C- 19buot

SA.  - Mann Kruse und das Reichsgericht

Die Anklage gegen die deutsche   Reichsregierung

Am 26. Juli schrieb die Deutsche Freiheit":

Der Brief des SA.  - Mannes Kruse, Nr. 184 522, vom Stabe Röhms an den Reichspräsidenten hat durch die Beröffentlichung in der Deutschen Freiheit" weiteste Ver= breitung gefunden. Wie wir zahlreichen Zuschriften an uns entnehmen, hat das Dokument großes Aufsehen erregt und start überzeugend gewirkt. Da die Welt seit dem 30. Juni weiß, daß die nationalsozialistische Führung durch Mord fich der Mitwisser ihrer Verbrechen entledigt, wird auch

Bei dem politischen Druck, der von der herrschenden Bartei Der unterirdische Gang

und ihren führenden Männern, zu denen damals noch Röhm  in überragender Stellung gehörte, auf den Oberreichsanwalt und die Richter ausgeübt worden ist, läßt sich die Ausschaltung des Komplexes der Homosexualität van der Lubbes und seiner behaupteten Beziehungen zu Röhm   nur dadurch er­klären, daß Parteiführer, Oberreichsanwalt und Richter die Durchleuchtung der Beziehungen fürchteten.

allgemein begriffen, daß der SA  - Mann Kruie, der fich Der 10. Februar selbst der Beteiligung an der Reichstagsbrandstiftung be= schuldigt, seinen Aufenthalt verheimlicht.

Auf eine Stellungnahme der nationalsozialistischen Füh= rung im Reiche hat man bisher vergeblich gewartet. Der amtliche Dementierapparat, der sonst sehr rasch funktioniert, schweigt. Mit einem einfachen Ableugnen wäre es auch nicht getan. Hitler  , Göring   und Goebbels   müssen, wenn sie zu den tatsächlichen Angaben des SA.  - Mannes Kruse Stellung nehmen wollen, an die vielen ungeklärten Fragen des Reichstagsprozesses herangehen, die man im geheimnis­vollen Dunkel ließ, und die durch den Brief Kruses mehr beleuchtet werden als durch alles, was Untersuchungs­richter und Gerichtshof zur Aufklärung oder richtiger zur Vertuschung der Vorgänge in der Nacht vom 27. zum 28. Februar 1938 getan haben. Greifen wir einige dieser Fragen heraus.

Van der Lubbe und Röhm

SA.- Mann Kruse geht davon aus, daß van der Lubbe dem Stabschef Röhm   hörig war.

Die Untersuchungsfommission des Gegenprozesses, die in Holland   tagte, hat erflärt: es wurde einwandfrei festgestellt, daß van der Lubbe homosexuell ist. Diese Feststellung basiert auf einer dramatischen Vernehmung des holländischen Schrift­stellers Freef van Zeuwen, der vor der Untersuchungs­tommission einwandfreie Aussagen über die

homosexuelle Beranlagung van der 2ubbes

gemacht hat."

In dem ersten Band des Braunbuchs" werden zwei

3eugenberichte aufgeführt, die aussagen, daß van der Lubbe in homosexueller Beziehung zu Reichsminister Röhm  gestanden hat. Die Nazipresse hat damals diese Behauptungen ebenso wütend zurückgewiesen, wie sie damals jede homo­sexuelle Betätigung Röhms bestritt. Was man von diesem Ableugnen zu halten hat, zeigen die unmoralischen 12 Punkte Hitlers  , die plößlich Röhms unglückliche Veranlagung" zugeben.

Im Londoner   Gegenprozeß ist ein deutscher  Journalist als Zeuge aufgetreten, der befundete, daß der von den Nationalsozialisten ermordete Dr. Bell im Jahre 1932 bei einem intimen Gespräch Röhms Liebesliste" gezeigt habe. Auf dieser Liebesliste waren die Namen von Röhms Lustknaben vermerkt. Unter ihnen fond sich auch der Name van der Lubbe.

Der Untersuchungsausschuß des sogenannten Gegen­prozesses hat mehrfach in dringlichen Telegrammen das Gericht aufgefordert, Sauptmann Röhm unter Eid über leine Beziehungen zu van der Lubbe zu befragen. Das Gericht hat Hauptmann Röhm nicht vorgeladen. Es ist dieser überaus wichtigen Spur einer Verbindung zwischen van der Lubbe und den Nazis nicht nachgegangen.

Der Oberreichsanwalt hat in seiner Anklagerede van der Lubbes Homesexualität   bestritten. Der holländische Gerichts­präsident de Jongh, der viele Jahre als Jugendrichter tätig war, und im Gegensatz zum Oberreichsanwalt im Reichstagsprozeß nicht Partei gewesen ist, zudem ein Mann von hoher juristischer Autorität, hat in seinem Buch De Brand" zur homosexuellen Veranlagung van der Lubbes festgestellt:

Es scheint wohl sicher, daß einer von den Freunden van der Lubbes homosexuell ist. Doch dieser ist mit ihm in feiner sexuellen Beziehung gestanden. De mgegenüber hat ein anderer Freund erklärt, daß er lange Zeit mit van der Lubbe verkehrt habe und daß diese Beziehung wie die zwischen einem Mädchen und einem Jungen war." Das Gericht hat nichts getan, diese wichtigen Fragen zu tlären.

SA.- Mann Kruse nennt den van der Lubbe einen ganz verrückten Streber". Der holländische Polizeibericht, der im Reichstagsprozeß verlesen worden ist, sagt über van der Lubbe wörtlich:

Vander Lubbe wollte immer Führer sein. Doch fehlten hierfür alle Voraussetzungen. Er ist von frankhaftem Geltungsbedürfnis erfüllt."

Der SA.- Mann Kruse behauptet, daß van der Lubbe zu den Vorbereitungen, die am 10. Februar 1933 begonnen hätten, zugezogen worden sei. Feststeht, daß van der Lubbe bereits zwischen dem 5. und 6. Februar die deutsche Grenze passiert hat. Es ist nie geflärt worden, wo er sich zwischen dem 6. und dem 18. Februar auf= gehalten hat. Mit wem stand er in dieser Zeit in Verbindung? Das Gericht hat keinen Versuch gemacht, diese wichtige Frage aufzuhellen. Aus dem Briefe Kruses wissen wir nun, daß gerade in diese Zeit seine Hinzuziehung zum Komplott der Reichstagsbrandstifter erfolgt ist. Daß van der

SA.- Mann Kruse schreibt: Wir mußten zweimal nachts Uebung abhalten und vom Präsidentenpalais durch den Kellereingang hinstürmen und wieder forteilen."

Der Nachtpförtner Odermann im Palais des Reichs­tagspräsidenten Göring hat ausgesagt, daß er einige Tage vor dem Brand Geräusche in dem unterirdischen Gang gehört hat. Eine Aufklärung dieser Geräusche" ist nicht erfolgt.

Die ersten Polizeibeamten, mit denen der Hausinspektor Scranowis Untersuchungen im brennenden Reichstag anstellte, waren ateit und Lositeit. Lositeit hat aus­gesagt, daß Seranowitz ihm gesagt habe:

" Kommen Sie mit, ich höre Geräusche im Keller." Losigkeit wurde vom Oberreichsanwalt gefragt:

Haben Sie angenommen, daß Seranowitz damit zum Ausdruck bringen wollte, daß er etwas beobachtet hat. Losigkeit antwortete:

Er scheint geglaubt zu haben, daß sich unten etwas bewegt."

Trotzdem begab sich weder der Polizeibeamte noch Scrano witz sofort in den unterirdischen Gang. Das ist um so auf­fallender, als der Nachtportier Ackermann kurz vor dem Retchstagsbrande den Hausinspektor von den nächtlichen Geräuschen im unterirdischen Gang informiert hatte. Durch das Zögern des Scranowitz haben die Täter Zeit gehabt, etwaige Spuren ihres Tuns zu beseitigen.

Lubbe bei seiner Abreise aus Holland   wußte, er werde im Der geheimnisvolle Brandstoff

Reiche zu wichtigen Dingen hinzugezogen, geht aus einer Aussage vor dem Untersuchungsausschuß in Holland   hervor:

Ein Zeuge hat befundet, daß van der Lubbe vor seiner letzten Reise nach Deutschland   zu Frau van Zijp gesagt habe, daß er seinen Paß zum lepten Male brauche, und daß etwas Großes in Deutsch  = land bevorstehe.

Die Mittäter

und das Reichsgericht

Aus der Art und dem Umfang des Reichstagsbrandes und aus den Zeugenaussagen vor dem Reichsgericht ist all­gemein die Aufassung erwachsen, daß van der Lubbe nicht der einzige Brandstifter gewesen sein kann. Es haben ihm 11 bis höchstens 14 Minuten für das Anlegen von Feuer zur Verfügung gestanden. In dieser Zeit hätte er, die Wahr­

SA.- Mann Kruse berichtet: Jeder von uns hatte einen Zellulosansack mit einem leichten Pulver darin und eine Rolle Belluloidstreifen." Der Chemiker Dr. Schatz hat vor Gericht ausgeführt, daß ein selbstentzündlicher Brandstoff" benutzt worden. Er war aber. am Brandabend nicht zugezogen. Vielmehr wurde am 28. Februar der Chemiker Lepsius, Fachmann für Brandbomben im Luftfahrtministerium, in den Reichstag   beordert, um an Ort und Stelle Unter­suchungen anzustellen. Diese Untersuchungen des Lepfius waren aber bezeichnenderweise viel weniger positiv als die Feststellung des Dr. Schatz, obwohl dieser erst später hinzu­gewogen wurde. Es fällt auf, daß der Chemifer Lepsius aus dem Luftfahrtministerium Görings die Untersuchung so wenig sorgfältig vorgenommen hat und viel mehr den van der Lubbe ausfragte, als den Spuren des geheimnisvollen Brandstoffes nachzugehen.

heit der Aussagen in Leipzig   vorausgesetzt, 167 wohlüberlegte Göring und Goebbels

Handlungen vornehmen müssen. Unter der Wucht der Tat­sachen hat sich auch das Reichsgericht außerstande gesehen, die These aufzustellen, daß van der Lubbe allein gehandelt habe. Wie aber die Frage der Mittäterschaft, soweit es sich nicht um die lächerliche Behauptung handelte, Kommunisten seien die Komplicen van der Lubes gewesen, behandelt worden ist, geht aus folgendem hervor: Aus der Aussage des Reichs­gerichtsrats Vogt vor Gericht wurde bekannt, daß van der Lubbe während der Voruntersuchung einmal auf eine Frage Vogts über den Brand im Plenarjaal geantwortet hat: " Ja, das müssen die andern getan haben."

Diese Aussage van der Lubbes hat Vogt nicht protokol­lieren lassen. Zu vielen Aussagen van der Lubebs hat Vogt Randbemerkungen in den Aften gemacht. Das Geständ= nis van der Lubbes, daß er mittäter gehabt hat, wurde von Vogt nicht einmal einer Randbemerkung gewürdigt.

Vor Gericht war van der Lubbe unter Einwirkungen, deren medizinische Untersuchung verhindert worden ist, bis auf gelegentliches unerklärliches Aufflackern apathisch. Aber om 23. November hat van der Lubbe vor Gericht ein ähn­liches Eingeständnis wie vor dem Untersuchungsrichter ge­macht. Als ihm der Vorsitzende sagte, es sei unmöglich, daß van der Lubbe im Plenarsaal die vielen Brandherde allein gelegt habe, antwortete van der Lubbe  

" Dann müssen die anderen..."

Das Reichsgericht ist über diese Aeußerung auffallend rasch hinweggeglitten. Wichtiger waren für die Reichsrichter all die Fantasien, die über die Bulgaren   und Torgler   zu­sammengeredet wurden, von denen nicht eine einzige einen Wahrheitsfern gehabt hat.

Der SA.- Mann Kruse weist in seinem Briefe auf ge wisse Militärstellen des Reiches hin", die über die Brandstiftung im Reichstage orientiert seien.

Der hochangesehene französische   Schriftsteller Wladimir d'Ormesson   hat im Figaro", ohne daß er den Brief Krujes faunte, behauptet, daß in den Geheimatten der Reichswehr   Material liege, das die Naziführung der Brand­ftiftung im Reichstage überführe.( Deutsche Freiheit", Nr. 164.)

Der SA.- Mann Kruse hat die Namen der an der Brand­stiftung unmittelbar Beteiligten genannt. Neben für die große Deffentlichkeit unbekannten SA.  - Leuten auch Ernst Röhm   und Edmund Heines  .

Seines hat vor Gericht jede Beteiligung an der Brand­stiftung abgeschworen. Was von dem Eide eines Heines zu halten ist, braucht nicht mehr gesagt zu werden, nachdem sein Parteiführer, langjähriger Gönner und Freund Adolf Hitler  vor aller Welt den Heines als einen verkommenen Burschen charakterisiert hat.

Nöhm wurde weder in der Untersuchung noch im Prozeß vernommen. Vielleicht fürchtete man die Draufgängerei und die Burschikosität des Röhm.

Röhm   und Ernst wurden erschossen. Nicht wegen ihres Komplotts, das nur eine legale Opposition gegen Abbau: maßnahmen in der SA.   war, sondern als die Mitwisser die Reichsregierung fompromittierender Berbrechen, von denen der Reichstagsbrand das größte ist.

SA.  - Mann Kruse beschuldigt vor aller Welt die Reichss minister Göring   und Goebbels  .

Die leben noch, und sie haben nunmehr das Wort

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Hitler, den ich früher verehrte, sich so zeigen würde, hätte ich nie geahnt. Das war Mord und Ueberfall. Die SA.  ­Führer haben auf ein offenes Wort gerechnet auf den 1. Juli, im Vertrauen auf den Führer, diefer aber hat besser gefunden, die Zeugen seiner Schande zu verderben. Göring  und Goebbels   waren die Anstifter des Bran­des, in ihrem Auftrage wurde alles getan und besonders Goebbels   wollte alles propagandistisch aus­schlachten, daß das Volk alles glaube und dann schon ent­sprechend stimme.

Das ist die Wahrheit über alles. Verzeihen Sie mir, wenn es vielleicht etwas fonfus herausfam, aber oft übernimmt mich die Aufregung und der Zorn und dann verliere ich den Faden. Gott   ist mein Zeuge, daß ich hier die Wahrheit ge­sprochen. Ich werde jederzeit und jeder Regierung stehen da­für, wenn man mich schützt vor den Mördern da draußen im so lieben armen deutschen Reiche.

Mit tiefster Berehrung Ihr allzeit getreuer deutscher   Sol­dat und SA.- Mann a. D. E. Kruse.

Das ist der Brief. Näheres über die Aften, die der Bers faffer der englischen   Regierung zur Unterstügung feiner Be hauptungen feuden will, ist und bis zur Stunde nicht bes fannt.

Wir geben den Brief genau in dem gleichen etwas holprigen Stil wieder, in dem er uns im Wortlaut vorliegt.

Dr. Sadi

Warum er verhaftet wurde

Berlin  , 25. Juli  .( Jnpreß): Aus eingeweihten Kreisen er­halten wir folgenden Bericht:

Die Verhaftung des Dr. Sa d, des bekannten Verteidigers im Reichstagsbrandprozeß, erfolgte wegen au enger Beziehungen zum ermordeten Gruppenfüh rer Ernst. Sad hat Ernst im Prozeß wegen des Juden­Pogroms am Kurfürstendamm 1931 verteidigt, damals schlos= sen sie Freundschaft, so enge Freundschaft, daß Ernst turz vor seinem Tode ein versiegeltes Kuvert bei Dr. Sack deponierte, welches die Aufschrift trug: Nach meinem Tode zu öffnen". Das Mißtrauen der nationalsozialistischen Führer unter­einander ist so groß, daß jeder von ihnen sich durch die Nie­derlegung von Testamenten oder Erklärungen gegen die anderen zu schüßen sucht. In diesem versiegelten Kuvert befand sich eine Schilderung der Reichstagsbrandstiftung, an der Ernst attiv teilgenommen hat. In einer Weinlaune, wie sie bei Dr. Sack nicht selten ist, hat er das Geheimnis, daß der Brief von Ernst sich in seinem Besiz befinde, preisgegeben. Am nächsten Tage wußte Göring   bereits davon und am 30,

Juni erreichte seine Hand den Dr. Sad, der ihm vor Gericht mit so heißem Bemühen verteidigt hatte.

,, SA  . marschiert nicht mehr...

Ein Tiroler Nazi- Lied

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Unter den Tiroler Nationalsozialisten geht ein Lied um, das als Flugblatt auf den Straßen Innsbrucks verteilt wird:

Die Fahne hoch!?- Die Zeiten sind verflossen SA  . marschiert nicht mehr in ruhig festem Schritt. Kameraden, die uns Hitler   meuchlings hat erschossen, Sie ziehn im Geist in unsern Reihen mit.

Herr Hitler   hat die Hände uns geschlossen Vor unsern Sturmlofalen steht ein Reichswehrmann Und 100 Kameraden sind erschossen Und diefe Toten flagen furchtbar an.

Die Straß' ist frei von braunen Bataillonen, Die Straß' ist frei vom Sturmabteilungsmann! Die Kameraden tief in unfern Herzen wohnen, Der Tag der Rache bricht für Hitler an!

Dann wird einst wieder zum Appell geblasen, Zur Rache stehen alle wir bereit

Dann wehen Freudenfahnen über alle Straßen, Denn Deutschland   ist von Hitler   dann befreit!" Nationalsozialisten sind es, die dieses Led fingen, Natio­nalsozialisten und Landsleute Adolf Hitlers