Pau fake
Nr. 266-2. Jahrgang
Fretheil
Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands
Saarbrücken, Donnerstag, 29. November 1934 Chefredakteur: M. Braun
Die Saar
Deutschlands Schicksal
Seite 3
Finanzierung
dec Arbeitsbeschaffung
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Berlin , 28. November 1934. Die Stadt ist erfüllt von Gerüchten und Mutmaßungen über die inneren Kämpfe, die in den zivilen und militärischen Spigen des Regimes sich abipielen. Die allgemeine politische Atmosphäre läßt sich nur mit der Spannung nach der befannten oppositionellen Rede von Papens in Marburg vergleichen. Alles spricht wieder von dem Herannahen einer Militärdiftatur, die endgültig die Macht der SA. und der SS. und die lofale Tyrannei der kleineren braunen Bonzen brechen soll. Die Einzelaktionen örtlicher Demagogen gegen irgendwelche mißliebige Bürger, denen man irgendein ,, unsoziales" Verhalten anhängt, verstimmen die Staatsbürotratie und die Polizeierefutive, die in letzter Zeit häufig ohne jede gesetzliche Grundlage Verhaftungen vornehmen mußte. Leitende Beamte haben den Reichsinnenminister Dr. Frick als einen alten Verwaltungsfachmann und andere aus der Verwaltung hervorgegangene führende Nationalsozialisten auf die wachsende Mißstimmung und Beunruhigung der Erefutive, insbesondere auch der Polizei, aufmerksam gemacht, die allmählich jeder Sicherheit des Vorgehens beraubt wird. Eine Folge dieser Vorstellungen ist die
Rede Fricks gegen die Auffassung„ Die Partei befiehlt dem Staat" und die Warnungen vor Einzelaktionen, die dennoch
überall im Lande fortgesetzt werden.
Allen Dementis zum Trotz steht ferner fest, daß Generale der Reichswehr , die mit der kritiklosen Haltung des noch immer fränflichen Reichswehrministers von Blomberg unzufrieden sind, bei Hitler gedrängt haben, die wilden Demagogen im Lande an den Zügel zu nehmen und außerdem für eine außenpolitische Entspannung zu sorgen. Die Reichswehr weiß, was sie an Hitler und vielleicht noch mehr an Göring hat, da diese die politischen Voraussetzungen der Aufrüstung geschaffen haben, aber sie fürchtet für die innere Geschlossenheit der Truppe, wenn die Politisierung des Mannschaftsersatzes in dem bisherigen Maße fortschreitet, zumal ihr sehr wohl befannt ist, daß water den aus der SA. und der SS. zur Ausbildung einrückenden Mann schaften auch frühere Sozialdemokraten und Kommunisten sich befinden, die innerlich keineswegs Nationalsozialisten find.
Die Reichswehrgeneralität ist deshalb schon seit längerer Zeit gegen die nationalsozialistischen Schulungskurse im Seer eingetreten, die zu häufigen Diskussionen in der Truppe geführt haben. Die Kurse werden gegen den hef: tigen Widerspruch des Reichspropagandaministers Dr. Goebbels abgeschafft, der überhaupt allmählich von Nieder: lage zu Niederlage geht und seinem Gegner General Göring zu erliegen scheint.
Eine lebhafte Aktivität entfaltet der Reichsführer der SS. und Chef der Gestapo Himmler , der in beiden Eigenschaften die Verringerung seines Einflusses fürchtet. Er und der Chef des Stabes der SA. Lutze halten im Lande Führerbesprechungen und machten sich gegenüber ihren Unterführern dafür starf, daß seine S. ihre bisherige Bedeutung behalten
werde.
Die Reichswehr sei die einzige Waffenträgerin zur Ver teidigung des Landes, die SS. aber müsse Waffenträgerin zur Verteidigung der nationalsozialistischen Revolution bleiben.
Sorge um die außenpolitische Spannung
außenpolitischer und innenpolitischer Veränderungen im
„ dritten Reich" gesprochen, als es jest aktive Reichswehr Eisige Stimmung
offiziere zur Durchbrechung des Mißtrauens von außen Weder Kraft noch Freude in lezter Zeit gesellschaftlich getan haben.
Hinzu kommt, daß ernste Militärs über das Tempo und das Ziel der deutschen Ausrüstung wesentlich anderer Meinung sind als einflußreiche Kreise der NSDAP., die auch die wirtschaftlichen Möglichkeiten Deutschlands stark unterschätzen. Man spricht nur eine Tatsache aus, wenn man hinzufügt: es gibt mehr als einen Reichswehrgeneral, der gerade im Interesse Deutschlands begrüßen würde, wenn von außen her- an Warnungen aus London hat es in den letzten Monaten nicht gefehlt durch politische Einwirkun gen das den Frieden gefährdende Tempo der deutschen Aufrüstung gezügelt und der Wiederanschluß an den Völkerbund vorbereitet würde.
Für Nazi- Demagogen ist das zwar„ Landesverrat", aber es ist die aus deutschen Sorgen entspringende Gesinnung vernünftiger Reichswehroffiziere, die Reaktionäre sind, aber immerhin keine Verrückten,
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Die englische Demarche Gegen die deutsche Aufrüstung
London , 28. November. Der deutsche Sonderbeauftragte für Abrüstungsfragen, von Ribbentrop, ist mit dem Flugzeug nach Berlin zurückgereist. Er wird dem„ Führer" nur berichten können, daß die englische Regierung und das englische Wolf tief beunruhigt sind über die deutsche Aufrüstung und Herr von Ribbentrop weder Erflärungen abgeben noch Vorschläge unterbreiten konnte, die zur Beruhigung hätten beitragen können. Seine Anregungen, Deutschlands Aufrüstung in bestimmten Grenzen zu legalisieren und ihm so den Wiedereintritt in den Völkerbund zu ermöglichen, ist in London nicht auf Verständnis gestoßen.
Ribbentrope Miẞerfolg geht deutlich daraus hervor, daß die Regierung gerade den Tag seiner Abreise gewählt hat, um gleichzeitig durch Sir John Simon gegenüber dem deutschen Botschafter von Hoesch und durch den britischen Botschafter in Berlin Sir Eric Phipps gegenüber dem deutschen Außenminister Dr. Neurath in höf= licher Form, aber mit ernstem Nachdruckt die englische Unruhe über die deutsche Ausrüstung vor allem im Flugwesen, zur Kenntnis& 11 bringen. Der deutschen Regierung ist auf diesem doppelten Wege zugleich mitgeteilt worden, daß die britische Regie: rung im Unterhaus auf eine Anfrage Churchills ihre Auffassung über die deutschen Rüstungen dem britischen Volle und der Welt fund tun werde.
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Der englische Schritt beweist, daß England, seitdem es den Umfang der deutschen Luftrüstungen erfannt hat, die deut schen nun nicht mehr zu verheimlichenden Verstöße gegen die Rüstungsbestimmungen des Versailler Vertrages ebenso ernst nimmt wie Frankreich und die in Berlin bis vor kurzem genährten Illusionen, daß England milder urteilen werde, preisgegeben werden müssen.
Dieses Recht wird ihr aber nicht nur von der Reichswehr , sondern auch von führenden nationalsozialistischen Berwal Benesch und das Ratspräsidium tungsmännern bestritten, die den nationalsozialistischen Staat und sich selbst lieber dem Schuße der Reichswehr und der Schup o anvertraut wissen wollen.
Die größte unmittelbare Besorgnis erwecken bei der Reichswehrgeneralität die außenpolitischen Folgen der Ausrüstung. Diese Herren wollen zwar höchste militärische Rüstung Deutschlands , aber ebenso sehr möglichst die Vermeidung des Krieges, über dessen ungewissen Ausgang auch bei höchster militärischer und technischer Leistungsfähigkeit Deutschlands sie sich sehr wohl klar sind. Im vollen Einklang mit der jetzigen Auffassung Hitlers wollen sie die militärische Schlagkraft Deutschlands dazu benutzen, um das Reich als wichtigen Macht- und Bündnisfaktor in die Weltpolitik einzugliedern. Zu diesem Ziele muß jede Störung von außen vermieden werden.
Eigentlich könnten Hitler und Himmler schon wieder einige Reichswehrgenerale erschießen lassen, denn bestimmt haben Schleicher und Bredow seltener und weniger intim mit ausländischen Politikern über die Notwendigkeit gewiffer
Der Vertreter Ungarns in Genf , Tibor von Edart, hat dem Generalsekretär des Völkerbundes Avenol eine Note überreicht, in der gefordert wird, daß bei der außer ordentlichen Ratstagung, die sich mit der Frage des Marseiller Attentats beschäftigen wird, der tschechoslowakische Außenminister Benesch nicht den Vorsitz führen dürfte. Diese Forderung wird damit begründet, daß sich Benesch der jugoslawischen Anklagenote vom 23. November ebenso wie der rumänische Außenminister vollinhaltlich angeschlossen hat.
Auf Grund dieser ungarischen Forderung hat Benesch den Generalsekretär wissen lassen, daß, wenn der Rat die Frage des Marseiller Attentats auf die Tagesordnung der außerordentlichen Ratssizung setzen sollte, er, Benesch, für die Dauer der Behandlung dieser rage auf den Boriis perzichten würde
Am Dienstagabend hatten wir Gelegenheit, die Berichte nachzufontrollieren, die unser Berliner Korrespondent seit Wochen über die eisige Stimmung der Massen gegenüber den nationalsozialistischen Führern feststellt. Wir hörten am Radio die Uebertragung der Jubiläums= feter von Kraft durch Freude " in der MontageHalle des Siemenswerks zu Berlin . Wie der Ansager mitteilte, war an äußerer Aufmachung alles geschehen, um die Massen in Stimmung zu bringen, aber von dieser Stim mung war dann wirklich nicht das geringste zu merken. Neben den Arbeitern waren SA. und SS., NSBO. und BO., Reichswehr und Arbeitsdienst vertreten, und mindestens aus diesen Gruppen hätten die nationalsozialistischen Führer die freudige Zustimmung erlangen müssen, die sie erwarteten, aber die Versammlung blieb fühl und luftlos. Die im Radio deutlich spürbaren Versuche der Bonzokratie, bei dem Eintritt der Herren Goebbels , Heß und Ley Volksjubel zu markieren, schlugen fläglich fehl. Die Be grüßung war matt. Die Rede von Goebbels ließ die Versammlung vollkommen falt. Kein Buruf, fein Bravo, erst recht kein Händeflatschen, nur am Schlusse der obligate, aber recht dünne Beifall. Rudolf Heß hatte etwas mehr Glück, weil er auf den Gedanken fam, einige Säße gegen den Krieg einzuflechten. Da rührten sich natürlich die Hände der Arbeiter, denn von Aufrüstung und Strieg wollen sie nichts wissen. Das Aufflackern der Stimmung sank aber sofort wieder in sich zusammen, und der Vortrag ens ließ auch nicht ein Fünfchen von Wärme in der Versammlung übrig. Es war besonders kennzeich nend, daß an feiner Stelle irgend einer der Reden auch nur die leiseste Zustimmung laut wurde, wenn über die angeblichen Erfolge des Regimes im allgemeinen und von „ Kraft durch Freude " im besonderen fantastert wurde. Da fanden die Redner bei keinem Arbeiter Glauben. Jämmerlich war die musikalische und gesangliche Umrahmung der Feier. Es wurde eine mißtönige Kirmesmusik verübt, deren sich jede Dorffapelle schämen müßte. Gesang- und Sprechchöre traten auf, die in den Zeiten der marristischen Arbeiterbewegung in jedem entlegenen Winfel des Reichs bessere Schulung gezeigt hätten. Und dieser- wählen wir ein deutlicheres Wort- dieser Mist wurde in der Reichshauptstadt Arbeitern geboten, die zum großen Teil sich genau erinnern, welch hohe fünstlerische Kultur die Chöre der Arbeiterbewegung erreicht hatten.
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Die Entente Paris- Moskau
Paris, 28. November.
A. Sch. Die jüngste Debatte in der Kammer und vor allem die historische Rede des Berichterstatters des militä rischen Ausschusses, des radikalen Abgeordneten Archimbaud, haben die sowjetrussisch- französischen Beziehungen wieder in den Vordergrund der europäischen Politik ge stellt. Archimbaud hat diese Beziehungen in ihrer gegen wärtigen Phase mit dem Wort„ Entente" bezeichnet, das französisch einen weitergehenden, umfassenderen Sinn hat, als die deutsche Verständigung". Diese Entente be zieht sich auf die Garantie der gegenseitigen militärischen Unterstützung. Archimbaud scheute sich nicht davor, den militärischen Wert dieser Entente näher zu bestimmen: er beurteilte die Kriegsluftflotte der Sowjetunion als die erste der Welt, die Rote Armee als mächtig, ausgezeichnet equipiert, technisch hervorragend ausgerüstet.
Die Entente Paris- Moskau wird indessen auch eine ausgebaute politische Basis haben. Sie ist heute realer, als das auf dem Papier sehr enge polnisch- französische Bündnis und enger als die lose anglo- französische Entente. Die sowjetrussisch- französische Entente ist das zentrale und entscheidende Mittel der französischen Sicherheitspolitik, an Intensität kann sie nur mit jener Verbindung verglichen werden, die Frankreich und die Kleine Entente bindet. Die Entente Paris Moskau wird um so enger, je gespannter die Beziehungen zwischen Paris und Berlin einerseits, zwischen Berlin und Moskau andererseits werden.
Die Gerüchte von einer sowjetrussisch- deutschen EntSpannung, die in den lekten Wochen in Umgang gesetzt