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Nr. 271 2. Jahrgang

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Fretheil

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

Saarbrücken, Mittwoch, den 5. Dezember 1934 Chefredakteur: M. Braun

Barthous Sieg

Einigung durch Kapitulation Hitler Deutschlands auf dem Boden der Barthou'schen Denkschrift

In Rom ist eine Einigung im Dreierausschuß über die wirtschaftlichen Verpflichtungen Deutschlands im Falle der Rückgliederung erzielt worden. Sie sind in jeder Beziehung eine vollkommene Kapitulation vor den französischen Ent= schädigungsforderungen, wie sie in der sonst in der gleich­geschalteten Presse so gescholtenen Barthouschen Dentichrist niedergelegt sind. Zu den 900 Millionen französischen Fran­fen für die Saargruben, Eisenbahnen und Grenzbahnhöfe fommen noch eine Reihe Nebenbeträge, so daß eine Ge= samtsumme von 1 Milliarde Franken aufzu= bringen ist. Wie die Sicherungen und die Möglichkeiten der Exekutionen beschaffen sind, die sich Frankreich vorbehalten hat, geht aus der sumarischen offiziellen Mitteilung nicht hervor. Es ist nach den Erfahrungen, die Frankreich und die übrigen Gläubigerländer mit dem Zahlungswillen des drit­ten Reichs" gemacht haben, anzunehmen, daß diese Garantien kaum weniger schwer sein werden als die Schuldsummen.

Bisher hat die Reichsregierung uns durch ihre sogenann ten Sachverständigen, gestern noch durch Röchling , erzäh= len lassen, wie sehr die Saargruben durch die Franzosen heruntergewirtschaftet seien. Röchling hat sogar, wie er nur in sehr verlegenen Wendungen zu dementieren vermag, einem französischen Journalisten gesagt, man werde keinen Centime an Frankreich zahlen. Dann bot die Reichsregierung auf den ersten Sieb 600 Millionen Franken an und gab nach wenigen Tagen Verhandlungen noch 400 Millionen Franfen zu. Man sieht, wie sehr es dem Regime aus innerpolitischen Prestigegründen auf die Rückgliederung ankommt.

Nachgegeben hat die Reichsregierung auch in der Frage des Schußes der Nicht abstimmungsberechtig= ten, den sie erst fategorisch verweigert hat, Nun sind alle Saarländer , soweit sie drei Jahre im Saargebiet ansässig sind, unter die internationalen Schutzbestimmungen gestellt. Es fallen also die politischen Emigranten aus, von denen sich ohnehin niemand der Illusion hingegeben haben dürfte, daß man sie in einer internationalen Vereinbarung über die Saareinwohner diesen gleichstellen würde.

Wie der Völkerbund seine Schußverpflichtungen gegenüber den Saarländern für den Fall einer Rückgliederung wahr: nehmen will, wird man noch hören. Auszugehen bleibt hier von der Tatsache, daß einem Staat, der sich nach den häufigen Erklärungen seiner Führer außerhalb der in allen Kultur: staaten üblichen Rechtsbegriffe stellt, die freiwillige Er= füllung von internationalen Schußverpflichtungen nicht zu zutrauen ist.

Ueber die großen politischen Fragen enthält die Einigung von Rom nichts. Die Entscheidung über die Regie: rungsart bei einer Fortführung des Völkerbundsregimes und über die erweiterte Mitbestimmung der Saarländer , ferner über die Frage einer Rückkehr in das Reich, sobald dieses wieder zu einem modernen Rechtsstaat geworden sein wird, muß in den nächsten Tagen in Genf fallen. Nach den zweimaligen Erklärungen des französischen Außenministers Laval in der französischen Kammer beharrt er auch in den politischen Fragen auf dem Standpunkt Barthous: demokra tische Rechte für die Saareinwohner und feine Behinderung

eines späteren Rückgliederungswillens durch Frankreich , Es ist nicht anzunehmen, daß der Völkerbund hinter diesen An­geboten Frankreichs an die Selbstbestimmung der Saar­ länder zurückbleiben wird.

Das allein aber hat für den Abstimmungskampf, der mit höchster Spannung und Erbitterung im Saargebiet geführt wird, Bedeutung und nicht die Wirtschaftskonvention, die für den Fall der Rückgliederung vereinbart worden ist. Die Saarländer wollen eine Rechtsordnung, die ihnen im Gegen satz zu der im dritten Reiche" herrschenden Unterdrückung durch eine Parteicliqne die Freiheiten europäischer Staats: bürger gewährt. Und sie wollen in Genf das Zugeständnis, daß ihnen der Weg in ein befreites Deutschland offen steht. Diese Erklärung in irgendwelcher Form ist nüglich, obwohl ohnehin feststeht, daß niemand und nichts in der Welt die in ihrem ganzen Denken und Fühlen deutschen Saarländer an der vollen Vereinigung mit Deutschland hindern kann, wenn es nach der Säuberung des Reichs die in einem nationalen Willen geeinte Saarbevölkerung will.

Die Presse Hitlers an der Saar sucht die vollständige Unterwerfung unter die wirtschaftlichen Forderungen Frant reichs der mit Ernüchterung auf die Entschädigungsmilliarde blickenden deutschen Front" dadurch zu mildern, daß sie so tut, als sei in Rom die Rückgliederung als gesichert ange: nommen worden. Das ist natürlich eine grobe Täuschung. Von den drei im Friedensvertrag vorge: sehenen Lösungen der Saarfrage kommen praktisch nur der Status quo und die Rückkehr in das Reich in Frage. Aber nur dieser letzte Fall wirft die Fragen der wirtschaftlichen Auseinandersetzung zwischen Deutschland und in Frankreich auf, über die jetzt in Rom eine Einigung erzielt worden ist. Ob sie wirksam zu werden braucht, hängt also allein von der Entscheidung der Saarbevölkerung am 13. Januar ab,

Die aber erhebt sich immer mehr gegen Hitler und für ein freies Deutschland . Welch eine Wandlung ist innerhalb weniger Monate eingetreten. Erst stand die Sozialdemokratie mit ihrer Forderung Nie zu Sitter!" allein. Dann ver: cinigten sich Sozialdemokraten und Kommunisten zu einer saarpolitischen Einheitsfront, die das ganze Gebiet bis ins letzte Dorf gegen die Rückgliederung in Bewegung setzt. Noch aber konnte man behaupten, es seien nur Marristen gegen die Rückgliederung. Geistliche, die sich gegen die Hitler: barbarei aussprachen, wurden diffamiert. Nun aber ist auch die christliche Front mit zahlreichen Priestern und vielen tausenden Laien aufgerichtet. So wird die Massenbewegung für die Freiheit der Saar gegen das undeutsche und un= christliche dritte Reich" immer breiter und entschlossener. In Rom und in Genf fallen die internationalen Entscheidungen, wie sie durch das internationale Saarstatut aufgeworfen werden.

Im Saargebiet fällt die nationale Entscheidung, die lauten muß und lauten wird:

Die Fortsetzung

des Kitchenkrieges

Seite 2

Das größere Sulzbach

Seite 3

Pacis

übec Ribbentrops Bittgang

Das Urteil

Seite 4

gegen die SAP- Genossen

Reichstagsbrandstifter!

Seite 7

Paris , den 4. Dezember 1934. Der schwedische sozialdemokratische Abgeordnete Bran ting hat jüngst angekündigt, daß, er im Besize von Dokumenten ist, die das Geheimnis des Reichstagsbrandes flären sollen. Ein Dokument, das zweifellos aus diesem Material stammt, veröffentlicht heute das Journal". Obergruppenführer Eruft selbst, der am 30. Juni auf Be fehl Hitlers und Görings ermordet worden ist und dessen Ermordung dann Hitler für rechtens" erklären ließ, schil= dert den Hergang des Reichstagsbrandes.

" Journal" gibt im Falfimile die Unterschrift von Ernst wieder, der in seinem Geständnis erklärt, er habe mit seinen beiden Unterführern Fiedler und Mohrenschild den Reichstag angezündet, Ernst sagt, Göring , Goebbels , Röhm , Heines, Killinger sowie Hanfstengl und Sander hätten von dem Plan gewußt. Hitler habe erst nachträg= lich Kenntnis von der Brandstiftung erhalten.

Wir werden morgen den Wortlaut des Ernstschen Doku­ments veröffentlichen. Es wird zweifellos dementiert werden, aber wer in der Welt wird den für die Reichs­tagsbrandstiftung Verantwortlichen glauben?

Die NSDAP . brauchte den Reichstagsbrand, um große Teile des deutschen Volkes mit der Gefahr eines bol­schemistischen Aufstandes zu schrecken und um einen An­laß nicht nur zum Verbot der Kommunistischen Partei, son­dern auch zur Unterdrückung der Sozialdemokratie zu finden. Die ganze sogenannte Legalität der jezigen Reichsregierung, ihre nationale" Reichstagsmehrheit, ihre Ermächtigungsgesetze, die Annullierung der kommu­ nistischen und später der sozialdemokratischen Mandate, die Ausweitung der Kanzlerschaft Hitlers zu seiner Dik­tatur und schließlich seine Gelbsterhöhung zum Staats­oberhaupt, das ganze neue deutsche Staats­recht beruht auf der politischen gewalt­tätigen Auswertung eines kriminellen Schwerverbrechens, der Jnbrandsetzung

des Reichstagsgebäudes.

Jn dem Dokument des Brandstifters Ernst wird be­hauptet, Hitler habe später erfahren, wie der Reichstag angezündet worden ist. Ob das zutrifft oder nicht, ist gleichgültig. Es genügt schon eine unterdurchschnittliche politische Intelligenz, um zu begreifen, daß nicht die Kom­munisten, sondern die Nationalsozialisten Nutznießer der Reichstagsbrandstiftung waren. Auch Hitler muß das so­fort in jener Brandnacht eingesehen haben.

Daß Göring von der Brandstiftung schon vorher gewußt haben muß, ist sicher, denn sonst hätten die Verbrecher nicht aus seinem Palais in den Reichstag gelangen können Er hat in dem Leipziger Prozeß nicht einen, son­dern mehrere Meineide geschworen. Wir haben das seinerzeit genau nachgewiesen. Das Ernstsche Dokument setzt nur den Schlußstrich unter diese Beweisführung.

In genauer Kenntnis der Vorgänge beim Reichstags­brand hat Göring zahllose Marristen, Republikaner, Pazi­fisten in jenen Tagen nach der Brandstiftung einsperren lassen. Diese Opfer sind gefoltert, ermordet, auf der Flucht" erschossen worden. Dimitroff und seine bul­garischen Freunde und Torgler wurden unter Anklage gestellt, obwohl kein urteilsfähiger Mensch an ihrer Un­schuld zweifelte. Sie wurden von den Schergen der wirk­lichen Brandstifter in Ketten gelegt. Noch heute ist der vor fast zwölf Monaten freigesprochene Torgler nicht frei­gelassen. Noch heute sitzen die Thälmann , Mierendorff, Schumacher, Ossiezky, Küster und viele hundert andere,

Gegen die Diktatur des dritten Reiches", die unter der Terroraktion nach dem Reichstagsbrand für Deutschlands Freiheit!

sich....

Deutschland verpflichtet sich

Die Unterwerfung un er die französischen Wirtschaftsforderungen

Rom , den 4. Dezember. Ueber die Einigung des Dreierausschusses zur Saarfrage wurde eine Mitteilung gegeben, in der es u. a. heißt: Am Dienstag wird der Dreierausschuß in Genf zusam­mentreten, um den Bericht zu verfassen, der dem für den 5. Dezember einberufenen Völkerbundsrat vorzulegen ist. Baron Aloisi danfte, indem er die Arbeiten in Rom schloß, im Namen des Ausschusses den französischen und deutschen Vertretern und Sachverständigen und insbesondere dem finanziellen Unterausschuß des Völkerbundes für die tatkräftige Mitarbeit.

Obwohl über den Inhalt des Abkommens, bevor der endgültige Bericht des Dreierausschusses dem Völkerbunds­rat nicht vorliegt, nichts Abschließendes gesagt wer­den kann, werden durch die offiziellen Nachrichten- Agenturen Einzelheiten über das Abfommen bekanntgegeben. Danach ist die deutsche Reichsregierung verpflichtet, im Falle einer Rückgliederung 150 Millionen Reichsmart in französischen

Franken, d. h. 900 Millionen Franken für die Ablösung der Ansprüche des französischen Staates( Saargruben und Stich­bahnen) an Frankreich zu zahlen.

Außerdem wird Frankreich die zinsfreie Ausbeutung der Warndtgruben, die aus Schächten erfolgt, die auf franzö= sischem Gebiet liegen, zugestanden. Die Ausbeutung wird auf fünf Jahre beschränkt und darf eine bestimmte Förde­rungsmenge( durchschnittlich 2,2 Millionen Tonnen Kohle) nicht überschreiten.

Ferner hat sich Deutschland verpflichtet, alle Grubenschäden zu bezahlen, für die Frankreich rechtlich verantwortlich wäre, die aber erst nach der Volfsabstimmung bzw. nach einer eventuellen Rückgliederung festgestellt werden könnten. Ein Teil der deutschen Schuld muß sofort bezahlt werden, der Rest in furz aufeinander folgenden Raten nach den vorgesehenen Modalitäten. Bestimmungen und Garan= tien sind ebenfalls festgelegt.

widerrechtlich eingekerkert worden sind, in den Gefäng­nissen und in den Konzentrationslagern.

Am 30. Juni hat man sich der Hauptmitwisser Ernst, Röhm und ähnlicher Spießgesellen durch Mord entledigt. Die Wahrheit aber lebt, und sie wird vordringen, bis die Verbrecher entlarvt vor aller Welt stehen.

nicht Gegenstand einer deutsch - französischen Vereinbarung sein; ihre Lösung wird in Form von Empfehlungen des Dreierausschusses an den Völkerbund gekleidet sein. Die wichtigsten Fragen, über die bereits eine Lösung ver­einbart wurde, sind:

1. Persönliche Garantien: Deutschland , das die Garantie, die der Ratsbeschluß vom 4. Juni vorgesehen hat, nur auf die Abstimmenden beschränken wollte, hat einge= willigt, sie auch auf die Nicht abstimmenden auszu= dehnen unter der Bedingung, daß die betreffenden Per­sonen am Tage der Abstimmung drei Jahre im Saa r= gebiet ansässig sind;

2. Sozialversicherungen: Die Interessenten be= halten ihre Rechte, die sie während des jetzigen Re­gimes erworben haben.

3. Außerdem ist vorgesehen, daß Bewohner des Saargebie­tes während der Dauer eines Jahres ungehindert und ohne Beeinträchtigung ihres Beißes und Vermögens quss

Was die politischen Fragen betrifft, so können sie wandern können.