,, Nicht für die Ewigkeit"

Kundgebung für den Status quo an der Saar  

Paris  , 4. Juli. Die Association Francaise de la Sarre hatte gestern in Paris   ein Frühstück veranstaltet, bei dem mehrere Redner sich über die Haltung der französischen   Re­gierung in der Saarfrage ausließen. Der Chefredakteur des " Paris Midi", Gabriel Perreur, betonte, daß das System des Status auo an der Saar   nach den Bedingungen der Einwohner werbe gestaltet werden können.

Viktor Schiff wies auf den deutschen   Charakter des Saargebietes hin. Man solle den Saareinwohnern sagen, sie hätten ihre Entscheidung nicht für die Ewigkeit zu treffen, sondern jetzt nur gegen die Versklavung durch den National­sozialismus zu stimmen.

Der französische   Deputierte Andre Fribourg  , be­fannt als Sachverständiger für das Saarproblem, wies darauf hin, daß Frankreichs   Stellung moralisch unantastbar set, es bekenne sich zu absoluter Vertragstreue. Zu den Sicherheiten, die gewährleistet sein müßten, gehöre auch, daß niemandem ein Bekenntnis zu Frankreich   oder für die Bei­behaltung der Völkerbundsregierung als Verbrechen ange= rechnet werde. Frankreich   würde nicht dulden, daß sich die Ereignisse von 1923 und 1980 in Mainz   und Wiesbaden  wiederholten. Frankreich   wolle das Saargebiet nicht annet­tieren, aber es sei entschlossen, bis zum Letzten die Freiheit der Abstimmung nicht nur in seinem Interesse, sondern auch ir dem des Völkerbundes zu garantieren.

Die verratene SA.  

So hatte es sich Barthou   nicht gedacht

London  , 4. Juli. Der Daily Herald" erklärt in einem

Zeichen der Unruhe

Einstweilen nicht mehr morden!

Berlin  , 4. Juli. Der Reichskanzler hat folgende Anordnung erlassen:

" Die Maßnahmen zur Niederschlagung der Röhm- Revolte sind am 1. Juli 1934 nachts abgeschlossen worden. Wer sich auf eigene Faust, gleich aus welcher Absicht im Verfolg dieser Aktion eine Gewalttat zu Schulden kommen läßt, wird der normalen Justiz zur Verurteilung übergeben."

Keine Sammlungen mehr! Staatsgefährliche Hausbesuche

Alle Sammlungen von Geld- oder Sachspenden auf öffent­lichen Straßen oder Pläßen, von Haus zu Haus, in Gast­oder Vergnügungsstätten oder an anderen öffentlichen Orten sind bis zum 31. Oftober 1934 verboten.

A13 Sammlung gilt auch der Verkauf von Gegenständen, deren Wert in feinem Ver= hältnis zu dem geforderten Preis steht. Kollekten in Kirchen sind von dem Verbot

ausgenommen. Der Stellvertreter des Führers fann im Einzelfalle wegen eines überwiegenden öffentlichen In teresses weitere Ausnahmen zulassen.

Diese Bestimmungen gelten auch für bereits geneh migte Sammlungen.

Wer den Vorschriften des§ 1 vorsätzlich zuwiderhandelt, wird mit Gefängnis bis zu 6 Monaten oder mit Geldstrafe bestraft.

ſenſationellen Artikel auf Grund angeblich genauer Infor: Angst vor Flugblättern

mationen, daß Herr von Ribbentrop bei seinem letzten Besuch in Paris   Barthon und Doumergue versprochen habe, daß die SA. aufgelöst werde. Als Barthon erklärte, er lasse sich nicht auf Versprechen ein, er wolle Beweise, habe Ribbentrop   um eine Frist gebeten, um seine Regierung um Anweisung zu bitten. Er sei nach Berlin   zurückgefahren und habe dann bei einem abermaligen Besuch in Paris   ver­sichert, die verlangten Beweise würden in Rürze geliefert werden.

Die SA.  - Führer hätten von dieser Unterredung Kenntnis erhalten und deshalb sich zum Gegenschlag vorbereiet, da sie ihre Sellung, ihren Einfluß und ihre Macht unter feinen Umständen aufgeben wollen. Die Geheime Staatspolizei   hat von dem Komplott der SA.  - Führer rechtzeitig Kenntnis er: halten, so daß Hitler und Göring   in der Lage waren, die Rebellion im Keime zu erstiden.

Wie ist's mit dem Hirtenbriel? Die plötzliche Zurücknahme

Die Nachricht, daß der bereits von uns in Auszügen ver­öffentlichte große deutsche   Hirtenbrief der Fuldaer  Bischofstonferenz im letzten Augenblick zu­rückgezogen worden ist, wird bestätigt. Die Zurücknahme erfolgte allerdings vor den jüngsten Ereignissen. Gewisse katholische Kreise fürchteten, daß die kirchlichen Unterhändler nicht die Energie aufbringen würden, sich gegen Hitlers  Abgesandte bei den Konkordatsverhandlungen in Berlin   zu behaupten. Von Dr. Berning, dem Bischof von Osnabrück  , und Dr. Bares, dem Bischof von Berlin  , war bekannt, daß sie sich vor dem Umsturz im Januar 1933 bereits geweigert hatten, den damals erschienenen Hirtenbrief gegen den Nationalsozialismus mit zu unterzeichnen. Diese Bischöfe haben später allerdings eine andere Haltung eingenommen, aber ihre Bereitschaft zur Verständigung war geblieben. Offen bleibt die Frage, ob die lange Unterredung zwischen Kardinal Faulhaber und dem Reichspräsidenten   diese Wandlung unmittelbar veranlaßt hat.

Straßendiskussionen

Nürnberg, 4. Juli. Das Verteilen von Flugblätter, auch von Extra- Ausgaben von Zeitungen, also nationalsozialisti­

Bis wieder befohlen wird

schen und gleichgeschalteten, ist polizeilich verboten worden. Die Ursache ist, daß sich diskutierende Gruppen bildeten, die in teilweise heftigen Ausdrücken die neuesten Ereignisse fommentierten.

Generalkonsul verprügelt

Weil man ihn für einen Juden hielt

Berlin  , 4. Juli. Vor einigen Tagen fuhr der in Berlin  stationierte portugiesische Generalkonsul im Automobil nach Hamburg  . Auf dem Wege traf er eine marschierende Ko­lonne von Nationalsozialisten. Als diese bemerkten, daß der Generalfonsul die nationalsozialistische Standarte grüßte, holten sie ihn aus dem Wagen heraus und ver= prügelten ihn. Aus den Zurufen ging hervor, daß sie ihn wegen seines südländischen Aussehens für einen Juden ge­halten hatten.

Flucht der Prinzen? Exkronprinz und Prinz Auwi

Paris, 4. Juli. Petit Parisien" erhält von seinem Korrespondenten im Haag die Nachricht, daß die deutsche  Regierung den Egtronprinzen und den Prinz Auguft Wilhelm( beide sind Pg.), aufgefordert habe, Deutschland   zu verlassen und Holland   als Asyl zu wählen. Die zuständigen Stellen im Haag hatten die Richtigkeit dieser Nachricht nicht bestätigen fönnen.

Auf Grund eines Telegramms ans London   meldet das gleiche Blatt, daß die Prinzen im Flugzeug in Doorn angelommen seien.

Um Adolf zu rächen

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Was an Verrücktheit wäre diesen Leuten nicht zuzu'rauen?

Berlin  , 4. Juli.

Die Meldung der Neuen Zürcher Zeitung  " über die Er­schießungen finden nunmehr ihre Bestätigung. Es ist richtig. daß Dr. Edgar Jung  , von Tschirschky, Dr. Schotte, von Alpensieben und Major Pabst nicht mehr unter den Leben­den weilen. Ins Ausland sollen Heinrich von Gleichen   und der ehemalige Reichsminister Treviranus geflohen sein. Un bestätigt ist noch eine Meldung der United Preß", daß sich unter den Erschossenen in München   der frühere General­stabskommissar von Kahr befunden hat, der im Jahre 1928 den Befehl zur Niederwerfung des Hitlerputsches geben hat.

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Allmählich erfährt man auch einige Einzelheiten über den angeblichen Putschplan Röhms. Er sollte beginnen mit der Inszenierung eines Attentats auf Hitler  . Daraufhin war das Ausrücken der gesamten SA.   geplant, um Adolf   zu rächen". Auf diesem Plan bauten Röhm und seine Freunde angeblich ihre weiteren machtpolitischen Absichten auf. Man glaubt auch, daß das mißglückte Attentat auf Himmler am 28. Juni in der Schorfheide in Wirklichkeit Hitler   gegolten hat. Damit war das höchste Mißtrauen Hitlers   und seines Kreises geweckt worden. Einige Stellen in der Rede von Rudolf Heß   im Rundfunk wurden direkt auf Röhm gemünzt. Dieser beschleunigte daraufhin seine Vorbereitungen, zumal die gesamte SA. am 1. Juli ihren Urlaub antreten sollte.

Aus den gleichen Quellen stammt die Nachricht, daß ein neues Attentat auf Hitler in Westfalen   organisiert werden sollte, wo der Reichskanzler sich am Samstag, dem 30. Juni, aufhielt. Ein Stahlhelm" mann sollte mit der Aktion beauf­tragt werden, worauf ein blutiger Vernichtungs­feldzug gegen den Stahlhelm" folgen sollte. Die Kenntnis von diesen Absichten hat dann Hitler zu seinem Fluge nach München   und zu seinem Eingreifen ver­anlaßt. Alle diese Nachrichten flingen allerdings reichlich abenteuerlich, aber man fragt sich, was bei den Machtkämpfen der Führerclique im dritten Reiche" nicht alles möglich fein fönnte.

Die Erschießungen in der Rabettenanstalt Lichterfelde follen erfolgt sein, als man sich angeblich davon überzeugt hatte, daß der Gruppenführer Ernst auf ein Alarmzeichen Röhms aus Bayern   wartete. Daraufhin sollte die Berliner SA. in Bewegung gesetzt werden, In der Nachbarschaft der Kadettenanstalt wurden immer wieder Gewehrsalven ver­nommen. Es wird bestätigt, daß sich der Gruppenführer von Detten, ein sehr einflußreicher Mann in der Berliner SA., unter den Erschossenen befindet. Die Neue Zürcher Zeitung  " verzeichnet noch das unkontrollierbare Gerücht, daß man dem Prinzen Auvi auf Grund besonderer Rücksichtnahme Gelegenheit zur Flucht nach Holland   gegeben habe.

Die Hamsterpanik

Jetzt ist freilich eine neue Situation da. Die Ermordung des Führers der katholischen Aktion, des Ministerial: Originalberich e an de ,, Deutsche Freiheit" direktors Dr. Klausener, hinter die Bischöfe, die neue Verständigungslinie zu beziehen, weil die Empörung unter den Gläubigen gewaltig ist Man muß abwarten, ob sie sich auch in offiziellen Protesten der deutschen   Kirchen­fürsten dokumentieren wird.

Klausener stand immer politisch weit rechts. Er hatte mancherlei Beziehung zum Nationalsozialismus, aber noch einigen Anhang im Polizeioffizierforps, der innerlich noch nicht vollkommen gleichgeschaltet war. Schleichers Ermordung hatte diejenige von Klauseners zwangsläufig zur Folge.

Das Neueste

Nach dem jüngsten Reichsbankansweis steht einem Rück: gang des Goldbestandes um 2,3 Millionen auf 70,2 Millionen RM. eine Steigerung des Bestandes an deckungs fähigen Devisen um 2,6 Millionen auf 6,6 Millionen RM. gegenüber. Das Deckungsverhältnis der Noten beträgt nun: mehr 2 Prozent gegen 2,8 Prozent der Vor woche.. Der Gesamtzahlungsmittelumlauf betrug 5781 Mit: lionen NM, gegen 5521 Millionen RM. zur gleichen Zeit des Vorjahres. Welcher Art die dedungsfähigen" Devisen find, wird nicht gesagt.

Die fleine Steigerung im Devisenzufluß bei gehemmtem Goldabfluh ist offenbar darauf zurückzuführen, daß man nun auf die stillen Devisenreserven auriidgreift. Die Dedung des gesamten Zahlungsmittel umlanss beträgt noch 1,75 Prozent.

Kriegsminister Marschall Pétain erklärte vor dem Heeresausschuß der Kammer, daß man eine Heraussetzung der Militärdienstzeit umgehen fönne, wenn in den Jahren 1985 bis 1940 für eine Spezialtruppe 30 000 Mann einbe rufen würden, die die Verteidigungswerte im Osten besetzen müßten.

Etwa 30 000 Brieftauben im Werte von über zwei Millionen Mart sind bei einem Wettfliegen über dem englischen Kanal verloren gegangen. Die Brieftauben waren am vergangenen Samstag in Marennes  ( Nordfrankreich) zum Rückfluge nach England losgelassen worden, gerieten jedoch über dem Kanal in einen schweren Sturm und wurden nach allen Himmelsrichtungen zer: streut. Nur etwa 120 Tauben sind nach ihren Heimstätten zurüdgekehrt.

Frau Marie Curie  , die zusammen mit ihrem Gatten Pierre Curie   im Jahre 1898 die radioaktiven Elemente Radiu mund Polonium entdeckt hatte, ist im Alter von fast 67 Jahren gestorben.

Man deckt sich nicht nur mit einem, sondern gleich mit mehreren Winter­anzügen ein, verproviantiert sich übermäßig mit Konserven und leicht ver­derblichen Lebensmitteln und glaubt zu den ganz Gescheiten zu gehören. Die Käuferschaft wird zum anderen von disziplinlosen Verkäufern zu größeren Einkäufen unter Hinweis auf kommende Preis­steigerungen veranlaßt und damit weitere Unsicherheit in die Verbraucherschaft getragen. Die stetige Wirtschaftsentwicklung wird dadurch gestört und der Wirtschaftsaufbau sabotiert. Diese plöglich einsetzende Nachfrage führt zu neuen devisentechni­schen Schwierigkeiten, da die internationale Waren­spekulation auf solche Methoden selbstverständlich mit Haussetendenzen antwortet.

Aufruf der Industrie- und Handels­kammer in Halle.

In welchem Grade die Unsicherheit zugenommen hat, zeigt das dauernde Anwachsen der Angstkäufe. Diese Hamsterei vor der in den letzten Wochen wiederholt die offizielle Presse und zahlreiche öffentliche Stellen vergeb lich gewarnt haben ist nicht nur eine Folge des Devisen­bankrotts, sondern wurzelt in der allgemeinen, weit ver­breiteten Furcht vor einer Rohstoffknappheit, vor einer neuen Inflation, einem neuen Krieg. Aus allen Landesteilen liegen Berichte vor, daß besonders Textilien und Schuhwaren, aber auch Lebensmittel, wie 3. B. Mehl, gehamstert werden. Wir greifen einige charak­teristische Mitteilungen heraus:

Aus Berlin  :

" Die Leute fangen an zu hamstern. 3. B. versorgen sich Leute, die manchmal gar kein Auto oder Fahrrad haben, mit Auto- oder Fahrrad- Reifen. Die Geschäfte, die auß­ländische Erzeugnisse verkaufen, wie Ratao, Kaffee, Wolle, Leder, haben eine starte Geschäftsbelebung zu verzeichnen. Das Verbot der Auslieferung von Gummiwaren und die Verordnung zur Beimengung von Ersatzstoffen bei Gummi- Erzeugnissen schafft neuerliche Beunruhigung. Ein bezeichnendes Beispiel: In einer Verkaufsstelle von Woolworth gibt es einen Kasten mit einem Haufen von Lederstücken, aus denen sich die Käufer passende Abschnitte

für Stiefelfohlen heraussuchen. Da mir auffiel, daß dieser Kasten jetzt sehr starf umlagert war, fragte ich die Ver käuferin nach dem Umsatz. Sie antwortete mir, daß sie jetzt den Kasten etwa zehnmal am Tage leer verfause, während sie früher mit einem Kasten eine ganze Woche gereicht habe.

Die Hamsterei hat auch auf Textilien übergegriffen. Es geht das Gerücht um, daß bei den neuen Stoffen, die jetzt hergestellt werden, schon 20 Prozent Ersatzstoffe verwendet werden."

Aus Leipzig  :

" Von vielen Seiten erfolgten Meldungen über Angst­käufe, besonders in Textilien, und über einen daraus ent­stehenden Warenmangel. So wird von einem Leipziger Warenhaus, das über 400 Angestellte hat, mitgeteilt, daß im letzten Monat zwar große Umfäße erzielt worden sind, daß die Firma aber feine Möglichkeit sah, die Läger auf­zufüllen. Ein um Auskunft befragter Industrieller er­flärte diese neuartige Erscheinung dahin, daß es sich nicht um einen tatsächlichen Mangel handele, sondern daß er nur scheinbar sei, weil vom Konsumenten angefangen, bis zum Einkäufer oder Großunternehmen jetzt jeder aus Furcht vor Lieferungsschwierigkeiten Einfäufe tätige, die vier­bis sechsfach über den wirklichen Bedarf hinausgehen." Aus Frankfurt   a. M. wird uns von zwei großen Textilfirmen berichtet, bei denen Angstkäufe einen der­artigen Umfang angenommen haben, daß Ueberstunden gemacht werden mußten. An diesen Käufen seien auch gerade die Pg. beteiligt.

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Aus verschiedenen Landesteilen wird gemeldet, daß in der Bevölkerung das Gerücht umgehe, es würden in näch ster Zeit wieder Bezugsscheine ausgegeben wie im Kriege und in der Reichsdruckerei würden schon Brotkarten in großen Massen gedruckt. Ein Berliner   Berichterstatter macht darauf aufmerksam, daß die erstaunliche Belebung der Abzahlungsgeschäfte 3. B. auch schon im Handels­teil der Frankfurter Zeitung  " festgestellt wurde eine Folge der Inflationsfurcht ist. Nach den Erfahrungen der letzten Inflation glauben viele Leute besonders schlau zu handeln, wenn sie Waren auf möglichst langgestreckte Raten kaufen. Auch die starke Belebung des Automobil­absages wird zum großen Teil auf diese Weise erklärt