Pariser   Berichte

Schutzverband deutscher Schriftsteller Ortsgruppe Paris

Der nächste Diskussionsabend für Mitglieder und Gäste des SDS. findet statt am Freitag, dem 8. Juni, abends 9 Uhr, Café Mahieu, Boulevard St. Michel, Ecke rue Soufflot. Thema: Das Dritte Reich im Spiegel der Emigrationslitera­tur." Es sprechen: Leonard über bellestritische Literatur, Kurt Stern   über polemische Literatur.

Walter Mehring   liest

Am Sonnabend, dem 9. Juni, 21 Uhr, konferiert Walter Mehring   im Pariser   Deutschen   Klub und liest aus seinem neuen Chanson- Buch vor: ,, Und Euch zum Trot!"

Anschließend: Geselliges Beisammensein.

Gäste sind gerne willkommen. Es wird um 5 Franken zur Deckung der Unkosten gebeten( Stellungslose: 3 Franken).

Die Adresse des Deutschen   Klubs lautet: Université   du Parthenon  , 64, Rue du Rocher, Paris 8  ( am Bahnhof St. Lazare  ).

Die Ehe des Silberfuchszüchters

In der Zelle zu Lorient  , nahe dem Gerichte, dessen An­klagen so lange sein Vater vertrat, ist der junge Henriot stundenlang über seine furchtbare Ehe mit der Bauerntochter ausgefragt worden. Das, was über das Verhör durchsickerte, bestätigt die Symptome einer grausamen Veranlagung. Der junge Mensch, der die ,, schönen und bissigen Füchse", wie er sagte, im Zaum hielt, hat offenbar die Ehe eines Wahn­sinnigen, eines völlig Degenerierten mit dem Mädel vom Dorfe geführt.

In den etwa zweihundert Fragen, die ihm vorgelegt wurden, fand der Mörder den Anlaß, sich über seine Brautnacht und

Tél Trinité 43-13 Deutsche Poliklinik

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Paris, 62, Rue de la Rochefoucauld

a) Allgemeine Konsultationen mit 9 Spezialisten. b) Chirurgie c) Orthopädie d) Geburtshiltliche Klinik e) Zahnärztliches Kabinett Ordination täglich von 9-12 und 2-8; Sonntags und Feiertags von 10-12 und 2-4 Uhr

zu vermeiden. Denen, die darin eine Vorzugsbehandlung sehen, wird eingewandt, daß Aehnliches auch im Falle der Violette Noziére  ,( die jetzt in der langen Untersuchungshaft mit den Schwestern betet) angewandt worden sei.

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Ueber Violette Nozière   meldete Georges Sinclair: Ich habe ihre Zelle gesehen. Sie ist sehr einfach, wohl vier Meter lang und zwei breit, und hat zwei Fenster, die schwer vergittert sind. Drei Betten stehen darin, zwei gerade und eins quer. Sie hat einen Tisch, auf den sie Deckchen legte und zwei Schemel aus Holz mit ausgebreiteten Tüchern.

An die Wände hat sie Fotografien geklebt. Sie hat das ganze Leben der heiligen Therese hingehangen, man kann auch die stolzen Statuen des Königs Albert und des Königs Leopold sehen. Sie hat auch Landschaften aufgehängt, die sie an die Tage ihrer Kindheit erinnern, so sagt sie.

Von anderen Erinnerungen spricht sie scheinbar zu nie­mandem. Sie erwartet vielleicht etwas, sie hofft auf etwas. Auf was? Wenn ich es wüßte.

Eines Tages hätte sie fliehen können, wie man sich er­innert, aber sie überraschte alle. Man hatte sie zum Justiz­palast geführt und von ihren Wächtern in der Menge ge­trennt. Sie hätte sich retten können, die Gelegenheit war da. Aber sie eilte wie eine Tolle zurück, bloß damit man sie wieder habe. Die Freiheit winkte, aber sie blieb, und am Abend sagte sie, sie wolle vors Gericht gestellt sein!

die nachfolgenden Nächte zu äußern, in denen die junge Frau BRIEFKASTEN

sich ihm versagte. Er hat zugegeben, daß er am 8. Mai, dem Tage des Dramas, die junge Frau erst mit dem Feuerhaken züchtigte und daß er dann, als er Blut sah, in eine Erregung geriet, wie die Raubtiere, die ihn zur Zerfleischung des Opfers zwang. Diese grauenhafte Erklärung enthält wahrscheinlich die Wahrheit.

Ueber die Frage der Versicherung zu 800 000 Franken, die der Mörder abschloß, wurde noch nicht gesprochen. Natürlich

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ist das Verhör hierüber von besonderer Bedeutung für den Vorsatz und die Ueberlegung bei der Tat. Einstweilen wird uns von seinem Verteidiger, dem Maitre Beinex aus Paris  , nur verraten, daß das Wort Mord" unter den Versicherungs­bedingungen nicht vorkomme. Die Sonderklausel spreche nur von ,, Attentat", und auch das nur unter gewissen Bedin­

gungen.

Der Verteidiger hat eben die verwundbare Stelle des grausamen Tierzüchters erkannt. Dies ist der Punkt, an dem sich entscheidet, ob zu der krankhaften Veranlagung sich der verbrecherische Erwerbstrieb gesellte. Näheres darüber wird die nächste Vernehmung des Mörders in seiner Zelle am 14. Juni bringen, denn in die Zelle geht man, um das Erscheinen des Mörders am Gericht, an dem sein Vater Staatsanwalt war. und das Zurschaustellen

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Archiv- London". Ihr Wunsch wird erfüllt werden.

G. S., Lüttich  . Ihnen hat ein Privatbrief aus Bayern   die Not des Kleinhandwerks im Reiche Julius Streichers geschildert. Ob­wohl in Franken mit allen Mitteln die Juden wirtschaftlich aus­geschaltet werden, hat der Mittelstand davon keinen Nutzen. Laut einem Bericht des Geschäftsführers des Landesverbandes baye­tischer Schreinermeister Dr. Dörfler gibt es allein in Fürth   bei

Nürnberg   2000 erwerbslofe Schreinergesellen. Ihr Freund schreibt Ihnen, die Kleingewerbetreibenden seien vom dritten Reich" ent­täuscht und würden allmählich auch in ihrem Antisemitismus irre.

Und das mitten in der Streicherei!

Eupen  . Das Grenz- Echo" hat vor einiger Zeit einen sfandalösen Fall einer Verlegung des Briefgeheimnisses der Durchgangspost durch Deutschland   berichtet. Der Wortlaut einer Karte, die ein Geistlicher des Klosters Herbesthal- Baum an einen Confrater nach Desterreich gesandt hatte, stand wenige Tage später im West­deutschen Grenzblatt" veröffentlicht. Der Reichspostminister hat dar­auf am 10. April in einem Brief an das belgische Blatt beteuert: " Die Durchgangspost genießt in Deutschland   denselben Schutz wie in andern Ländern. Ich wäre dankbar, wenn Sie Ihre Leser hier­von unterrichten würden." Das Grenz- Echo" hat den Herrn Reichs­poftminister brieflich am 16. April dahin belehrt, daß das Polizei­präsidium in Aachen   sich gerühmt hat, eine via Deutschland   nach Skandinavien   gehende Transitsendung des Zentralfomitees der Antifaschistenvereinigung Europas  " erbrochen zu haben." Darauf hatte der Reichspostminister nichts zu erwidern. Das Grenz- Echo" hat recht, wenn es empfiehlt, Durchgangspost nicht durch Deutsch­ land   gehen zu lassen.

Früher Hannover  ". Von Ihnen erfahren wir, daß das dritte Reich" eine neue große Sorge hat. Es werden allerhand tatsächlich überflüssige Vereine aufgelöst. Die Vereinsbrüder nehmen das mit Faung auf, versuchen aber vorher, das Vereinsvermögen zu retten, indem sie es nach teutscher Männerart verfaufen. So hat der aufgelöste Eisenbahn- Supernumerarverein in Hannover   Ein­ladungen zu einer dreitägigen Abschiedsfeier ergehen lassen: Fest­effen, Ball, Frühschoppen, Kaffeetafel und sonstige leibliche Genüsse. Die Nazipreffe fordert erregt, daß diesen Epikuräern sofort Ein­halt geboten werde. Ob die Vereinskasse für die Nazis gesichert mar noch nicht in Erfahrung zu bringen.

H. G., Mez. Sie haben uns aus dem dritten Reich" einen Baden Provinzzeitungen aus verschiedenen deutschen Landesteilen mit­gebracht. Darin stehen Versammlungsberichte aus zahllosen Klein­städten und Dörfern. Es wurde überall von bestellten und bezahlten Rednern mächtig geschimpft gegen die verleumderische Brut" der Miesmacher, aber nicht in einem einzigen Bericht wird von glän­zendem Besuch und begeisterter Stimmung geschrieben. Es nahen die Tage, die den Herren nicht gefallen werden.

Pfarrer NN. Ihnen haben wir für einen Bericht über einen volksmissionarischen Abend in der Stadtkirche zu Darmstadt   zu danken. Es sprach Herr Pfarrer Dr. Bergér über den deutschen Christus". Immer wieder forderte er, den deutschen   Christus hinaus­zutragen in die deutsche Welt. Der deutsche   Christus den Deutschen  ! So muß das deutsche   Christentum verstanden werden, sagt der deutsche Christ Dr. Bergér mit dem accent échu auf dem e!

H. D.  , Brünn  . Als Beweis dafür, daß das rote Wien lebt, teilen Sie uns mit: In einer Versammlung der Wiener   Polizeibeamten fündigte Sicherheitsminister Major Fen an, daß der Stand der Wiener   Polizei von 6000 auf 8000 Mann erhöht werden soll. Dess gleichen soll die Gendarmerie, verdoppelt werden. Auch die Bewaff nung der Polizei soll neuerdings verbessert werden: sie soll modernste Panzerwagen, automatische Gewehre und Stahlhelme für das ges samte Sicherheitskorps erhalten. Als Begründung für diese Maß­nahmen erklärte Major Fey, man wisse, daß die Margistent, trotzdem sie besiegt wurden, im geheimen weiter arbeiten und illegale Waffen versteckt halten. Daher müsse man für die Zukunft vorsorgen."

Coburger  ." Neulich haben wir von der Absicht der Coburger  gemeldet, ihr uraltes Stadtwappen, das einen Mohrenkopf trägt, aus rassischen Gründen abzuändern und den Neger durch ein Hakenkreuz zu erseßen. Das war eigentlich ganz selbstverständlich, denn Coburg   war die erste deutsche Stadt, deren Bevölkerung eine nationalsozialistische Mehrheit hatte. Das scheint sich in allerletzter Beit ein wenig geändert zu haben, denn nun wird mitgeteilt, daß die Coburger   ihren Mohren behalten und auf das Hakenkreuz im Wappen verzichten. Aus Gründen der Tradition." Auf einmal!

Frankreich  

Neuer Vor wärts" wird in Paris   jeden Freitag in

allen großen Zeitungskiosken und in den Bahnhofs- u. Untergrund­bahnbuchhandlungen verkauft. Preis 1,50 Fr.

Das Blatt ist in den bedeutend­sten französischen   Städten erhält­lich, auch in Monaco  , Marokko  und Algerien  .

Wegen der Aufnahme von Inse­raten und von Abonnements in Frankreich   wende man sich schriftlich an

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