Portfeles
おっぱ
Nr. 190 2. Jahrgang
Chefredakteur: M. Braun
Theatercoup
Miklas schneidet Hitler
Seite 2
Seite 3
Hindenburgs
gefälschtes Testament
Seite 7
Deutschlands Weg
zum Bonapactismus
Seite 7
Volksabstimmung wird gefälscht
Das Zeugnis von Nationalsozialisten,
die an Wahlfälschungen am 12. November 1933 beteiligt waren
Einige langjährige Pgs., die zu einer oppositionellen, noch in der NSDAP . und in der SA. tätigen Gruppe von Nationalsozialisten gehören, senden uns auf Umwegen folgenden Bericht, der genaue Angaben über die Methoden der nationalsozialistischen Wahlfälschung enthält. Es handelt sich um Nationalsozialisten, die lange vor der Machtergreifung Mitglieder waren und das volle Recht haben, sich. ,, alte Kämpfer" Hitlers zu nennen.
,, lilöchstens 10 v. II."
Als alte Parteimitglieder der NSDAP. sind wir von jeher gegen jedes Wahlsystem gewesen, weil uns eine Wahl als das sicherste Zeichen von Schwäche und Verantwortungslosigkeit erschien. Wir erklärten jahrelang die Wählerei als Dummheit en gros, weil Millionen Unrecht und eine kleine Minderheit Recht haben könnte. Und in ungezählten Ver
hat, daß wir, wie im Krieg, selbst vor wefent:
lichen Korrekturen nicht zurückschrecken dürfen, denn wo es um die Lebensgrundlage von Deutschland geht, muß einfach ein glänzendes Ergebnis
erzielt werden." uff.
In diesem Sinne bearbeitete der Stellvertreter Adolf Hit lers die kleinen Herrgötter in den Ortsgruppen, und die Bersammlung schloß mit einem feierlichen Gelöbnis, im Sinne des Führers alles einzusetzen, um Adolf Hitler eine Vertrauensfundgebung zu verschaffen, damit das Ausland überhaupt mit ihm weiterverhandelt. Deutlich sprach
dieser große Funktionär in Frankfurt es aus: Deutschlands
außenpolitische Lage verlangt einen Beweis, daß Hitler an der Macht bleibt, und es gibt keinen Pfennig Kredit mehr her, wenn nicht eine Volksbefragung stattfindet. Hit ler brauche eine Legitimierung zu den kommenden Wirtschafts- und Rüstungsverhandlungen, und nur deshalb entschloß er sich zu einer Voltsbefragung.
sammlungen rief Hitler felber in dem Brustion der Heber Die Drohung
zeugung, daß die meisten Volksgenossen gar nicht geistig in der Lage wären, ein genaues Urteil abzugeben, d. h. selb= ständig zu entscheiden, welche Regierung für sie am besten sei. Gerade er erflärte immer, daß die Massen spielend leicht irre zu führen seien und daß das Wahlsystem mit Leichtigkeit der Partet die Stimmen einbringe, die am stärksten die Massen beeinflussen könne.
Aus diesen Gründen gingen die alten Kämpfer nur mit Widerwillen, ja mit Efel an die Vorbereitungen zur Wahl im November 1933.
Einige Wochen vor der Wahl kursierten in den Parteiund SA- Formationen Gerüchte, daß die Ortsgruppenleiter und Sturmführer abgesezt würden, in deren Be= zirk ein zu hoher Prozentsatz Nein- Stimmen abgegeben würde, weil die Kreisleitung auf dem Standpunkt stehe, daß diese Ortsgruppenführer und Sturmführer nicht ge= nügend ihre Pflicht getan hätten, um ihre Bezirke natio= nalsozialistisch zu machen. Als Höchstiah wurde 10 v. H. angegeben, also in einer Ortsgruppe dürften nicht mehr als höchstens 10 v. H. Nein- Stimmen abge= geben werden.
Und gleichzeitig versammelte der Hessische SA.- General Bederle seine SA.- Führer zu einer großen Führerbesprechung und sprach von der verdammten Pflicht und Schuldigkeit, alles einzusetzen, um zu einem günstigen Resultat zu kommen und wenn das Resultat in einer Ortsgruppe nicht günstig sei, dann müsse es einfach günstig ge= macht werden, denn für die SA. gäbe es keine Schwierig teiten. Das erwarte der Führer am 12. November von„ sei
Die Zellenleiter peitschten die Blockwarte auf, und es wurden alle irgendwie Verdächtigen blockweise in Listen aufgeführt und von SA. - Männern besucht, d. h. die SA. fam als angeblicher Freund und erklärte den Erschrockenen, fie seien im Verdacht, gegen Hitler zu stimmen und man rate im„ Guten", sich öffentlich hitlerfreundlich zu betätigen. Weiterhin wurde ausgestreut, in den nächsten Tagen würde wieder ein Reichsfahndungstag durchgeführt. Schon im Juli 1933 hatte die gesamte Polizei, die SS. und SA. im ganzen Reich alle anwesenden Personen, in erster Linie ortsfremde Personen kontrolliert, d. h. schlagartig eine Razzia über das ganze Deutsche Reich vorgenommen.
Vor keinem Mittel zurückschrecken!" und eine solche Razzia sollte demnächst vorgenommen wer
Der stellvertretende Gauleiter Kramer befahl anfang November in Frankfurt alle Ortsgruppenleiter ins Haus Offenbach , Königstraße( Festhalle), und hielt den Hoheitsträgern eine Rede, in der er sagte, daß die Wahl vom 12. November eine ungeheure außenpolitische Bedeutung habe, daß der Bestand des nationalsozialistischen Regimes
den, um die vielen Zehntausende starken illegalen antifaschistischen Organisationen zu erfassen. Bei dem Reichsfahndungstag, über den größtes Stillschweigen herrschte, waren Willfürafte sondergleichen vorgefommen und insgeheim fürchteten viele die auf ein„ Ergebnis" hungrigen SA.Formationen.
in Frage geſtellt ſei und daß auf keinen Fall ein schlechtes Terror und Betrug
Wahlergebnis herauskommen dürfe. Er betonte, daß jedes Mittel recht wäre, um zu diesem außenpolitisch so dringend gebrauchten Wahlergebnis zu kommen. Es sei an der Zeit, der Welt zu zeigen, daß das Hitlerregiment stabil und nicht am Zusammenbrechen sei, daß Deutschland unter Hitler kreditfähig sei, daß Deutschland unter Hitler vertrauenswürdig sei usw.
Mit dem Aufgebot seiner ganzen Sprechkunst hämmerte er jedem ein, daß derjenige als nationalsozialistisch unbrauchbar angesehen werden müsse, der mit einem höheren Prozentiaß als 10 Prozent bei der Wahl antrete. Er schrie in die Versammlung:
„ Mit allen Mitteln müssen wir die Wahl zu einer gewal: tigen Vertrauensfundgebung für unsern Führer gestalten und dürfen vor keinem Mittel, verstehen Sie mich bitte richtig, vor einem Mittel zurückschrecken, um ein günstiges Resultat zu erzielen. Die SA. wird darüber wachen, daß die Wahlvorstände restlos ihre Pflicht tun können und sind zum größten Stillschweigen verpflichtet. Es ist Vorsorge getroffen, daß diejenigen, die nicht ihre Pflicht als Nationalsozialisten tun, nötigenfalls im Konzentrationslager darüber nachdenken können, was Pflicht im Sinne unseres Führers am 12. November 1933 ist. Ich werde jeden zur Rechenschaft ziehen, der in irgend einer Form die Lebensnotwendigkeiten der Nation, d. h. heute das günstige Wahlergebnis sabotiert und wenn ein Defaitist mir fagen wird, ich kann nichts dafür, daß meine Ortsgruppe mit so vielen Nein- Stimmen stimmte, dann werde ich diesem Trottel sagen, daß er noch nicht begriffen
So eingeschüchtert, erwartete die Bevölkerung voller Angst den Wahltag. Massenweise kam es vor, daß den mißtrauisch alle Wähler betrachtenden SA.- Männern das gemachte" Ja" Kreuz gezeigt wurde, und daß die wachhabenden SA.- Männer rein zufällig" an die Wahlzelle( wo angekreuzt wurde) famen, um die Verdächtigen zu kontrollieren.
Und die Massen taten ihre Pflicht doch nicht so wie die braunen Banditen es erwarteten. Ueber hundert„ Verdächtige" wurden allein in Frankfurt sofort nach dem Wahlaft beim Verlassen des Wahllokals verhaftet wegen provozierenden Verhaltens". Die Gefangenen wurden in der Turnhalle des Standartenheims Börsenstraße eingesperrt, wo sie begeistert marristische Lieder sangen, bis cin riesiger Tumult entstand, S.- Abteilungen eindrangen und auf die Gefangenen einschlugen.
Nach Beendigung der Wahl wurden die abgegebenen Stims men hinter den von SA - Männern abgesperrten Türen sortiert und ausgezählt. Bei jeder Nein- Stimme brüllten die Wahlleiter Pfui und fieberhaft wurde das Endergeb nis zurecht getüftelt, denn es hätte sich kein Wahlleiter mit einem schlechten Ergebnis zu der alles absperrenden SA. gewagt, weil sie befürchten mußten, verprügelt, evtl. totgeschlagen zu werden. Es wurden meines Wissens in den Ortsgruppen Holzhausenpark( wo viele deutschnatio: nale Stimmen waren), Ostend Sandweg, Nordost- Born: heim, Altstadt, Bahnhof, Eschenheimer Straße, Bocken: heim, Rödelheim , Fechenheim , Hausen und viel mehr als 10 p. 5. Nein- Stimmen abgegeben. Alle Ortsgruppen
Die« Deutsche Freiheit" wird morgen auf die Rede antworten, die der deutsche« Führer" und Reichskanzler von Hamburg aus an die deutsche Nation zu seinem Plebiszit- Schwindel halfen wird.
Gefangene als Ankläger Die Amnestie
Zu den Propagandatricks Hitlers für die Volks abstimmung am 19. August gehört auch die Amnestie. Die Justizpressestelle Berlin teilt mit, daß, in„ Auswirkung des Gesetzes über Gewährung von Straffreiheit vom 7. August d. J., allein im Bezirk Groß- Berlin bisher über 1000 Häftlinge auf freien Fuß gesetzt worden sind. Mit weiteren Haftentlassungen ist in den nächsten Tagen laufend zu rechnen. Diese Zahl beweist eindeutig, wie weitgehend die Amnestie ist." Nachrichten aus Thüringen melden, daß aus dem Lager von Bad Sulza in Thüringen etwa ein Drittel der dort untergebrachten Schutzhäftlinge entlassen worden seien.
Mit solchen Nachrichten soll das deutsche Volk betrogen, soll die Welt getäuscht werden, die noch immer keine klare Vorstellung von den Unrechtszuständen im„ dritten Reiche" gewinnen kann. Es ist kennzeichnend, daß die Zweckmeldungen der deutschen Presse nichts mitteilen über die bisherige Parteizugehörigkeit der Schutzhäftlinge, und es ist recht auffallend, daß bisher keine Zeitung über die Entlassung irgend eines bekannten Sozialdemokraten oder Kommunisten berichten kann.
Darum fragen wir nach dem Schicksal einiger der Opfer des Hitlerregimes:
Wird der frühere sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Schumacher entlassen? Ein Mann, der als Kriegsfreiwilliger im Felde stand und einen Arm verloren hat.
Wird der frühere sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Mierendorf in Freiheit gesetzt? Ein Kriegsfreiwilliger, der im Felde ein Ohr verloren hat, übrigens von Wilhelm II . persönlich für Tapferkeit vor dem Feinde das Eiserne Kreuz 1. Klasse erhielt.
Fällt der frühere sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Gerlach unter die Amnestie? Ebenfalls ein Kriegsbeschädigter mit zerschossenem Arm. Auch er ist seit über einem Jahr grundlos seiner Freiheit beraubt.
Wird der frühere sozialdemokratische Abgeordnete und Oberpräsident Lüdemann befreit? Er ist eines der Opfer des am 30. Juni ermordeten Schurken Edmund Heines , der ihn in einem Schandzuge durch das Oberpräsidium und dann durch die Stadt Breslau führen ließ. Wie steht es mit der Entlassung des früheren kommuni stischen Reichstagsabgeordneten Ernst Torgler ? Er ist von der Hitlerjustiz unter der bewußt falschen Verdächtigung, an der Reichstagsbrandstiftung beteiligt gewesen zu sein, verhaftet worden. Monatelang wurde er im Gefängnis in Retten gelegt. Dann wurde er in dem großen Leipziger Prozeß freigesprochen. Alle Welt weiß, daß er mit dem Reichstagsbrand nichts zu tun hat, der vom Palais des Göring aus von Röhm und Heines unter
meldeten aber stolz nur 8-10 Prozent Nein- Stimmen, weil sie die überschüssigen Nein- Stimmen vernichtet und die fehlenden Ja- Stimmen angefertigt hatten, Einfache Sache.
In den Jubel des„ Siege 3" mischten sich die Prahlereien der Fälscher, die stolz darauf waren, für die große nationalsozialistische Sache eine neue Heldentat begangen zu haben. Nur eine Ortsgruppe, die Ortsgruppe Altstadt in der Fahrgasse, mußte 70 Prozent Nein- Stimmen melden, weil diese hohe Nein- Stimmenzahl in erster Linie ein Protest gege: den Ortsgruppenleiter war, der in zahllosen Fällen di chemals fommunistische Hochburg Altstadt in den vergange nen Monaten zu start terrorisiert hatte.
Fortsetzung fiebe 2. Seite.