestellt. Und er sagt am Schluß der Aufzählung: Der Hohe Kommissar erwartet eine Antwort auf alle diese Fragen."

Möglicherweise bekommt er sogar eine Antwort. Aber wir möchten auf deren Art und Inhalt bereits jetzt aus dem Umstand schließen, der uns besonders wichtig erscheint, und über den Macdonald verlegen hinweggeht: daß der vom Völkerbund eingesetzte Hohe Kommissar für die aus Deutsch­ land stammenden Flüchtlinge, Herr Professor James Mac­donald, offenbar weder vom Reichskanzler, Herrn Hitler , noch vom Außenminister, Herrn von Neurath, empfangen worden ist. Wenn man seine eigenen Angaben berücksichtigt, so ist er von einem Oberregierungsrat, bestenfalls von einem Ministerialrat abgefertigt worden. Und das, so möchten wir feststellen, ist eine Schande.

Es ist aber auch ein Beweis dafür, wie ungeeignet Mac­donald für sein Amt ist. wie wenig ernst er seine Aufgabe nimmt, und wie gleichgültig ihm das Schicksal der von ihm Betreuten ist. Der Hohe Kommissar müßte sich bewußt sein, für den Völkerbund zu stehen, für eine Macht auf Erden, namens deren er mit einer andern Macht gleichberechtigt und in den üblichen diplomatischen Formen zu verhandeln hat. Und er müßte fühlen, daß die Nanchalance, mit der die Sache der Emigranten in Berlin verhandelt wird, nicht nur eine Beschimpfung seiner Schützlinge, sondern auch eine Ohrfeige für den Völkerbund und seine eigene Person ist. Wenn er das nicht spürt, wenn das an seiner Smartneß ab gleitet, dann ist James Macdonald seiner Aufgabe nicht gewachsen. Was zu beweisen war, was- leider Gottes. niemand mehr bewiesen zu werden braucht.

Der ganze lange Bericht sagt keinem etwas Neues. Er gibt zusammenfassend das Ergebnis der von den einzelnen

jüdischen Organisationen geleisteten Arbeit wieder

das aber erfährt die Oeffentlichkeit auch auf dem direkten Weg. Wichtig ist nur die Feststellung, daß die zur Verfügung ge­stellten Mittel ausschließlich und restlos aus jüdischen Kreisen stammen, und wenn diese auch größtenteils für die Flüchtlinge ohne Unterschied der Konfession bestimmt seien, so konzentriere sich das Hauptinteresse der Organisationen dennoch und naturgemäß hauptsächlich auf die jüdischen Ausgewanderten. Was aber, so fragt Macdonald, soll aus den ausgewanderten Nichtjuden werden?

Zur Beantwortung dieser Frage wenigstens könnte Mac­donald unter Umständen dennoch der rechte Mann am rechten Platz sein. Wie wäre es, wenn er seine Beziehungen zu Rockefeller und den übrigen upper ten der Städte Neuyork und Chikago einmal zu Gunsten der ausgewanderten Nichtjuden verwenden würde, um die sich keine Organisation kümmert, die in einem erstaunlichen Maß von den sozial­demokratischen Gruppen der anderen Länder im Stich ge­lassen werden?

Eins jedenfalls lehrt der Bericht. Die Emigranten habe alle Ursache, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, und die Organisationen, denen Macdonald feierlichen Dank abstattet, sollten inzwischen bemerkt haben, daß mit dem Hohen Kommissar als einem Faktor zur Besserung der Verhältnisse in der Emigration nicht zu rechnen ist. Nicht ausgeschlossen, daß James Macdonald gelegentlich einmal in dem einen oder andern Fall einem Projekt, das von einer dieser Gesell­schaften gründlich durchgearbeitet und finanziert worden ist, zur Sanktion durch den Völkerbund verhelfen kann. Grund­legende Arbeit aber wird er nicht leisten. Dafür liegen ihm die Dinge zu fern, sind ihm die Probleme zu fremd.

Fragt sich nur, ob die Gruppen und Komitees, die Herrn Macdonald für seinen Posten vorschlugen, jemals Anlaß hatten, mehr von ihm zu erwarten. Niemand wird das heute mehr bejahen. Aber es steht nicht minder dahin, ob ein anderer Diplomat aus dem Korps eines anderen Landes, selbst wenn ihm seine Aufgabe nicht nur ein Stück Karriere sondern Herzensache ewesen wäre, mehr vermocht, an

seiner Statt mehr erreicht hätte.

Die Juden sollten sich endlich einmal darüber klar werden, daß die Frage der jüdischen Emigration und der von diesem Begriff umfaßten kleineren Probleme nur von Juden für Juden gelöst werden kann. Wie sie sich entschließen sollten, jüdische Politik von Juden führen zu lassen. Kein Mittler kann ihnen helfen. Aber sie müssen lernen, die Mächte dieser Welt politisch zu sehen, nüchtern, ohne Ressentements oder Illusionen, als Faktoren und nicht als Menschen. Es wird gewiß nie möglich sein, die Juden der Welt, wenigstens für jüdische Fragen, unter einen Hut zu bringen. Wenn es aber einem Juden gelänge, sein Volk zu einem politischen Faktor zu machen, in dessen Namen und Auftrag er mit den Re­gierungen der Länder verhandeln könnte, ohne sich erst der Vermittler, der Beziehungen zu bedienen, dann werden die Probleme der Emigration, der Wanderung, der Berufs­umschichtung wahrlich leichter lösbar sein.

Gewiß, die Juden sind von altersher ein unpolitisches Volk, aber sie haben Disraeli . Theodor Herzl und Rathenau

hervorgebracht. Solange die jüdischen Gruppen aber zu ihrer politischen Vertretung die Anverwandten amerikanischer Milliardäre, die gestolperten Diplomaten anderer Länder bestellen, werden sie politische Erfolge kaum aufzuweisen haben. Der Jude sollte auch dem Juden gegenüber den alten amerikanischen Grundsatz befolgen, to give him a chance.

Marschlied der Schutzhäftlinge

wesen wäre, und wie weit der jetzige Inhaber des Postens Frei wird Deutschland sein"

von diesem Ideal entfernt ist.

Wie die Dinge aber zur Stunde liegen, wird es nicht leicht sein, einen Wechsel im Amt zu erreichen. Die Re­gierungen der einzelnen Länder, haben den Mann akzeptiert, den ihnen die Komitees vorschlugen. Sie werden sich auf diese, Tatsache berufen, wenn sie neue Pläne ablehnen. Und die Lage der Emigranten ist inzwischen überall so außer­ordentlich schwierig geworden, daß jede aus solchen Gründen verlorene Minute unabsehbare Folgen haben kann. Der Hohe Kommissar ist sechs Monate im Amt, nichts ist erreicht und die Not ist gewachsen. ,, Die Emigranten müssen unter­gehen, wenn nicht nun endlich energisch etwas von der­jenigen Instanz geschieht, der das Schicksal der Emigranten anvertraut ist und deren ganze Tätigkeit sich bisher darin erschöpft hat, zu existieren" sagt Georg Bernhard . Die Flüchtlinge, die zum Beispiel noch immer nicht einmal zu richtigen Ausweispapieren gelangt sind, werden ein dring­liches Bedürfnis danach empfinden, daß der Hohe Kommissar seine ganze Tatkraft den Sorgen widme, die sein Auftrag ihm anvertraut: ihren Sorgen" meint Rudolf Olden .

Alles das ist zweifellos richtig. In dem halben Jahr seiner Tätigkeit ist noch nichts geschehen, der Hohe Kommissar ist durch die Länder Europas gereist, er hat mit Ministern und Botschaftern verbindliche Worte getauscht, er hat jüdische Komitees allüberall seines Interesses und seines besonderen Wohlwollens versichert. Doch, wenn man den ausführlichen Bericht, den er in dieser Woche dem Verwaltungsrat und dem Ständigen Komitee seiner Organisation erstattet hat, zusammenfaßt, so bleibt als einziges Faktum die Fest­stellung, daß Siedlungsmöglichkeiten rerst nur in Palästina bestehen. Ein Umstand, der allerdings auch außerhalb der persönlich und politisch interessierten Kreise und schon vor dem Amtsantritt des Hohen Kommissars bekannt gewesen sein soll.

Doch auch mit praktischen Fragen hat sich Macdonald beschäftigt, so mit der Erteilung der Arbeitserlaubnis an Emigranten. Just in diesem Punkt zeigt er eine Objektivität, für welche die in ihrer Ruhe ungern gestörte Beamtenschaft der verschiedenen Länder zweifellos mehr Verständnis zeigen wird, als die hungernden Emigranten. Angesichts der herr­schenden Wirtschaftskrise hält es der Hohe Kommissar nämlich, so lesen wir in seinem Bericht, nicht für angebracht, von den Regierungen der einzelnen Länder allgemeine Arbeitserlaubnis für die Ansgewanderten zu fordern. Wenn er jedoch weiterhin erwähnt, daß trotzdem in einzelnen Fällen Spezialarbeitern die Arbeitserlaubnis gewährt worden sei, so ist das richtig; wenn er jedoch hinzufügt, daß er das vermittelt habe, so muß erwähnt werden, daß der Oeffent­lichkeit und den Emigranten nicht ein einziger solcher Fall bekannt geworden ist.

Das Problem der Einwanderung hat Herr Macdonald klug und weise in Zusammenarbeit mit den bestehenden und seit Jahrzehnten arbeitenden jüdischen. Organisationen zu lösen

Nicht weit von der Arbeitslosenmetropole Chemnitz , die früher einmal eine Industriestadt war und heute auf dem Aussterbeetat steht, in der Nähe des bedeutungslosen, per­armten Städtchens Frankenberg befindet sich, an dem Zschopaubach gelegen, das trostlose. Dorf Sachsenburg. Das Merkmal diefes Ortes ist dasselbe, wie das aller Ort­schaften des dritten Reiches": verfallene, leerstehende Fa­brifen, öde Straßen, geschlossene Läden, ausgehungerte, ver­bitterte Menschen, feiste, wohlgenährte SA.- Bonzen.

Eine ehemalige Fabrik des Dorfes Sachfenburg dient jetzt als Konzentrationslager für die politischen Gegner des avancierten Anstreichergesellen aus Braunau in Defter­reich. Hinter den fahlen Mauern der verlassenen Gebäude spielen sich nun die widerwärtigen Szenen ab, die heute das Kulturfymbol des unterjochten deutschen Voltes darstellen. Die Auslandspresse mußte mehrfach gerade auch aus Sachsen­burg schon empörende Vorgänge berichten, vieles leider noch aus Rücksicht auf gefangene Genossen und deren Angehörige zurückhalten. Heute veröffentlichen wir das nachstehende Lied, das Sachsenburger Schutzhäftlinge gemeinsam ersonnen haben. Sie haben es wochenlang bei ihren Märschen auf den Straßen der Umgebung gesungen. Damit ihnen das erlaubt wurde, haben sie im Texte fast jede agressive politische Ten= denz vermieden oder in eine vorsichtige Gefühlsäußerung gekleidet. Daraus erklärt es sich, daß das Lied nur leise fämpferische Untertöne aufweist. Aber sie sind noch da, ob­wohl die stumpfen SA.- Ohren der braunen Wachtknechte sie monatelang überhört haben. Die Bevölkerung von Sachsen­burg und seiner Umgebung war aber hellhöriger. Sie ver­stand das Lied auch ohne Worte. Und wo die Sachsenburger Schußhäftlinge in Marschkolonnen auftauchten und das Ge= fangenen- Lieb der Sachsenburger" anstimmten, da strömten die Leute herbei und begrüßten den Zug mit leuchtenden Augen und aufmunternden Blicken. Ja. sogar herzlicher Beifall wurde durch freundschaftliches Winken, durch Zuruse und Händeklatschen gespendet. Man warf den marschierenden Häftlingen Blumen zu und reichte ihnen Obst und andere Geschenke dar. Die Kinder fingen an, den Refrain des Häftling- Mariches mitzusingen, hin und wieder stimmten sogar die Erwachsenen an den Haustoren und Zäunen der Gärten in die schwermütige und doch zuversichtliche Marsch­weise mit ein.

Das wurde der nationalsozialistischen Lagerleitung denn doch zu dumm. Es bildeten sich hier auf Flügeln des Ge­sanges" die schönsten Verbrüderungen heraus zwischen dem Volke und den gefangenen Staatsseinden! Die braune Kom­

Gefüget aus Beton und Stahl Steht' ne Fabrik im Bichopautal Maschinen, Räder stehen still, Doch Arbeitsvolk findst du dort viel.

Tausend Kameraden, Mann an Mann, Gefangen, bewacht, in Acht und Bann, Stolz bleibt das Herz und fest unser Sinn: Wir werden in die Heimat ziehn!

Die Mauern, wo mit junger Kraft Die Spinnerin einst hat geschafft, Sind jetzt die Welt der Kämpferschar, Die stets für Recht und Freiheit war. Tausend Kameraden, Mann an Mann, Gefangen, bewacht, in Acht und Bann, Stolz bleibt das Herz und fest unser Sinn. Wir werden in die Freiheit ziehn!

Wenn jetzt im Haus der Hammer klingt, Der Säge Blatt den Stamm durchdringt, Wenn das Gewehrschloß droht und knackt, Erschallts, als wärs ein einz'ger Takt:

Tausend Kameraden, Mann an Mann, Gefangen, bewacht, in Acht und Bann, Stolz bleibt das Herz und fest unser Sinn: Wir werden frei zur Heimat ziehn!

Und stieß das Schicksal uns in Nacht, Der Tag kommt, wo uns Sonne lacht Und wer in diesem Haus verweilt, Zu Weib und Kind und Freunden eilt! Tausend Kameraden, Mann an Mann, Nicht mehr gefangen in Acht und Bann, Mit heißem Herzen stürmen wir heim Und frei, frei, frei wird Deutschland

fein!

mandantur ließ sich schleunigst das Lied bringen und studierte Verbot kirchlicher Flugblätter

es nun aufmerksam durch. Die Folge der Prüfung war der fategorische Lagerbefehl Das Singen des Häftling- Liedes ist bei exemplarischer Strafandrohung strengstens verboten! Seitdem hört man das Lied nicht mehr, wenigstens nicht laut und nicht aus dem Munde der Häftlinge. wenn bewaff­nete SA- Knechte um sie herumstreichen. In der Bevölkerung lebt es fort, die Kinder stimmen es auf Wanderungen an. wenn der Nazi- Lehrer außer Hörweite ist. Vielleicht wird es später einmal im Kriminal- Museum der Hitler- Terrorver­brechen auch sein historisches Pläßchen zugewieſen erhalten. Das schlichte und volkstümliche Lied lautet:

Bielefeld , 18. Mai. Wie die Staatspolizeistelle für den Regierungsbezirk Minden mitteilt, hat die Verteilung von firchlichen Flugblättern in den letzten Tagen in derartigem Maße zugenommen, daß begründete Bedenken in bezug auf die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ord­nung bestehen. Auf Grund des§ 7 der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze des deutschen Volkes vom 4. februar 1933 ist daher je de Verbreitung firch­licher Flugblätter für den Bezirk der Staatsvolizei­stelle Bielefeld verboten worden.