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Frethei

Nr. 166 2. Jahrgang

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Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

Saarbrücken, Samstag, den 21. Juli 1934

Chefredakteur: M. Braun

Emigrant" Prinz Auwi

Sein ,, Urlaub" in der Schweiz

Berlin , 20. Juli( Eig. Bericht). Der SA.- Führer Prinz August Wilhelm von Preußen ist nach der Reichstagssigung zur Erholung" in die Schweiz abgereist. Er, beabsichtigt, sich zunächst in St. Moritz aufzuhalten. In seiner Begleitung be: findet sich sein Sohn Prinz Alexander Ferdinand, ein schmucker SA.- Mann.

Göring antwortete:" Ihr Glück, daß Sie die Wahrheit ge= sagt haben." Er zeigte dem überraschten Prinzen die Platten, auf denen seine Telefongespräche mit Ernst aufgenommen auf denen seine Telefongespräche mit Ernst aufgenommen waren und ließ die letzte Unterhaltung vorspielen.

Wir begreifen, daß der Prinz nach seinen Erlebnissen in den lezten Wochen sich in der demokratischen Schweiz , obgleich fie so wenig seinen politischen Idealen entspricht, wesentlich wohler fühlt als in dem nationalsozialistischen Deutschland , obgleich er so treu und eifrig für das dritte Reich" gearbeitet hat. Dieselbe Sehnsucht, die Schaupläße der nationalen Er­

Brinz Auwi hatte sich schon in den Tagen zwischen dem 30. Juni und der Reichstagssigung unsichtbar gemacht. Es ist natürlich sehr auffallend, daß der Hohenzoller und SA.­Führer, der in dieser Devisennot als Beispiel und Vorbild seine Erholung im deutschen Vaterlande suchen müßte, fich für hebung" und des fich immer wiederholenden nationalen Um­einen längeren Aufenthalt nach der Schweiz begibt. Da er in dem Luxushotel Schweizerhof in St. Morig mehrere Zim­mer belegt hat, wird er eine erhebliche Summe Reichsmart Auch Auwis Bruder Prinz Adalbert, der sich übrigens nie in schweizer Franken umwechseln müssen.

Wir wissen aus sicherster Quelle, daß sich Prinz Anwi nicht freiwillig ins Ausland begeben hat. In seiner Ges fchwäßigkeit hat er vielen seiner Pg. sein Leid geklagt.

Prinz Auwi stand dem erschossenen Berliner Gruppen führer Ernst sehr nahe und hat das Schlemmer: und Lotter­leben kräftig mitgenossen, das der Olaf und Reichskanzler mit jahrelanger Verspätung nun so fräftig gerügt hat. Noch wenige Tage vor dem überraschenden Ende Ernsts hat sich der Prinz mit ihm fotografieren lassen. Am 30. Juni wurde Prinz Auwi zu Göring befohlen. Auf den Gängen und im Borzimmer begegneten ihm bekannte SA .- Führer, die im Ge­ficht und an den Händen die deutlichen Spuren der Be nehmungen" trugen, denen sie ausgesetzt waren. Der Prinz begriff, was die Stunde geschlagen hat. Er wurde bescheiden und beschloß, alles über sich ergehen zu lassen.

Göring schnauzte den immerhin nahezu fünftigjährigen August Wilhelm wie einen Rekruten an und schrie ihm u. a. fafernenhofmäßig zu, er( Auwi nämlich) habe das dämlichste Geficht, das ihm je vorgekommen sei. Wann waren Sie das letzte Mal mit Ernst zusammen?" Prinz Auwi gab wahrheits­gemäß Auskunft und nahm im übrigen das Donnerwetter des Luftgenerals in strammer Haltung entgegen.

" Haben Sie später nicht noch einmal mit Ernst gesprochen?" Prinz Auwi gestand, daß er noch am Tage vorher Ernst tele: fonisch geraten habe, nun endlich in Urlaub zu gehen, und Ernst habe ihm denselben Wunsch geäußert.

bruchs" bis auf weiteres zu verlassen, haben übrigens noch eine ganze Reihe von Mitgliedern der Hohenzollernfamilie.

mit Politik befaßt hat, ist in die Schweiz gereift.

Prinz Auwi wird in seiner- vielleicht nur vorübergehen den Emigration nun Gelegenheit haben, täglich die Emi: grantenpreffe" zu lesen, von der er in Berlin so viel gehört hat. Die Deutsche Freiheit" zum Beispiel kann er in St. Morig an jedem Kiosk kaufen. Er wird, wenn er diesen Be­richt liest, gewiß finden, daß die Schilderung noch etwas un­vollkommen ist. Es steht ihm frei, uns die Ergänzungen zu liefern, die wir einstweilen unterdrückt haben.

Allgemeine Sommerfrische Die vertagten Lösungen

Berlin , 20. Juli. Reichskanzler Hitler ist am Donners­tag nach München abgereist, von wo er sich zum Ferienauf­enthalt in seine Villa nach Berichtesgaden begeben wird. Auch die anderen Mitglieder der Reichsregierung werden in den nächsten Tagen Berlin verlassen. Diese Ferien werden im allgemeinen bis zum Beginn des nationalsozialistischen Par­teitages in Nürnberg , Anfang September, dauern. Die Re­gierung will anscheinend zu erkennen geben, daß die Af­tion vom 30. Juni abgeschlossen ist, und sie die Lage im Innern als geklärt und ruhig ansieht.

Der Vizekanzler Franz von Papen ist am 18. Juli mit unbekanntem Ziel aus Berlin abgereist. Die SS .- Wache, die seit dem 30. Juni die Wohnung des Vizekanzlers schüßte, tst aufgehoben worden.

Ein Geheimerlaß Röhms

..Feindseligkeiten gegen die SA."

Berlin , 20. Juli .( Inpreß.) Die Korrespondenz Inpreß ist in den Besitz einer Geheimverfügung gelangt, die der Stabs­hef Röhm sechs Wochen vor seinem Tode erlassen hat.

Sie hat folgenden Wortlaut:

SA . der NSDAP ., OSAF. Vertr. III

Vertraulich!

München , 16. Mai 1934.

Offene und versteckte Feinde der SA. wagen es heute oft, die SA . zu bekämpfen und zu schädigen.

Nicht immer ist es möglich, auch nicht stets zweckmäßig, dagegen sofort aufzutreten. Eine Gegenwehr, die im Augenblid feinen Erfolg verspricht, ist schlechter, als gar feine Abwehr und schweigendes, scheinbares Uebersehen. Unbedingt geboten ist es jedoch, alle diese Dinge schriftlich genauestens niederzulegen.

Es kann die Zeit kommen, wo diese Feststellungen ge­braucht werden.

Ich ordne daher an, daß bei jeder Dienststelle von der Standarte an aufwärts ein Aft

Feindseligkeiten gegen die SA ." angelegt und ständig auf dem Laufenden gehalten wird. Es dürfen selbstverständlich nur genauestens geprüfte, ab­solut wahrheitsgemäße Berichte niedergelegt werden. Diese müssen enthalten:

Genauen, furzgefaßten Tatbestand, genaue Orts- und Reitbestimmung, Namen der Kläger , der Zeugen und der Beklagten oder Bezug auf Schriftstücke, Urteile, Aften u. a. unter ge­nauer Angabe der Lagerung, der Aktennummer uff. Die Aften der Standarten und der Brigaden sind in Ab­schrift den Gruppen vorzulegen und dort nach Brüfung be­sonders zu verwahren. Der Stabschef, Bez. Röhm"

Dieser Erlaß richtet sich ganz offensichtlich nicht gegen die ,, Marristen", sondern gegen die Kreise, die eine Liquidation der SA . planten. Im Auftrag dieser Kreise war der Lands­knecht Röhm sechs Wochen später von seinem Mordfreund Hitler zur Strecke gebracht.

Die unruhige SA.

Berlin , 20. Juli. Nachdem sich Reichskanzler Hitler ent­schlossen hat, das Uniformverbot für die SA. schon in den nächsten Tagen aufzuheben, erfährt man aus der Reichs­kanzlei, der Grund dafür liege darin, daß man die SA . dann besser überwachen könne". Schon jetzt hat Stabschef Luze das Uniformverbot aufgehoben für die SA .- Leute, die an den deutschen Sportspielen in Nürnberg vom 23. bis 29. Juli teilnehmen und für die Motorstürme, die während des 20000- Kilometer- Autorennens quer durch Deutschland den Ordnungs- und Sicherheitsdienst versehen.

,, Ehrenquartiere"

Die ungelöste SA .- Krise

Paris , 20. Juli. Der Korrespondent der Paris- Midi" meldet seinem Blatte aus Berlin , was auch wir schon unseren Lesern gerade in den letzten Tagen auf Grund bestimmter Tatsachen mitteilen konnten, daß Hitler immer mehr sich durch die Aktivität der verabschiedeten SA .- Leute beunruhigt fühle. Der Korrespondent sagt, vor acht Tagen habe es den Ar­schein gehabt, als ob Deutschland den Wunsch habe, zur Fortsetzung fiebe 2. Seite,

Aus dem Inhalt

Beclin schweigt

Spitzel und Spione

Deutsche

Seite 2

an der Saar

Seite 3

Ersatzstoffproduktion

Moskaus Schwenkung

Seite 4

Seite 7

Das nazifcindliche England

O. G. London , Mitte Juli 1934.

Die nazifeindliche Stimmung in England ist so stark wie nur je. Ob man in die großen Londoner Blätter blick, ob in die Sensationsblätter, ob in Provinzzeitungen oder in Kirchenblättern überall das gleiche Bild: Ab­scheu, Entsezen, tiefstes Mißtrauen. Kein Tag vergeht, an dem nicht eine Fülle von Nachrichten mit eindeutig nazifeindlicher Tendenz die Spalten der Blätter füllen. Nachdem die Times" mit ihrem, an dieser Stelle im Wortlaut wiedergegebenen Artikel den Bann gebrochen hatte, nahm keine der anderen Zeitungen mehr ein Blatt vor den Mund. Wenn die vornehme Times" schon grob wird, dann brauchen weniger vornehme Blät ter erst recht nicht die Worte auf die Goldwaage zu legen. Selbst die Times" ging sogar so weit, im Zusammen­hang mit Deutschland das Wort Gangster zu ge­brauchen. In dem Begrüßungsartikel für Barthou er­klärte sie, daß nicht nur in Deutschland die Gangster die Hand in der Politik haben, und daß deshalb Länder wie England und Frankreich , die noch nach den anerkannten Grundsätzen der Zivilisation regiert werden, fest zusammenstehen müssen.

Die Rede von Herrn Heß hat keinen tiefen Ein­druck gemacht. Heß ist zwar von allen Naziführern in England der beliebteste, vielleicht weil man hier kein Ver­brechen kennt, für das er persönlich verantwortlich gezeichnet hat, vielleicht weil er nicht so abstoßend aus­sieht wie die anderen, vielleicht auch weil er sich äußerlich in etwas zivilisierteren Formen ergeht. Aber mit seiner Rede hat Heß die Stimmung in England nicht ändern können. Dazu war die Rede zu widerspruchsvoll und zu zweideutig, dazu klang der Pazifismus" zu unecht. Man berichtete über die Heßrede, aber damit war es erledigt. Die wilde Schimpfrede des Goebbels hat man vollends nicht ernst genommen, die Ueberschriften der Zeitungen waren von beißender Jronie. Herr Goebbels ist schlechter Laune". Ein Blatt schrieb sogar, es sei unter der Würde der englischen Presse, auf diese Schimpfereien zu antworten. Freilich hätte es sich der Mühe gelohnt, einmal die Rede unter die Lupe zu nehmen und festzu stellen, wieviel Goebbels selbst darin gelogen hat. Es wäre nicht schwer gewesen, er hat englischen Blättern standen haben. Niemals z. B. hat der Daily Herald" Nachrichten in den Mund gelegt, die niemals darin ge­berichtet, daß Hitler ermordet worden sei, er sprach nur von einem versuchten, aber mißlungenen Anschlag. Solcher Beispiele könnte man leicht eine ganze Reihe anführen. Die Times" hat sich übrigens die feine Bosheit geleistet, direkt im Anschluß an den Bericht über die Goebbelsrede - in der der Lügenminister bekanntlich behauptete, in Deutschland seien fremde Staatsmänner ebenso geschützt wie deutsche eine Nachricht unter der Ueberschrift zu bringen Gefängnis für Lob für Dollfuß". Das war deuts licher als ein Rommentar.

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Wie hat nun Hitlers Reichstagsrede gewirkt? Am Samstag brachten die Blätter nur den Bericht, nur die Daily Mail", die immer zwischen Hitlerbegeiste rung und Ablehnung schwankt, brachte einen kühlen, aber nicht unfreundlichen Artikel. Aber am Montag kam die Presse mit ihren Kommentaren heraus und die wird sich Hitler nicht hinter den Spiegel stecken. Ein paar charakteristische Beispiele:

Die Times" schreibt u. a. in ihrem Leitartikel:

Wie auch der Eindruck der Hitlerrede auf die öffentliche Meinung in Deutschland sein möge, es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß sie in anderen Ländern den be= dauerlichen Eindruck verstärkt hat, der durch die Ereignisse hervorgerufen worden ist, die die Rede erklären und rechtfertigen sollte. Sein Bericht von der Verschwö­rung und von der Rolle, die Röhm und die anderen SA .­Führer und, wie Hitler erklärt, auch General von Schlei­cher dabei gespielt haben soll, ist ganz und gar nicht über­zeugend. Es ist die Behauptung einer Partei, auf die die Angeschuldigten nicht mehr antworten können, da sie vor 14 Tagen erschossen worden sind. Es mag sein, daß Hitler selbst jedes Wort davon glaubt, ebenso wie er vor 18 Mo­naten wahrscheinlich geglaubt hat, daß die Kommunisten eine Reihe von Mordanschlägen geplant haben, für die der Reichstagsbrand das Signal sein sollte. 10 Monate nach dem Ereignis wurden die angeklagten Kommunisten vor Gericht gestellt. Und doch trotz der langen Vorberei tungszeit war die Anklagebehörde nicht in der Lage, ir­gendeinen Beweis zu entdecken, durch den jemand anderes als der Halbidiot van der Lubbe belastet werden konnte. Es mag sein, daß auch dem Komplott, das den Männern vorgehalten wird, die am 30. Juni aus dem Wege geräumt wurden, nicht mehr zugrunde lag...

Warum die schreckliche Gile im Töten? Herr Hitlers Antwort auf diese Frage zeigt, wie sehr die gegenwärtigen Beherrscher Deutschlands all die Grundsäße von Gesetz und Gerechtigkeit beiseite geworfen haben, die einen modernen westlichen Staat von einer orientalischen Despotie oder einer mittelalterlichen Tyrannei unterscheiden."