Völker in Sturmzeiten s

Völker in Sturmzeifen Nr. 62

Im Spiegel der Erinnerung- im Geiste des Sehers

Dienstag, 6. November 1934

Der Hitlerputsch

Von

Konrad Heiden

zuerst in der Villa des Verlegers Lehmann einquartiert. Graf Soden berichtete darüber in der Voruntersuchung des Hitler­

prozesses:

Die folgende Schilderung des Hitlerputsches von 1923 ist dem Buche Konrad Heiden aufgeregt zu mir ins Zimmer und bat mich, sofort in den ,, Geschichte des Nationalsozialismus. Die Karriere einer Idee" entnommen.

2. Fortsetzung

Pöhner war, als einer der wenigen Mitwisser von Hitlers Verschwörung und vorgesehener Diktator von Bayern , in­zwischen gleichfalls in das Zimmer gekommen und redete auf Kahr ein.

Der fand jetzt die Wendung und sagte eisig: ,, Gut, ich sehe, wir sind doch schließlich hier alle Monarchisten. Ich übernehme die Landesverweserschaft nur als Stellvertreter des Königs."

Finsterer Rütlischwur

Mit dem Namen seines Königs auf den Lippen ging der bayerische Diktator in den fiebernden Saal zurück. Er be­trat ihn mit starrer Miene die maskenhafte Unbeweglich­keit seines Gesichts ist vielen aufgefallen. Ludendorff war totenbleich: wie vom Tode gezeichnet, fand ihn ein Beob­achter: Als am Tage darauf," sagt dieser Beobachter, der Historiker Karl Alexander von Müller , die irrtümliche Nachricht kam, er sei getötet worden, sagte ich, genau so hat er gestern ausgesehen." Nur Hitler war fröhlich, nach Aus­sage des gleichen Zeugen, vergnügt wie ein Kindleuch­tend vor Freude, selig, daß es ihm gelungen war; es war ein kindlicher, offener Ausdruck von Freude, den ich nie ver­gessen werde". Er war der einzige Vergnügte von allen, und baute mit wenigen Griffen eine große historische Szene auf. Alle mußten reden, alle mußten sich die Hände schüt­teln. Er selbst sagte:

,, Ich will jetzt erfüllen, was ich mir heute vor fünf Jahren als blinder Krüppel im Lazarett gelobte: nicht zu ruhen und zu rasten, bis die Novemberverbrecher zu Boden geworfen sind, bis auf den Trümmern des heutigen jammervollen Deutschland wieder auferstanden sein wird ein Deutschland der Macht und der Größe, der Freiheit und der Herrlichkeit. Amen!"

Kein Instinkt warnte das fröhliche Kind in diesem Augen­blick. Herrlichkeit und Amen! Er hörte die Zweideutigkeit in Kahrs Stimme nicht: ,, In des Vaterlandes schwerster Not übernehme ich die Leitung der Geschicke Bayerns als Statt­halter der Monarchie. die vor fünf Jahren von frevelnder Hand zerschlagen worden ist. Ich tue das schweren Herzens und, wie ich hoffe, zum Segen unserer bayerischen Heimat und unseres großen deutschen Vaterlandes."

Schweren Herzens tat der Diktator mit. Aber Kahrs Herz­beschwerden waren Hitler in diesem Augenblick ebenso gleichgültig wie Ludendorffs Grimm, der finster sprach: Ergriffen von der Größe des Augenblicks und überrascht stelle ich mich kraft eigenen Rechts der deutschen National­regierung zur Verfügung." Als ihn später der Staatsanwalt fragte, was., kraft eigenen Rechts" bedeute, antwortete der General: Die Versammlung konnte glauben, ich wäre ein physischer Gefolgsmann Hitlers . Ich wollte sagen: ich handle nicht auf den Befehl Hitlers , sondern aus eigener Kraft."

Dann sprach Pöhner. Lossow tat es erst, als Hitler ihn aufforderte, und den Polizeiobersten von Seißer mußte er sogar durch einen Stoß ins Kreuz nach vorn befördern. Beide gaben ziemlich nichtssagende Erklärungen ab. Kahr dagegen rang mit sich und scheint sich zeitweise nicht klar gewesen zu sein, ob er nun wirklich Komödie oder Welt­geschichte spiele. Hitler ergriff der Reihe nach ihn und die andern Männer bei den Händen und schüttelte sie jedesmal lauge und eindringlich; dabei sah er ihnen starr in die Augen; verschiedene Zeugen berichten von Tränen. Nur Lossow behielt sein..spöttisches Fuchslächeln".

Die Bedeutung, die die Szene im Plane Hitlers hatte, hat der schon erwähnte Professor von Müller gut erfaßt: Ich sagte mehreren Herren in meiner Umgebung: wenn jetzt ein französisches Ultimatum kommt, wenn die Mainlinie besetzt wird, wenn die ersten Bedrückungen einer überlegenen Ge­walt auftreten, wie werden sich dann die Leute, die jetzt jubeln, benehmen? Aber wenn diese Herren morgen zur Mitarbeit aufrufen. bleibt nichts anderes übrig, als mitzu­tun, auch wenn man die Sache für verhängnisvoll und un­berechenbar hält."

Wenn die Herren" aufrufen, dann tritt der Bürger, auch gegen die Stimme des eigenen Gewissens, auf den Boden der Tatsachen. Aber die Herren selbst? Wie benehmen Herren sich in einer revolutionären Situation? Noch in der­selben Nacht telefonierte der Polizeioberst von Seißer mit seiner Frau und sagte ergrimmt: Mich haben sie zum Reichspolizeiminister gemacht. Eine Verrücktheit so etwas gibts doch gar nicht!"

Das Ehrenwort

Und nun muß Hitler noch eine peinliche Szene über sich ergehen lassen die dritte dieser Art an diesem einen Abend. Unter den dreitausend Gästen ist auch der Innen­minister Dr. Schweyer. Der tritt auf Hitler zu und spricht aber das lassen wir ihn besser mit seinen eigenen Worten sagen, so wie er sie als Zeuge vor dem Staatsanwalt ge­sprochen hat: der Untersuchungsausschuß des bayerischen Landtags hat im April 1928 diese Aussage aus den Akten ans Licht gezogen. Schweyer berichtet:

..Mich würdigte Hitler keinés Blickes. Ich trat daraufhin auf ihn zu, klopfte ihm mit meinem Finger auf die Brust und sagte in nachdruck samem Ton: Jetzt will ich Ihnen aber etwas sagen, Herr Hitler . Erinnern Sie sich noch, was Sie im Sommer vorigen Jahres in meinem Büro aus freien Stücken erklärt haben? Wissen Sie es noch?" Darauf geriet Hitler in eine gewisse Verlegenheit, ohne eine Antwort zu geben. Ich hatte nämlich im Sommer vorigen Jahres( 1923) in meinem Geschäftszimmer eine Unterredung mit Hitler . Ich wies dabei auf das Gefahrvolle seines demagogischen Auftretens hin und gab ihm zu vern: daß, wenn er so weitermache, die ganze Bewegung eines Tages zur Explosion

treiben müsse. Darauf sprang Hitler von seinem Sitz auf, schlug mit seiner rechten Hand an seine Brust und sprach in erregtem Tone: Herr Minister, ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, ich werde nie in meinem Leben einen Putsch machen!"

Die große Freigebigkeit mit seinen Ehrenwörtern erklärt vielleicht den geringen Nachdruck, den er darauf legte, sie zu halten. Geringschätzig fügte Schweyer hinzu, er habe den Ehrenwörtern Hitlers keine Bedeutung beigelegt, weil ,, man bei der Handhabung der Polizei ehrenwörtliche Versiche­rungen weder abzugeben noch entgegenzunehmen hat". Und nicht nur bei der Polizei, wird man hinzusetzen, sondern bei jeder Politik. Ein Politiker, der sich durch Ehrenwörter bluffen läßt, handelt ebenso gewissenlos wie derjenige, der mit ihnen blufft. Das Ganze aber ist tief sinnbildlich. Hitler

bedeutet in jeder Form den Untergang dieser verwehenden Schicht von Reserveoffizieren und Korpsstudenten. Er stellt, der Halbprolet, durch seinen Aufstieg ihre gesellschaftliche Hierarchie auf den Kopf, zerstört die Sicherheit ihres Eigen­tums und macht ihre Ehrenwörter lächerlich, indem er sie rücksichtslos als Mittel benutzte, um seinen Prozeß gegen die bürgerliche Gesellschaft zu gewinnen.

Aber diesmal fand er Gegenspieler, die auf Wortbruch mit Wortbruch antworteten und das Spiel gewannen.

Kurz nach der großen Einigungsszene im Saal kam Nach­richt, daß in einer Kaserne die Reichswehrsoldaten eine Abteilung des Bundes Oberland entwaffneten. Also war es nicht wahr, daß die Soldaten Hitlers und die Soldaten Lossows sich verbrüdert hätten; also war es nicht wahr, daß die Kasernen und die sonstigen militärischen Gebäude unter dem Schein der Verbrüderung" von Hitlers Leuten bereits erobert seien; also war es auch nicht wahr, daß Reichswehr und Landespolizei bereits unter den Hakenkreuzfahnen heranrückten. Nein, es war nicht wahr, es war aber auch Keine Lüge; es war einfach eine Selbsttäuschung. Die mangel­hafte Vorbereitung des Putsches, das Fallenlassen des ur­sprünglichen Planes, das Improvisieren rächten sich jetzt. Hitler hatte in der Stadt nur ein paar hundert Mann zur Verfügung, wenn auch vom Lande Hilfstruppen heran­rückten, kein einziger militärisch wichtiger Punkt war bis jetzt in seiner Hand; er hatte eine zweideutige Zusage Lossows und sonst nichts. Zu weit klafften Hitlers und Scheubner- Richters politische Hast und Kriebels militärische Vorbereitungen auseinander.

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Hitler fuhr zur Kaserne hinaus, um Ordnung zu stiften. Er glaubte, bei seiner Rückkehr Ludendorff zusammen mit Lossow im eifrigen Kriegsrat für den Marsch auf Berlin vor­zufinden dies schien ihm eine Selbstverständlichkeit. Aber mit der gleichen Selbstverständlichkeit sagten Lossow, Kahr und Seiẞer, sobald Hitler draußen war, zu Ludendorff adien, und für diesen war es wiederum eine Selbstverständ­lichkeit, die Herren gehen zu lassen, wenn sie glaubten, daß ihre Anwesenheit anderswo notwendiger sei. Als Scheubner­Richter einen bescheidenen Einwand wagte, fuhr der General ihn an: er verbitte sich jeden Zweifel am Ehrenwort eines deutschen Offiziers.

Hitler kam zurück und fand die Vögel ausgeflogen. Ge­brochen sank er auf einen Stuhl. Stumme Szene zwischen ihm und Ludendorff. Der Feldherr des Weltkrieges war in der Tat der einzige, der die Ehrenwörter dieses Abends ernst nahm. Hitler hat später immer und immer wieder erklärt, es sei ihm ganz unfaßbar gewesen, daß deutsche Offiziere ihr Ehrenwort brechen könnten. In Wirklichkeit war es ihm durchaus faẞbar, er hatte seine Maßnahmen entsprechend getroffen, seine Schuld war es nicht. Ich habe zu Herrn von Kahr," rief er vor Gericht,..noch gesagt: Exzellenz, ich werde treu hinter Ihnen stehen wie ein Hund!" Wenn auch seine Ausdrucksweise im Ueberschwang rasch etwas Serviles bekam, so war die Sache doch der reine Hohn; denn grade Kahr war durch Hitlers Aemterverteilung zu einem Landes­verweser ohne Einfluß, zu einem reinen Dekorationsstück. einer Puppe in der Hand Pöhners herabgedrückt worden. Dieser Puppe versprach er Treue und schäumte später, weil Kahr lieber ein echter Machthaber, als eine treue Puppe sein wollte.

Heß verhaftet

Indessen hatte Rudolf Hef rs Ber. dafür ge­sorgt, daß man wenigstens ein paar lebendige Pfänder in der Hand behielt. Er ordnete an, daß vier bayerische Minister, die sich im Saal befanden, festgenommen wurden, an ihrer Spitze der Ministerpräsident von Knilling. Unter den vieren war auch der Justizminister Gürtner. Derselbe Gürtner, der schon bisher Hitlers Strafprozesse so hilfreich hinausgezögert hatte: derselbe Gürtner, der ein Jahr später Hitler vorzeitig in Freiheit setzen wird; derselbe Gürtner, der elf Jahre später als Reichsjustizminister dem Reichskanzler Hitler be­scheinigen wird, die Taten des 30. Juni seien., rechtens" dieser selbe Gürtner wird heute, am 8. November 1923, von Heß erbarmungslos in Arrest gesteckt und offenbar für einen düsteren Zweck aufgespart.

Ein merkwürdiger Fang war Graf Soden, der Kabinetts­chef des Prinzen Rupprecht, dessen hochseligen Vater Hitler doch rächen wollte. Graf Soden war es, der eine Annäherung Hitlers an den Prinzen hatte verhindern helfen. Ihr seid mir ja schöne Monarchisten!" rief der erzürnte Graf bei seiner Festnahme.

Denkwürdig bleibt es, wie Heß seine Häftlinge behandelt hat. Er wagte es war bereits nach der Niederschlagung des Putsches zwar nicht, sie selbst an Leib und Leben anzugreifen, aber er versetzte sie systematisch in Todesangst. drückte sich dann heimlich und überließ sie dem Gutdünken eines führer und züla SA. Haufens Darüber besigen wit mehrere Zeugnisse. Die Gefangenen wurden von Hel

,, Kurz nach dem Mittagessen kam Leutnant Heẞ etwas zweiten Stock zu Exzellenz von Knilling hinaufzugehen; er wolle lieber das Parterre räumen. Der Grund zu dieser Maßnahme war, daß im Erdgeschoß ein Maschinengewehr in Stellung gebracht wurde. Ungemütlich wurde die Situation etwa um drei Uhr. Lehmann kam mit allen Anzeichen der Bestürzung und sagte, er könne für nichts mehr garan­tieren; infolge schlechter Nachrichten aus der Stadt seien die Leute in der Wache so erregt, daß sie Rache fordern und eventuell an uns üben wollten. Ich fragte sogleich: ,, Was ist denn mit Leutnant Heß?" Lehmann gab zunächst aus­weichende Antworten, bis schließlich herauskam, daß Heß sich empfohlen hatte. Also die Wache von 24 Mann ohne Offizier. Gesichter und Gestalten genau wie in der Revolu­tion 1919, nur statt der roten Armbinde die Hakenkreuz­binde, das war nicht mehr angenehm."

Als Heß sich empfahl", war das die Einleitung zu einem zweiten, noch übleren Streich. Er schleppte nämlich die beiden verhafteten Minister Schweyer und Wutelhofer in Auto mit sich ins Hochgebirge; vielleicht wollte er ursprüng­lich die beiden über die nahe österreichische Grenze in das stark hakenkreuzlerische Tirol schaffen, vielleicht wollte er auch etwas anderes. Schweyer berichtet in der Vorunter­suchung über die Fahrt:

,, Nun ging es bergauf, bergab, wiederholt durch Wald, und was das Unheimlichste an der ganzen Fahrt war, war der Umstand, daß wir etwa drei- bis viermal im Wald hiel­ten, daß die Leute ausstiegen und längere Zeit im Wald herumsuchten. Es waren qualvolle Augenblicke, wir beide standen unter dem festen Eindruck, daß die Kerls etwas Uebles mit uns vor hatten."

Man muß sich das vorstellen: in München marschieren dreitausend, in München ruft der Führer den Gegnern zu: ..Ergebt Euch!", in München entscheiden ein paar verfehlte Sekunden und ein paar versagende Nerven über das Schick­sal der Bewegung, in München liegen sechzehn Tote auf dem Pflaster unterdessen rast Rudolf Heß fernab im No­vemberdunst durch das bayrische Gebirge, im Wagen hinter sich zwei Gefangene Minister, ungewiß, ob sie zu Opfern einer Kugel oder nur eines grausamen Scherzes bestimmt sind. Er läßt halten, untersucht eine Waldblöße, ob sie zur Richtstätte geeignet ist, fährt wieder weiter, hält abermals, sucht einen neuen Hinrichtungsplatz und nehmen wir an, er treibt nur ein Spiel- treibt sein Spiel mit den gequälten Nerven zweier zermürbter Menschen. Spielt Katz und Maus mit seinen Opfern, während in München die Bewegung zu­sammenbricht. Vor Gericht hat er dann erklärt, es täte ihm nur Leid, daß man die beiden Minister nicht noch länger auf diese Art festgehalten habe. Leider habe man sie in seiner Abwesenheit freigelassen.

Denn merkwürdig auch diesmal verschwand Heß plötzlich, ließ seine Aufgabe im Stich und überlieferte seine Gefangenen dem Gutdünken der Begleitmannschaft. Hören wir Schweyer:

..Der Oberleutnant( Heß) kam nun überhaupt nicht mehr. Nun trat eine auffällige Wendung ein. Unsere Nervenkraft drohte uns zu verlassen. Dies scheint der eine der beiden Begleiter bemerkt zu haben. Er hieß, wie sich später heraus­stellte, Niederreiter, und machte einen bedeutend günstigeren Eindruck als sein neben ihm sitzender Kamerad, der voll­ständig interessenlos vor uns saß und auf nichts reagierte. Niederreiter benützte einen Augenblick, in dem sein Ge­führte das Auto verlassen hatte, dazu, um sich mit mir zu verständigen. Er packte mich mit seiner rechten Hand an meinem Fuße und sprach zu mir leise, damit sein Gefährte, vor dem er anscheinend selbst Angst hatte, es nicht hörte: ..Herr Minister, seien Sie beruhigt, es geschieht Ihnen nichts. ich garantiere Ihnen dafür. Seien Sie aber still, in zwei Tagen werden Sie wieder in München sein!" Nun bestieg der zweite Gefährte das Auto, und wir fuhren weiter ohne den Oberleutnant... Als wir Unterhaching passierten, stellte Niederreiter an mich die verblüffende Frage: Wo dürfen wir die Herren hinfahren?"

So höflich benehmen sich SA.- Leute gegen ihre Opfer wenn sie selbst geschlagen sind und um den eigenen Hals zittern. Die Minister kamen schließlich ohne jede Begleit­mannschaft wieder zu Hause an, und Schweyer schließt seinen Bericht: Unter allen Umständen ist dieses Unter­nehmen, das meines Erachtens zu Lasten des Oberleutnants Heß fällt insofern eine Gemeinheit, als es geradezu in sadistischer Weise darauf angelegt war, uns stundenlang in peinlichste Todesangst zu versetzen."

Der gleichen Meinung war auch der Münchener Staats­anwalt. Er stellte in dem späteren Gerichtsverfahren gegen Heß fest, daß die Hochverratsbehilfehandlungen des Heß durch die Verschleppung der beiden Minister Schweyer und Wutlhofer tatsächlich mit einer gemeinen Tat belastet waren". Das bayrische Oberste Landesgericht hat daher auch Heß, im Gegensatz zu den meisten seiner Mitangeklagten, keine Bewährungsfrist zugebilligt.

Galgen und Geiseln

In dieser trügerischen Siegesnacht arbeiteten Pöhner und Frick eine Bekanntmachung aus, die am folgenden Morgen an den Wänden klebte. Sie lautete:

..Zur Aburteilung derjenigen Verbrechen, die den Bestand des Volkes und des Staates zu gefährden geeignet sind, wird hiermit ein Nationaltribunal als Oberster Gerichtshof ge­bildet. Die Rechtssprechung dieses Tribunals erstreckt sich auf schuldig oder nichtschuldig. Nichtschuldig gibt Frei­sprechung, schuldig den Tot. Die Urteile werden binnen drei Stunden nach ihrer Aussprechung vollzogen."

Ein anderer Erlaß erklärte die ,, führenden Schufte" des 9. November 1918 für vogelfrei und nannte es die Pflicht jedes Deutschen , Ebert, Scheidemann , Oskar Cohn , Paul Levi , Theodor Wolff , Georg Bernhard und ihre Helfer und Helfershelfer tot oder lebendig in die Hände der nationalen Regierung zu liefern. ( Fortsetzung folgt.)