Nr. 278 2. Jahrgang

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Fretheil

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

Saarbrücken, Donnerstag, 13. Dezember 1934 Chefredakteur: M. Braun

Bérengers Vechandlungen mit Mussolini  

Seite 2

Abstimmungskommission gegen

die deutsche   Rundfunk­propaganda

Seite 3

Bayrisches Allerlei

Seite 4

Der Siegburger

Zuchthausprozeß

Seite 7

Göring und der Reichstagsbrand

Unsere Antwort auf eine Rede des Preußischen Ministerpräsidenten

Der preußische Ministerpräsident Göring   hielt

am Dienstag in Berlin   auf einem diplomatischen

Empfang des Außenpolitischen   Amts der NSDAP  . eine Rede über die kommunistische Gefahr. Er erklärte, daß Deutschland   den Kommunismus den Formen entsprechend bekämpfen müsse, wie er in Deutschland   auffrefe. Das Aus­land sei außzerstande, das zu beurteilen und habe da­bei nicht mitzureden. Jetzt werde überall das angeb­liche Testament des ehemaligen Gruppenführers Ernst verbreitet. Er, der Ministerpräsident, halte sich für zu schade, um sich gegen diesen Schmutz zu wehren. Deutschland   habe den einzig richtigen Weg eingeschlagen, um die Gefahr des Kommunismus zu überwinden, und werde in seiner Bekämpfung mit den ihm angemessenen Methoden weiter fortfahren. Es ist interessant, aus der fläglichen Verteidigung des Ministerpräsidenten zu erfahren, daß die Dokumente feines ermordeten Exfreundes und Mifreichstagsbrandstifters Ernst auch im Reiche schon weit verbreitet sind. Unsere illegalen Freunde werden dafür sorgen, daß sie möglichst jeder Deutsche zu Gesicht befommt.

Es geht hier nicht darum, was das Ausland zur Be­fämpfung der Kommunisten" in Deutschland   sagt, zu denen Leute wie Göring   auch die Sozialdemokraten rechnen, son­dern um die vielen gemeinen und scheußlichen friminellen Verbrechen, die jeder unterrichtete und zivilisierte Mensch auf dem ganzen Erdenrund den regierenden Männern in Deutschland   vorwirft.

Eben erst hat der angesehene sozialdemokratische Senator / Branting in Schweden   öffentlich aufgefordert, der am Reichstagsbrand beteiligte, angeblich noch lebende A.- Mann Fiedler möge ihn verflagen, damit Branting   feststellen fönne, ob es sich überhaupt um den echten Fiedler handle. Die Klage wird nie erfolgen.

In unseren Spalten. wie in dem bekannten Braunbuch", ist dem Göring nachgewiesen worden, daß er als gemein­gefährlicher Morphinist in einer schwedischen Frrenanstalt interniert war. Er hat nicht geflagt und wird nicht klagen, denn die Beweise liegen vor.

Wir haben Göring Meineide   im Reichstagsbrand­prozeß nicht nur nachgesagt, sondern nachgewiesen. Heute wieder beschuldigen wir ihn im Einklang mit der Ueber­zeugung von Millionen von Menschen in aller Welt der Mit­urheberschaft am Reichstagsbrand.

Unsere Zeitung erscheint nicht im fernen Auslande, son­dern in einem deutschen   Gebiete mit, meist gleichgeschalteten deutschen   Richtern. Noch wäre Zeit, daß Preußens mächtigster Mann uns vor dem 13. Januar in einem Gerichtssaale des Saargebietes vor der ganzen Welt eine furchtbare Nieder­Tage beibrächte. Er braucht nur die Klage gegen uns einzu­reichen und der Wahrheit, die er nach seinen Beteuerungen nicht zu fürchten hat, zum Siege zu verhelfen.

Was aber taten bisher die Herren in Berlin  ? Sie wichen jeder Ben eisführung aus und forderten unser Verbot! Das ist nicht die Art von Mutigen und Aufrechten, sondern die Taktif von Machthabern, die die Wahrheit zu scheuen haben.

Die Dokumente des Ernst

Giner der vielen vom Zanrgebiet, ein frimineller Gelb schrankknacker, hat im Auftrage amtlicher deutscher   Stellen schmierten. Subjekte im mit Nachichlüsseln Einbrüche unter erschwerenden Umständen verübt. Der deutsche Rundfunk läßt diesen Kriminellen wie­derholt sprechen. Die deutsche Presse veröffentlicht seine ,, Do­fumente" Nicht ein einziges davon trägt eine Unterschrift; sie fönnen von jedem beliebigen Fälscher und jeder beliebigen Schreibmaschine hergestellt sein.

Görings Gestapo   gekauften und ge­

Anders steht es mit den Dokumenten des Ernst, des auf

Befehl Görings durch Mord beiseite geschafften Mitwissers

und Mittäters an der Reichstagsbrandstiftung. Die Doku­mente sind unterzeichnet, wie man hier sieht:

Führer tun. Aber der Gedane ist unerträglich, dass die SA von denen verraten wird, die sie sur Macht getragen hat. Ion claube zuversichtlion. dass der Führer die dunklen Nachenschaften en die 84 zunichte machen wird. Ich schreibe dieses Dokument zu teireo senutz geen die Prane von Goring   and wobbel. Ich werde es verrichten, wenn die Verrater den grendon Lolin empfangen,

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Vergebliche Jagd der Gestapo  

Die Geheime Staatspolizei   wußte von der Existenz dieses Dokuments. Sie hat die größten Anstrengungen gemacht, es in die Hände zu bekommen. Viele untere SA.- Führer der Umgebung Ernsts wurden stundenlangen Verhören unter­worfen, weil die Gestapo   annahm, daß sie das Versteck dieser Erklärung fannten. Dr. Sad, im Reichstagsbrandprozeß Verteidiger Torglers, könnte davon erzählen, wie ein solches Verhör aussieht. Er wurde von der Gestapo   verdächtigt, daß das Dokument von ihm aufbewahrt würde. Er galt als guter Freund Ernsts. Dr. Sack wurde nach dem 30. Juni in Haft genommen, tagelang verhört, ins Konzentrationslager Lich­ tenburg   gebracht, und nach ungefähr einem Monat freige­lassen, nachdem sich die Gestapo   davon überzeugt hatte, daß er von Ernsts Erklärung tatsächlich nichts wußte.

Das Dokument Ernst s ist der Punkt auf Ein hoher nationalsozialistischer Offizier schildert den Hergang der Reichstagsbrandstiftung und lüftet den leẞ= ten Zipfel des Geheimnisses, das um dieses abscheuliche Ver­brechen gelegt war. Vom Reichstagsbrand zum 30. Juni führt eine gerade Linie. Durch Mord und Verbrechen hat der Na­tionalsozialismus sich den Weg zur Macht gebahnt, durch Provokation und Verbrechen hat er sich zur einzigen legalen Partei Deutschlands   gemacht, durch Mord und Verbrechen entledigt sich die nationalsozialistische Führung derjenigen, die ihrer im Interesse des Finanzkapitals, der Schwer­industrie, der Junker und der Reichswehr   geführten Politit unbequem sind. Am Anfang war der Mord, und Mord be­gleitet sie auf ihrem Wege,

Weißbuch über den 30. Juni

Die neue beweiskräftige Dokumentensammlung

Im Verlag Editions du Carrefour, Paris  , er: scheint in Kürze ein Weißbuch über die Erschießungen des 30. Juni 1934" dar. Dokumente aus diesem Buch, wie das von dem erschossenen Berliner SA.- Führer Karl Ernst  verfaßte und unterschriebene Eingeständnis der Be= teiligung am Reichstagsbrand, Dokumente wie der Brief von Ernst an den ebenfalls erschossenen Breslauer SA­Führer Heines, rnd wie daa Blanbuch der Reichswehr­generäle, das nach dem 30 Juni Hindenburg   übergeben wurde, haben in der gesamten Weltpresse ein ungeheures Echo gefunden. Diese Dokumente stellen für den Kampf gegen die Hitler- Dittatur außerordentlich wichtige Waffen dar.

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In seiner sachlichen Beschränkung auf die-teils foto: grafische Wiedergabe von Dokumenten und von Augen­zeugenberichten ist das Buch von eindringlichster Wirkung, vor allem auf jene Kreise, die bisher den wahren Charakter der Hitlerdiktatur in Deutschland   nicht erkannt haben. Der in diesem Buch zum erstenmal geführte Nachweis über die Zusammenhänge zwischen dem 30. Juni und dem blutigen Butschversuch in Desterreich hat ebenfalls nicht nur den Wert einer rückschauenden. historischen Betrachtung, son: dern ist wie das gesamte Buch von ärßerster Aktualität vor allem für die heute an der Saar   zur Debatte stehenden Fragen.

( Fortsetzung fiehe nächste Seite!)

Rudolf Heß   ausgeladen! Eine kalte Dusche aus Paris  

( Von unserm Korrespondenten)

Paris  , 12. Dezember. Sturz vor seiner Abreise nach Paris   empfing Rudolf Heß  , der Stellvertreter des Führers, aus Paris   die Nachricht, daß Verhandlungen zwischen ihm und der französischen   Res gierung vor der Saarabstimmung taum einen 3wed hätten. Man muß wissen, daß Seß bereits an diesem Donnerstag vom Ministerpräsidenten Flandin   und vom Außenminister Laval empfangen werden sollte.

Die Ausladung" von Hitlers   erstem Mitarbeiter ist nicht direkt durch das französische Auswärtige Amt erfolgt. Man hat vielmehr in Paris   den Vertretern der rechtsstehenden Kriegsteilnehmerverbände, die das Techtelmechtel mit Hitlerdeutschland in der letzten Zeit ein wenig zu weit ges trieben hatten, ohne daß man am Quai d'Orsai besondere Freude daran hatte, deutlich zu verstehen gegeben, daß der französische   Außenminister gegenwärtig mit anderen übers aus wichtigen Fragen beschäftigt lei: mit der Bildung einer franzöfifch- italienischen Entente, so daß man augenblicklich faum für Hitlers   Abgesandten die nötige Zeit aufbringen fönne. Das wurde in letzter Stunde nach Berlin   gemeldet. Daher kommt nun der plötzliche Verzicht von Rudolf Heß  . Tatsächlich schreiten die Verhandlungen mit Italien   nach der zwischen Jugoilawien und Ungarn   in Genf   erzielten Einigung sehr erfolgreich fort,

Senator Berengers telefonischer Bericht aus Rom   hat dies neuerlich bestätigt. Man ist sich hier darüber klar, daß nach Abschluß einer Entente mit Italien   die ganze französisch­deutsche Frage ein neues Geficht bekommen und Frankreichs  Stellung bei den Verhandlungen mit Deutschland   wesentlich stärker sein würde. Außerdem will man durch Sonder: verhandlungen mit Deutschland   nicht Italiens   Mißtrauen wecken.

Ferner will man aber Deutschland   Gelegenheit geben, erst einmal bei der Saarabstimmung seinen guten Willen zu zeigen, indem es sich an die internationalen Ver: einbarungen hält und die im Versailler Vertrag vorgesehenen Möglichkeiten respektiert, die sich ja erst nach dem Plebiszit am 13. Januar auswirken werden.

Ueber die von franzöfifcher Seite zu befolgende Taktik herrscht im übrigen zwischen der Regierung und den Fronta fämpferverbänden restlose Uebereinstim= mung. Die franzöfifchen Kriegsteilnehmerverbände waren von deutscher   Seite für Ende Dezember nach Berlin   einge= laden worden. Sie haben jegt abgelehnt und haben Berlin   wissen lassen, daß sie der Einladung vor dem 13. Januar feine Folge letsien fönnten.

Bekanntlich waren es einzelne bisher zur politischen Rechten gehörende chemalige französische   Frontkämpfer, die mit Hitler und Herrn von Ribbentrop Verhandlungen ge= führt haben. Jetzt hat nun der Exekutivausschuß der ( in ma c es handelt sich um die größte internationale Organisation ehemaliger Kriegsteilnehmer

in einer Entschließung

gegen die von unberufener Seite unternommenen Versuche, die deutsch  - französische Verständigung durch inoffi= zielle Unterhaltungen zu fördern, Stellung genommen. Die Erklärung der Giamac besagt u. a.:

Die der Glamac angeschlossenen französischen   Ver bände, mehr als 1 500 000 ehemalige Kriegsteilnehmer oder Kriegsopfer, haben seit langem die Ueberzeugung von der Notwendigkeit einer französisch- deutschen Annäherung, in der sie den Hauptfaktor für die allgemeine Befriedung sehen. Sie bedanern jedoch, die sett langem von französischer Seite ins Werk gelegte Improvifiationen, die nicht beauf­tragte und unberufene Persönlichkeiten unternommen haben."

Es heißt dann am Schluß, daß die der Ciama angehören den französischen   Frontkämpfer zu dieser Verständigung immer bereit seien, sich aber nicht von Lerten, die den Krieg nicht mitgemacht hätten, belehren ließen. Die französischen  Frontkämpfer hoffen ernent, daß das deutsche Bolt und namentlich die ehemaligen deutschen   Frontsoldaten sich wieder in den internationalen Stroms kreis einschalten werden zum sichtbaren Zeichen ihres Friedenswillens und der Bereitschaft zur Zusammena arbeit mit den andern Völkern,