Luxemburg gegen Diktatur Demokratischer Erfolg in den Kammerwahlen

Am Sonntag fanden in den beiden maßgebenden Bezirken des Landes, dem Industriegebiet in Esch- Alzette mit den pro­letarischen Massen und dem mittelständlerischen Moselgebiet die Kammerwahlen statt. Es handelt sich um die beiden größten Bezirke des Landes. Die größte Partei, der an der absoluten Mehrheit nur zwei Stimmen fehlten, die Kleri­falen, hatten die Parole des autoritären Staates und der berufsständischen Ordnung von Dollfuß übernommen und zu ihrer Parole erhoben. Nach den Wahlen sollte diese Parole durchgesezt werden und an die Stelle der Demofratie dachte man sich den berufsständischen Gedanken zu sehen. Das Lugem­burger Volf ist allen reaktionären und faschistischen Einflüffen ablehnend und hält trotz seiner Kleinheit an den demokra tischen Einrichtungen zäh fest. Ein harter Wahlkampf wie sel ten tobte. Die Klerifalen ließen alle Minen springen. und nichts blieb unversucht, um den Sieg zu erobern. Die Parole gegen die Demokratie unterlag. Sie haben sowohl an der Mosel als auch im Industriegebiet verloren, wenn sie im Industriegebiet auch durch Verleumdungen der Arbeiter­partei in sozialistischen Gemeinden Erfolge erzielen fonnten. An der Mosel , die an Deutschland angrenzt, haben die unab­hängigen Demofraten, die in Opposition zur Regierung stehen, den Klerikalen einen Siz abgenommen. Die Liberalen find scharf antideutsch und demokratisch in die Schlacht ge= zogen und die Nähe des deutschen Nachbars und die Erinne rung an 1914, wo die Deutschen Luxemburg überfielen, er reichte es, daß die Liberalen statt bisher 2 nun 3 und die Alerifalen statt 5 jetzt 4 Size buchen können. Im In. dustriegebiet gewinnen die Liberalen den Siß in Esch , wäh­rend die Sozialdemokraten wahrscheinlich einen Siz an die Kommunisten abzugeben haben. Der fleritale Anschlag auf die demokratischen Freiheiten des luxemburger Volfes ist mißlungen. Wenn die gegenwärtige Roalition aus Rleri­falen und Liberalen bestehen bleibt, dann werden die demo­kratischen Einflüsse stärker werden. Daß die Kommunisten zum erstenmal mit einem Satz vertreten sind, ist auf die schlimme Lage der Industriearbeiterschaft zurückzuführen. Er freulich ist, daß in einem Grenzland, das an Deutschland an­grenzt und bis 1918 mit Deutschland in engem Konner stand, an dem Tage, da im Saargebiet die faschistischen Fahnen heraushängen, die demokratischen antifaschistischen Gruppen einen schönen Sieg davontragen fönnen.

Danzig

,, Mit Duldung des Völkerbundes"

( I. I.) Die ,, Freie Stadt Danzig", die von den Nazi mit Duldung des Bölkerbundes, dem bekanntlich der Schutz der Danziger Verfassung obliegt, gleichgeschaltet wurde, ist ständig Gegenstand internationaler Erörterungen, da die rein nationalsozialistische Regierung ständig Verfassungs. brüche begeht. Aus der langen Liste der letzten Monate heben wir nur einige menige Fälle hervor:

Am 3. November hatten die Herausgeber der sozial

demokratischen Danziger Volksstimme" und der damals noch dem Zentrum gehörenden Danziger Landeszeitung" wegen eines vom nationalsozialistischen Senat( Regie­rung) ausgesprochenen Verbots der beiden Blätter eine Petition an den damaligen Hochkommissär des Völker bundes in Danzig gerichtet. Der Völkerbundsrat hat daraufhin im Januar entschieden, daß selbstverständlich nach der Danziger Verfassung die Pressefreiheit zu wahren sei. Das hat den Senat natürlich nicht gehindert, das jetzige Danziger Zentrumsblatt, die Danziger Volks zeitung", zu verbieten, und zwar wegen des Abdrucks einer Entschließung der Diözese der Katholiken des Bis tums Danzig , in der diese gegen den Terror und die Ver. folgungen katholischer Organisationen und katholischer Geistlicher durch die Nationalsozialisten protestiert hatte. Bereits vorher waren drei Nummern der Danziger Bereits vorher waren drei Nummern der Danziger Volkszeitung" beschlagnahmt worden. In allen Fällen handelte es sich um Proteste gegen Verfolgungen von Katholiken.

Der Prinz von Pleẞ

Er führt Krieg mit Polen

fenen

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Unter den oberschlesischen Ausbeutern steht der Prinz r Pleß an der Spitze. Die Sympathie der NSDAP . hat sich dadurch gesichert, daß er der Vorsitzende des Deutsch Volksbundes" in Polen ist. Trotz der neuen Freundsch mit Pilsudski ergreift die deutsche Presse nun die Par: des Prinzen, der in einen Steuerstreit mit Polen verwick ist. Wie immer der Fall des Prinzen liegt, hat er wirfl Steuern unterschlagen oder nicht sein Fall ist ein zivil und fein politischer. Dennoch sagt ein Herr Werner Kuche dorf: Die deutsche Oeffentlichkeit hat getreu den getrr freundschaftlichen Abmachungen zwischen beid Staaten Monate hindurch viele Dinge in Of Oberschlesien hingenommen, die sie niemal früher bingenommen hätte. Man hat von vor herein die Person des Woiwoden Dr. Grassynsfi als e schweres Hindernis für einen deutsch - polnischen Ausglei betrachtet. Die polnische Regierung fann fein Interef daran haben, daß in einem Augenblick, da sie ein internati nales Minderheitenrecht fordert, ein so flagranter Fall w der des Prinzen von Pleß vor dem Völkerbund verhandeln wird Man sieht in Deutschland auch nicht ein, auch welche Grunde eine durchaus staatstreue und loyal Minderheit durch Steuerschifanen gewaltsam enteigne werden soll, und man sieht ferner nicht ein, daß es einer: höheren Verwaltungsbeamten gestattet sein soll, auf eigen das von den besten Köpfen und den Führern beider Staate: unter gewiß nicht kleinen Opfern zustande gebracht wor den ist."

Ueberfälle auf oppofitionelle Kreise in Danzig sind auf der Tagesordnung. Dazu gehören nicht bloß Sozialdemo kraten und Kommunisten, sondern selbstverständlich auch die Katholiken. Die neue Terrormelle datiert seit dem Besuch des Reichsführers der deutschen SS., Himmler , in Danzig . Die Christus- Jugend" wurde überfallen, Demonstrationen gegen Pfarrhäuser veranstaltet, schließ auft willkürlich ein großes Freundschaftswert zu störer lich vom Kultus- Senator eine Verordnung erlassen, die es allen Schülern und Schülerinnen untersagt, anderen Organisationen anzugehören als der Hitlerjugend , es sei denn zum Zwecke von Bibelstunden! Die Danziger Ver­fassung sieht die Organisationsfreiheit vor...

Jm März und April kam es wiederholt zu systematisch vorbereiteten Angriffen auf sozialdemokratische Veran staltungen, Lokale, die den Sozialdemokraten als Zusammenkunfts. ort dienen, werden aus baupolizeilichen Gründen" ge­schlossen!

wobei schwere Verletzungen vorkamen.

Einen Höhepunkt erreichte dieser wie gesagt eine ständige Verletzung der vom Völkerbund garantierten Verfassung darstellende- Terror der Nazi am 1. Mai, Wohnungen wurden demoliert, Fenster eingeschlagen usw., weil die Wohnungsinhaber sich weigerten, Hakenkreuz­schmuck anzubringen!

Bielleicht erkundigt man sich, bevor man die Garantie. beteuerungen der Nazi für die Saarabstimmung ernst nimmt, einmal in Danzig . Man wird dort leicht einiges darüber in Erfahrung bringen können, wie Nazi eine vom Völkerbund garantierte und von der Nazi- Regie rung beschworene Verfassung behandeln...

Die 18jährige Sexualreformerin Büro. Ihre ersten Ideengänge werden vom Freiheitstampf

Sensationsprozeß in Madrid

( Von unserem Madrider Berichterstatter) J. W., Madrid, Anfang Juni 1984. Einer der interessantesten Prozesse der Strafrechtsgeschichte hat eben in Madrid seinen Abschluß gefunden: Eine Mutter

im Schlaf

Aurora Rodriguez tötete im Juli vorigen Jahres ihre 18jährige Tochter Hildegart - Studentin und Heraus geberin von Schriften über Sexualreform durch vier Revolverschüsse. Sie wurde vom Gericht zu 26 Jahren, 1 Tag Haft verurteilt.

Dieser Fall zeigt ein völlig neues Phänomen in der Gerichtspraxis Spaniens ; wahrscheinlich der Welt: Gine Mutter, die ihr beißgeliebtes Rind, ein außerordentliches Wesen, tötet, weil sie diesem Kind, das sich, zum ersten Mal feit feiner Geburt, von ihr trennen will, die Prostitution feines Ichs vor Welt und Menschen" ersparen, die von ihr geformte Idealgestalt, ihr Werk und Eigentum, diese Tochter, reinerhalten will, im legten Sinne des Wortes.

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Büro. Ihre ersten Jdeengänge werden vom Freiheitskampf gegen den Klerus auf den Philippinen beherrscht. Der Vater unterstützt die Rämpfer. In ihr erwächst ein deal: Symbol des Freiheitsgedankens, die Welt zu reformieren, der Menschheit Wegweiser zu werden. Kaum erwachsen, geht sie eine Beziehung zu einem Manne ein, wird schwanger. Der Vater zahlt ihr ihr Erbteil aus, fie zieht nach Madrid . Hier kommt das Kind zur Welt. Sie nennt es Hildegart Garten der Weisheit". Aus ihm will sie das Wesen schaffen, das sie selbst nicht ist: Ausnahme in allem, Idealgestalt in Schönheit, Reinheit, Natürlichkeit, Klugheit, Talent und Wissen.

Diesem Ziel der Schaffung eines solchen Ueber­menschen widmet sie ihr Leben. Das Kind wird nach cinem durchdachten Plan erzogen. Es bekommt eine beson­dere Kost, damit alle Organe sich richtig entwickeln, nachts wird ein Wecker an sein Bett gestellt, der jede Stunde läutet, damit es die Lage wechselt, es darf nicht spielen, es sieht keine anderen Kinder, es muß lernen. Mit drei Jahren schreibt es bereits auf der Maschine. Mit 11 Jahren reicht Hildegart eine Arbeit bei einem literarischen Wettbewerb breitet sich. Mit 15 besucht Hildegart die Universität, schreibt ein, die prämitert wird. Die Mär von dem Wunderkind ver­ihre Bücher über Serualfragen. Die Mutter läßt sie jedoch nie auch nur eine Minute allein. Sie begleitet sie zur Schule, zur Universität, in politische Versammlungen, zu Vorträ gen- nie darf sie wie ihre Altersgenossinnen tanzen, nicht einmal eine Freundin haben. Sie soll über den fleinen Din­gen der Menschen stehen, soll schaffen, ein Symbol werden " Ia virgen roja"- die rote Jungfrau. Ist es Liebe zur Tochter, zum Wesen aus ihrer Art, ihrem Fleisch, ist es Eifersucht auf eigene Regungen des Kindes, oder ist es wirklich die Angst davor, daß das Ideal auch menschlich­fleine Regungen zeigt, was diefe Mutter immer mehr in einen wahren Verfolgungs- und Größenwahn hineintreibt?

Wer ist diese Frau Aurora? wer ihre Tocher Hildegart? Kurz nachdem ich nach Madrid fam, vor etwa zwei Jahren, fielen mir auf den Bücherfarren und in den Schaufenstern der Buchläden Aufklärungsschriften über Serualfragen auf, die in der Art der Hodannschen Broschüren, aufgebaut auf seinen Ideen und denen Magnus Hirschfelds , jene Probleme behandelten. Ich staunte über die für Spanien ungewöhnlich hohe Auflage von 5000 Exemplaren und erkundigte mich nach dem geschäftstüchtigen Autor. Hildegart , ein sechzehn­jähriges Mädchen, das gleichzeitig Medizin, Jura, National ökonomie und Geschichte studiert, ist die Verfasserin," ant­wortete man mir. Aber nicht genug an dieser vielfältigen Arbeit: Hildegart spielte auch in der Politik eine Rolle, fie gehörte zur sozialistischen Jugend, hielt Vorträge über die verschiedensten Themen, arbeitete außerdem als Sekretärin des Sexualforschers Synches Banus im Madrider Institut für Serualforschung. Ein Phänomen. Kurz darauf lernte ich fie fennen. Ein großes, fompaktes, schwerfällig wirkendes Geschöpf, mit fleischigem Gesicht, energischem, zu Bartwuchs neigendem Sinn, schönen Augen, ernitem Ausdruck und im Kontrast dazu: Bang über die Schultern herabhängende Korkenzieherlocken... Sie war in Begleitung der Mutter, die, um einen halben Kopf größer und einige zehn Pfunde schwerer, noch majestätischer wirkte. Wir sprachen über freie Liebe ". Ich versuchte Hildegart ihre Ansichten zu ent loden, erfuhr aber ausschließlich die der Mutter. Als ich suum Schluß fragte:" Wie würden Sie sich, als Verteidigerin der freien Liebe, zu einem entsprechenden Schritt Ihrer Tochter stellen?" meinte sie verlegen: Meine Tochter?- 0, die ist doch noch viel zu juna. Soll erst mal studieren. Wenn fie dann 23 oder 24 ist, und sie verliebt fich wirklich in einen nun dann stände wohl auch einer legalen Bindung nichts im Wege, nicht?" Jenes Gespräch bestätigte meine Ideengänge über die fpanische Sexualmoral. Abänderungen des althergebrachten, von Arabern und Kirche gepflegten Sittenfoderes find nur meniaftens bisher( abaefehen von Ausnahmen)- theore tisch möglich. Die Vraris- und selbst nur der Gedanke daran- laffen auch den energischsten Serualreformer vor feinen eigenen Theorien zurückweichen. Der Fall Aurora­Hildegart Rodriguez hat meine Ideenaänge zur Genüge bestätigt: Hildegart wurde von ihrer Mutter erschossen in dem Augenblick, als sie den Willen zur Befreiung von der mütterlichen Vormundschaft kundtat. als sie in die Hände anderer Menschen, sogar" eines Mannes, hätte geraten fönnen. Verfolgen wir die Geschichte der Frau, die heute zu 26 Jahren Haft verurteilt wurde:

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Aurora Rodriguez stammt aus El Ferrol , einem Küsten­ort der Provinz Coruna . Ihr Vater war Gerichtsvollzieher, die Mutter Lehrerin. Der Vater erzieht das Kind, das die Mutter vernachläffigt. Wann sie lefen oder schreiben gelernt bat, weiß Aurora nicht mehr. Jedenfalls besuchte fie niemala eine Schule. Vom 11. Lebensjahr ab hilft sie dem Vater im

Denn: Als die Tochter ihr eines Tages erklärt, sie wolle von ihr fortziehen, um sich stärker der Politif widmen zu können, bäumt sich die Mutter auf. Seut leugnet fie es. Beu­gen aber bestätigen, daß es oft Streit, einmal fogar eine Schlägerei zwischen Mutter und Tochter gab. Endlich scheint die Mutter mit der Trennung einverstanden. Eine alte Be­fannte soll Hildegart in Obhut nehmen, während die Mut­ter eine größere Reise nach Ueberfee antreten will. Am Morgen des Abreisetages schickt Aurora das Mädchen mit ihrem Hund zu Bekannten, dann geht sie ins Schlafzimmer der Tochter, gibt 4 Schüsse auf fe ab- um sie auch wirklich zu töten- sie hat schon am Tage vorher auf der Terrasse schte ßen geübt dann geht sie aus dem Haus, weckt einen Freund, den Justizminister Botella Asensi aus dem Schlaf und erzählt ihm das Vorgefallene. Sie bittet ihn, ihr zu raten und ihre Verteidiguna vor Gericht zu übernehmen. Botella fann dies nicht, bestimmt aber seinen ersten Mit­arbeiter zum Vertreter und begleitet Aurora zum Gericht. Sie wird in Haft genommen. Sie bereut thre Tat nicht. ich will nicht mehr leben, Oft bat mich meine Tochter mich selbst zu töten bin ich zu feige. töte du mich, aber so, daß ich es nicht merke. Und eines Moraens fragte fie: lebe ja immer noch. warum?" So erfüllte ich ihren Wunsch. Sie starb als die Idealaeftalt, die sie fein sollte. Wer weiß in was für Banditenhände sie gefallen wäre. Das Fleisch dieses schönen, talentvollen Kindes durfte nicht beschmutzt werden. Hundertmal würde ich meine Tat wiederholen.

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So spricht Aurora in der Untersuchungshaft, so vor Ge­richt. Im Gefängnis rebelliert sie des öfteren. Einmal schlägt sie eine der Wärterinnen und tritt fie mit Füßen, erklärt jedoch gleich danach, diese Handlungsweise sei als fumboli icher Att gegen ein verachtungswürdiges und unmenschliches System aufzufassen.

Sie will die Prostituierten davon gibt es im Gefäng­nis viele- gewerkschaftlich organisieren, um sie so vor Ausbeutung Dritter zu schüßen, auch die Rigeuner will fie gewerkschaftlich zusammenfassen, damit ihre Raffe, anbe­tungswürdig ob ihrer Reinheit, beffer entfaltet werde. Alles

affes mas ihr nicht recht erscheint, mill sie reformieren. Tie Männer haßt sie, d. h. als Geschlechtswesen. Sie er­

Frage: Will man also nach Ostland reiten? oder wi man loyal staatstreue Minderheit sein? Was wäre einer. Stresemann geschehen, hätte er so gesprochen?

Königliche Rassenschande

Zustände in England!

Der Prince of Wales erschien unerwartet in einem kleinen Auto und im Promenadenanzug in dem sehr stark von Juden bewohnten Londoner Stadtteil Whitechapel, wo e die neue jüdische Wohnkolonie in der Bernerstreet besichtigte Diese Siedlung wurde im Zusammenhang mit der St. Georges- Jewish- Settlement errichtet. Die jüdische Bevöl ferung von Whitechapel war über den Besuch freudig über rascht und brachte dem Thronfolger Ovationen dar. Der Sozialarbeiter Bafil Henriques begrüßte den Prinzen im Namen der jüdischen Bewohner der Siedlung und führte ihn von Wohnung zu Wohnung, wobei der Prinz sich an gelegentlich mit den jüdischen Bewohnern unterhielt. Zun

Abschied reichte er jedem von ihnen die Hand. Zurück wurd

der Prinz von Anthony de Rothschild und dessen Frau be gleitet. Er begab sich sodann in die Vorstadt Hackney, wo auf von Rothschild gestiftetem Boden Arbeiterwohnungen er­

richtet werden.

flärt im Verlauf des Prozesses, Hildegart sei keineswegs Frucht einer Liebesbeziehung, sondern ein bewußt mit einem geeigneten männlichen Wesen gezeugtes Geschöpf. Dieser Version widerspricht die Zeugenaussage der Hausangestell ten, die zur Zeit der Geburt Hildegarts in ihrem Dienst stand. Diese befundet, daß während längerer Zeiträume ein ausländischer Freund der Aurora ausländischer Freund der Aurora offensichtlich der Vater des Kindes in deren Haus wohnte, sogar mit dem Kinder­wagen ausfuhr.

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Und hier wo der Ausgangspunkt zu dem Drama dieser Frau und Mutter liegt, hat das Gericht bewußt oder un­bewußt nicht eingehaft. Beweis dafür, wie wenig Ver ständnis selbst der gebildete Spanier für psychologische Stu­dien und Erkenntnisse aufzubringen vermag. Mangel an Geduld. Mangel an Interesse am anderen Ich. Furcht vor Erhellung von Problemen, die den katholischen Sittenfoder verlegen könnten. Was für eine Fundarube für einen Psy­chiater ist dieser Fall. Zwar hatte das Gericht nicht versäumt Sachverständige zu laden, ebensowenig die Verteidigung, aber diese verloren sich in den Streit, ob die Angeklagte Paranoia habe( ob Paranoia überhaupt eriſtiere) oder ob sie sich als schwere Psychopathin erst im Vorstadium der Pa­ranoia befinde, d. h. noch keinerlei Wahndelirien bekenne. Keiner dieser Sachverständigen geht auf die Untergründe, auf psychoanalitische Zusammenhänge ein.

Keiner sieht, oder will sehen, daß hier eine Enttäuschte, zurückgewiesene, in falschem Stolz Erzogene sich einen Le­bensstandpunkt zurechtgezimmert hat, der sie über die Menschheit stellt, ihr Sonderziele auferlegte, die in einem Wahn endeten. Mag sein, daß man vor heiflem" Thema zurückscheute. Wahrscheinlicher aber liegt die Ursache für solche Oberflächlichkeiten der Untersuchung in der menigen Erfahrung, die bisher der spanische Arzt mit wenigen Ausnahmen- in psychoanalitischer Behandlung und For= ichung besigt. Dr. Maranon , der berühmteste Arzt Spaniens , der fich gern mit dem Fall beschäftigt hätte, wurde von der Angeklagten rundweg abgewiesen.

Man will Aurora nachsagen, daß sie schlecht und zynisch" ist. Darauf basiert die Anklage. Niemand aber hat dies wirk lich nachweisen fönnen. Alle ihren absurden Handlungen in bezug auf Hildegart sind von einer unbändigen Liebe zu ihrem alter ego diftiert. Was denn ist Eifersucht anderes als Liebe?- Und Eifersucht auf andere ließ sie das Kind abgeschlossen und ausschließlich auf die Mutter eingestellt aufwachsen.

Sie will nicht als geistesfranf gelten. Als ihr Verteidiger sie auf dieser Basis von der Verurteilung zu retten ver­sucht, springt sie wütend auf. Als fie das Schlußwort erhält, wendet sie sich offen gegen ihren Anwalt. Man merkt, fie

will verurteilt werden. Warum?

Um das Symbol der roten Jungfrau" nicht im Irrene haus enden zu sehen.

Das Freiheitsideal darf wohl im Martyrium der lebens­länglichen Haft weiterleben nicht aber auf dem Friedhof der Bächerlichkeit, dem Asyl der Geiftestranten schimpflich zugrundegehen.

Als der Urteilsspruch fiel: 26 Jahre, 1 Tag, atmete die Angeklagte geradezu auf. Sie war es, die eine weinende Be­fannte tröstete:" Ich wollte verurteilt werden, und Hildes gart lebt weiter."

Hat das Gericht ein Fehlurteil gefällt? Es entsprach mohl der Stimmung im vollbefeßten Sufchauerraum, der St'm mung der flerikalen Bresse, selbst der Linkspresie. Jebo gab es eine ganze Reihe von Leuten, die die Angeklagte für unzurechnungsfähig halten.

Sühne für ein Monstreverbrechen.

Was aber ist in diesem Falle Aufgabe der Justiz? Gu Strafen?

Die meitaus schwerere Strafe für jene Frau wäre d'e Schmach des Irrenhauses" gewesen.

Soll Justiz beffern? Was an diesem, feine stete Milis­bereitschaft und Reform der Menschheit fundiuenden Wesen wäre wohl zu beffern? Ihre Schlechtigkeit hat man smar behauptet, nicht aber bewiesen.

Justis soll abschrecken?- Der Fall Aurora Rodriguez wird wohl kaum wieder seinesgleichen finden.