Fretheil

Nr. 223 2. Jahrgang

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

Saarbrücken, Mittwoch, 26. September 1934 Chefredakteur: M. Braun

Kommt Ludendorff

nach Saarbrücken ?

Seite 3

Oscar von Hindenburgs Abschied

Von der Tannenberg- Legende zur Josephs- Legende

Gemeinnutz vor Eigennutz

Berlin , 24, September.

Unter den zahlreichen höheren Offizieren, die im Laufe dieses Monats aus dem Heeresdienste ausscheiden, befindet fich auch der Sohn des Reichspräsidenten von Hindenburg und dessen erster Adjutant Oberst Oskar von Hindenburg , der mit dem Charakter eines Generalmajors entlassen wird, so daß ihm die im neuen Deutschland wichtige Anrede Herr General" zusteht. Die Entlassung Oskar von Hindenburgs, die angeblich auf seinen eigenen Antrag erfolgt ist, wird in der Oeffentlichkeit lebhafter besprochen als das Ausscheiden anderer Reichswehrgenerale, obwohl ihr militärisch und poli tisch eine wesentlich geringere Bedeutung zukommt. Mili­tärisch war er stets ohne besonderen Ehrgeiz und ohne jede Begabung. Seine politische Rolle, die sich stets nur hinter den Kulissen abspielte, war mit dem Tode seines Vaters und seiner Trennung von dem Staatssekretär Dr. Meißner zu Ende. Nicht einmal mehr gemeinsame Börsengeschäfte konnten ihn noch mit dem Staatssekretär der Reichspräsidentschaft vers binden, denn Herr Dr. Meißner ist ein vorsichtiger Mann. Er steht immer dem jeweils regierenden Herrn sehr nahe und den scheidenden Männern sehr fern.

Osfar von Hindenburg ist ein wohlbesorgter Herr. Nicht nur wegen des lukrativen Börsenspiels, dessen erfolgreiches Betreiben ihm auf Grund der Informationen aus erster Hand jahrelang möglich war, sondern vor allem durch die großen schuldenfreien Ländereien, die ihm durch deutsche In­dustriefapitalisten und durch den preußischen Staat zu­gewendet worden sind. Es ist da eine sogenannte Dankesschuld abgetragen worden. Streng, wahrheitsgemäß ausgedrückt ist die Geschichte so: Oskar von Hindenburg erhielt großen und wertvollen Grundbesitz für einen Sieg, den sein Vater- nicht erfochten hat. Denn daß der Generaloberst Paul von Hinden­ burg Sieger der Schlacht von Tannenberg gewesen wäre, ist ja nur eine fromme nationale Legende, die von der objektiven Geschichtsforschung nie bestätigt werden wird. Paul von Hindenburg , der alles andere als ein ruhmrediger Lügner war, hat übrigens diese Legende nicht selbst erzeugt. Seine Erzählung lautet: Am 22. August saß ich nichtsahnend in Hannover beim Tee, am 23. faufte ich mit meiner Frau Woll­sachen ein, am Abend saß ich im Sonderzug nach Osten und beriet mich mit Ludendorff, was zu tun sei, und am 26. schlug ich Tannenberg in langen Hosen und Litewka." Wichtiger als seine Memoiren, die übrigens nicht von ihm, sondern von dem Präsidenten des Reichsarchivs, General von Merz, unter außenpolitischer Nachhilfe des deutsch­nationalen Geschichtsprofessors Otto Soebich verfaßt wurden, sind die militärischen Rechenschaftsberichte des Gene­ralmajors Hoffmann, der die Schlacht als erster Generalstabs­offizier mitgemacht hat.

Er bezeugt, daß die strategische Idee weder von Hinden: burg noch von Ludendorff stammte. Als die beiden auf dem östlichen Kriegsschauplatz eintrafen, hatte General v. Pritt: witz die Operationen schon eingeleitet. Hindenburg blieb ganz passiv. Ludendorff gab einige sehr umstrittene taktische Befehle. Einer der Truppenführer General von Francois gab später das Urteil ab, die Schlacht bei Tannenberg sei nicht wegen, sondern gegen Ludendorff gewonnen worden. Von Hindenburg ganz zu schweigen.

Aber Paul von Hindenburg wurde der einzige Heerführer, für den sich der Sieg von Tannenberg ideell und materiell gelohnt hat. Die Legende trug ihn zum Reichspräsidenten empor. Er war jahrelang ein Staatsoberhaupt ohne Ar und Halm" und blieb so für die Ostelbier in allen Zoll- und Steuerfragen verdächtig. Da fam dem alten Kammerherrn von Oldenburg- Janusch au eine geniale Idee: man mußte den Präsidenten der verhaßten Republik zum obersten Großgrundbesitzer machen, indem man das seit vielen Jahr­zehnten in anderen Besitz übergegangene Hindenburgsche Familiengut Neudeck zurückkaufte und dem Alten zum Geschenk machte. Nicht etwa, daß der Junker einen Augenblick daran gedacht hätte, sich oder seine junferlichen Rastengenossen an den** nkosten zu beteiligen. Solche finanziellen Perversi­täten liegen diesen Herren fern.

Er interessierte den Generaldirektor von J. G. Farben, Duisberg, und dieser alarmierte die ganze deutsche Groß­industrie, und so kam die Kaufsumme und das Geschäft zu: stande: das Rittergut für die Familie Hindenburg und

Zölle und Subventionen für Großgrundbesitz und Groß­industrie.

Da war aber noch eine Schwierigkeit. In jahrzehntelangem durchgesetzt. Da der über achtzigjährige Reichspräsident vor. Kampfe hatten die Sozialdemokraten Erbschaftssteuer Hindenburg nicht ewig leben konnte, mußte nach menschlichem Ermessen in einigen Jahren der Zeitpunkt eintreten, wo das Deutsche Reich Erbschaftssteuer von den Nachkommen Hindenburg für das ihrem Vater geschenkte Rittergut zu forden hatte.

Man tam überein, das notleidende Vaterland um die Erbschaftssteuer zu prellen. Es wurde abgemacht, eine echte und rechte Steuerschiebung zu veranstalten. Die Familie Hindenburg gab sich dazu her, das Rittergut nicht Herrn Paul von Hindenburg schenken zu lassen, der wenigstens nach der Legende den Sieg von Tannenberg erfochten hatte, sondern seinem Sohn Oskar von Hindenburg , dem auch die tühuste Geschichtslegende außer seinen gelungenen Börsen: ipekulationen feine Verdienste nachrühmen konnte.

Nun war der Reichspräsident von Hindenburg Großgrund­besitzer und Nachbar der Herren von Oldenburo= Januschau, der Grafen& inkenstein, der Grafen Eulen­burg und des Herrn von der Osten Warniz. Nun war in Neudeck leichter ein vernünftiges Wort mit ihm zu reden als im Reichspräsidentenpalais in der Wilhelmstraße zu Berlin , wo schräg gegenüber der sozialdemokratische Ministerpräsident und Agrarbolschewist Otto Braun resi dierte, und wo andere radikale Bolschewisten", wie der Zentrumskanzler Dr. Brüning und General von Schleicher ein- und ausgingen. Jeder Versuch der Reichsregierung und der preußischen Landesregierung, die östlichen Großgrund­besitzer zu ihren wirtschaftlich und finanziellen Verpflich­tungen anzuhalten, war nun" Bolschewismus". Die Herren verständigten jeweils den durch sie mit einem Rittergut be= trauten Oskar von Hindenburg . Er und Staatssekretär Dr. Meißner machten dem alten Herrn die Notwendigkeit flar, sich fern von Berlin zu erholen und in Neudeck wurde dann der Reichspräsident gegen die Feinde des heiligen Eigentums der preußischen Junter scharf gemacht.

So wurde Dr. Brüning gestürzt, dem Hindenburg nach den Gastgesprächen in Neudeck den fürchterlichen Vorwurf machte: Sie sollen ja Agrarbolschewisten in Ihrem Kabinett haben."

So wurde der Reichskanzler General von Schleicher in die Wüste gejagt. Sein Agrarbolschewismus war besonders schenßlich, weil unter seiner Kanzlerschaft die Sozialdemo traten noch parlamentarische Redefreiheit hatten und so in der Lage waren, die riesenhaften, dem Deutschen Reiche viele Millionen fostenden Osthilfefubventionen aufzudecken, einen stinkenden Korruptionsskandal, in den auch nächste agrarische Freunde der regierenden Familie Hindenburg verstrickt waren.

So wurde Schleicher zur Strecke gebracht, und Hitler in die Kanzlerschaft geholt. Nun ist General von Schleicher für ewig stumm und es rundet sich das Bild, das der oberste Gerichts­herr, der seinen Vorgänger im Reichsfanzleramt durch die Schüsse seiner SS. erledigen ließ, durch ein Dank- und Glückwunschtelegramm Hindenburgs für diese Tat ausgezeichnet wurde. Daß der deutsche Staatsführer seine lügnerischen Behauptungen, Schleicher habe mit der französischen Regierung konspiriert, in aller Form und unter schmählichen Entschuldigungen am Quai d'Orsay zurück­nehmen mußte, hat das deutsche Volf nicht erfahren.

Oskar von Hindenburg mag politisch Gegner der National­sozialisten sein. Persönlich hat er ihm viel zu danken. Es ist fast in Vergessenheit geraten, daß im Jahre 1933 der preußische Ministerpräsident Göring ihm ein zweites Gut, nämlich die Tomäne Langenau , auf preußische Staatsfosten geschenkt hat; diesmal wurde die Schenkung fröhlich und fromm und ohne jeden Trick von Amts wegen gleich für alle 3eiten als steuerfrei erklärt.

Wirren in Spanien

( Von unserem Berichterstatter)

J. W. Madrid , 23. September 1984. Zufälle oder Verrat? fragt man sich unwillkürlich, wenn man die Erfolge überblickt, die die spanische Konterrevolution während der letzten Tage zu verzeichnen gehabt hat.

Da war zuerst der Riesenwassenfund in Asturien , der 112 000 Schuß Minition, Handgranaten, Revolver und Ma­schinengewehre zum Vorschein brachte. Der Großindustrielle Echevarrieta, einst der reichste Mann Spaniens und Freund Prietes, wurde verhaftet, weil man glaubte, ihm nachweisen zu können, die gefundenen Waffen, die von ihm stammten, an die Sozialisten verschoben zu haben. Bisher ist dieser Nach­weis jedoch nicht gelungen.

Der von der Regierung Samper für illegal erklärte Protestgeneralstreif gegen die Zusammenkunft der katala­nischen Großgrundbesitzer in Madrid zog die Schließung des Volkshauses und sämtlicher Arbeiterzentren nach sich. Haus­suchungen, die nach Pressemeldungen bei der Schließung ab­gehalten wurden, ergaben keinerlei Resultat. Am Tage der Oeffnung der Partei- und Gewerkschaftshäuser aber fanden sich plötzlich Bomben, Pulver, Revolver, Handgranaten, Gummifnüppel, chemische Flüssigkeiten zur Herstellung von Bomben und ähnliche friedliche Gegenstände im Volkshaus und anderen Arbeiterzentren.

Der Vizepräsident der Gewerkschaften, Wenceslac Carillo, Agapite Caricia Atadell, der zweite Sekretär des Gewerk­schaftsbundes und der Kassierer des Parteivorstandes, Pascual Thomas, die den Vorstand des Verwaltungsrates des Gewerkschaftshauses bilden, siten in Hast.

Etwa 10 Gewerkichaftsführer wurden verhaftet, nachdem sich in den Räumen ihrer Syndikate Waffen angefunden hatten. Im Hause Gabriel Moron's, des ehemaligen so­ zialistischen Bürgermeisters einer andalisischen Stadt und Abgeordneten des Verfassungsgebenden Parlaments, wurde ein Laboratorium zur Bombenherstellung und 60 Kilogramm Dynamit gefunden.

In der Universitätsstadt hielten Polizisten einen Last­wagen an, der Waffen, darunter einige Flammenwerfer, nach dem Stadion transportierte. Linksgerichtete Studenten wurden beim Umgraben der Erde, zur Anlage von Ver­stecken ertappt. Man verhaftete den Studenen Ordofiez, der ein Dokument bei sich trug, das einen vollständig ausge= arbeiteten Revolutionsplan darstellte. Danach sollte der revo­lutionäre Aufstand so vor sich gehen, daß zuerst sämtliche öffentlichen Gebäude besetzt, die Minister und der Staats­präsident sowie jeder Uniformierte, auch wenn er angeblich Sympathie für die Aufständischen zeigte, rücksichtslos nieder­gemacht werden sollten. Nach den Worten des Innen­ministers handelt es sich um einen troßkistischen Plan ver­bunden mit Gangstermethoden".

Das sind die Tatsachen.

Daß die spanische Arbeiterschaft mit allen Mitteln die Revolution vorbereitet, hat sie nie geleugnet. Im Gegenteil: Laut genug hat sie ihren revolutionären Willen verfündet. Daß also Waffen gefunden und infolgedessen Verhaftungen vorgenommen werden, ist nur allzu natürlich. Ein Punkt aber macht, stuzzig: Wie ist es möglich, daß plößlich ganze Serien von Waffenverstecken und Bomenwerkstätten ausgehoben werden können?! Sollte das wirklich nur auf Zufall be= ruhen? Greifen die Glieder einer Rette tatsächlich so in­einander, daß sich aus einem Waffenfund, aus einer Ver­Haftung, die nächsten ergeben? Wäre das der Fall, so kann man wohl mit Recht sagen: Eine so leichtsinnig organisierte revolutionäre Organ ation muß von vornherein zum Zu­sammenbruch verdammt sein.

Aber es scheint, daß nicht nur Zufall oder gar ungenügend durchgearbeitete Organisation die bestimmten Faktoren bil­den. Man ist eher versucht, an einen Verrat zu glauben, und diese ungewisse Annahme verstärkt sich, hört man Gerüchte, die verkünden, daß ein bis vor kurzem an führender Stelle tätiges Mitglied der sozialistischen Partei der Regierung die gesamten Pläne der revolutionären Organisierung in die Hände gespielt habe, angeblich um Blutvergießen zu ver­hindern". Dieser Verrat ist absolut möglich. Stellt sich die Wahrheit dieses Gerüchtes heraus, so hat sie so schmerzlich sich auch empfunden werden muß auch ihr Gutes: Noch ortfebung fiehe 2. Seite. fann eine Umorganisation der Kampfvorbereitungen ge­

Schiebungen zur Umgehung der Erbschaftssteuer waren nun nicht mehr nötig, denn inzwischen war die saubere Staatsführung des dritten Reichs" an die Stelle der for: rupten Republik getreten. Das zeigte sich auch darin, daß der Hauptmann Göring just in den Tagen der Guts­schenkung an die Familie Hindenburg zum General avancieren konnte.

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