Von der Sozialpolitik zum Bettel

Originalberichte der Deutschen Freiheit"

Auf dem Gebiet der Sozialpolitik vollzieht sich ,, Kraft durch Freude " und anderer Unfug eine doppelte Entwicklung: 1. die laufenden bürokra tischen sozialpolitischen Leistungen werden abgebaut ( Krankenkassen, Arbeitslosenunterstützung, Wohlfahrts pflege der Gemeinden) und daneben eine Reihe von Einzelaktionen mit großer propagandistischer Aufmachung unter Selbstfinanzierung durch Sammlungen aufgebaut ( Winterhilfe, Aktion für Mutter und Kind).

Ueber die sozialpolitischen Propagandaaktionen wird berichtet: Aus Berliner Gewerkschaftskreisen über Kraft durch Freude ":

Auf diese Weise werden gleichzeitig die NSDAP . und ihre Nebenorganisationen mit immer neuen behördlichen Funktionen ausgestattet und der alte bürokratische Apparat zurückgedrängt. 2. Nebenher läuft die Ersetzung der früheren individuellen Hilfeleistung durch Kollektiv­aktionen mit hauptsächlich propagandistischen Zielen: Die Krankenkassen verschicken aus Mangel an Mitteln weniger Leute, dafür veranstaltet die Gemeinschaft Kraft durch Freude " Sammelverschickungen. Es scheint, daß der Plan, der diesem Umbau der Sozialpolitik zugrunde liegt: die Partei und ihre Organe immer mehr mit der Gesell­schaft und dem Staat zu verflechten und ihre Leistung und Bedeutung in den Augen der Oeffentlichkeit zu haben, bisher nicht gelungen ist.

Abbau

Zunächst einige Meldungen über den Abbau der behörd­lichen Sozialpolitik: Wie der Abbau der Arbeitslosen­unterstützung zustandekommt, zeigt z. B. ein Bericht aus Südbayern:

Es muß festgestellt werden, daß die Zahl der Wohl­fahrtserwerbslosen in den einzelnen Gemeinden stark im Schwinden begriffen ist. Auf dem Lande lassen die Bauern in Naturalien unterstützen, wofür sie Arbeit verlangen. Früher war die Menge der an den Wohlfahrtserwerbs­Iosen gegebenen Naturalien festgelegt. Heute ist der Wohl­fahrtserwerbslose auf dem Lande als offizieller Unter­stüßungsempfänger gestrichen und dem offenen Herzen des Bauern anheimgestellt."

Ein Bericht aus der Rheinpfalz:

" Die Arbeitslosen und Wohlfahrtsarbeiter sind über ihre Behandlung empört, denn man hat jetzt überall die Arbeitszeit auf 8 Stunden pro Tag festgesetzt und zahlt zur gefürzten Unterstüßung nur 2, Marf. Dabei wird meistens noch eine Art Affordarbeit verlangt. Wer unter diesen entwürdigenden Bedingungen nicht mitmachen will, erhält nichts mehr und wird dann als beschäftigt geführt, als Sieg der Arbeitsschlacht."

Ein Bericht aus Westsachsen:

Für die Wohlfahrtserwerbslosen sind meitere Ver­schlechterungen eingetreten. Nach den bisherigen Richt­linien sollten von den Wohlfahrtserwerbslosen Ver­heiratete mit mehr als einem Kind bevorzugt zu Arbeiten herangezogen werden. Unbeschadet der wöchentlichen Be­schäftigungsdauer erhalten diese Beschäftigten neben ihren üblichen Unterstützungsfäßen Mittagessen aus der städti­schen Speiseanstalt und monatlich einen Bedarfsdeckungs­schein von 25 Mart. Jetzt tit bestimmt worden, daß der Bedarfsdeckungsschein nur noch nach 200 Arbeitsstunden ausgehändigt werden darf. Wöchentlich dürfen aber nur arbeiten:

Verheiratet mit 1 Kind 28 Stunden,

mit 2 Kinder 32 Stunden,

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mit 3 Kinder 36 Stunden,

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mit 4 Kinder 40 Stunden, über 4 Kinder 44 Stunden.

Die Bedarfsdeckungsscheine lauten auf je 1,- Mart. Lebensmittel dürfen aber darauf nicht verabfolgt werden. Außerdem wurde bestimmt, daß die Leitung der SA- Standarten oder die Kreisleitung der NSDAP . an­meisen kann, wann und welche Verheirateten oder Ledigen, trotzdem die Richtlinien der Wohlfahrtsbehörden dies untersagen, bevorzugt beschäftigt werden. Die Beamten haben ohne Widerspruch diese Anweisungen zu befolgen."

Strafdienst

Kein Wunder, daß sich die Empörung Luft macht. Ein anderer Bericht aus Westsachsen besagt:

Bei den Fürsorge- Pflichtarbeitern seßen Sabotageafte ein. Sie erfolgen ganz instinktiv. Bei Arbeiten in den städtischen Anlagen werden Wurzeln von Sträuchern durch­stochen So wird uns dies von Arbeiten im Denkmalspark am Völkerschlachtdenkmal berichtet. Am 27. März entdeckte im Albertparf ein Naziaufseher einen solchen Strauch. Der Trupp mußte antreten und es sollte der Täter genannt werden. Das wurde nicht getan Darauf erging sich der Nazi in wüsten Beschimpfungen, trotzdem sich Spazier­gänger versammelten. Die Pflichtarbeiter murrten. Darauf nahm er 10 Leuten die Stempelfarten ab. Als die anderen daraufhin nicht weiterarbeiten wollten, drohte er ihnen mit Zuchthaus. Offenbar eingeschüchtert, arbeiteten fie weiter. Die zehn mußten ihre Stempelfarten auf dem Rathaus abholen, wo sie Strafdienst in Gestalt von Holz­hacken in der Arbeitsanstalt in der Riebeckstraße befamen. Bei Nichterscheinen Sperrung der Unterstützung. Hand­merfszeug wird auf verschiedenen Arbeitsstellen( Kanal­bau, Stauseebau, Randsiedlung Meusdorf) absichtlich be­schädigt. Tritt einer aus und läßt seine Schippe liegen, wird sie eingegraben. Die Pflichtarbeit ist im allgemeinen von vier auch acht Wochen verlängert worden. Erst täglich vier Stunden, jetzt sechs Stunden, darunter täglich zwei Stunden Wehrsport."

Ohne Unterstützung

Es liegt uns eine Uebersicht vor, in welchem Umfange selbst von den Arbeitsämtern anerkannte Erwerbslose ohne Unterstützung aus der Arbeitslosenversicherung, der Krisenfürsorge und der Wohlfahrtspflege der Gemeinden bleiben. Darnach ergibt sich, daß bis zum Februar 1932 etwa 10 Prozent der Gesamtzahl nicht unterstützt wurden, im Januar 1933 13 Prozent, nach der Machtergreifung Hitlers aber: im März 18 Prozent, im Oktober 23 Prozent, im November 24 Prozent und seitdem schwankend zwischen 20 und 23 Prozent! Ein Fünftel bis ein Viertel aller anerkannten, auf den Arbeitsämtern registrierten Arbeitslosen also nicht etwa die sogenannten unsicht baren Arbeitslosen- erhält also überhaupt keine Unter­stützung.

,, Niemand nimmt die Sache ernst, alles schimpft über die Verpulverung der Gewerkschafts­gelder. Von einer propagandistischen Wirkung auf die Arbeiter ist nichts zu spüren."

Aus einem Bericht aus Nordbayern:

,, Wer in diesem Grenzgebiet Urlaub erhält, kann diesen nicht als seinen Urlaub zur persönlichen Erholung nach eigenem Gutdünken verbringen, er muß sich während des Urlaubs zum Agitationsobjekt der Organisation Kraft durch Freude " hergeben. Er muß Reisen mitmachen, haupt­sächlich im Grenzgebiet, um der notleidenden Bevölkerung zu demonstrieren, um wieviel es den Arbeitern schon besser geht."

Ein Bericht aus Südbayern:

In der Aktion Mutter und Kind" wurden nunmehr 7000 Kinder aus dem bayerischen Wald nach Württemberg geschickt zu beachten ist auch, daß die Schulkinder in den Grenzorten in der Tschechoslowakei Liebespafete von deutschen Kindern aus allen Gauen des Reiches übermittelt bekommen haben. Der Zweck der utebung ist zu durch­sichtig. Man macht auf diese Art im Sudetenland Propa­ganda für das Schlaraffenland im dritten Reich"."

Die Zwangsbettelei

Wie es schließlich mit der Ehrenamtlichkeit der national­sozialistischen Funktionäre bei diesen Aktionen bestellt ist, zeigt ein Bericht aus einer sächsischen Großstadt:

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Nach den allgemeinen Angaben der Volkswohlfahrt follten ihre Helfer alle ehrenamtlich beschäftigt werden. Diese Angaben stimmten für die Stadt X. nur 14 Tage. Nachdem die ehrenamtlich Eingestellten nach 14tägiger Beschäftigung gemeutert hatten, wurden sämtliche Ein­gestellten nach Behördentarif befoldet. So erhält z. B. ein 20jähriger SA.- Mann monatlich 121,- RM. Der Führer bezieht das Gehalt eines Abteilungsleiters."

, Ehrenamtlich"

Die Spendenwirtschaft wird munter fortgesetzt.

Erwachen in

Aus Nordbayern erhalten wir den nachstehenden Situationsbericht:

Die allgemeine Wirtschaftslage ist troft los. Alles Tacht über die große Arbeitsschlacht". Neue Straßenzüge wurden zwar abgesteckt, aber das ist auch alles. Sonst gibt es an Straßenbauten nur Instandjeßungsarbeiten. In früheren Jahren wurden diese Instandsetzungsarbeiten sogar in größerem Umfange durchgeführt.

Es geschicht aber auch etwas Positives. Jeder Bürger des ,, dritten Reiches" mits das Arbeitsschlachtabzeichen zu 20 Pig. erwerben. Außerdem muß jeder eine Arbeits­stunde( 50 Pig.) für die Arbeitsschlacht opfern. In den Orten sind Transparente angebracht mit folgendem Wortlaut:

1 Arbeitsstunde 50 Pfennig 1 Arbeitsstunde." Die Bonzen des dritten Reiches" fahren in ihren lururi­ösen Mercedes- Benz bei den Betrieben vor und kassieren die Beträge für die Arbeitschlacht. Dann lassen sie sich ent­sprechend fotografieren, und die Bilder werden den Nazi­zeitungslejern vorgesetzt mit dem Text:" Unsere Führer im Dienste der Wolfs wohlfahrt!" Von Mehr­einstellungen in den Privatbetrieben merkt man nichts, außer in der Rüstungs- und Uniformindustrie. In Waldmünchen haben die Schreinermeister der Schreiner­innung 3000 Stück Schränke und ebensoviele Hocker für mili­tärische Zwecke anfertigen dürfen. Es handelt sich um Mann­schaftsschränke für Rafernen.

Hungerlöhne

In Weiden und Neustadt a. WN. hatten die Porzellan- und Glasarbeiter besonders hohe Spißenlöhne, sie leisteten aber auch anerkannte Qualitäts­arbeit. Diese Spißenlohnempfänger verdienen jetzt etwa die Hälfte von dem, was sie noch im Februar 1932 verdient haben. In den Jahren 1928 bis 1931 betrugen die Löhne dieser Arbeitergruppe rund 130 Mt. in 14 Tagen. Im Januar 1933 noch 90 bis 110 Mt. in 14 Tagen, je Bt 51 bis 55 Mf. in 14 Tagen. Dafür haben sie heute als Großver­diener" mehr an Abgaben aller Art zu Nazizwecken zu leisten, als sie sonst je an Beiträgen entrichten mußten.

In Neustadt a. WN. hatten die Glasmacher im Februar 1932 noch einen tariflichen Mindestlohn von 65 Mf. wöchentlich. Der Spißenverdienst war 180 bis 190 Mf. in 14 Tagen. Noch im Februar 1932 verdienten sie 140 bis 150 Mf. in 14 Tagen. Jetzt verdienen sie günstigenfalls 70 Mf. in 14 Tagen, also 35 Mf. in der Woche. Wachsende Unzufriedenheit

Die Stimmung unter den Arbeitern ist sehr starf umgeschlagen. Am meisten bei einer gewissen Gruppe von Arbeitern, die früher über die Sozialdemokratie schimpften, weil sie nicht noch mehr verdienten, aber in feiner Gewerf­schaft waren, in feine Versammlung famen und kein Geld hatten für eine sozialdemokratische Zeitung. Diese in­differenten Egoisten schimpfen jest in den Betrieben am lautesten. Denn jetzt verdienen sie knapp die Hälfte und müssen Beiträge und Abgaben zahlen, daß sie schwarz werden. Unsere Leute ertragen das Neue mit großer

. Schadenfreude über diejenigen, die nie gefämpft haben, denen alles, war wir errungen und geschaffen hatten, stets nur Gegenstand der Kritik war

Am offensten über die unhaltbaren Zustände hört man jetzt überall die älteren Leute schimpfen, darunter auch die Pensionisten. Diese älteren Leute haben wohl das Gefühl, daß sie doch nicht so rasch ins Konzentrationslager fommen. Opponierende Pfarrer

Zu den Opponenten gehört auch die fatholische Geist lich feit. Am Sonntag, dem 15. April, wurde der katholische Pfarrer in der Weidener katholischen Kirche sehr deutlich. Er ging rücksichtslos gegen das jeßige System vor und sagte u. a.: Die Bayerische Ostwacht"( das Regensburger Nazi­blatt) ist das größte Lügen- und Denunziantenblatt, das es je gegeben hat. Er fühlte sich verpflichtet, das zu sagen, selbst wenn er morgen schon nach Dachau geholt würde."

Ein Reisender schildert z. B. seine Eindrücke von einem kurzen Aufenthalt in Dresden :

In Dresden war die Förderersperre für die S. auf­gehoben. Alle Straßenpassanten wurden gefragt, ob sie bereits Mitglied seien. SS. im Stahlhelm und stationäre Werbewagen standen auf den Pläßen.

Intensiv wird die Aktion Mutter und Kind" weiter­getrieben. Es werden Sammlungen veranstaltet, Gedenf­münzen getragen und Postkarten verkauft. An die Stelle der Winterhilfe ist die Propaganda für die NS.- Volks= Wohlfahrt getreten, die mit Plafaten, Transparenten, Zeitungshinweisen usw. betrieben wird.

In Dresden hatte die Hitler- Jugend eine Werbemoche. Auf dem Altmarkt war ein Kinozelt aufgebaut, große Lautsprecheranlagen waren überall zu hören, Postkarten­verkauf und das übliche Werbebild."

Ein Bericht aus Sachsen :

,, Mit der verstärkten Agitation für Mutter und Kind" verbunden wird ein verschärfter Zwang zum Eintritt in die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt. ( NSV .) Be­fennst Du Dich zum nationalsozialistischen Staat? Dann hinein in die NS. - Volkswohlfahrt." Das ist der neue Schlager des dritten Reiches" mit dem den Bürgern das Geld aus der Tasche gestohlen wird. Zum Eintritt in die NSV. wird nicht allein in Zeitungen aufgefordert, sondern die Werber gehen von Haus zu Haus, von Tür zu Tür. Und wer sich nicht zum Staatsfeind abstempeln und sich als solcher verfolgen lassen will, tritt eben zwangsmäßig der NSV. bei. Doch die Zahl derer wächst, die lieber als Staatsfeinde gelten wollen als sich dem Zwange der Ver­hältnisse zu beugen."

Die Straßensammlungen scheinen insbesondere in den großen Städten sich tot zu laufen. Ein Berliner Beobachter berichtet, daß man immer mehr Leute findet, die sich auch zudringlicher Bettelei nicht fügen und es riskieren, ohne Spendenabzeichen herumzulaufen. Deshalb verlegt man sich auf neue Methoden. Aus Sachsen und der Rheinpfalz wird übereinstimmend berichtet, daß die Maiplaketten in die Lohntüten gelegt und vom Lohn abgezogen wurden. In den kleineren Städten versucht man es nach wie vor mit einem Sammelaufgebot der Schulkinder. So heißt es in einem Bericht aus Ost sa chsen:

Die Sammlungen bringen die Menschen zur Verzweif­lung. Seit Sonntag wird für die Jugendherbergen ge= sammelt. Alle Schulkinder vom 8. Lebensjahr ab sind verpflichtet, acht Tage lang sammeln zu gehen. Am Sonn­tag früh standen die Kinder schon um 5 1hr am Bahnhof und in den Straßen Zittaus und hielten jedem Passanten die Sammelbüchse vor die Nase. Die Hitlermädchen ( BM.) stehen in Scharen auf der Straße und in den Kinos und zwingen den Leuten Blumen zu 20 Pfg. auf."

Bayern

Bis Montagabend war der Pfarrer noch nicht perhaftet. Er wird auch so schnell nicht geholt werden, weil die Stim­mung bereits zu starf gegen die Nazi ist. Flucht aus dem Arbeitsdienstlager

Den Arbeitsdienstpflichtigen wurde bei Eintritt in den Arbeitsdienst versprochen, daß ihnen nach der Arbeitsdienst­zeit die Tore der Fabriken offen stehen. Bisher wurde aber der weitaus größte Teil der Arbeitsdienstpflichtigen noch ne­taner Dienstleistung im Arbeitslager in die Landhilfe abgeschoben. Das wird nur als eine andere Form der Arbeitsdienstpflicht angesehen, da ja die Leute wieder nur Essen und Unterfunft für schwere Arbeit erhalten.

Wer sein Dreivierteljahr der Arbeitsdienstpflicht abge= leistet hat und weder in der Industrie noch in der Landhilfe unterkommt, dem wird eröffnet, daß er noch ein Vierteljahr im Arbeitsdienstlager arbeiten fann. Dadurch erscheinen diese Leute jetzt noch nicht unter den Arbeitslosen.

In Amberg ist ein großes Arbeitsdienstlager für 800 Dienstpflichtige errichtet worden. Diese 800 waren auch ein­mal da. Im letzten Winter, als es so falt war, sind 700 Mann nacheinander ausgerückt wegen schlechter Behandlung, schlechtem Essen und Unterbringung in ungeheizten Räumen, wo sie nach getaner Arbeit bei hungrigem Magen tüchtig frieren konnten.

Jetzt sind 150 Dienstpflichtige dort. Die 800 Mann, für die im Lager Platz wäre, sind nicht zusammenzubringen. Da aber jeder aus der Arbeitslosenunterstützung ausscheidet, der Arbeit im Dienstlager nicht annimmt oder vor einem Drei­vierteljahr ausrückt, so vermindert sich auf diese Weise die Arbeitslosigkeit, wenigstens insoweit jüngere Leute in Frage fommen.

Ein Korruptionsfall von vielen

In der Kasse des Fabrikarbeiterverbandes in Weiden stellten die Revisoren einen Fehlbetrag fest. Wie groß der Fehlbetrag war, hat man nie erfahren können. Einige Zeit nach der Kassenrevision befamen nahezu 1000 Mitglieder der NSBO. Mitteilung, daß sie nicht Mitglied der NSO. seien. Sie hatten aber vom Juni 1933 bis Januar 1934 ihre Beiträge für die NSBO., monatlich 60 Pfg. bezahlt, dazu die Aufnahmegebühr von 1,50 Mf. pro Person. Durch die Streichung dieser annähernd 1000 Mitglieder war das Defizit der Verbandsfasse beseitigt, da man ja nur Beiträge einge­nommen hat nach dem Stand der geltenden Mitgliederliste. Der schuldige Nazibonze mußte nach dieser Begebenheit aus Weiden verschwinden. Er ist aber nicht im Gefängnis. sondern ist im Bayreuther Bezirk Forst beamter. Der Bürgermeister als Schmuggler

Der Mann, der in der Gemeinde Brünit bei Floß beim großen Umbruch Bürgermeister wurde, war den Behörden und der Bevölkerung immer schon als der geriebenste Schmuggler befannt. Vor der Machtergreifung Hitlers schwebte gegen ihn ein Strafverfahren wegen großer Schmuggelei. Dieses Strafverfahren wurde nach der Macht­ergreifung Hitlers einfach niedergeschlagen, und der Mann wurde, weil das älteste und tüchtigste Nazimitglied am Orte, Bürgermeister. Als Bürgermeister des dritten Reiches" mußte er natürlich ein schöner eingerichtetes Amts­zimmer haben als seine Vorgänger. Die Mittel für die neue Büroeinrichtung wurden vom neuen Gemeinderat selbstverständlich gern bewilligt. Der Bürgermeister bestellte diese Möbel nicht etwa beim heimischen Gewerbe, sondern in der nahen Tschechoslowakei, und ließ sie herüber= schmuggeln. Das wurde bekannt. Der Bürgermeister ist zwar angezeigt, aber er ist nicht etwa verhaftet, sondern er versieht weiter sein Amt als Bürgermeister, das er ja vom Führer übertragen bekommen hat.

Das ist eine kleine Blütenlese von Alltagserleb nissen, geschehen im zweiten Jahr des tausendjährigen Reiches Adolf Hitlers . Man sieht, es geht überall in rasen­dem Tempo vorwärts-: der Katastrophe zu.