Eine Groteske
Pirro, der Führer der ,, deutschen Front" an der Saar , nicht abstimmungsberechtigt
Die„ Bolfsstimme" erfährt, der zuständige Gemeindeausschuß habe entschieden, daß Herr Pirro, der Landesleiter der sogenannten„ deutschen Front" mit dem französischen Ramen, nicht abstimmungsberechtigt ist.
Herr Pirro hat bekanntlich wiederholt verlangt, daß alle richtabstimmungsberechtigten Saarländer , auch wenn sie schon länger als zehn und mehr Jahre im Saargebiet tätig sind und eine politische Rolle gespielt haben, am Wahlkampf selbst nicht aktiv teilnehmen dürfen. Insbesondere verlangte Herr Pirro für diese Saareinwohner ein Rede- und Versammlungsverbot, und obendrein ihren Rücktritt aus der Führung innerhalb der Abstimmungsfronten.
Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen aber die„ deutsche Front" hat wieder einmal bewiesen, daß sich halt jeder so gut blamiert, als er fann!
Hitler wie Streicher
Berlin , 1. Sept. Der Stellvertreter des Reichsführers, Heß, verbot durch ein Rundschreiben, das an alle Parteimitglieder verteilt wurde, in Prozessen gegen Parteimitglieder Juden zu vertreten, ferner Juden zu empfehlen, Unterstützungen zugunsten der Partei dürfen von Juden nicht angenommen merden. Parteigenossen dürfen sich öffentlich in Gesellschaft von Juden nicht zeigen...
Wird Ley entmannt?
Eine kitzliche Frage
Bei der Durchführung des Gesetzes zur Verhütung erbfranken Nachwuchses sind Zweifel aufgetaucht, ob auch die Hebammen verpflichtet seien, Anzeige nu erstatten, wenn ihnen in ihrer Berufstätigkeit erb franke oder an schwerem Alkoholismus leidende Perjonen befannt werden. Der preußische Innenminister hat jetzt festgestellt, daß auch die Hebammen nach Sinn und Zweck des Gesetzes anzeigepflichtig. find.
Eine Ente?
dnb. London , 1. Sept.„ Daily Telegraph " bringt in großer Aufmachung einen Bericht seines Mailänder Berichterstatters, in dem es heißt, von maßgebender sozialistischer Seite verlaute, Mussolini plane eine der fühnsten Taten jeiner Innenpolitik. Er sei an mehrere hervorragende Mitglieder der von ihm unterdrückten Sozialistischen Partei herangetreten mit dem Vorschlage, sie sollten sich ihm anschließen und einen neun sozialistischen Flügel der Faschistenpartei" bilden. Sie würden dafür hervorragende Posten in der Partei, besonders in den Behörden, erhalten, die die Arbeiterfragen kontrollierten. Einer von den betreffenden Sozialisten sei der ehemalige Bürgermeister von Mailand Cald. Gine endgültige Antwort sei noch nicht erfolgt.
Das Neueste
Der„ Temps" befaßt sich mit dem bevorstehenden Ein: tritt Rußlands in den Völkerbund, mit dem das Blatt als mit einer feststehenden Tatsache rechnet. Anläßlich der Eröffnung der Telefonverbindung Paris Moskau ergeht sich der französische Außenminifter in Freundschafts : beteuerungen für Sowjetrußland.
Auf Einladung der schwedischen Regierung findet cm 6. und 7. September in Stockholm eine Konferenz der Außenminister Norwegens , Dänemarks , Finn: lands und Schwedens statt.
In Cherbourg sind am Freitag zwei größere Goldladungen ans Amerika für Pariser Banten ein: getroffen. An Bord des Dampfers Bremen " befanden sich 261 Kilogramm Gold im Werte von 2,5 Millionen Franken und an Bord der„ Africania" 1400 Kilogramm Gold im Werte von 1,5 Millionen Dollar.
Nach einer Bekanntmachung der Streitleitang in Renyork werden am Montag auch die Kammgarn- und die Wollarbeiter in den Streit treten. Einige Belegschaften haben bereits am Freitag die Arbeit niedergelegt.
In Renyork stürzte ein Aufzug mit 21 Personen vom fünften Stockwerf ins Erdgeschoß, wobei fünf Personen schwer und mehrere leicht verlegt wurden.
Ein mit 200 Personen besetzter japanischer Dampfer ift auf dem Yalu geinnten. 91 Personen werden vermißt.
An die deutsche Front"!
Wie wollen die Reichsbankrotteure Hitler und Schacht die Saargruben gegen Gold zurückkaufen?
Der sogenannte Führer des Reichs, Herr Hitler aus Braunau am Inn , hat am Sonntag auf einer Saarkundgebung in Ehrenbreitstein gesprochen, ohne über die Saar etwas zu sagen. Er hat in seinen berühmten vierzehn Jahren soviel gegen die republikanischen Befreiungspolitiker hezen und schmähen müssen, daß er keine Zeit gefunden hat, sich femals mit dem Saarproblem zu beschäftigen. Unseres Wissens hat er sich niemals auch nur eine Stunde an der Saar aufgehalten, obwohl er dazu, ehe er Reichskanzler wurde, die Möglichkeit gehabt hätte, wie jeder andere nichtbeamtete Politiker Deutschlands auch.
Auch als Reichskanzler hat er in der Saarfrage nichts hinzugelernt. Seine Rede war auf diesem Gebiete die eines krassen Laien. Nicht einmal die Mühe hat er sich gemacht. von irgendeinem Saarreferenten eines Reichsministeriums eine Partie über die Saarfrage in seine Rede einarbeiten zu lassen. So hat man denn nichts anderes gehört, als die alte Walze: Stimmt für mich, und es wird sich alles zum Guten wenden!
Wie es sich unter Hitler wendet, erfahren wir jetzt jeden Tag durch seinen Fachminister für Reichsbankrott, Herrn Dr. Schacht. Er hat eben erst erklärt, daß das„ dritte Reich" transferunfähig sei. Es könne auf Jahre hinaus, weder in fremden Devisen noch in Gold seine Schuldverpflichtungen an das Ausland erfüllen.
diese paar hundert Goldmillionen bei einem Gold- und Devisenbestand der Reichsbank von 3 Milliarden Mark auf einem Brett hingeschoben werden können. Wie aber soll es jetzt werden, nachdem uns Herr Hitler den herrlichen Zeiten eines totalen Reichsbankrotts entgegen geführt hat? Wir richten die Frage an die„ ,, deutsche Front":
Wenn Eure führenden Reichsbankrotteure jetzt jeden Tag der. Welt den Offenbarungseid anbieten, daß sie auf Jahre hinaus nichts an Gold und Devisen transferieren können, wie wollen sie nach dem erträumten Abstimmungssiege ihre Verpflichtungen gegenüber Franfreich in Gold" erfüllen?
Glauben sie etwa, Frankreich würde für die Bezahlung der Saargruben der totalen Pleite Hitler , Schacht u. Co. ein „ Vollmoratorium" für unabsehbare Zeit gewähren?
Glaubt die deutsche Front" etwa, es würden ausländische Kredite für den Rückkauf der Saargruben an eine Reichsregierung fließen, die notorisch betrügerischen Banfrott gemacht hat und ihre ausländischen Gläubiger um Kapital und Zinsen prellt?
Das sind Fragen erster Ordnung für den Abstimmungskampf. Die„ deutsche Front" und ihre bankrotte Reichsregierung können sich von der Beantwortung nicht drücken. Auch Schweigen würde sehr beredt wirken. Es würde zeigen, daß die Herren Hitler und Schacht auf diese Fragen keine andre Antwort wissen als diejenige, die wir jetzt jeden Tag
Diese Bankrotterklärung ist von hoher Bedeutung für das von ihnen hören: Wir sind oberfaul, wir sind unpfändbar, Saargebiet und den Abstimmungskampf.
In dem Saarstatut des Versailler Vertrages steht in Kapitel III§ 36:
Beschließt der Völkerbund die Vereinigung des ganzen Saarbeckengebietes oder eines Teils init Deutschland , so hat Deutschland die Eigentumrechte Frankreichs an den in diesem Gebietsteil gelegenen Gruben im ganzen zu einem in Gold zahlbaren Preise zurückzukaufen.
Die ernsthaften Schäßungen über die Höhe der notwendigen Goldsumme schwanken zwischen 150 und 300 Millionen Reichsmart.
In den verruchten Zeiten„ marristischer Mißwirtschaft", aus denen Herr Hitler so gruselige Märchen erzählt, hätten
wir sind zahlungsunfähig, wir sind ruiniert, wir sind pleite, wir sind mochulle, Heil Hitler!
Wer es mit diesen armen Schluckern gut meint, befreit sic von den Sorgen, wie sie die unmögliche Aufgabe lösen sollen, ein paar hundert Millionen Reichsmark für den Rückkauf der Saargruben zu pumpen, und wirbt für den Status quo. Sobald in Deutschland wieder eine ordentliche und daher zahlungsfähige Reichsregierung vorhanden ist, wird die Rückgliederung und der Rückfauf der Saargruben glatt erfolgen.
Oder weiß die deutsche Front" eine andere Lösung? Wir sind sehr gespannt, was sie oder ihr Führer zum Reichsbankrott darauf antworten werden. Bermutlich nichts.
Oder das Genie der Vernichtung Paris , den 1. September.
Von unserem Korrespondenten Robert d'Harcourt beschäftigt sich im Jour" unter der obigen Ueberschrift in einem langen Artikel mit Herrn von Papen, dem neuen deutschen Gesandten in Wien .
Der Verfasser meint, Papen komme in Wien mit dem schweren Gepäck vergangener Irrtümer an, mit dem Gepäck seiner Schwäche, seiner Gabe sich bloß zu stellen, seiner Feigheit und außerdem noch vorbelastet durch die unbeschreibliche Ungeschicklichkeit der Hitlerregierung, die diese aus Anlaß der Neubesetzung des Wiener Postens bewiesen habe.
Das, was Papen besonders kennzeichne, sei die Vernichtung, die er überall an der Stätte seiner Wirksamkeit zurücklasse. Er scheine vom Schicksal die zweifelhafte Gabe erhalten zu haben, stets Unheil zu schaffen. Er habe Deutsch land dem Hitlerismus ausgeliefert, indem er sich einbildete, diesen meistern zu können, wenn er ihn in das konservative Bauwerk einmauere. Aus dem gleichen Grunde habe er den deutschen Katholizismus an Hitler ausgeliefert. Die rheinischen Katholiken haben ihm den schrecklichen Beinamen " Deutscher Judas" gegeben.
Robert d'Harcourt hält diesen Beinamen für etwas zu hart. Er glaubt, daß die Grundzüge von Herrn von Papens Wesensart Sorglosigkeit und Leichtfertigkeit seien. Er, der ein„ Kanzler ohne Volk" gewesen sei, bleibe immer der Offizier der leichten Kavallerie. Er habe nur einen Freund gehabt: Hindenburg , der ihm am Tage vor seiner Abreise sein Bild mit der Widmung„ Ich hatt' einen Kameraden" geschenkt habe. Aber selbst ihn habe Papen betrogen, als er Hitler an seine Stelle ließ, Hitler, den der alte Soldat als gefährlichen
Wie Schleicher und Frau ermordet wurden
Erster authentischer Bericht auf Grund der polizeilichen Ermittlungen
Zwei Monate sind seit der Ermordung des General Schleicher vergangen. Bis heute ist eine völlig zutreffende Schilderung des Sachverhalts nicht in der Oeffentlichkeit erschienen. Wir sind in der Lage, den wirklichen, genauen Hergang zu berichten und zwar auf Grund authentischen Materials. In den ersten Stunden nach dem Mord het nämlich die Polizei, die nm diese Zeit noch nicht wußte oder nicht wissen durfte, daß es sich um eine amtlich befohlene Niedermehlung handelte, protokol: larische Zeugenvernehmungen ongestellt. Auf diesen beruht unsere Darstellung. Berlin , den 31. August 1934.
Vor der Villa des General Schleicher fuhr am Vormittag des 30. Juni durch die Griebnitzstraße ein mit fünf männ lichen Personen besetztes Privatauto vor. Die Griebnißstraße ist eine ziemlich einsame Villenstraße, die parallel zum Griebnissee in durchschnittlich 100 Meter Entfernung vom Seeufer verläuft. Zwischen Straße und See liegt die Villa Schleichers. Sie ist wie alle andern Häuser an dieser Straße ven Gartenland umgeben, wodurch ein beträchtlicher Abstand von Villa zu Villa entsteht. Die fünf Insassen des Autos, die etwa wie junge Offiziere in Zivil oder Studenten aussahen, stiegen aus. Dabei ertönte das halblaute Kommando: " Pistolen raus!"
Die Anfömmlinge klingelten am Gartentor der Villa Schleicher. Das Dienstmädchen öffnete. Frage: Wohnt hier General v. Schleicher?" Das Dienstmädchen:„ Ja= wohl, wen darf ich melden?" Ohne diese Frage zu beantworten, drangen die fünf Männer in die Wohnung ein. Das verwirrte und ratlose Mädchen öffnete ihnen die Tür zum Wohnzimmer.
Dort saß General Schleicher am Schreibtisch arbeitens, ſeine Gattin saß unweit von ihm, mit weib licher Handarbeit beschäftigt,
Schleicher drehte sich beim Geräusch der Eintretenden um und fragte:„ Was wünschen die Herren?" Einer der Eintretenden: Sind Sie der General v. Schleicher?" Schleicher:„ Der bin ich."
Ohne noch irgend ein Wort zu sagen, erhoben der Spre cher und einige andere darauf blizschnell ihre Pistolen und schossen Schleicher sowie seine Frau nieder. Schleicher war sofort to t. Seine Frau war schwer verletzt, lebte aber noch. Darauf verließen nach wenigen Sefunden die Täter das Zimmer wie sie gekommen, ohne sich um die in ihrem Blute liegenden Opfer noch irgendwie zu bekümmern, bestiegen das Auto, einer gab ein Kommando, scheinbar die Fahrtrichtung betref fend, worauf das Auto in rasender Fahrt davon fuhr.
Das Dienstmädchen, das die Tat mit angesehen hatte, stürzte laut schreiend auf die Straße:„ Der General Schleicher ist ermordet. Hilfe, Hilfe!"
Nachbarn eilten hinzu. Alles glaubte an einen Raubüberfall oder dergleichen. Man verste, von Schleichers Villa
Abenteuerer angesehen habe. Papen sei zwar Vorsitzender einer Vereinigung„ Kreuz und Adler" gewesen, aber er habe dem Kreuze genau so schlecht gedient, wie dem Adler. Dieser Mann, so heißt es weiter, könne nur Berrar üben. Für ihn gebe es nur eine Treue, die zu den Methoden seiner amerikanischen Diplomatenzeit während des Krieges: er torpediere weiter.
Nach Wien gekommen, vierzehn Tage nach der Ermordung von Dollfuß konnte der Gesandte des dritten Reiches" jeine Beglaubigungsschreiben nur mit blutbefleckten Händen übergeben. Aber die Berliner dachten, bei den außerordentlich gepflegten Händen des Herrn von Papen werde man das Blut weniger sehen und seine guten Manieren, sein Charme werden das Verbrechen vergessen machen. Franz von Papen könne auch das„ Mädchen für alles" genannt werden. Denn
er mache eben alles und daher habe er auch den Wiener Posten angenommen. Und man habe ihn dort auch empfangen. Aber erfolgreich werde er in Wien nur tätig sein können, wenn er sich jeder Einmischung in innerösterreichische Verhältnisse auch über den Weg der gesellschaftlichen Beziehungen enthalte.
Bei dieser klaren Erfenntnis der Lage sollte man denken, daß das Wiener Kabinett eventuellen Intrigen entgegenwirken fönnte. Aber ein Mann von Papens Geschmeidigkeit bleibe immer gefährlich. Hoffen wir, so schließt Robert d'Har court seine Ausführungen, daß die Menschen von Herz und Verstand, die ießt das Schicksal Oesterreichs bestimmen, zu verhindern wissen, daß ein Mann, der Deutschland vernichtet, der dem Katholizismus Unheil gebracht hat, nicht etwa seine Laufbahn mit einer Zerstörung Desterreichs beende..
durchschnitten war. Man telefonierte von einer Nachbarvilla aus. Nach etwa anderthalb Stunden fam das Ueberfallkommando. Die Zeugen; darunter Schleichers Dienstmädchen, wurden furz verhört und aufnotiert. Frau Schleicher wurde ins Krankenhaus transportiert. Sie starb auf dem Wege dahin.
Soweit der polizeilich festgestellte Sachverhalt. Er ergibt mit absoluter Klarheit, daß die Ermordung Schleichers von vornherein beschlossene Sache war, feineswegs eine unvorhergesehene Folge eines Widerstandes bei der VerHaftung. Folgende Momente beweisen das:
1. Das Kommando„ Pistolen raus!" bei Betreten der Villa. 2. Schleicher fonnte keinen Widerstand leisten. Dazu blieb ihm einmal physisch keine Zeit. Vor allem aber: Wogegen sollte er Widerstand leisten? Er wußte ja gar nicht, was die sein Zimmer Betretenden, denen sein Mädchen die Tür öffnete, von ihm wollten, konnte es auch nicht wissen, da nichts weiter vorging, als daß er gefragt wurde, ob er Schleicher sei, und dann sofort geschossen wurde.
3. Die eilige Flucht der Täter und das Durchschneiden des Telefondrahtes. Beamte, die bei einer Verhaftung von der Waffe Gebrauch machen müssen, jagen nicht wie die Verbrecher davon, sondern bleiben am Orte und nehmen den Tatbestand auf. Sie haben auch die Pflicht, sich um die durch sie Verletzten zu bekümmern und dürfen sie nicht einfach verbluten lassen.
Diefe ter aber machten jede sofortige Hilfeleistung un= möglich, zerschnitten das Telefon und i ten davon. Daraus ergibt sich, daß sie in ihrem eigenen Bewußtsein keine
aus Arzt und Ueberfallkommando telefonisch zu erreichen. pflichtmäßig handelnden Beamten, sondern gemeine Mör
Dabei stellte sich heraus, daß die Telefonleitung