Deutsche   Stimmen Beilage zur Deutsɗfien Freifieit

Cervantes

Samstag, den 17. November 1934

Ereignisse und Geschichten

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Deutsche Rundschau

cuno Franks opne

Der ewige Nare- Zum neuen Buch Bruno Franks

Von Bruno Brandy

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Als junger Literat sitzt Miguel de Cervantes   in Madrid  herum, ehe er Diener bei einem Kardinal in Rom   wird. Man schreibt 1569. Die erste Frau, die er anbetet, ist eine berufsmäßige Dirne und er weiß es nicht. In Spanien  herrschen Inquisition  , Rassenkampf gegen Mauren   und Juden, Austreibung, Mord und Korruption- ihn aber lassen die Schandtaten der Türken nicht schlafen, er wird Soldat der allchristlichen Kriegsflotte, ficht in der See­schlacht bei Lepanto  , verliert die linke Hand, hat die große Empfehlung seines Heerführers in der Tasche- da, auf der Heimfahrt, überfallen Korsaren sein Schiffchen. Drei Jahre liegt er im Räuberstaat Algier   als Sklave fest. Einige Fluchtversuche scheitern. Täglich muß er die Martern der anderen Gefangenen mit durchleiden. Als endlich Lösegeld für ihn bezahlt wird, kehrt er in die Heimat zurück: arm, verschuldet, gerädert, aber noch immer hoffend, seinen feurigen Sinn für Spanien   einsetzen zu können. Der könig­liche Hof sendet ihn mit einer Botschaft nach Oran  , Cer­ vantes   sieht sich schon als Kommandeur einer Flotte, um dem Halbmond ganz Nordafrika   zu entreißen aber er war nur einmal königlicher Briefträger. Als er von Oran  zurückkehrt, kennt man ihn in Madrid   nicht mehr. Er hungert, dichtet, schreibt Theaterstücke, die nichts ein­bringen. Nimmt eine Frau sozusagen von der Schänke weg, lebt mit ihr sie läßt ihn mit einem Kinde sitzen. Das Kind muß eine Mutter haben, er heiratet eine im Dorf der Mancha, das große Mädchen Catalina, das kindische Ritter­bücher liest. Von Cervantes   bunten, erlebten Geschichten ist sie enttäuscht. Was sind schon seine Taten bei Lepanto  , seine furchtbaren Erlebnisse in Algier  , seine verwegenen Fluchtversuche was sind diese Abenteuer gegen die herr­lichen Taten der Wunderprinzen mit feurigem Schwert, gegen Palmaranths Kampf mit den fünfzehn dreiäugigen Riesen?! Verzweifelt geht er auf und davon, nimmt das verhaẞteste Amt an, das es gibt: wird Steuereintreiber. Auf einem Maultier da ein Bein und dort ein Bein durchzieht er Spanien  , verlernt das Denken, verlernt das Hoffen; ein dicker Gastwirt, ehemaliger Schauspieler, wird sein Freund, sein Sancho Pansa. Einmal requiriert Cer­vantes allerhand Kirchengut, wird von der Kanzel herab verflucht und verfemt. Man will ihm an den Kragen.

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Wozu gibts die Judenverfolgungen und die Einheits­kammer"? Da jedoch die Cervantes   zum Kleinadel gehören, so erledigt sich die Blutprobe, aber die Kirche bringt ihn um seine Stellung als Gerichtsvollzieher. Er ärgert die Reaktion, schreibt satyrische Liedchen auf die Niederlage der spanischen   Flotte an der englischen   Küste, läßt eine dramatische Groteske gegen die Rasse- Narrheit über die Bretter gehen soviel Freiheit gab es selbst im Spanien  der Inquisition und singt mit seinem Sancho Pansa: Rasserein, rasserein

Will heut jeder Esel sein.

Man macht ihm den Prozeß wegen irgendwelcher Fehl­beträge von ehedem und schmeißt ihn in Schuldhaft. Ver­wahrlostes Volk sitzt im Kerker von Sevilla   umher, ab­

gründig und verrückt, wie die ganze Zeit. Hoffnungslos, müde, vorzeitig gealtert, hockt Cervantes   vor der bauchigen Flasche, die ihm sein dicker Freund ins Gefängnis gebracht, sieht sich entsetzt im Spiegel: Kinn- und Schnurrbart grau, lange Falten neben der Nase, in den Augen noch Leben, aber das übrige hager, eckig, krummnasig. So zeichnet er sich auf dem amtlichen Maultier des Staates, den Amtsstab des Gerichtsvollziehers unterm Arm; aus dem Tier wird eine dürre Rosinante und magere Beine baumeln lang über die Rippen des Kleppers. Don Quixotes Urbild entsteht.

Diese Schicksalsgeschichte eines großen Dichters, der das Reich des Lebens und der Freiheit sucht, hat Bruno Frank   in seinem Roman Cervantes  "( Querido- Ver­lag) eingefangen. Grandios und tragikomisch ist dieses Stück Leben, in dem sich der Abstieg einer ganzen Nation und ihre Verdrängung von der Weltherrschaft spiegelt. Düster, blutig und heiß durchstöbert erscheint diese Ver­mischung von mittelalterlichem Barbarismus und spa­nischem Getriebe. Der Dichter Bruno Frank   hat Stil und Form für seinen Stoff gefunden; flirrender, rotierender Nebel, aus dem sich die ewig gültige Gestalt des unsterb­lichen Träumers und blindwütigen Idealisten zutage ringt.

( Feuilleton Dirn- nlied 2)

ob zuA

Fünf Jahre Zuchthaus  , Zehn Jahre Zuchthaus, Fünfzehn Jahre Zuchthaus  . Lebenslänglich Zuchthaus,

Kopf ab, Kopf ab, wed aus stan

Kopf ab, Kopf ab: Halali!!!

Noch sind wi: entfernt vom grauen Ende Weit im Felde liegt die Weltenwende. Zittert, Ihr Marxisten und Ihr Juden! Der grünbespannte Tisch ist unser Lasterbett. Der Richtplats ist noch immer unser Tanzparkett, ch schwenke meinen Rock im Kreis der Luden. Mein Liebster unter ihnen ist der Staatsanwalt. Der krümmt den krümmsten Paragrafen mit Gewal Und sichert unser Heil

Mit Gitter und Beil.

Manchmal träume ich, das Gitter bricht entzwei! Mir ist nicht wohl dabei...

Der Rote Hans.

Erfolge des Sowjet- Theaters

Cervantes, sein Ueberschwang und seine Enttäuschungen, Erfolge

hunderttausend Catalinas mit ihren Büchern voll Hirn. gespinsten, dieses Volk, edlem Unsinn, ,, legtem törichtem das alles Nachhall großer Vergangenheit nachjagend"

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fließt in eins zusammen. Als er im Kerker vor Elenden jenes Kapitel vorliest, in dem Don Quixote   gemeine Prügel bezieht, von jenen gefangenen armen Sündern, die er von ihren Schergen befreite, da hält sich dieses Auditorium wiehernd den Bauch. Verzweifelt blickt Cervantes   ins Leere, dreifach spiegelt sich plötzlich sein Ritter von der traurigen Gestalt. Würde man das Buch je Würde man hinter seinem irrenden Hidalgo den Geist Spaniens   sehen, der großmütig blind hinter Gewesenem her war, während ringsum die Welt zu neuer Wirklichkeit aufwachte"?

erkennen?

Inzwischen ist der ewige Narr in vielen Völkern erkannt worden. Auch bei Frank wächst seine Gestalt von selbst über die Ränder des Buches hinaus. Denn Don Quixote  ist überall, ist der blinde Träumer und bei manchen Völ­

kern eine Gefahr ohne Ende. Sie harren des Großen, jagen Gewesenem oder Fantastisch- Unmöglichem nach, die Sancho Pansa trotten mit dem Schnappsack nebenher, halb aus Gewinnsucht und halb aus dumpfer Verehrung für den Geist, für die Glorie der Illusion. Die Beutemacher ge­sellen sich hinzu, die, Quacksalber und Scharlatane. Speku­lative Demagogen und kalte Streber nähren die Illusionen, an denen sie recht gut schmarogen, spielen Märchenprinzen und Messiase je nach Bedarf, Geschäftemacher liefern die Kanonen und Konserven, die Stiefel und Monturen Don Quixote   kann in die Schlacht ziehen. Das edle und lächerliche Haupt in den Wolken, die Wirklichkeit nicht schauend, wird er immer wieder Prügel beziehen und die Welt wird immer wieder über ihn lachen, indes sie ihn noch öfter beweinen könnte.

Die Spiegelberge

Wetzsteine statt Brot

Im ,, dritten Reich" hat wieder das, Winterhilfswerk" begonnen. Zunächst mit Streichmusik und Festreden, in die man, dem Charakter des Regimes entsprechend, auch einige Drohungen einfließen läßt. In Dresden   z. B. hat in der Eröffnungsfeier des Winterhilfswerkes der Kreisleiter Walter sich scharf gegen jene" gewandt, die etwa glaubten, daß der gegenwärtige Staat nur ein Uebergangs­staat sei; man fürchtet wohl einen zu raschen Ablauf der tausend Jahre, von denen der Volkswitz sagt: Na, die werden nun bald um sein!" Aber auch Geständnisse unter­laufen dabei. Als zweiter Redner sprach der Kreisamts­leiter Spiegelberg, welcher Name bekanntlich schon in Schillers ,, Räubern" vorkommt. Dieser Spiegelberg  fühlte sich genötigt, zu sagen: Der vergangene Eintopf­sonntag habe leider wieder gezeigt, daß man in den Stadt­vierteln, wo schöne Häuser mit prächtigen Gärten stehen, vielfach an verschlossene Türen geklopft habe, während die Ortsgruppen, in deren Bezirken einfache Menschen woh­nen, hohe Erträge erzielt hätten."

So wird es wohl wirklich sein. Schwerindustrielle Kreise und andere Nutznießer der Diktatur finanzieren zwar das Gewaltregime als brauchbaren Apparat zur Versklavung des deutschen   Volkes, zur Entrechtung der Arbeiterschaft. Es ist ein wunderbarer Apparat, in den man gern hundert­tausend Mark hineinsteckt, um Millionen an Rüstungsauf­trägen zu verdienen. Und für andere wieder wirkt es als wohltätige Versicherung der Unantastbarkeit des Groß­grundbesitzes. Er ist den Interessenten nützlich und dienst­bar und nimmt ihnen die unangenehme Arbeit ab, die Gegner totzuschlagen. Er hat jene Einigung" des Volkes herbeigeführt, die eine Einheit von Sklaven ist. Aber im übrigen ist den wohlhabenden Herrschaften die Not des Volkes wurscht und piepe.

Und so bleibt es auch fernerhin bei dem Wohltätigkeits­modus, des dritten Reiches", vor allem den Armen ein Scherflein abzupressen, um den Armen ein Scherflein zu geben. Man nötigt z. B., wie es in einem uns bekannten Falle geschehen ist, eine Frau, deren Mann als chemaliger

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sozialdemokratischer Funktionär und als Opfer des Re­gimes in der Schutshaft gestorben" ist und die nun ihr und ihrer Kinder Leben von Almosen fristet, durch unauf­hörliche Behelligungen dazu, gewissermaßen als Sühne­leistung für die Sünden ihres Mannes ,,, auch das ihre" für die Winterhilfe herzugeben, nur damit sie endlich ihre Ruhe hat. Und für dieses Scherflein einer bekehrten Witwe" bekommt dann eine andere arme Frau als Bei­hilfe aus der Winterhilfsspende einen- Wetstein fürs Küchenmesser und ein Freibillett zu einem religiösen Vortrag. So ist es wirklich und wahrhaftig in Dresden   geschehen: ein Wetstein und ein Freibillett das ist der ganze Segen, den diese Frau in der vorigen Winterhilfsaison erhalten hat, und es geht ihr seitdem wesentlich besser; sie hat jetzt nämlich etwas, wo­rüber sie lachen kann. Das tut sie jedesmal, wenn sie den Wegstein zur Hand nimmt. So gewinnt auch sie Kraft durch Freude  ". Und als sie in der Zeitung die Rede des Herrn Kreisamtsleiters las, wunderte sie sich nur, daß er so anzüglich von den Herrschaften in den schönen Häusern mit prächtigen Gärten gesprochen hat, denn sie war bisher der Meinung, daß doch nun alle Klassenfeindlichkeit aus­gerottet ei und daß im endlich geeinten Volk jeder mit seinem Los glücklich und zufrieden sei, der eine mit seinem prächtigen Garten, der andere mit seinem geschenkten Wetzstein.

Eine Sorge aber ist jetzt von ihrem Herzen genommen. Sie weiß jetzt, daß es nur an den Herrschaften in den schönen Häusern liegt, wenn aus der Winterhilfe nichts mehr zu haben ist. Bisher fürchtete sie nämlich, daß ihr Wetstein zusammenhänge mit Unterschlagungen, wie sie in Dresden   z. B. von den braunen Pg.'s Bastien, Preißler, Klein, Brock, Anger, Berger, Strobach, Lamperter, Koch, Irmer, Student, Helbig, Hassel, Müller, Braun und anderen begangen worden sind. Aber das sind je schließlich Baga­tellen; der Pg. Hilsky in Freital   bei Dresden   beispiels­weise hat sich mit der Unterschlagung von nur 30 000 Mark Winterhilfsgeldern begnügt. Die paar Kröten würden gar keine Rolle spielen, wenn die wohlhabenden Herr­schaften nur mehr geben wollten. Dann hätte die Frau Manfred, sogar zwei Wetsteine bekommen können.

Von W. Kirpotin

Die Verbindung mit dem Kampf der Arbeiterklasse, der Dienst am sozialistischen Aufbau eröffnen dem Sowjet­theater und der Sowjetdramatik nie geahnte Entwicklungs­möglichkeiten.

Vor der Revolution gab es in Rußland 250 ständige Theater( 1915-1916). Heute zählt man in der UdSSR  . 560 Berufstheater, also mehr als das Doppelte ihrer Zahl vor der Revolution, und 4687 Klubtheater. 1913 hatte das zaristische Rußland 8000 Schauspieler( davon 1000 arbeits­lose), und augenblicklich arbeiten in der UdSSR  . 20 500 Schauspieler, 1500 Regisseure und 5500 andere künst­lerische Mitarbeiter.

Vor der Revolution existierten in Rußland   zirka 30 Theaterschulen, während jetzt 168 Theaterlehranstalten mit 26 000 Lernenden funktionieren, von denen 65 Prozent Arbeiter sind.

Die Sowjetdramatik nimmt bereits eine vorherrschende Stellung auf der Sowjetbühne ein. Nach den Spielplänen der Moskauer Theater wurden im Laufe eines Monats aufge­führt:

Jahr Klassische

Uebersetzungen und andere 146

IT

Stücke

1922 1923 1924

49

89

58

1928

56

134

1933

99

96

96

74

Ausschließlich Sowjetstücke

2

15

96

140

248

Die Bühnen der Berufstheater in der RSFSR  . brachten 1933 16 012 Aufführungen, davon 9096 Sowjetstücke, 4414 klassische Stücke und 1402 Uebersetzungen und andere.

Angefangen etwa von 1924 geht im Spielplan unserer Theater ein Umschwung zugunsten der Sowjetdramatik vor sich Im Jahr 1933 machen die Sowjetstücke weit mehr als die Hälfte des gesamten Spielplans aus.

,, Die Rote Zeitung"

Aufbruch der Nation

Und moralische Reinigung

Die Frankfurter   Polizei ruft auf zum Kampf gegen die Sittlichkeitsverbrecher, ,, deren Treiben immer größeren Umfang annimmt". Sie berichtet von Männern, die Frauen und schulpflichtige Mädchen be­lästigen. Sie treten in den verschiedensten Masken als Polizeibeamte, Lehrer, Schulärzte auf, um die Kinder an einsame Orte zu verlocken und sich dort an ihnen zu ver­gehen. Die Bevölkerung wird aufgefordert, den Kampf gegen diese Burschen durch eigenes Eingreifen zu unter­stützen.

So sieht die sittliche Neugeburt des deutschen Volkes in Wirklichkeit aus. Kein Wunder. Wenn in den Konzentra

tionslagern und braunen Häusern die gemeinsten Sittlich­

keitsverbrechen straflos verübt werden dürfen, wenn Aus­würflinge jeder Art in Beamten- und Polizeiposten auf­gerückt sind, wenn List und rohe Gewalt zum Ideal der Jugend gestempelt werden, dann kann es auch an solchen Ausschreitungen nicht fehlen. Und die Arbeit der Polizei wird immer halbe Arbeit bleiben, solange sie es nicht wagen darf, gegen die Sittlichkeitsverbrecher vorzugehen, die an höchsten Stellen sigen oder die mit schrankenloser Gewalt gegen Wehrlose ausgestattet sind. Das dritte Reich" wird sich von ihm nicht befreien können. Erst mit seiner Be­seitigung, wenn dem deutschen   Volk wieder echte Ideale geboten werden, wird auch mit dieser Krankheit aufgeräumt werden.

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Verfasser unbekannt"

In einem bayrischen Schullesebuch fin ,, Die Loreley", Verfasser unbekannt. Sie stehlen aber nach dem Rasseprinzip!

Immer autark!

..Der Wald ernährte die Familien.. machte die Knaben zu Männern, die sich überall bewährten, und die Mädchen zu Müttern."