Pentjake

Nr. 236 2. Jahrgang

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Fretheil

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands  

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Saarbrücken, Donnerstag, 11. Oktober 1934 Chefredakteur: M. Braun

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Der Saackommissar droht

Massenverhaftungen

Seite 3

von Sozialisten

Wie es zum Aufstand

Seite 4

in Spanien   kam

Blendweck Wintechilfe

Seite 7

Seite 8

Attentate gegen Europas   Frieden

1651

Die politischen Morde: Bukarest  - Warschau  - 30. Juni- Wien  - Marseille  

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Zufälle oder Hintergründe?

Paris  , 10. Oktober. Am Tage nach der Ermordung des österreichischen Bundeskanzlers Dr. Engelbert Dollfuß hat das Deuvre" an eine Geschichte erinnert, die man sich im vorigen November nach dem deutschen   Volksentscheid er= zählte, der den Austritt Deutschlands   aus dem Völkerbund bestätigte. Danach soll ein deutscher   Nationalsozialist von Rang im Laufe einer politischen Unterhaltung erklärt haben, daß durch sechs oder sieben politische Morde in Europa   tiefere Ergebnisse für die deutsche   Politit zu erreichen sind als durch alle Verhandlungen mit den Regierungsstellen oder im Böl= kerbund.

Im vorigen Jahre hat man diese Aeußerung gewiß nicht erust genommen, aber seitdem zieht sich eine breite blutige Spur von politischen Morden durch Europa  .

Im Januar wurde der rumänische Ministerpräsident Duca von Elementen ermordet, die das Land nach national­sozialistischen Grundsäßen regieren möchten.

Das nächste Opfer war der polnische Innenminister Pie= razfis, getötet von einer faschistischen Gruppe, die sich die Raffentheorie der Nationalsozialisten zu eigen gemacht hat. Daß das Attentat unmittelbar nach der Anwesenheit des Reichspropagandaministers Dr. Goebbels   in Warschau   er: folgte, war peinlich, aber wirklich nur ein Zufall.

Nach dem granenhaften blutigen Zwischenakt des 30. Juni im Jnnern Deutschlands   wurde Dollfuß   von National= sozialisten   in Wien   ermordet, und zwar unmittelbar vor seiner Reise nach Riccione  , die der Aussprache mit Mussolini  dienen sollte.

Es ist ein eigenartiges Zusammentreffen, das nun die Er: mordung des Königs Alexander ebenfalls unmittel­

bar vor wichtigen Verhandlungen erfolgt, deren Ergebnis Nutznießer des Attentats

nicht gerade im Interesse des deutschen   Faschismus liegen sollte. Noch eigenartiger ist der Zufall, daß auch der fran= zösische Außenminister Barthon 14 Tage vor seiner entschet: denden Reise nach Rom   von tödlichen Kugeln getroffen wurde. Diese Reise Barthons nach Rom   wurde seit Wochen in der faschistischen Presse Deutschlands   mit begreiflichem Mißtrauen

erörtert.

Der Mörder von Marseille   soll ein Kroate fein. Angesichts der Unterdrückung der kroatischen Minderheit in Jugo: slawien wäre deshalb das Attentat auf König Alexander mit den innerpolitischen Zuständen in Jugoslawien   zu erklären. Es bleibt aber die furchtbare Tatsache, daß außer dem König Alexander auch der Lenker der französischen   Außenpolitik un­mittelbar vor der Vollendung seiner sehr wichtigen Aufgaben erschossen wurde, dicht vor der Krönung der diplomatischen Triumphe, die er in den letzten Monaten für Frankreich   er= zielt hat. Man muß sich fragen, warum der Kroate, wenn er nur aus Fanatismus gegen König Alerander schoß, zu= gleich den französischen   Außenminister niederstreckte. Diese Frage ist um jo mehr berechtigt als der Attentäter sich nach dem Mord selbst das Leben nehmen wollte. Das wäre ihm zweifellos gelungen, wenn er sich auf die Tötung Alexanders beschränkt hätte. Es erhebt sich also die Frage: Warum die tödlichen Schüsse auch auf Barthou  ?

Wie Hitlers Presse hetzte

Jn Saarbrücken erscheint ein Abendblatt". Es nennt sich Organ der Deutschen Front" und ist als solches an­erkannt. Seine Aufgabe ist es, gegen politische Gegner die gemeine Sprache und die persönliche Heze zu führen, die andere Zeitungen der deutschen Front" aus Rücksichten auf das Inseratengeschäft und die kultivierteren Teile ihrer Leserschaft vermeiden müssen.

Dieses Abendblatt" beschäftigt sich seit Wochen immer wieder mit dem Außenminister Barthou  , dem es nicht verzeiht, daß er für die Abstimmungsfreiheit an der Saar  eintritt. Wie das Blatt hetzte, dafür nur eine Probe. Genau vierundzwanzig Stunden vor dem Attentat auf Barthou   druckte das Organ der Deutschen Front" folgende Gemeinheiten über den schon vom Tude um­schatteten französischen   Staatsmann ab:

Der Eindruck in Belgrad  

Man wird angesichts der Sänfung der Attentate in diesem Jahre und ihrer Zusammenhänge mit wichtigen internatio nalen Verhandlungen, deren Gruppierung flar ist, sehr nach den Hintergründen und den Hintermännern dieser furcht: baren, den Frieden Europas   gefährdenden Geschehnisse zu suchen haben.

Was den gefeierten Louis Barthou   angeht, so kann man jeden Tag von seinem alten Freunde Leon Daudet  hören, daß dieser" ustgreis"," nynphomane Sadist". berüchtigte Kunde der Pariser  Prostitution, der selbst in Genf   beim offiziellen Bankett seine Tischnachbarin mit obszönen Redensarten be­lästigt", nicht zum Repräsentanten Frankreichs   auf lange Frist mehr qualifiziert ist, sondern endlich in das Sana­torium" gesteckt werden soll, wohin gefährliche Narren", moralisch Irrsinnige" seiner Art( wir zitieren immer die Action Francaise) von Gottes und Rechts wegen gehören

Wir zifieren immer die Action Francaise."

Man merkt aber, mit welchem Behagen das Abend­ blatt  " die geistig und moralisch verwandte französische  Stimme wiedergab.

Der 11jährige Kronprinz als König- Regentschaftsrat Belgrad  , 10. Oft. Die Nachricht von der Ermordung des Königs Alexander traf in Belgrad   in den Abendstunden des Dienstags ein, wurde aber nicht veröffentlicht. Es sickerten aber Gerüchte durch und verbreiteten sich wie ein Lauffeuer durch die Stadt. Gleichzeitig wurden die Telefon- und Tele­grafenleitungen mit dem Auslande und der Provinz unter­brochen. Da niemand Genaues über den Anschlag wußte, entstand in der Bevölkerung Verwirrung. Alle Kinos unter­brachen ihre Vorstellungen, und alle Gaststätten wurden ge= schloffen. Die Straßen wurden sofort durch die gesamte Gendarmerie besetzt und die öffentlichen Gebäude durch starfe Posten gesichert. Da in den Straßen ein lebhafter Straßen­verfehr herrschte, kam es an einigen Stellen zu großen Stauungen. Schließlich eiketn die Menschen in unbestimmter Furcht so rasch wie möglich in ihre Wohnungen. Eine halbe Stunde später waren die Straßen fast menschenleer.

Die Beratungen des Ministerrats dauerten um 2 Uhr nachts noch an. Inzwischen war nichts Genaues festzustellen. Nur die Rundfunkhörer, die das Ausland erreichen konnten, konnten sich in den Abendstunden ein Bild machen. Der größte Teil der Hauptstädtischen Bevölkerung aber wußte nur, daß der König tot war. Von den übrigen Opfern des Anschlages war nicht einmal gerüchtweise die Rede. Als die Anschlages war nicht einmal gerüchtweise die Rede. Als die erste Verwirrung des Volkes gewichen war, brach große Empörung durch. Gegen die mutmaßlichen Urheber des An­schlages wurden Verwünschungen laut.

Der Ministerrat trat nach dem Eintreffen der ersten Nach­richten sofort zusammen, um die nötigen Beschlüsse zu fassen

Ueber die weitere Entwicklung ist bekannt, daß der Kron­prinz Peter, der im 11. Lebensjahre steht, am heutigen Mitt­woch zum König ausgerufen werden wird. Der Minister­rat arbeitet an einer entsprechenden Proklamation. Dem jungen König wird ein Regentschaftsrat zur Seite ge= stellt werden, dessen Mitglieder aber noch unbekannt sind.

Fortsetzung fehe 2. Seite,

Wieder einmal sind europäische Staatsmänner von einer Mörderkugel getroffen. Wieder einmal werden die geplagten europäischen   Völker von Entsetzen erfaßt, wieder einmal steigi das Gespenst von Serajewo über dem unruhigen Europa   auf.

König Alexander von Jugoslawien und der Lenker der Geschicke der französischen   Außenpolitik, Außenminister Barthou  , sind einem Attentat in Marseille   zum Opfer ge­fallen. Frankreich   hat mit einem Schlage einen hervor ragenden Staatsmann und einen treuen Bundesgenossen

verloren.

Außenminister Bauthou hat in der kurzen Zeit seiner Tätigkeit seine staatsmännischen Fähigkeiten offenbart. Als er das Erbe von Paul- Boncour   übernommen hatte, war die außenpolitische Lage Frankreichs   außen­politisch ungünstig. Frankreich   hatte durch seine zögernde und unentschlossene Politik sein Ansehen in Europa   ver­loren. Das sichtbarste Zeichen für den Verlust dieses Prestiges war die Durchbrechung des Ringes um Deutsch­ land   durch den Abschluß des berühmten Berliner   Proto­kolls zwischen dem dritten Reich" und Polen  . Barthou  begann sofort, eine aktive Außenpolitik zu betreiben. Seine Reisen nach Warschau  , Prag  , Belgrad   und Bukarest  haben zu einer Befestigung der Beziehungen zwischen Frankreich   und diesen Ländern geführt. Außerdem und das gehört vielleicht zu den wichtigsten Erfolgen seiner Politik war es ihm gelungen, England wieder für Frankreich   zu gewinnen und eine Zusicherung von eng lischer Seite zu bekommen, daß das britische   Reich im Falle ernster Komplikationen am Rhein   hinter Frank­ reich   stehen werde. Dann ist unter Barthou   die Annähe rung zwischen Sowjetrußland und Frankreich   erfolgt. Das enge Zusammengehen der beiden Länder offenbarte sich in der Aufnahme Sowjetrußlands in den Völkerbund und in der Ausarbeitung der Pläne für einen Ostpakt.

In den letzten Monaten bereitete Barthou   einen neuen Vorstoß vor. Die neuen Pläne sollten die Krönung seiner bisherigen Politik sein. Er wollte die bestehenden Gegen­sätze mit Italien   beseitigen und mit dem Duce ein Freund­schaftsabkommen abschließen. Die Schüsse vom 25. Juli begünstigten seine Absichten, denn das psychologische Mo­ment war gekommen, wo Mussolini   empört und entsetzt von dem Wortbruch Hitlers   sich vom dritten Reich" ab­wandte.

Wir haben in der Deutschen Freiheit" gerade in den letzten Tagen uns eingehend mit dem Problem der fran­zösisch- italienischen Annäherung beschäftigt. Wir haben die Rede Mussolinis auf dem Platze vor dem Mailänder Dom   eingehend kommentiert und zeigten dabei, welche Hindernisse die französische   und italienische Diplomatie zu überwinden hat, damit die geplante Allianz abgeschlossen werden könnte. Es hatte auch den Anschein, daß die Gegensätze, die zwischen Jtalien und Frankreich   unmittel­bar bestehen, einer Lösung entgegengingen. Wie wir aber in unserer gestrigen Ausgabe noch, anläßlich des bevor­stehenden Besuches des Königs Alexander von Jugo­flawien betonten, mußte noch die künftige Gestal tung der italienisch jugoslawischen Be­ziehungen geklärt werden, damit alle in Frage kommenden Reibungsflächen zwischen Frankreich   und Italien   beseitigt werden. Diese Reibungsflächen ergaben sich zwangsläufig aus der Tatsache, daß Jugoslawien  Bundesgenosse der französischen   Republik ist.

Ende Oktober sollte Außenminister Barthou   nach Rom  gehen, um mit Mussolini   das Abkommen endgültig vor­zubereiten. Vorher mußte er aber mit dem König Alexander, dem tatsächlichen Lenker der jugoslawischen Außenpolitik, eingehend die Möglichkeiten besprechen, und Bedingungen einer jugoslawisch- italienischen Verständi­gung besprechen. Barthou   wollte zwischen Mussolini   und Alexander die Rolle des ehrlichen Maklers spielen. Das sind die politischen Zusammenhänge des jugoslawischen Königsbesuches in Frankreich  .

Das ,, dritte Reich" hat die Entwicklung, die sich nach den Schüssen von Wien   ergab, mit größter Aufmerksamkeit perfolgt. Hitler und sein Neurath   haben eine recht starke