Pariser Straßenbildchen
Im ,, Journal" schildert Clément Vautel eine Pariser Straßenszene, die wir unseren Lesern nicht vorenthalten möchten:
,, Neulich sprach mich in der Avenue de la Muette eine Art junger Landstreicher an mit der Bitte:„ Verzeihung, mein Herr. haben Sie vielleicht eine Zigarette für mich?" Während ich nun mein Zigarettenpaket aus meiner Tasche hole, es öffne, eine Zigarette herausnehme, fängt der Bursche an zu stöhnen:: ,, Ich weiß weder aus noch ein... Seit sechs Monaten ohne Arbeit... Könnten Sie mir nicht etwas gehen? Was, ist gleiégültig... Ich bin hungrig!"
Kurz und gut, ich gebe ihm seine Zigarette und einen Franken. Er geht weiter, und instinktiv folge ich ihm mit den Blicken. Zwanzig Schritte weiter spricht er einen Vorübergehenden an, und ich sehe, wie dieser ein Paket Zigaretten aus seiner Tasche zieht. Einen Augenblick später( ,, Ich weiß weder aus noch ein" usw.) bekommt der ,, Arbeitslose" mit der Vorwandzigarette" ein Geldstück. Der„ Coup" mag oft gelingen: am Ende des Tages hat der ,, Hungernde" reichlich zu rauchen, zu essen und zu trinken."
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..Ein wirklicher Arbeitsloser," so schildert Vautel, geht auch in begründeter Verzweiflung einem solchen Gewerbe nicht nach. Man sollte die Straßen von solchen Subjekten erlösen."
Association des Journalistes allemands émigrés
Am Montag, dem 17. Dezember, abends 9 Uhr, findet im Saal des Büros der Fédération Internationale des Journalistes, 2 rue Montpensier, Paris ( Palais Royail), die Mitgliederversammlung des Verbandes Deutscher Journalisten in der Emigration statt. Tagesordnung: 1. Bericht über Verhandlungen mit der Fédération Internationale des Journalistes wegen Aufnahme des Verbandes, 2. Statutenänderungen, 3. Kassenbericht, 4. Vorstandswahl, 5. Verschiedenes.
Paris , 11. Dez.( 3TA.) Oberst Alfred Dreyfus , der Held der berühmten Dreyfus- Affäre um die Jahrhundertwende, hat sich vor einigen Tagen einer Operation unterziehen müssen. Die Aerzte erklären, daß der Patient, der 75 Jahre alt ist, außer Gefahr ist.
BRIEFKASTEN
A. M., Graubünden . Sie schreiben uns:„ Liebe Genossen des Saarlandes, auch hoch oben in den Schweizerbergen, 2000 Meter über dem Meere, schlagen Herzen mit und für Euch in diesen Tagen! Diese Tage, in welchen Ihr, Genossen, so viel für die ganze Welt bedeutet. Daß Ihr stark und tapfer sein werdet, des sind wir gewiß! Wir sind, wenn auch räumlich weit weg von Euch, im Herzen ganz bei Euch und heben unsere Fäuste mit einem tausendfachen: Freiheit!"
,, Auf den Tag." Wir erhielten aus Mitteldeutschland von Betriebsarbeitern einen Bericht der u. a. erzählt: In verschiedenen Betriebsversammlungen, die aus Unsicherheitsgründen sehr selten angesetzt werden, erlebte die Zeitung eine unverkennbare Demonstration. Bei dem Arbeitsfrontlied Brüder in Zechen und Gruben" singen die Arbeiter meist leise und mehr murmelnd den alten Tert: „ Brüder, zur Sonne, zur Freiheit." Doch wenn in der vierten Strophe im jetzigen Tert die Stelle kommt:„ Doch bald kommt der Tag der Rache," schwillt der Gesang stark und deutlich an. Da in der nächsten Strophe ein Bekenntnis zu Hitler kommt, wird es wieder sehr leise, so daß eigentlich die eine Stelle mit dem drohenden Satz für die Zukunft aus dem ganzen Gesang hervorgehoben bleibt." T. A., Brüssel . Wir erfahren durch Sie: Die von einem Teil der belgischen Presse in letzter Zeit gegen den jüdischen Finanzminister Gutt getriebene Heßfampagne hat die Behörden zu energischen Gegenmaßnahmen veranlaßt. In der Druckerei der nationalsozialistischen Zeitung Renovation" wurde von der Staatspolizei eine Revision vorgenommen und hierbei die Gesamtauflage während des Drucks beschlagnahmt. Gleichzeitig wurden die übrigen Blätter unter Androhung scharfer Maßnahmen aufgefordert, Angriffe gegen den Minister wegen seiner Zugehörigkeit zum Judentum zu unterlassen." Belgien scheint ganz unter die Diktatur der Weisen von Zion geraten zu sein.
Fröhliche Pfalz ." Einem Privatbrief an Sie entnehmen wir:„ In Ludwigshafen wurden bis jetzt verteilt, ein 3entner Kohlen und ein Zentner Kartoffeln. Jm vorigen Jahr waren es um diese Zeit schon 10 Zentner Kohlen und je nach der Kinderzahl 3 bis 5 Zentner Kartoffeln, dann noch etwas Mehl, Nudeln und Fleisch. Die Empörung unter den Wohlfahrtsempfängern ist sehr groß, es wurden schon öfters Hungerrufe ausgestoßen und die Kritik hebt besonders hervor, es sei vom letzten Winterhilfswerk noch feine Abrechnung bekannt geworden, die Kartoffeln würden zu Propagandazwecken verschoben in das Saargebiet und die Kartoffeln seien von den Bauern nur gespendet worden, weil sie ihnen zu schlecht erschienen, um die Säue damit zu füttern."
F. F., Amsterdam . Sie beurteilen den„ Tag der nationalen Solidarität" so:
,, Du armes Volf, Du tust mir leid, Den letzten Pfennig halt' bereit:
Die Oberbonzen selbst geh'n sammeln
Euch auszupressen, Ihr g'scheerten Rammeln!" Lorraine- Paris. Vielen Dank für das lebhafte Interesse an unserer Buchhandlung. Zur Zeit mußten wir einem anderen Buch provagandistisch beistehen. Wir werden aber in der allernächsten Reit Ihre Idee verwenden. Erhalten Sie uns Ihr Interesse.
Emigranten in Amsterdam . Die Zuschrift ehrt euch! Immerhin bollen wir diese Gründung nicht überschäzen. lleberschwenglichkeiten liegen uns nicht. Arbeiten wir. Das allein hilft. Nichts für ungut. Freiheit!
An mehrere. Auch die Liste der von Hitler zugegebenen 77 Gr schießungen am 30. Juni ist bisher nicht veröffentlicht worden. Daß in Wahrheit mindestens 1184 Gegner und Freunde des Regimes dem 30. Juni zum Opfer fielen, ist zuerst von der„ Deutschen Freiheit" mitgeteilt worden. Ueber das Schicksal des seit dem 30. Juni verschollenen Rechtsanwalts Dr. 2ütgebrüne war bisher nichts Authentisches zu erfahren. Neuerdings wird berichtet, er sei geistes gestört. Lütgebrüne zählte neben dem jetzt abgesägten Reichs justiz kommissar Dr. Frank zu den führenden Juristen des„ dritten Reiches". Er hat fast sämtliche Prozesse der NSDAP . als Verteidiger mitgemacht und zur obersten SA.- Führung gehört. Der greise, aber rüstige Mann wurde am 30. Juni verhaftet und in ein Konzentra tionslager gebracht. Alle seine früheren Opfer für die Partei zertannen in ein Nichts. Man wollte von ihm wissen, woher der er schonene Stabschef Röhm die zwölf Millionen hatte, die, wie zunächst verlautbart wurde, aus Sammelgeldern für die SA. stammen sollten. Offenbar reichte die gegebene Erklärung nicht aus, und Lütgebrüne wurde eingehend verhört. Man konnte jedoch aus ihm nichts herausholen. Nun soll er in eine Nervenheilanstalt übergeführt worden sein.
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