SAAR BEILAGE
JANUAR
Die Regierungskommission schlägt zu
Eine amtliche Erklärung deckt die verbrecherischen Machenschaften der ,, deutschen Front" auf Anzeige an den Generalstaatsanwalt gegen Pirro, Röchling , Kiefer, Levacher und Schmelzer, die Führer der ,, deutschen Front"
Die Regierungskommission gibt folgende Erflärung an oie gleichgeschaltete Presse:
Die Regierungsfommission sieht sich veranlaßt, einstmeilen folgende Feststellungen zu den einzelnen Angaben der in Ihrer Zeitung veröffentlichten Eingabe der Deutschen Front vom 13. November 1934 an den Hohen Völkerbundsrat zu treffen:
1.
Es ist unwahr, daß Beamte der Regierungsfommission das beschlagnahmte Aftenmaterial der Deutschen Front unter Bruch des Amtsgeheimnisses und unter Verlegung der ihnen auferlegten Neutralitätspflicht dritten Personen, insbesondere Pressevertretern, zugänglich gemacht haben sollen. Alle diesbezüglichen Behauptungen, die sich auf die Beamten Direktor Heimburger, Rizzel, Lehnert und Lauriolle beziehen, sind falsch.
Die Grundlage dieser Behauptungen in der Eingabe der Deutschen Front ist eine„ eidliche Vernehmung" einer früheren Stenotypistin der Direktion des Innern, Maria Carsenius. Diese Garsenius wurde am 14. September 1934 mit Wirkung vom 1. Oftober 1934 unter dem Verdacht der Verlegung des Amtsgeheimnisses entlassen. Gegen Maria Carsenius, die in der Zwischenzeit ihren Wohnsitz nach Neustadt ( Haardt) verlegt hat, wurde auf Grund der§§ 92a und 92e St. G. B. in der Fassung der Verordnung vom 28. November 1933 betreffend Ergänzung und Abänderung des Strafgesetzbuches und des Gerichtsverfassungsgeseßes bei dem Generalstaatsanwalt Strafanzeige erstattet.
Gegen die gleiche Garsenius und gegen die Unterzeichner der in den Tageszeitungen veröffentlichten Eingabe der Deutschen Front vom 13. Nov. 1934 wurde außerdem bei dem Obersten Abstimmungsgericht Strafantrag wegen Be leidigung, Berleumdung und übler Nachrede gestellt.
2.
Die Untersuchung hat ergeben, daß es nicht zutrifft, daß in einer der zuständigen Behörde nicht bekannten Weise der General- Anzeiger " bzw. dessen Geschäftsführer Mar Walk mit Schußwaffen versorgt worden sei. Waltz hat für drei Geschäftsstellen des„ General- Anzeigers" drei Revolver, Kaliber 7,65 Millimeter, bei der Firma A. Duroch in For bach gefauft und sie am Tage des Ankaufes, am 30. Oftober 1984, unter Angabe der Nummer ordnungsgemäß bei der Polizei angemeldet. Der Vertreter der Firma. Duroch in Forbach , deren Schreiben vom 1. November 1934 überhaupt nicht in den Besitz des„ General- Anzeigers" bzw. des Mar Waltz gelangt ist, erklärt an Eidesstatt, daß er sein Schreiben nur um deswillen abgesandt habe, weil er der Auffassung gewesen sei, der„ General- Anzeiger " benötige für weitere Geschäftsstellen weitere Selbstschutzwaffen und weil er durch die erwartete Gesetzgebung eine Einengung des Waffenhandels angenommen habe.
Wegen der Entwendung des von der Deutschen Front zur fotografischen Veröffentlichung gebrachten Briefes wurde Strafanzeige erstattet.
3.
Die Angaben in der angeblichen eidesstattlichen Erflärung eines Arno Reichsenring werden von der zuständigen Landeskriminalpolizei als unwahr bezeichnet. Beamte der Landeskriminalpolizei 1 haben noch am 2. November 1934 auf Grund eingegangener Anzeigen eine überraschende Durchsuchung des Lagers Von der Hendt vorgenommen, vorüber berichtet wurde:
Die Durchsuchung verlief vollkommen negativ: Gs murden weder Waffen vorgefunden, noch der geringste Beweis dafür entdeckt, daß die Insassen des Laders Waffen in Besitz haben oder gehabt hätten."
Am 14. Januar auf jeden Fall Status quo
Genf, 15. Nov. Der Präsident der Regierungskommission, Knor, hat, wie wir hören, im Zusammenhang mit der berüchtigten Denfschrift der Röchling , Karcher und Konsorten ein Schreiben an den Völkerbund gerichtet. Bekanntlich ist im Saargebiet eine schwierige wirtschaftliche Lage dadurch ent standen, daß einerseits das dritten Reich" für die saarlän dischen Warenlieferungen nicht zahlt, und daß andererseits durch die systematischen terroristischen Erklärungen der braunen Front, das Saargebiet werde am 14. Januar unter deutsche Oberhoheit kommen, die ausländischen Warenlieferanten nach dem Saargebiet nicht mehr auf Kredit liefern. Um diesem unerträglichen Zustand, hervorgerufen durch den Bankrott des dritten Reichs" und durch die skrupellose Agitation der deutschen Front" ein Ende zu machen, unterbreitet Herr Knor dem Völkerbundsrat folgenden Vorschlag:
Hitler an der Saar verboten? Zur Forderung
eines Organs der ,, deutschen Front"
Die Abstimmungskommission ist um die Erziehung der Zeitungen und der Versammlungsredner an der Saar bemüht. In einem schon am Dienstag dieser Woche von uns veröffentlichten Aufruf hat sie mit Maßnahmen gedroht, wenn die Schimpferei nicht aufhöre. Es mag Zufall sein, aber die von ihr ausgewählten Kraftworte stammten sämtlich aus Reden und Aufrufen des Landesleiters der„ deutschen Front", des Herrn Pirro.
Einen ersten Erfolg hat die Abstimmungskommission schon erzielt. Die gleichgeschaltete„ Saarbrüder Zeitung"( Nr. 305) gesteht plößlich zu, daß es auch anständige Emigranten gibt.
Wir denken gar nicht daran, alle Emigranten im Saargebiet mit den kriminellen Elementen gleichzu stellen, die uns ebenfalls mit ihrem Besuch beehrt haben. Und über die letzteren urteilen wir schon deshalb nicht, meil wir nicht zu entscheiden haben, was in ihrem Leben Schuld und was Schicksal war.
Das ist geradezu vernünftig. Wir stellen es fest und warten ab, ob diese schöne Einsicht eine Zeitlang anhält.
Die„ Saarbrüder Zeitung" ist so bußfertig, daß ihr die Abstimmungskommission noch nicht weit genug geht. Darum wiederholt das Blatt einen angeblich schon einmal im März von ihm gemachten Vorschlag:
Machen Sie allen Parteien in unerbittlich unparteiischer, wahrhaft neutraler Weise zur Pflicht, jeden Angriff auf die Gegenpartei und die sie vertretenden Personen zu unterlaffen! Jede Abstimmungspartei soll in Zukunft nur positiv, unter ausdrücklichem Verbot jeder Polemik, für ihre eigenen Ziele werben dürfen... Berbieten Sic alles, was die Gegenpartei erregen und verlegen fann: die Angriffe auf Personen und Institutionen der dentschen Reichsregierung, auf die Sowjets, auf Marristen und Emigranten, auf Frankreich , auf die Autonomisten! Jeder Angriff und jede Diffamierung nach jeder Seite soll verboten, nur die positiv herausgearbei= tete Parole soll erlaubt sein, sie allein soll in Verfammlungen und Presse ihre Zugfraft beweisen! Das ergäbe die Befriedigung, Ruhe und Sicherheit, die Sie und wir wünschen.
Eine interessante Anregung. Gingen die Regierungstommission und die Abstimmungsfommission darauf ein, so mürde das bedeuten, daß die Zeitungen an der Saar so gut mie feine Rede der Herren Hitler , Len, Goebbels , Göring .
Der Völkerbundsrat möge zweds Wiederaufnahme eines normalen Kreditverkehrs beschließen, daß das augenblid: liche Währungs- und Wirtschaftssystem im Saargebiet noch einige Monate, unabhängig von dem Ausfall der Abstim
mung, in Kraft bleibe. Im Falle eines solchen Beschlusses würden die furzfristigen Kreditlieferungen aus Frankreich wieder in normaler Weise laufen.
Wir begrüßen diesen Vorschlag des Präsi denten der Regierungsfommission und möchten mit Genugtuung feststellen, daß dieser Vorschlag genau dem entspricht, was wir vor einiger Zeit in den Spalten der Deutschen Freiheit" zur Sicherung der jaarländischen Wirtschaft in einer Polemik gegen Savelfouls und Genossen verlangt haben.
Bürcel und gleichwertiger Herren mehr abdrucken dürften und die Verbreitung deutscher Rundfunksendungen an der Saar verboten werden müßte. Anders kann es das Blatt gar nicht gemeint haben, den unmöglich wird es verlangen, daß die Marristen sich von den erwähnten Herren als Halunken, Schuite, Lumpen, Landesverräter, gekaufte Franzosenfnechfe, Untermenschen und ähnlich diffamierend be= schimpfen lassen sallen, ohne daß sie sich wehren dürfen.
Oder dachte sich das Blatt, daß„ Angriffe" auf das„ dritte Reich" gar nicht notwendig sind, weil es durch legalisierten Massenmord und legalisierten Massenraub, durch Hungerfurs und Volfsbetrug sich selber hinreichend diffamiert??
Ein dringend notwendiger Prozeß
Der Chefredakteur der„ Saarbrüder Zeitung" bemängelt im Zusammenhange mit der Verurteilung des Bürgermei sters von Homburg dies:
Das Kreistagausschußmitglied Pis hat vor Monaten in einer Kreistagsißung laut gerufen ,, Hitler ist ein Mörder". Herrn Pitz ist bisher nichts geschehen. An die Einzelheiten und Umstände wollen wir hier erinnern.
In der Tat auch wir bedauern, daß gegen den Sozialdemokraten Pizz„ nichts geschehen ist". Wir wünschen dringend, daß jetzt noch etwas geschieht. Wenn sich die Staatsanwälte im Saargebiet aus eigenem nicht zu einer Anklageerhebung ent= schließen, sollte der„ Führer" und Reichskanzler Hitler persönlich Strafantrag gegen Biz stellen. Er vergibt sich nichts. Sein allerdings kleinerer Vorgänger Bismarck hat massenhaft Beleidigungsflagen angestrengt.
Uebrigens haben wir Herrn Hellbrück persönlich vor einiund ger Zeit beleidigend attakiert in derselben Sache ihn aufgefordert, für seinen erhabenen„ Führer" in die Schranken zu treten. Leider hat er sich vorsichtig zurückgezogen.
Wir müssen schon sagen: Es ist wirklich unerhört, daß gegen Herrn Piß nichts geschehen ist und nichts geschieht.
Wir verlangen, daß dieser Pizz sofort unter Anflage gestellt wird, damit vor der ganzen Welt nachgewiesen werden kann, daß der Herr Adolf Hitler selbstverständlich kein Mörder ist.
,, DEUTSCHE FREIHEIT“
Der 13. Januar
Von Bertold Brecht
Von der Maas bis an die Memel da läuft ein Stacheldraht, dahinter kämpft und blutet jetzt das Proletariaf.
Haltet die Saar , Genossen, Genossen, halfef die Saar .
Dann werden das Blaff wir wenden ab 13. Januar.
Das Bayern und das Sachsen , das haben uns Räuber besetzt und Württemberg und Baden auch sind fürchterlich verletzt.
Haltet die Saar , Genossen... In Preußen steht General Göring , der Thyssen räubert am Rhein , in Hessen und in Thüringen setzten sie Statthalter ein.
Haltet die Saar , Genossen Die uns das große Deutschland zerfleischten ganz und gar, jetzt strecken sie die Hände aus, nach unserer kleinen Saar .
Haltet die Saar , Genossen Da werden sie sich rennen, an der Saar die Köpfe ein,
das Deutschland , das wir wollen, muß ein anderes Deutschland sein.
Dann werden das Blaff wir wenden ab 13. Januar.
( Nachdruck erbeten)
Katholische Priesier im Saargebiet Neue Erklärungen
der Bischöfe von Trier und Speyer .
In der gleichgeschalteten Preise wird folgende Mitteilung veröffentlicht:
Wir sehen uns veranlaßt, im Interesse einer gedeihlichen Seelsorge für alle katholischen Saarländer , im Interesse des Friedens in den Gemeinden sowie im Hinblick auf die kommende Wertung des Abstimmungsergebnisses folgendes an verfügen:
Alle Geistlichen der Diözesen Trier und Spener werden angewiesen, im Geiste des Reichsfonkordats fich jeden öffent: lichen Auftretens in politischen Versammlungen im Saar : gebiet zu enthalten. Auch auf der Kanzel und in der fatholisch- firchlichen Vereinstätigkeit ist die gleiche Zurüdhaltung beboten.
Diese Anweisung gilt auch für alle fremden, im Saargebiet fich aufhaltenden Priester.
Die Priester sollen es vermeiden, auf der Stanzel politische Zeitungen, Zeitschriften oder Bücher zu empfehlen.
Was ihre Mitarbeit an Zeitungen oder Zeitschriften angeht, so bedarf es der Genehmigung ihres Ordinarius( can. 1386,§ 1).
Was wir durch diese Anweisung vermeiden wollen und müssen, ist die Hineintragung der Politik in die Kirche und Seelsorge. Unsere Anweisung berührt nicht die fittliche Pflicht der Liebe zum angestammten Volkstum und der Treue zum Vaterland. Diese Liebe und Treue sind vielmehr nach fatholischer Lehre sittliche Tugenden.
Die Priester wie auch die Laien mögen nicht vergessen, die ernste und wichtige Frage der Abstimmung im Geber und Opfer dem allgerechten und allgütigen Gott zu empfehlen. Trier und Spener , den 12. November 1934.
† Franz Rudolf , Bischof von Trier . † Ludwig, Bischof von Speyer .
Die Erklärung ist von außerordentlicher Wichtigs teit. Sie dokumentiert die Neutralität der katholischen Kirchenfürsten im Abstimmungskampf an der Saar . Die ,, Liebe zum angestammten Volkstum und die Treue zum Vaterland" bewegt, worüber die beiden Bischöfe hinreichend unterrichtet sind, auch die zahlreichen katholischen Anhänger des Status quo an der Saar . Ihre Stellungnahme gegen die Rückgliederung zum dritten Reich" entspringt gerade ihrer Liebe zu Volk und Vaterland.
Mit der Versammlungstätigkeit der katholischen Pfarrer Wilhelm, Arens und anderer für die„ braune Front" ist es jetzt zu Ende. Die Bischöfe von Trier und Speyer erblicken darin eine Neutralitätsverlegung. Mehr noch: Sie wenden sich auch gegen jede mittelbare oder unmittelbare Werbetätigkeit von der Kanzel und in katholischen Vereinsversammlungen.
Gleichzeitig wird den Gläubigen die Frage der Abstimmung in Gebet und Opfer" dem allgütigen Gott empfohlen. Gegen diese rein religiöse Mahnung wird fein Gläubiger an der Saar etwas einwenden können. Sie wird die Ans hänger des Status quo in ihrer Auffassung stärfen, daß ihre Saltung gegen Hitler ein Gebot thres religiösen und sittlichen Gewissens ist.