Vom Reichstagsbrand zum Massenmord

Fortsetzung von der ersten Seite

Herrenklub hinter Gittern

Was tagelang verheimlicht oder bestritten worden ist, Die intrigante Sonderaktion Görings

muß nun zugegeben werden: der Vizekanzler von Papen stand in seiner Wohnung unter polizeilicher und SS.­Bewachung als Gefangener. Er ist in dieser Rolle zur Stunde no ch. Alle seine politischen Akten werden durchwühlt. Wie stark aber gerade nach dem blutigen Sonnabend die Reaktion" im Reiche noch ist, wird da burch bewiesen, daß man bisher nicht wagt, Herrn von Papen abzustrafen oder auch ihn nur öffentlich der Teil­nahme an dem Komplott" zu beschuldigen. Es zeigt die Berlogenheit und die Verwirrung, wenn man nun ver­kündet, die nächsten Mitarbeiter von Papen, die Herren von Bose und von Tschir ki, feien erschossen worden, weil sie an dem hochverräterischen Unternehmen beteiligt gewesen seien. Herr von Papen selbst sei ganz unschuldig. Er sei ,, nicht verwickelt" gewesen.

Diese bösen Untergebenen, die den Too verdient haben! Dieser treuherzige Chef, der von ihren Intrigen nichts ahnt! Was wird da für ein Schundroman zusammen­gedichtet!

Achtundvierzig Stunden hat man gebraucht, um aus Neudeck je ein Telegramm des Reichspräsidenten von Hindenburg   an den Reichskanzler und den Preußischen Ministerpräsidenten zu erlangen. Offenbar brauchte man die Deckung durch den alten Herrn, um wachsende Zweifel in bestimmten Schichten vorübergehend zu dämpfen. Die Telegramme entbehren aber bewußt jeder persönlichen und herzlichen Note, die sonst in den Kundgebungen des Präsidenten an die beiden hohen Würdenträger so stark angeschlagen wurde. Er dankt den beiden verantwort lichen Staatsführern lediglich dafür, daß sie alle ho­verräterischen. Umtriebe im Reime erstickt" und das deutsche   Volk aus einer schweren Gefahr errettet haben. Man hat also aus staatspolitischen Gründen den Reichs­präsidenten gepreßt, die offizielle Staatslüge zu decken. Das ist alles.

Wir warnen nachdrücklichst, irgend einer amtlichen oder halbamtlichen Meldung aus Deutschland   irgendwelchen Glauben zu schenken. Einer Gesellschaft von Brandstiftern und Massenmördern ist jede Lüge zuzutrauen.

Die schwere Krise in den Spigen des Reichs ist ungelöst. Dafür ist charakteristisch, wie unsere Meldung von der Hindenburg   Krise zu dementieren versucht wird. Es wird so dargestellt, als ob wir behauptet hätten, Hindenburg   sei schon zurückgetreten. Das ist uns nicht eingefallen. Die Präsidentenkrise, die seit Monaten latent und seit Tagen akut ist, wird erst dann öffentlich sichtbar werden, wenn die Nachfolgefrage wirklich gelöst ist. Jst darüber eine Einigung dem Reichskanzler und der Reichs­mehr nicht möglich, so wird die Krise verschleppt, bis die

Berlin  , den 3. Juli 1934.

Als eine besondere Aktion auf eigentümlichen Zielen stellt sich in dem deutschen   Chaos der Schlag gegen den Herrenklub heraus. Eine ganze Anzahl politisch bekannter Mitglieder dieses Klubs sind zum mindesten. verhaftet worden; von einigen wird auch die Erschießung gemeldet. Zu den Ver­hafteten gehören: Werner v. Alvensleben, Dr. Walther Schotte, der frühere Herausgeber der fonservativen Preußischen Jahrbücher" und Herr von Tschirschky, persönlicher Adjutant Papens  . Zu diesem Kreise gehörte auch der erschossene Oberregierungsrat von Bose, Papens Pressechef und politischer Berater.

Dieses Vorgehen gegen Papen   und den Herrenklub ist von Göring   offenbar eigenmächtig und zum mindesten ohne aus­drückliche Genehmigung Hitlers   eingeleitet worden. In seiner Mitteilung an die Berliner   Presse hat Göring   erklärt, daß er die ihm vom Führer gestellte Aufgabe, die nur auf einen Schlag gegen die SA  . lautete, erweitert" und auf die Reaktion" ausgedehnt habe. Dabei mögen ein gewisser, feit langem von Hitlers   Linie erkennbar abweichender Eigensinn und auch persönlicher Haß mitsprechen. Göring   hat von Be­ginn der Regierung Hitler   an Paven   scharf bekämpft und schon frühzeitig durch die Geheime Staatspolizei   überwachen Tassen. Auf diese Weise gelang es ihm im März, ein Tagebuch Pavens   in die Hand zu bekommen, in dem sich kompromit­tierende Auslassungen über Vorgänge innerhalb des Reichs­fabinetts befunden haben sollen. Mit Hilfe dieses Tagebuchs

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so wurde wenigstens seiner Zeit von maßgebenden Funk­tionären der Gestovo folportiert habe Göring   es bei Hitler   durchgesetzt, daß nicht Papen, sondern er selbst preu­ßischer Ministerpräsident wurde.

Die Polizeiaftion Görings gegen Papen   ist also gewisser­maßen ein altes Erbstück der Regierung Hitler  . Wiederholt haben in den vergangenen Monaten bei Papen   diskrete Haussuchungen stattgefunden. Die Aftion ist von Göring   im gegenwärtigen günstigen Augenblick tatsächlich nur erwei­tert" worden, indem er den Rivalen nicht nur beobachten, sondern samt seinen Mitarbeitern festießen ließ. Wahrschein lich endet die Aktion damit, daß er ihm auch noch seinen Posten als Bizefanzler abnimmt.

Konspiration mit dem Auslande" Der Dreh

Gleich die ersten Meldungen über den angeblichen Hoch­verrat Schleichers und Röhms waren mit der pifanten Rand­bemerfung versehen, daß auch Landesverrat in Frage komme: es sei erwiesen, daß sie mit einer fremden Macht in Verbindung gestanden hätten. Dem deutschen   Bürger sollte eine Gänsehaut über den Rücken herabrieſeln.

Jetzt beschäftigt sich die Welt mit der Frage: mit welcher Macht haben sie eigentlich konspiriert? Sowjet- Rußland? Die Tschechoslowakei  ? Jugoslawien? Frankreich  ? United Breß meldet:

Das französische   Außenministerium beabsich tigt, an die deutsche   Regierung die Frage zu richten, welche fremde Macht der preußische Ministerpräsident Göring  in seiner Rede vom Samstag meinte, als er von Bezie hungen zwischen Stabschef Röhm, General Schleicher und einer ausländischen Macht sprach. Es hat hier großes Auf­sehen erregt daß in der nichtkranzösischen Presse die Nach­richt verbreitet wurde, daß Göring   mit dieser Auspielung Frankreich   oder Rußland   gemeint habe.

Das Deutsche   Nachrichtenbüro und Herr Göring   werden vermutlich schnell in eine peinliche Lage geraten. Denn es ist nahezu sicher, daß sie geblufft oder geflunkert haben. Berliner  Meldungen sprechen nur noch von der Widersetzlichkeit Röhms gegen die Auflösung der SA  . Von Schleicher wird gesagt, er habe mehr eine diplomatische Attivität" entfaltet, so nach London  . Nichts mehr von einer landes­verräterischen Verbindung mit dem Auslande...

Es ist die alte Methode zur Diffamierung des Gegners, bewährt beim Reichstagsbrand und nachher bei vielen Gelegenheiten. Die Geschlagenen und Toten werden getreten und espien.

United Preß" meldet noch: In gewissen Kreisen will man wissen, daß der bekannte Industrielle Arnold Rechberg  zwischen General von Schleicher und der französischen   Regie­rung verhandelt habe. Rechberg und General von Hammerstein werden zur Zeit von der Polizei gesucht; ihr Aufenthalt konnte jedoch bisher noch nicht ermittelt werden.

Blutgerüchte über Berlin  

Einigung gelungen oder die Entscheidung unauffchlebbar Die Zahl der Ermordeten bleibt unbekannt

geworden ist.

Der Reichskanzler hat, wie der Reichswehrminister amtlich sagte, oppositionelle Führer der SA  . zer­schmettert". Er hat das nicht nur mit Wissen, sondern im Auftrage der Reichswehr   getan, die mit Röhms SA. nie etwas zu tun haben wollte. Nun will die Reichs­ wehr   und die sonstige wahre Reaktion ihre Position in den oberen und obersten Positionen des Staates klären und ausbauen. Die Militärdiktatur mit Hitler und Göring  als nationalsozialistische Tarnung ist da. Unentschieden sind die reaktionären Cliquenkämpfe über die Macht. verteilung.

Wir folgen diesem Treiben hoch oben im Staate mit Spannung. Unsere Arbeit aber gilt der Aufrüttelung und der Organisation der gesunden Kräfte in den Tiefen des deutschen   Volkes. Dort bereiten sich die entscheidenden

Berlin  , 2. Juli. Berlin   ist erfüllt von unkontrollierbaren Gerüchten. Unter den Grschöffenen sollen fich nach privaten Behauptungen Ra pitän Erhard, der ehemalige Reichsminister Trevira nus und der Schriftsteller und Autor der Papenrede, Ed= gar Jung befinden. Nach privaten Schäßungen sollen etwa 2000 Personen hingerichtet worden sein- eine Zahl, die von zuständiger Seite als phantastisch bezeichnet wird. Immerhin wird der Tot von etwa 80 Menschen halbwegs zugegeben. Die Erichießung des Staatsrats und Oberkommandierenden der Berliner SA  .. Ernst, erfolgte am Samstag vormittag im Columba Haus in Berlin  , während Röhm und die anderen Verschwörer im Hof des Gefängnisses zu Stadel beim bei München   getötet wurden.

Das Columba- Haus in Berlin   ist die Stätte vieler, vieler

Norddeutschland und im Osten vorzunehmen. Es handelt sich dabei um Teile der braunen Armee, die von den Röhmischen Anschauungen bereite start infiziert wurden. Dabei kommen vor allem die Gruppen Berlin- Brandenburg, Pommern   und Schlesien   in Betracht, deren Führer Ernst. Heydebreck und eines unter den Erschossenen find. Göring   hat es heute in der Hand, alle diese SA- Trup­pen aufzulöjen gder unter seinem persönlichen Einfluß um­zuformen.

Der Kuriosität halber: Goebbels   hat der deutschen   Presse seinen Dank für die Disziplin, die Gradheit und die unbeirr­bare Instinktsicherheit ausgesprochen, die sie angesichts der Röhmrevolte bewiesen haben...

Machtverschiebungen der Zukunft vor. Wir nehmen auf, arauen ein und in den Sabren der Revolution märgi: Der Kerkermeister von

was die Frankfurter Zeitung  " heute schreibt: Das Volk von der Herrschaft Minderwertiger zu befreien, ist ein Preis, der einen hohen Einsatz wert ist."

Die revolutionären sozialistischen   Kräfte des Marris­mus und die durch Hitlers   offenen Uebergang zur Reaktion erwachten Revolutionäre aus der SA  . werden gemeinsam früher oder später den Einsatz wagen, der Deutschland   durch eine sozialistische Neugestaltung rettet und befreit.

Parallelen

,, Nichts als ein großes Theater"

Die Bailer National- Zeitung" schreibt:" Es fehlt auch tischen Theaters: Nicht die geheimnisvolle und für den Kenner der politischen Verhältnisse in Deutschland   absolut widersinnige Verschwörung zwischen Röhm und General von Schleicher. Es fehlt nicht das bedrohliche Gespenst einer aus­wärtigen Macht", und es fehlt auch nicht die moralische Ent­rüstung über die Perfidie, die Korruptheit und das ver­brecherische Treiben der Gegner von heute.

nichts von den Requifiten eines großen poli.

Doch wer sind diese Gegner? Sie sind Fleisch vom Leibe des Nationalsozialismus. Gestern noch unzertrennliche Freunde des Führers, die Getreuesten und Entschlossensten der alten Garde. Und welcher Sumpf wird nun der Welt enthüllt. Die deutschen   amtlichen Stellen überbieten sich geradezu in üppigen Schilderungen des Soldom und Gemorrhas, das man entdeckt würde, wenn die Emigrantenpresse uns je etwas derartiges aufgetischt hätte, sich mit Berachtung abgewendet haben.

an

Seit 8 Jahren ist das Treiben Röhmsgerichts­notorisch. Man erinnert sich in diesem Augenblick an das ungeheuerliche Wiaterial, welches nach dem Reichtags= brand im Karl- Liebfnecht- Haus angeblich gefunden wurde und die Enthüllungen, welche der Welt darüber angefündigt wurden. Man hat nie mehr etwas darüber gehört."

Wo bleibt die Mordliste?

nis Stadelheim   sind

Marri­

ſten füfiliert worden. Jetzt haben diese Stätten das Blut hoher nationalsozialistischer Würdenträger getrunken. Der ersten, und es werden nicht die letzten sein.

F

Aus bester Quelle will United Preß erfahren, daß eine Anzahl von SA  .- Unterführern am Samstag, am Samstag, im Laufe des Abends in der früheren Kadettenanstalt von Lichterfelde   erschossen wurden. Es sollen hier im gan= zen 12 befannte A. Führer in Frage kommen. Positiver sind die Nachrichten über die Maßregelung rings zum Ausbau seiner Machtmittel. Er hat dem neuen SA  . Chei für Berlin  , Polizeigeneral Daluege ,. den Auf­trag erteilt, die Neuorganisation von fünf SA  - Gruppen in

Oranienburg  

Ins Ausland geflohen

Berlin  , 2. Jult.

Aus Furcht vor der Nache Hitlers   sind, wie man hört, mehrere SA  .- Führer aus der Anhängerschaft Röhms ins Ausland geflohen. Unter ihnen sind der Adjutant Röhms, Gruppenführer Rainer, ferner der Sturmbannführer Schäfer, der ehemalige Kommandant des Ronzentrations­lagers Oranienburg  . Schäfer ist also ebenso wie sein ehe­maliges Opfer Gerhard Seger zum Emigranten geworden.

Reiche boven mit var bar preberichmetternden wirtung Die herrliche einer auch nur einigermaßen vollständigen Liste. Jeder Ver­schwörer wäre nämlich auch als ermordert aufzuführen.

Angeblich soll im dritten Reiche" Ruhe und Ordnung herrschen. Es ist typisch, daß man trotzdem die Veröffent­lichung der langen Liste der Gemenchelten nicht wagt. Das bunte Turcheinander der Ermordeten würde sich nicht mit den bisherigen Behauptungen über den Sinn der Meuterei" rechtfertigen lassen. Man wurde dort neben dem toten Klaus­ner ehrenwerte Männer tadelloser Vergangenheit finden, deren Blut nur veriprizt worden ist, weil ihre berechtigte Kitif den Blutmenschen unbequem war.

Es fängt crst an.... sagt die Basler ,, National- Zeitung"

Salande in der Basler National- Zeitung" sagt: Das Unwetter über Röhm und seine Komplicen hat diese Span­nung feineswegs gelöst. Es ist zwar anzunehmen, daß die Gruppe um Hitler   damit eine Sammlung auf eine mittlere Linie des Nationalsozialismus versucht, aber es ist fraglich, ob ihr das gelingt. Eher scheint es wahrscheinlich, daß mit dieser ziemlich gewaltsamen Entladung eine Reihe von Auseinandersetzungen erst begonnen hat.

Das amtliche Deutsche   Nachrichtenbüro verbreitet heute Bombe gegen Konsulat

folgende Meldung:

Nach privaten Informationen 1st hente nicht damit au rechnen, daß die Liste der Verschwörer, die ihre Tat mit dem Tode gefühnt haben, veröffentlicht wird.

Schon zu gestern abend war die Veröffentlichung der Ver­schwörerliste angekündigt. Die Henterstnechte im dritten

dub. Madrid  , 3 Juli. Wie aus Valenzia   gemeldet wird. explodierte am Montag abend gegen 11 11hr vor dem dorti­gen Deutschen   Konjulat eine Bombe. Die Fensterscheiben des Gebäudes aingen in Trümmer. Personen wurden nicht verlegt,.

Hitler

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Bewegung"

- so etwas nie dagewesen

Der Westdeutsche Beobachter", das zweitgrößte national­sozialistische Blatt, befindet sich im Rauschzustande. Es ist die Trunkenheit, die gewisse Naturen beim Anblick von Blut überfällt. Das Blatt schreibt:

Die Geschichte gibt kein Beispiel für eine ähnliche Tat! nirgendwo hat sich je ein Führer so sehr aller persönlichen Gefühle entäußert, nirgendwo ein Staatsmann jo. unter die Lebensnotwendigkeiten seines Volkes untergeordnet, wie es der Führer jetzt getan hat. Weder ein Alexander der Große  . noch ein anderer Kaiser oder König des Altertums, noch ein Bonaparte oder ein Großer Frie drich haben je eine ähnliche Tat vollbracht. Führer= tum von solch übermenschlicher Größe, wie wir es in diesen Tagen erlebt haben, bringt die Geschichte wohl nur einmal hervor! Mar muß wie wir seit langen Jahren hinter dem Führer standen haben, muß Geist und Erleben der Bewegung sich pulsen fühlen, um ganz verstehen zu können, welch un erhörtes Opier es für den Führer bedeuten mußte, alte Kameraden, Männer mit zum Teil großer Vergangenheit, erschießen zu lassen. Vor dieser Aufgabe des Führers, vor solch beispielloser Selbstaufopferung stehen wir in Ehrfurcht still. Wir geloben in diefer feierlichen, ergreifenden Stunde, auch das letzte unserer menschlichen Schwächen und Fehler abzulegen! Das Blut, das gestern vergossen werden mußte, es soll uns alle läutern, es ist das Opfer, das wir dem Schicksal bringen mußten, um den Geist unserer herrlichen Bewegung rein au baltank