Fretheit
Nr. 193 2. Jahrgang
Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands
Saarbrücken, Mittwoch, 22. August 1934 Chefredakteur: M. Braun
Zur Ermordung Schleichers
Die Welt
über das Hitler- Plebiszit
Wie ER wirklich ist
Seite 8
Seite 7
Die Reichsregierung und ihre Presse haben Schleichers ,, Verschwörung mit Frankreich " eriunden- Demütigender Entschuldigungsbesuch des deutschen Botschafters bei Barthou Die deutsche Oeffentlichkeit erfährt nichts
Die außenpolifische Propaganda wurde durch Herrn von Bredow getrieben. General von Schleicher leitete das außenpolifische Spiel, teilweise persönlich bzw. ließ es durch Bredow praktisch betreiben...
Wenn aber Hochverräter in Deutschland mit einem ausländischen Staatsmann eine Zusammenkunft vereinbaren und durchführen, die sie selbst als dienstlich bezeichnen und unter Fernhaltung des Personals durchführen, und mir durch ffrengen Befehl verheimlichen, dann lasse ich solche Männer tofschießen.
Reichskanzler Hitler am 13. Juli
im Deutschen Reichstag.
Schleicher hat Verbindungen zu Röhm unterhalten. Aber nicht nur das: er hat ernstlich auf Frankreich gehofft, das ihm seine Regierungsausgabe erleichtern Reichswehrgeneral von Reichenau,
sollte
Untersuchung und ohne Gerichtsverfahren, mit vollem Recht erschossen worden. Von seiner Frau, die unschuldig durch die Kugeln der Beauftragten des Obersten Gerichtsherrn niedergestreckt wurde, spricht man nicht. Ueber solche Nebensächlichkeiten geht der Reichsführer als Oberster Gerichtsherr, gehen seine ritterlichen Reichswehrgenerale und gehen auch die beamteten Bischöfe beider Konfessionen mit Achselzucken hinweg. Solche Kleinigkeiten dürfen das heroische Gesamtbild des dritten Reiches" nicht stören.
Die französische Regierung hat sich die verlogenen Anwürfe des deutschen Reichskanzlers nicht bieten lassen. Der französische Botschafter FrancoisPoncet hat' ehr energische Vorstellungen in der Wilhelmstraße erhoben, und der französische Außenminister Barthou hat ebenso deutlich mit dem deutschen Botschafter Köster in Paris gesprochen. Einige Wochen haben sich die Herren des Auswärtigen Amtes in Ber lin , die, wie schon so oft, entsetzt waren über die gedanken- und bedenkenlosen außenpolitischen Sprünge ihres Reichskanzler, hin und her gewunden. Dann gab es keinen Ausweg mehr. Die französische Regierung bestand auf der offiziellen und demütigen den deutschen Entschuldigung. Die ist am vergangenen Samstag erfolgt. englischen
Chef des Ministeramts im Reichswehrministerium. Schleicher hatte Fühlung mit einflußreichen franzö fischen Staatsmännern gesucht und gefunden. Aus einem Auffaz„ Schleichers politischer Traum", der auf Grund von Mitteilungen eines Korrespondenten der Wochenzeitschrift New Staates33 der
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wurde.
Für uns beginnt sich das Material um den Fall Schleicher zu runden, ja selbst die Rolle des
französischen Außenministers erscheint uns nicht mehr ganz so unmaßgeblich bei diesen Dingen... Die Ereignisse, die vierzehn Tage später sich im Reich abgespielt haben, find die Antwort darauf und zugleich
Beweis dafür, daß troß der eraften Analyse und trotz der Verbindung der französischen Regierung mit den Ber: ichwörern sich die Hoffnungen des Herrn Barthou als trügerisch erwiesen haben.
Klar und deutlich hat der deutsche Reichskanzler im Reichstage seinen Vorgänger im Reichskanzleramt, den General von Schleicher, des Landesverrats, des Zusammenspiels mit einer fremden Regierung beschuldigt. Alle Welt wußte, daß damit Frankreich gemeint
war. Auch war bekannt, daß der Reichskanzler auf ein 3usammenwirken Schleichers mit dem französischen Botschaffer in Berlin anspielen
wollte.
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Der Reichskanzler hat wochenlang die ganze deutsche Presse angewiesen, dem deutschen Volke vorzulügen, Schleicher sei an einer Verschwörung Frankreichs gegen das dritte Reich" beteiligt gewesen. Vor kurzem noch hat der Reichswehrgeneral Reichenau, wenn auch in vorsichtigen Formen, dasfelbe Thema variiert. So wurde von höchsten Reichsstellen dem deutschen Volke vorgeschwindelt, der frühere Reichskanzler von Schleicher sei, wenn auch ohne
stischer Funktionäre
Berlin , 21. Aug. In der gesamten deutschen Presse erschienen in den zahlreichen Kommentaren zum Ergebnis der Abstimmung am 19. August keinerlei Vergleichsziffern mit der Abstimmung des 12. November 1933. Jetzt weiß man warum. Das Propagandaministerium hat den Abdruck solcher Ziffern verboten. Während der Wahltage wurden eine Reihe ehemaliger sozialdemokratischer und kommunis stischer Funktionäre in Schutzhaft genommen, angeblich um Störungen" zu verhindern.
Tatsachen entsprächen. Zugleich hat der deutsche Botschafter in Paris bestätigt, daß sich der franzö sische Botschafter Francois- Poncet in Berlin absolut korrekt und tadellos benommen hat.
Damit hat sich der deutsche Reichskanzler und seine Presse gröbster Unwahrheit gegenüber einem Toten, der auf Befehl erschossen worden ist, bezichtigt. Daß dieses Eingeständnis mit Entschuldigungen gegenüber einer ausländischen Regierungen verbunden ist, macht es noch schmachvoller. Es ist selbstverständlich, daß die deutsche Deffentlichkeit von diesem Bittgang des deutschen Botschafters und seinem kläglichen Kotau vor der franzöfischen Regierung nichts erfahren darf. Das Gesindel, das sich in den deutschen Redaktionen dem deutschen Reichskanzler für die Rechtfertigung der blutigen Geschehnisse zur Verfügung stellt, führt auch gehorsam den Befehl aus, die Verleumdungen des toten Schleicher aufrechtzuerhalten und die Demütigung des« Führers" und Obersten Gerichtsherrn zu verschweigen.
Der deutsche Botschafter Köster hat im Auftrage des deutschen Reichskanzlers den französischen Außenminister Barthou aufgesucht und die Rechtfertigung, die der deutsche Reichskanzler im Reichstage für die Ermordung seines Vorgängers und unbequemen Krifikers versucht hat, vollkommen preisge geben. Er hat zugleich das lebhafte Bedauern der Reichsregierung über die Angriffe der deutschen Presse gegen über Frankreich ausgesprochen und hat ausdrücklich zugegeben, daß die Behauptungen, Schleicher habe zusammen mit Paris gegen das dritte Reich hochperräte rische Pläne geschmiedet, nicht den sprechen.
Der deutsche Reichskanzler hat, wie seine Biffe um Schuß an die Regierungskommission des Saargebiets zeigt, Furcht, daß wir ihn so kennzeichnen, wie wir ihn sehen. Aber ist das überhaupt noch notwendig? Wir finden, daß seine Worte und seine Taten selbst immer wieder das vernichtendste Urteil über den Reichskanzler
„ Führer" und Generale
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An Mein Volk"- Die Wehrmacht über alles
Die neue deutsche Majestät hat drei Aufrufe ins Land ge
hidt: an das deutsche Volt, an die NSDAP . und
an die Wehrmacht. Ganz im kaiserlichen JCH- und MEIN- Stile wird unser teures Volf" angesprochen. ER selbst beftätigt SJCH einen ebenso genialen wie entschlossenen und beharrlichen Kampf".
Stolz sett er den Stiefel auf den Nacken der gefesselten deutschen Nation. Er rühmt sich der schrankenlosen Parteidiftatur über Deutschland :
« Angefangen von der obersten Spitze des Reiches über die gesamte Verwaltung bis zur Führung des letzten Ortes befindet sich das Deutsche Reich heute in der Hand der Nationalsozialistischen Partei." Was hat er nun, der alle Machtfülle in sich vereinigt, dem
gedrückten und gequälten Bolte zu bieten? Nichts als Phras sen und neue Propaganda und nene Drohungen.
Er kündigt an, daß noch in der Wahlnacht eine„ Aktion" beschlossen worden sei, die restlichen 10 v. H. des deutschen Boltes zu gewinnen. Die so umworbenen sieben Millionen Protestler werden nicht ohne Sorge lesen, daß diese Aktion ,, mit nationalsozialistischer Schnelligkeit und Gründlichkeit ablaufen" soll. Diese Sprache fennt man. Die SS. und die SA. versteht sie. Man wird
den deutschen Reichsführer mit aller Entschiedenheit für alles verantwortlich machen müssen, was im Zuge dieser Aktion" in den nächsten Wochen fich zu ereignen droht. Man mache sich und anderen doch nichts weis: mit Propas gandamitteln ist gegen die 7 Millionen Opponenten nichts
Sortiebung fiebe 2. Seite.