Saarbrücken , 4. September 1934. Nunmehr liegt die Barthousche Denkschrift über die Gaarabstimmung im genauen Wortlaut vor. Sie ist vom französischen Außenminister dem französischen Ministerrat vorgelegt und von diesem gebilligt worden. Mittlerweile ist sie dem Völkerbundssekretariat in Genf zugegangen. Gie entspricht voll und ganz der Charakterisierung, die wir ihr vor einigen Tagen bereits ausstellten. Sie enthält bezüglich des Status quo u. a. auch die von der sozia listischen Freiheitsfront des Saargebietes durch die 2. Internationale am 4. August in Brüssel erhobenen Forderungen.
Schon eine oberflächliche Lektüre der Denkschrift zeigt, welch ungeheuerliche Fälschung sich Goebbels und seine Pressetrabanten geleistet haben, als sie der Oeffentlichkeit mitteilten, Frankreich betrachte in dieser Denkschrift die Saarfrage als im hitlerdeutschen Sinne geregelt und Frankreich ginge von einer Rückgliederung des Saargebietes an Deutschland aus. Wie jeder objektive Leser der Denkschrift mühelos feststellen wird, ist das genaue Gegenteil zutreffend. Bei allen Fragen, welche die Denkschrift berührt, bei den politischen, juristischen, finanziellen Fragen und der Grubenfrage werden immer alle drei im Friedensvertrag vorgesehenen Lösungen einer Betrachtung unterworfen. Selbstverständlich ist für Frank reich das Problem nur unbedeutend, wenn das Saargebiet für Frankreich votieren würde. Dann gibt es für Frank reich keine wirtschaftlichen und finanziellen Fragen, weil das Saargebiet ja bereits jetzt mit der Währung und seiner Wirtschaft an Frankreich angelehnt ist. Schwieriger sind die Fragen schon bei einer Entscheidung der Saarbevölkerung für den Status quo. Aber auch dann sind lie einzelnen Probleme nicht so kompliziert, wie im Falle einer Entscheidung für Hitlerdeutschland. Deshalb nehmen naturgemäß diese letteren Erörterungen den breitesten Raum ein. Da bietet jede einzelne Frage fast unüberwindbare Schwierigkeiten.
Für uns Freiheitskämpfer an der Saar , die unter allen Umständen gegen den Anschluß an ein Hitlerdeutschland sind, ist die Stellungnahmederfranzösischen Regierung zum Status quo von besonderer Bedeutung. Alles, was hier dem neu zu gründenden zukünftigen Bölkerbundsstaat an Rechten und Vergünstigungen gewährt und zugebilligt wird, geht ja im wesentlichen auf Kosten Frankreichs und des dritten Reiches". Deshalb sind Erklärungen dieser beiden Staaten von der allergrößten Wichtigkeit. Frankreich hat seinen Standpunkt nun endgültig präzisiert. Es tritt ein: 1. Für ein liberales demokratisches Regime des Völkerbundes an der Saar . Die Saarbevölkerung soll in meitestem Umfange an der Verwaltung des Saarstaates beteiligt werden. Es ist selbstverständlich, daß alle andern Staaten des Völkerbundes mit dieser von Frankreich vorgeschlagenen Reglung einverstanden sein werden. Damit wäre also eine freiheitliche, vom Selbstbestimmungsrecht getragene Völkerbundsregierung an der Saar als absolut gesichert anzusehen.
2. Frankreich läßt ausdrücklich die Möglichkeit späterer Abänderungen der zunächst zu treffenden staatlichen Saar : reglung zu. Es bleibt also Tür und Tor offen für eine vom Willen des Volkes späterhin getragene Abänderung in der Saarfrage, insbesondere auch für einen späteren Anschluß an ein von Hitler - Barbarei befreites Deutsch land .
3. Der neue Saarstaat wird vom französischen Staat zu ,, billigen Bedingungen" in den Besitz eines Teiles der Saargruben gesetzt werden. Frankreich erkennt an, daß ein Verbleib der Saargruben unter französischer Verwaltung einem freien Saarstaat widersprechen würde. Aus diesem Gesichtspunkte heraus ist zu erwarten, daß ein wichtiger Teil der Gruben in das Eigentum des neuen Völkerbundsstaates überführt werden wird. 4. Der neue Saarstaat behält die französische Währung bei und genießt damit alle Vorteile, die aus der stabilen Goldlage Franfreichs hervorgehen. Von ganz besonderem Werte ist das Versprechen des französischen Staates, dem nen zu gründenden Völkerbundsstaate mit weitgehenden Krediten entgegenzukommen. Die Saarwirtschaft wird dieses französische Versprechen besonders zu würdigen missen. Sollte Hitler- Deutschland die Deutschen an der Saar , die dann als Auslandsdeutsche seinem Herzen besonders nahe stehen würden, in dem gleichen Maße unterstützen wie Frankreich , so wäre der neue Völferbundsstaat geradezu glücklich zu preisen. Allerdings ist Hitler - Deutschlands so sehr verarmt und so sehr selbst auf Kredite angewiesen, daß es dem neuen Völkerbundsstaat keine finanzielle Hilfe gewähren könnte. HitlerDeutschland wirft jetzt zwar in den Kampffonds um die Saar bedeutende Mittel, die es aber nur aufzubringen gewillt ist unter dem Gesichtspunkte des außenpolitischen Erfolges im Ringen um das Saargebiet. Es bringt die Mittel auch jetzt nur auf in der Weise, daß die deutsche Volkswirtschaft zum Aderlaß gebracht wird. Frankreich wünscht Schutz aller Rechte der Sozialversicherten für ihre Renten. Es hält es für notwendig, daß die erworbenen Rechte durch den Völkerbundsrat ge: fichert werden. Diese außerordentlich bedeutsame Frage wird bei allen Rentenbeziehern an der Saar große Befriedigung auslösen.
Alle diese Anregungen und Versprechen Frankreichs gelten tausendmal mehr als die unverbindlichen und billigen Bersprechungen privater Körperschaften und Gesellschaften des„ dritten Reiches". Hier spricht eine
führende Großmacht vor dem obersten Forum der Welt und stellt für die Erfüllung fein ganzes Prestige in Rechnung.
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Frankreich macht in der Barthouschen Denkschrift kein Hehl daraus, daß im Falle einer Entscheidung für Hitler deutschland die Folgen für das Saargebiet von außer ordentlich großer Bedeutung sein werden. In finanzieller Hinsicht hört das Saargebiet dann auf, ein Teil des franHinsicht hört das Saargebiet dann auf, ein Teil des fran zösischen Wirtschaftsgebietes zu sein. Es verliert die fran zösischen Wirtschaftsgebietes zu sein. Es verliert die fran. zösische Währung. Die Saareinwohner würden von Hitler deutschland gezwungen werden, ihre sämtlichen Franken bei Gefahr schwerer Strafe an den Staat abzuführen und dafür die im Ausland wertlose Reichsmark entgegenzunehmen. Frankreich würde ferner von Hitlerdeutschland restlose Bezahlung der Saargruben verlangen. Es würde solange das Eigentum an den Saar gruben nicht aufgeben, bis nicht der letzte Pfennig gezahlt wäre. Das völlig verarmte Hitlerdeutschland ist nicht in der Lage, auch wenn es sein ganzes Gold und seine ganzen Devisen hingäbe, die Gruben zu bezahlen. Das Wirtschaftselend würde damit um so größer werden,
- während die Saarländer selbst aus ihrem Deviseneigen. tum die Gruben bezahlen müßten für das„ dritte Reich" und seine Bankrottpolitik.
Auffallend ist die Tatsache, daß die französische Denkschrift die Zollfragen nicht berührt. Natürlich ist diese Frage nur von Wichtigkeit bei einer Entscheidung für Hitlerdeutschland. Hier aber will Frankreich offensichtlich alle Hände freibehalten und sich zollpolitisch in keiner Weise binden. Es wird der berühmte eiserne Vorhang niederfallen und das Saargebiet wird behandelt werden wie HitlerdeutschI and. Es wird in die deutschen schwierigen Wirtschaftsverhältnisse hineingezogen und nimmt an dem hitlerdeutschen Elend teil.
Mit Recht hebt die Denkschrift hervor, daß nicht alle Probleme erörtert, ja in der Denkschrift nicht einmal aufgezählt würden. Immerhin ist aber in der Denkschrift so viel enthalten, daß die Saarbevölkerung mit aller Deuts lichkeit ersehen kann, worum es geht und wo die Probleme liegen. Wenn man Hitlers leere Phrasen und seine nichts. sagenden Worte von Ehrenbreitstein betrachtet, so erkennt man erst, wie verständnislos und unfähig die Regierung des„ dritten Reiches" dem für das Saarvolk entscheidenden Lebensproblem gegenübersteht.
„ Im Saargebiet herrscht Ruhe"
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Wie man sicht...
Die„ Deutsche Front" in Saarbrücken behauptet in ihrer Nr. 143 im Saargebiet herrscht Ruhe". Zum Beweise da für zitiert sie eine angebliche Aeußerung des schwedischen Mitgliedes der internationalen Saarabitimmungskommission, des Herrn Regierungspräsidenten Rohde . Er soll sich entsprechend in einer schwedischen Zeitung geäußert haben. Was er wirklich gesagt hat, möge dahin gestellt bleiben.
ginn der für notwendig erachteten Polizeiverstärkung, parallel zur Verstärkung der Abstimmungspolizei durch eine größere Anzahl ausländischer Beamter.
Wenn die Meldung zutrifft, ist sie vielleicht eine Garantie dafür, daß nun wirklich bald Ruhe im Saargebiet herrscht.
Auf der zweiten Seite jedenfalls schildert die Deutsche Protest gegen die Bischöfe?
In der Nacht zum Dienstag wurde der junge deutsche Arbeiter Eduard Nonnengart aus der HorstWessel- Straße in Landsweiler in der Nähe der Sinnerthaler Mühle von einer Horde separatistischer Wegelagerer überfallen, in der übelsten Weise mißhandelt und schließlich als tot liegen gelassen. Es handelt sich um einen wohlorganisierten Mordanschlag separatistischer Mordbuben, entmenschter Elemente, die unter Führung emigrierter Bombenattentäter und Meuchel mörder nunmehr unter dem Namen Schwarze Garde" als Stoßtruppe gegen die disziplinierte Front der Deutschen an der Saar eingesetzt werden soll.
An demselben Tage schon weiß das kommunistische Blatt, die„ Arbeiter- Zeitung ", zu schreiben:
So lügt und hetzt die Faschistenbande
Das„ Saarbrücker Abendblatt" meldet unter der Ueberschrift Roter Terror wütet", daß der Kommunist Paul Türk einen gewissen Eduard Non negart überfallen und mißhandelt habe. Diesen Ueberfall" malt das Schmierblatt in allen Farben aus. Wahrheit ist, daß der ,, überfallene" Nonnegart von einigen seiner Zechbrüder niedergeschlagen wurde. Nonnegart gehört weder der Deutschen Front noch sonst einer politischen Richtung an. Er ist als ein Säufer bekannt. Genosse Türk kam zufällig des Weges und sah, wie der Verletzte am Boden lag und stöhnte. Ohne zu wissen, um wen es sich handelt, nahm Türk ihn auf, stützte ihn und brachte ihn unter großen Mühen in die Wirtschaft „ Pfälzer Hof", wo er auch noch dafür sorgte, daß ein Arzt geholt wurde. Aus dieser Hilfe unseres Genossen, den er einem vollkommen Fremden zuteil werden ließ, macht das Deutsch- Front- Blatt einen kommunistische it Ueberfall" unter der Ueberschrift„ Der rote Terror wütet".
Die Urheber solcher Mordheße sollen sich nicht wundern. wenn der Volkszorn der Massen an der Saar sich in einer Form äußert, bei dem es angebracht wäre, von einem„ Wüten" zu reden.
In derselben Nummer bringt die kommunistische Zeitung ein Bild des auf seinem Krankenlager ruhenden kommu nistischen Abgeordneten Sommer, der dieser Tage von Nazis furchtbar mißhandelt worden ist: So haben die braunen Bestien den Genossen Sommer zugerichtet."
Man sieht, daß eine wundervolle Ruhe an der Saar herrscht. Gleichzeitig meldet das Deutsche Nachrichtenbüro: Stabschef Luße hat folgende Verfügung erlassen: SA. - Gruppenführer Gauleiter Joseph Bürckel wird dem Stabe der Obersten SA. - Führung zugeteilt. Er ist beauftragt, die Bildung der SA. des Saargebietes nach erfolgter Rückgliederung zu übernehmen sowie die Untersuchung über alle Vorwürfe angeblicher Verstöße gegen das Verbot der Bildung von SA- Formationen durchzuführen.
Der Chef des Stabes: gez. use.
Das bedeutet eine offene Verhöhnung der Regierungskommission und des Völkerbundes, ist eine freche Provofation, denn eben erst hat die Regierungskommission über reiches Material über die getarnte SA. im Saargebiet in Genf überreicht. Es besteht natürlich kein Grund, schon jetzt einen Führer der SA. des Saargebietes für den noch ganz unwahrscheinlichen Fall der Rückgliederung zu ernennen, wenn nicht schon die SA. im Saargebiet be= steht. Daß ste als ein ständiger Unruhefaktor existiert, fann niemand bezweifeln.
Havas meldet:
Die Regierungsfommission ist im Begriffe, die jaarländische Polizei zu verstärken. In diesen Tagen werden 100 Beamte, in den nächsten Tagen weitere 100 und kurze Zeit darauf weitere 100, insgesamt also 300 Beamte saarländischer Herkunft neu eingestellt werden. Es handelt sich um den Be
Gegen ihre Einmischung in den Saarkampf
Die gleichgeschaltete Presse des Saargebietes läßt sich aus Genf melden:
Gleichzeitig mit der französischen Denkschrift ist im Völkerbundssekretariat ein Schreiben der Abstimmungskommission des Saargebietes eingetroffen, das gegen ein Telegramm der Kundgebung der kaholischen Saarjugend vom 29. Juli an den verstorbenen Reichspräsidenten von Hindenburg protestiert. Das Telegramm hatte lediglich dem franken Reichspräsidenten einen Gruß der katholischen Jugend und der Bischöfe von Trier und Speyer übermittelt. Die Abstimmungskommission will darin einen Beweis für den nicht konfessionellen, sondern politischen Charakter der Kundgebung und für eine unbefugte politische Einflußnahme der deutschen Bischöfe auf den Abstimmungskampf sehen. Sie verlangt vom Völkerbundsrat, daß er Sorge dafür trage, daß die Garantien, welche die deutsche und fran zösische Regierung für die Vorbereitung der Abstimmung übernommen hätten, auch von anderen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens eingehalten werden.
,, Deutsche Freiheit"
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